S 34 AS 1334/06 ER

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
34
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 34 AS 1334/06 ER
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Bei einer Betriebskostenabrechnung stellt eine Nachzahlung im Zeitpunkt ihrer Geltendmachung durch den Vermieter gegenwärtigen Bedarf im Sinne von § 22 Abs. 1 SGB II dar. Wenn der Leistungsempfänger jedoch im Verzug mit der Begleichung der Nachzahlung ist, ist der gegenwärtige Bedarf beendet und es handelt sich um Schulden im Sinne von § 22 Abs. 5 SGB II.
2. Dass der Vermieter noch keine Räumungsklage erhoben hat, steht der drohenden Wohnungslosigkeit nicht entgegen. Der Wortlaut des Gesetzes verlangt lediglich die drohende Wohnungslosigkeit. Diese kann auch bestehen, wenn der Vermieter dazu berechtigt ist, jederzeit fristlos zu kündigen.
I. Die Antragsgegnerin zahlt der Antragstellerin 671,93 EUR darlehensweise für die Begleichung der Rechnung der R. HausverwaltungsGmbH vom 31.07.2006.
II. Die Antragstellerin zahlt das Darlehen in monatlichen Raten in Höhe von 34,50 EUR ab dem 01.10.2006 zurück. Solange die Antragstellerin Arbeitslosengeld II bezieht, geschieht dies durch Verrechnung mit den monatlichen Leistungen.
III. Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.
IV. Die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin tragen die Beteiligten je zur Hälfte.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt die Übernahme der Betriebskostenabrechnung für 2004 in Höhe von 814,43 EUR.

Die Antragstellerin bezieht seit dem 01.01.2005 mit Unterbrechungen Arbeitslosengeld II.

Mit Schreiben vom 21.07.2005 übersandte die R. HausverwaltungsGmbH der Antragstellerin eine Betriebskostenabrechnung für 2004. Dieser zufolge muss die Antragstellerin 814,43 EUR nachzahlen. Die R. HausverwaltungsGmbH setzte der Antragstellerin für die Nachzahlung eine Frist bis 31.08.2005.

Mit Schreiben vom 23.10.2005 beantragte die Antragstellerin die Übernahme der Betriebskostenabrechnung bei der Antragsgegnerin.

Mit Bescheid vom 19.11.2005 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag der Antragstellerin ab. Die Betriebskostennachzahlung für 2004 könne nicht übernommen werden. Sie habe die Leistung verspätet beantragt. Die Nachzahlung sei bereits zum 31.08.2005 gegenüber dem Vermieter fällig geworden. Sie habe den Antrag aber erst am 24.10.2005 gestellt.

Mit Schreiben vom 08.12.2005 legte die Antragstellerin Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid ein. Sie habe erst im September 2005 durch die Medien erfahren, dass eine Übernahme der Betriebsnebenkosten beantragt werden könne. Hätte sie bereits vorher davon gewusst, hätte sie den Antrag auch schon vor dem 31.08.2005 gestellt. Im Übrigen sei es ihr auf Grund ihrer finanziellen Situation nicht möglich, die Betriebsnebenkosten von ihren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu tragen.

Mit Schreiben vom 17.02.2006 teilte die R. HausverwaltungsGmbH der Antragstellerin mit, dass sie sich mit 1.218,23 EUR im Zahlungsverzug befinde. Sie wurde erneut aufgefordert, das Geld bis zum 04.03.2006 zu überweisen. Gleichzeitig wies die R. HausverwaltungsGmbH darauf hin, dass die gerichtliche Beitreibung der offenen Forderung veranlasst würde, wenn die Zahlung nicht fristgemäß erfolge.

Mit Schreiben vom 31.07.2006 teilte die R. HausverwaltungsGmbH der Antragstellerin mit, dass sie sich inzwischen mit 1.220,73 EUR im Zahlungsverzug befinde. Sie solle bis zum 14.08.2006 zahlen. Vorsorglich wies sie darauf hin, dass sie die Wohnung fristlos kündigen werde, wenn die Zahlung nicht fristgemäß erfolge.

Am 16.08.2006 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Übernahme der Betriebskostenabrechnung beantragt. Der Widerspruch vom 08.12.2005 sei noch immer nicht bearbeitet. Ihr drohe nun die Wohnungskündigung wegen Mietschulden.

Die Antragstellerin beantragt (sinngemäß),

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Betriebskostenabrechnung für 2004 zu übernehmen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17.08.2006 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch der Antragstellerin als unbegründet zurück. Gemäß § 22 Abs. 1 SGB II würden die Kosten der Unterkunft erbracht. Zu den Unterkunftskosten zähle auch die Nachzahlung aus einer Betriebskostenabrechnung. Diese könnten aber nur übernommen werden, wenn der Leistungsempfänger die Abrechnung vor dem vom Vermieter angegebenen Zahlungstermin vorlege. Denn nur bis zu diesem Termin handele es sich um unterkunftsbezogenen Bedarf. Nach Ablauf des Zahlungstermins handele es sich um Schulden. Schulden könnten nur gemäß § 22 Abs. 5 SGB II darlehensweise übernommen werden, wenn eine Räumungsklage anhängig sei. Dies sei im vorliegenden Fall nicht gegeben, so dass die Betriebskostennachzahlung weder als Unterkunftskosten übernommen noch wegen drohender Obdachlosigkeit darlehensweise erbracht werden könnte. Die Antragstellerin könne sich auch nicht darauf berufen, sie habe von der Möglichkeit der Übernahme nicht gewusst. Sie sei im Bescheid vom 22.12.2004 darüber belehrt worden, dass sie alle Änderungen in den für die Leistung erheblichen Verhältnissen unverzüglich melden müsse. Dies habe sie nicht getan.

In der Antragserwiderung wiederholte die Antragsgegnerin diese Ausführungen.

Auf entsprechende Anfrage des Gerichts teilte die R. HausverwaltungsGmbH mit Schreiben vom 07.09.2006 mit, dass die im Schreiben vom 31.07.2006 genannten 1.220,73 EUR sich aus 814,43 EUR Betriebskostenabrechnung 2004, 269,20 EUR Betriebskosten 2005 und 137,10 EUR Betriebskostenrückstand bis 07/2006 zusammensetzen. Der Betrag habe sich inzwischen auf 709,03 EUR reduziert. Eine Räumungsklage sei noch nicht erhoben. Man hoffe, dass es zu einer Begleichung des Rückstands ohne gerichtliche Schritte komme und die Mieterin die Wohnung ohne Räumungsklage im Falle der fristlosen Kündigung herausgebe. Einer Ratenzahlung würde im Hinblick auf die Höhe des Rückstandes und des Rückstandsgrundes nicht zugestimmt.

Das Gericht hat die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin mit der Nummer beigezogen und zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogene Akte, die Gerichtsakte und die gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

II.

Dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz war zum Teil stattzugeben, da er zulässig und zum Teil begründet ist. Im Übrigen war der Antrag abzuweisen.

Die Antragstellerin begehrt den Erlass einer einstweiligen Regelung. Das Gericht kann auf Antrag nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Neben dem Anordnungsgrund (Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet) setzt die Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz nach herrschender Meinung den Anordnungsanspruch (materiell-rechtlicher Anspruch auf die Leistung) voraus, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 8. Auflage, Rn. 26c zu § 86b). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System gegenseitiger Wechselbeziehung. Ist etwa die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an einen Anordnungsgrund (wie vor Rn. 29). Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden, wenn die grundrechtlichen Belange des Antragstellers berührt sind, weil sich die Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen müssen (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 ).

Alle Voraussetzungen des einstweiligen Rechtsschutzes sind - unter Beachtung der Grundsätze der objektiven Beweislast - glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -). Die richterliche Überzeugungsgewissheit in Bezug auf die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes erfordert insoweit eine lediglich überwiegende Wahrscheinlichkeit (Meyer-Ladewig, a. a. O., Rn. 16b).

Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht.

Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf darlehensweise Übernahme der noch nicht getilgten Betriebskosten für 2004 in Höhe von 671,93 EUR aus § 22 Abs. 5 SGB II.

Gemäß § 22 Abs. 5 SGB II können, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden, auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

Die Antragstellerin erhält Leistungen zur Unterkunft und Heizung.

Bei den Betriebskosten handelt es sich um Schulden im Sinne von § 22 Abs. 5 SGB II. Schulden im Sinne von § 22 Abs. 5 SGB II sind alle Schulden, die im Mietverhältnis gründen (Lang, SGB II-Kommentar, § 22 Rn. 101). Die Betriebskostennachzahlung für 2004 gründet im Mietverhältnis. In Abgrenzung zu § 22 Abs. 1 SGB II, wonach die Kosten für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht werden, soweit diese angemessen sind, gehört die Betriebskostennachzahlung im vorliegenden Fall jedoch nicht zu den Kosten für die Unterkunft.

Systematisch betrachtet regelt § 22 Abs. 1 SGB II den gegenwärtigen Unterkunftsbedarf, während § 22 Abs. 5 SGB II vergangenen Bedarf in Form von Mietschulden regelt. Dass die Betriebskostennachzahlung den Zeitraum 2004 also vor Leistungsbezug und einen vergangenen Zeitraum betrifft, ist für die Annahme eines gegenwärtigen Bedarfs unschädlich. Denn die Nebenkostenabrechnung, bei der im Nachhinein geprüft wird, ob die Vorauszahlungen den tatsächlichen Verbrauch decken, kann nur im Nachhinein erstellt werden. Erst bei der Abrechnung stellt sich heraus, ob der Leistungsempfänger nachzahlen muss oder ein Guthaben hat. Erst in diesem Augenblick wird gegebenenfalls eine Nachzahlungsforderung fällig. Diese gehört daher im Zeitpunkt ihrer Geltendmachung durch den Vermieter zum gegenwärtigen Bedarf. Spätestens, wenn der Leistungsempfänger jedoch im Verzug mit der Begleichung der Nachzahlung ist, ist der gegenwärtige Bedarf beendet. Dann handelt es sich nur noch um Mietschulden im Sinne des § 22 Abs. 5 SGB II. In Verzug kommt der Leistungsempfänger gemäß § 286 BGB bei Nichtzahlung trotz Fälligkeit und Mahnung, wobei er, wenn für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, auch ohne Mahnung in Verzug gerät. Hier wurde der Antragstellerin mit der Rechnung vom 21.07.2005 eine Frist zur Zahlung bis zum 31.08.2005 eingeräumt, so dass sie seit dem 01.09.2005 mit der Zahlung im Verzug ist. Dementsprechend gehörte die Betriebskostennachzahlung 2004 bis zum 31.08.2005 zu den Kosten der Unterkunft, die die Antragsgegnerin ihr auf rechtzeitigen Antrag hin erstattet hätte, während sie ab dem 01.09.2005 zu den Mietschulden gehört, für die es höchstens ein Darlehen gibt.

Nach summarischer Prüfung droht der Antragstellerin Wohnungslosigkeit für den Fall der nicht einmal darlehensweisen Gewährung des Geldes für die Begleichung der Betriebskostennachzahlung 2004.

Die R. HausverwaltungsGmbH ist nach summarischer Prüfung gemäß § 543 BGB zur fristlosen Kündigung berechtigt. Gemäß § 543 Abs. 1 S. 2 BGB liegt ein wichtiger Grund vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

Der wichtige Grund zur Kündigung ergibt sich im vorliegenden Fall zwar nicht aus § 543 Abs. 2 Nr. 3b BGB. Insofern folgt das Gericht dem Vortrag der Antragsgegnerin. Die Nachzahlung der Betriebskosten aufgrund einer Abrechnung gehört nicht zur Miete im Sinne der § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB (Palandt, BGB-Kommentar, § 543 Rn. 23). Aber die in § 543 Abs. 2 BGB genannten wichtigen Gründe sind nur Beispiele. Die Aufzählung ist nicht abschließend, wie aus dem Wort "insbesondere" hervorgeht. Der Zahlungsrückstand, der nicht § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB erfüllt, kann einen wichtigen Grund darstellen (Palandt, BGB-Kommentar, § 543 Rn. 36). In diesem Zusammenhang sind alle Umstände des Einzelfalls und die beiderseitigen Interessen abzuwägen, ob die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Hierbei wird man die bisherige Dauer des Mietverhältnisses, die bisherige Zahlungsmoral der Antragstellerin, die Gründe und die Höhe der ausstehenden Forderungen, die Wiederholungsgefahr, ein mögliches Verschulden der Antragstellerin und die Auswirkungen der Kündigung zu berücksichtigen haben.

Im vorliegenden Fall ist die Antragstellerin am 01.01.2004 in die Wohnung eingezogen. Ob die Antragstellerin 2004 Zahlungsrückstände hatte, ist nicht bekannt. Seit der Betriebskostenabrechnung für 2004 hat sie erhebliche Zahlungsrückstände. Die Betriebskostenabrechung für 2004 belief sich auf 814,43 EUR. Davon hat die Antragstellerin 142,50 EUR bezahlt. Inzwischen schuldet die Antragstellerin auch die Betriebskostennachzahlung für 2005 in Höhe von 835,41 EUR. Sogar hinsichtlich der Betriebskosten für 2006 befindet sich die Antragstellerin im Rückstand. Die Rückstände stammen folglich nicht nur aus einer Forderung, sondern sind fortlaufender Natur. Zudem erreichen sie eine erhebliche Höhe. Derzeit schuldet die Antragstellerin insgesamt ungefähr 1.507,34 EUR (814,43 EUR Betriebskostennachzahlung 2004 - 142,50 EUR Tilgung + 835,41 EUR Betriebskostennachzahlung 2005). Das ist fast das Vierfache der monatlichen Miete. Die Antragstellerin hatte mit der R. HausverwaltungsGmbH eine Ratenzahlungsvereinbarung geschlossen, die sie nicht erfüllt hat. Die R. HausverwaltungsGmbH hat die Antragstellerin in der Vergangenheit mehrfach ernsthaft aufgefordert, die Forderung zu begleichen. Dabei drohte sie der Antragstellerin die gerichtliche Beitreibung und schließlich die fristlose Kündigung an.

Nach Auffassung des Gerichts hat die R. HausverwaltungsGmbH damit alles getan, was von ihr erwartet werden kann (Ratenzahlungsvereinbarung, Mahnungen). Ein weiteres Entgegenkommen kann von ihr im Hinblick auf die erhebliche ausstehende Summe nicht verlangt werden. Ein weiteres Zuwarten würde nur noch weitere Rückstände produzieren. Vor dem Hintergrund, dass die in § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB genannten Beispiele vom Vorliegen des wichtigen Grundes ausgehen, wenn der Mieter die doppelte Miete der Höhe nach schuldet, wird man im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung aller Umstände und Abwägung aller Interesse auch bei einem Zahlungsrückstand, der keine Miete ist, in einer Höhe, die fast das Vierfache der Miete erreicht, von einem wichtigen Grund ausgehen müssen.

Dass die R. HausverwaltungsGmbH bisher noch keine Räumungsklage erhoben hat, steht der drohenden Wohnungslosigkeit nicht entgegen. Der Wortlaut des Gesetzes verlangt lediglich die drohende Wohnungslosigkeit. Diese kann auch bestehen, wenn der Vermieter dazu berechtigt ist, jederzeit fristlos zu kündigen. Es entspricht nicht dem Sinne der Sparsamkeit im Umgang mit Steuermitteln, wenn man auf die Erhebung der Räumungsklage abstellen wollte. Denn dann sind durch die Klageerhebung neue Kosten entstanden, die der Leistungsempfänger zu tragen hat. Diese müssten ihm dann über § 23 SGB III ebenfalls darlehensweise gewährt werden. Ein solches Vorgehen ist unsinnig und daher zu vermeiden.

Die darlehensweise Übernahme der Betriebskosten für 2004 ist gerechtfertigt und notwendig. Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, nicht über hinreichend Barmittel zu verfügen, die Forderung zu begleichen. Im Hinblick auf die im Raum stehende berechtigte fristlose Kündigung ist ein Darlehen gerechtfertigt und notwendig.

Die Antragstellerin hat nur einen Anspruch auf darlehensweise Übernahme der Betriebskosten für 2004 in Höhe von 671,93 EUR, weil sie die Forderung, wie die R. HausverwaltungsGmbH mitgeteilt hat, in Höhe von 142,50 EUR bereits getilgt hat. Hinsichtlich der weitergehenden Forderungen der R. HausverwaltungsGmbH im Schreiben vom 31.07.2006 hatte das Gericht nicht zu entscheiden. Die Antragstellerin hat, soweit ersichtlich, bei der Antragsgegnerin nur einen Antrag auf Übernahme der Betriebskosten für 2004 gestellt. Auch in ihrem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hat sie nur die Übernahme der Betriebskosten für 2004 begehrt.

Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf Übernahme der Betriebskostennachzahlung aus 2004 aus § 22 Abs. 1 SGB II ohne Rückzahlungsverpflichtung.

Wie oben bereits ausgeführt, handelt es sich bei der Betriebskostenabrechnung um Mietschulden im Sinne von § 22 Abs. 5 SGB II und nicht mehr um Kosten der Unterkunft im Sinne von § 22 Abs. 1 SGB II.

Die Antragstellerin hat auch keinen Anspruch darauf, so gestellt zu werden, als hätte sie den Antrag auf Übernahme der Betriebskosten für 2004 bereits vor Ablauf der Zahlungsfrist gestellt. Die Voraussetzungen für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch liegen nicht vor. Es fehlt an einer Beratungspflichtverletzung. Zwar wurde die Antragstellerin nicht von der Antragsgegnerin darüber informiert, dass sie die Übernahme von Betriebskostennachzahlungen beantragen kann, dies aber vor Ablauf der Zahlungsfrist tun muss, aber für eine Beratungspflichtverletzung bedarf es einer konkreten Nachfrage oder zumindest einer Situation, in der sich die Notwendigkeit der Beratung dem Beratungspflichtigen geradezu aufdrängen muss. Eine solche Situation wäre eingetreten, wenn die Antragstellerin mit den Schreiben der R. HausverwaltungsGmbH zur Antragsgegnerin gegangen wäre, um die Änderung ihrer Verhältnisse anzuzeigen. Dies aber hat die Antragstellerin erst im Oktober 2005 getan, obwohl sie in den vorangehenden Bewilligungsbescheiden darüber belehrt worden ist, dass sie alle Änderungen, die für die Leistung erheblich sind, unverzüglich anzuzeigen hat.

Auch der Anordnungsgrund ist glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin hat glaubhaft dargelegt und nachgewiesen, dass ihr durch das Zuwarten auf eine Entscheidung in der Hauptsache wesentliche Nachteile drohen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die R. HausverwaltungsGmbH der Antragstellerin in unmittelbarer Zukunft wegen der Zahlungsrückstände die Wohnung fristlos kündigt. Die Antragstellerin selbst hat nicht hinreichend finanzielle Mittel, dies zu verhindern.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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