S 18 KR 269/04

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 18 KR 269/04
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
1. Zur Berücksichtigung nicht in jedem Monat des Bemessungszeitraums gezahl-ter Provisionen bei der Höhe des Kranken-geldes
2. Zum notwendigen Inhalt einer Satzungs-bestimmung nach § 47 Abs. 1 SGB V
I. Der Bescheid vom 25.03.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.04.2004 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Krankengeld für den Zeitraum vom 25.11.2003 bis zum 05.03.2004 unter zusätzlicher Einbeziehung des dreißigsten Teils der im September 2003 erzielten Provisionszahlungen, soweit diese der Beitragspflicht unterliegen, in das kalendertägliche Regelentgelt zu gewähren.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe des der Klägerin zu gewährenden Krankengeldes.

Die Klägerin ist bei der Kreissparkasse P. als Mitarbeiterin der Immobilienabteilung beschäftigt. Auf Grund eines Arbeitsvertrages vom 01.09.1994, der durch Änderungsvertrag vom 20.12.2000 mit Wirkung ab dem 01.01.2001 teilweise neu gefasst wurde, umfasst ihr Aufgabengebiet primär die Vermittlung von Immobilien (§ 2 des Arbeitsvertrags). Sie bezieht deshalb neben einem Festgehalt nach Tarifgruppe X des Tarifvertrags BAT-O Sparkassen (§ 7 des Arbeitsvertrags) eine direkte Erfolgsbeteiligung für den erfolgreichen Abschluss von Immobilienverträgen in Höhe von 10 % der Nettocourtage bzw. der Nettoprovision der Sparkasse sowie eine erfolgsbezogene jährliche Einmalzahlung, deren Höhe sich nach der im Kalenderjahr durch ihre Vermittlung erwirtschafteten Bruttocourtage bestimmt (§ 8 des Arbeitsvertrags).

In den Monaten Juli bis September 2003 erzielte die Klägerin einer Entgeltmitteilung der Arbeitgeberin vom 25.11.2003 zufolge ein Arbeitsentgelt in folgender Höhe:

Entgeltabrechnungszeitraum Bruttoentgelt Nettoentgelt 01.07.2003 bis 31.07.2003 2.542,17 EUR 1.783,72 EUR 01.08.2003 bis 31.08.2003 1.686,95 EUR 1.304,70 EUR 01.09.2003 bis 30.09.2003 2.145,45 EUR 1.576,22 EUR

Dabei entfiel von dem im Monat September erzielten Arbeitsentgelt ein Anteil von 1.686,95 EUR brutto bzw. 1.304,70 EUR netto auf das monatliche tarifliche Entgelt. Der Rest setzt sich, ebenso wie der das Tarifentgelt übersteigende Anteil im Monat Juli, aus Provisionszahlungen zusammen. Im August 2003 hatte die Klägerin keine Provisionen enthalten. Der Beitragspflicht zur Krankenversicherung unterliegende Einmalzahlungen waren in den letzten zwölf Kalendermonaten nicht angefallen.

Wegen seit dem 14.10.2003 andauernder Arbeitsunfähigkeit gewährte die Beklagte der Klägerin auf Grund eines Bescheides vom 26.11.2003 ab dem 25.11.2003 bis zum Ablauf des 05.03.2004 Krankengeld in kalendertäglicher Höhe von 43,49 EUR. Den hiergegen hinsichtlich der Höhe der Leistung mit Schreiben vom 01.12.2003 am 02.12.2003 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.04.2004 zurück. Das der Krankengeldberechnung zu Grunde liegende Regelentgelt bemesse sich nach dem erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelt. Zusätzlich zum vereinbarten Entgelt gezahlte Gehaltsbestandteile seien nur dann als regelmäßig anzusehen, wenn sie nach ihrer Art in jedem der letzten drei vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit abgerechneten Monate gezahlt wurden. Weil im August 2003 keine Provisionen gezahlt wurden, fehle es an der Regelmäßigkeit der Provisionszahlungen.

Gegen die Nichtberücksichtigung der Provisionsanteile richtet sich die am 18.05.2003 eingereichte Klage. Die gezahlten Provisionen unterlägen der Beitragspflicht zur gesetzlichen Krankenversicherung. Sie machten regelmäßig etwa die Hälfte des Gehalts aus. So habe sich die Bruttovergütung aus Provisionsanteilen bereits in den Monaten April 2003 auf 719,94 EUR, Mai 2003 auf 817,64 EUR, Juni 2003 auf 969,30 EUR und Juli 2003 auf 599,57 EUR belaufen. Die Regelmäßigkeit entfalle nicht schon deshalb, weil - wie hier - in einem Monat keine Provisionen gezahlt worden seien. Dies beruhe auf buchungstechnischen Zufälligkeiten.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),

den Bescheid vom 26.11.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.04.2004 teilweise aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr das Krankengeld für den Zeitraum vom 25.11.2003 bis zum 05.03.2004 unter Berücksichtigung der Provisionszahlungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Weil die Klägerin im August 2003 keine Provisionen erhalten habe, seien die Provisionszahlungen kein regelmäßiges Arbeitsentgelt und dürften deshalb, wie sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 SGB V ergebe, bei der Berechnung des Regelentgelts nicht berücksichtigt werden. Eine hiervon abweichende Handhabung würde die Klägerin ungerechtfertigt besser stellen als andere Arbeitnehmer hinsichtlich der von ihnen erzielten Mehrarbeitsvergütungen.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der gerichtlichen Verfahrensakte und auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht kann über den Rechtsstreit gemäß § 105 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten auf Anfrage keine Gründe vorgetragen haben, die einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid entgegen stehen würden.

Die Klage ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung von Krankengeld für den Zeitraum vom 25.11.2003 bis zum 05.03.2004 unter zusätzlicher Einbeziehung des dreißigsten Teils der im Monat September 2003 in Höhe von 485,50 EUR brutto (271,52 EUR netto) erzielten Provisionszahlungen, soweit diese der Beitragspflicht unterliegen, in das kalendertägliche Regelentgelt nach Maßgabe des § 47 Abs. 2 Satz 3 Alt. 3 SGB V.

Die Provisionen dürfen nicht etwa deshalb unberücksichtigt bleiben, weil es sich dabei nicht um ein regelmäßiges Arbeitsentgelt handeln würde. Die gegenteilige Auffassung der Beklagte beruht auf einer unzulässigen Gleichsetzung der - als diskontinuierlich zufließender Bestandteil des laufenden Arbeitsentgelts - vertraglich vereinbarten Provisionszahlungen mit zusätzlich zum vereinbarten Entgelt gezahlten Entgeltbestandteilen, welche nicht regelmäßig gezahlt werden.

Aus der Erwähnung allein "regelmäßig gezahlten Arbeitsentgelts und Arbeitseinkommens" in § 47 Abs. 1 Satz 1 SGB V darf nicht der Schluss gezogen werden, dass betragspflichtige Entgeltbestandteile, die als Gegenleistung für arbeitsvertraglich geschuldete Leistungen im Vorhinein vereinbart sind, aber diskontinuierlich zufließen, bei der Bemessung des Krankengeldes schon dem Grunde nach unberücksichtigt zu bleiben hätten. Eine solche Auslegung wäre, wie sich aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24.05.2000, Az. 1 BvL 1/98, 4/98 und 15/99, ergibt, mit Artikel 3 Abs. 1 GG unvereinbar. Daraus ergibt sich zugleich im Umkehrschluss, dass beitragspflichtige Entgeltbestandteile, die nicht als Einmalzahlungen nach § 47 Abs. 1 Satz 6 SGB V zu berücksichtigen sind, zwingend regelmäßiges Arbeitsentgelt darstellen, das dem Grunde nach in die Bemessung einzubeziehen ist. Eine dritte Möglichkeit ist von Verfassung wegen ausgeschlossen. Wenn schon beitragspflichtige Einmalzahlungen bei der Bemessung zu berücksichtigen sind, dann müssen andere beitragspflichtigen Entgeltbestandteile, die trotz diskontinuierlichen Zuflusses keine Einmalzahlungen darstellen, erst recht - als laufendes Arbeitsentgelt - in die Bemessung der beitragsfinanzierten Lohnersatzleistung einfließen. Dem der Lohnersatzfunktion des Krankengeldes innewohnenden Entgeltausfallprinzip ist demzufolge nicht durch das dem Begriff des Arbeitsentgelts in § 47 Abs. 1 Satz 1 SGB V beifügte Tatbestandsmerkmal "regelmäßig" Rechnung zu tragen, sondern durch die Prüfung, ob die vertraglichen Entgeltbestandteile, soweit es sich nicht um Einmalzahlungen handelt (vgl. § 47 Abs. 1 Satz 6 SGB V), im Bemessungszeitraum erzielt wurden.

Ob und wie beitragspflichtige Bestandteile des vertraglich vereinbarten Entgelts in die Berechnung des Krankengeldes einfließen, hängt davon ab, ob sie als Einmalzahlung zu qualifizieren sind (dann Berücksichtigung nach § 47 Abs. 2 Satz 6 SGB V) oder als laufendes Arbeitsentgelt, wenn letzteres, ob sie im Bemessungszeitraum erzielt wurden und, wenn ja, ob es sich dabei um

- Zeit- oder Akkordlohn (§ 47 Abs. 2 Satz 1, 2 und 5 SGB V)

- Monatslohn (§ 47 Abs. 2 Satz 3 Alt. 1 SGB V)

- Wertguthaben (§ 47 Abs. 2 Satz 4 SGB V)

- sonstiges, nicht nach § 47 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB V abrechenbares Arbeitsentgelt (§ 47 Abs. 2 Satz 3 Alt. 3 SGB V)

handelt. Darüber hinaus kommt bei nicht kontinuierlicher Arbeitsverrichtung und -vergütung eine von diesen Vorschriften abweichende Berechnung und Zahlung des Krankengeldes dann in Betracht, wenn die Krankenkasse § 47 Abs. 3 SGB V umgesetzt und in der Satzung abweichende Bestimmungen zur Zahlung und Berechnung des Krankengeldes vorgesehen hat, die sicherstellen, dass das Krankengeld seine Entgeltersatzfunktion erfüllt.

Bei den von der Klägerin geltend gemachten Provisionszahlungen handelt es sich nicht um Einmalzahlungen im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 6 SGB V, sondern um diskontinuierlich zufließendes laufendes Arbeitsentgelt, konkret um sonstiges, nicht nach § 47 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB V abrechenbares Arbeitsentgelt im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 3 Alt. 3 SGB V. Damit ist der dreißigste Teil des im letzten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechneten Kalendermonat erzielten und um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt verminderten Arbeitsentgelts dem Regelentgelt hinzuzurechnen.

Für eine abweichende Bestimmung des Regelentgelts, namentlich des Bemessungszeitraums, ist rechtlich kein Raum. Insbesondere entbehrt die Auffassung der Beklagten der gesetzlichen Grundlage, im Regelbemessungszeitraum erzielte Entgeltbestandteile, mit denen arbeitsvertraglich geschuldete Leistungen vergütet werden, seien gleichwohl dann nicht zu berücksichtigen, wenn sie nicht in jedem der drei letzten Monate vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit gezahlt wurden. Ein derartige, von den gesetzlichen Vorschriften abweichende Berechnung des Regelentgelts könnte ungeachtet der Frage, ob der darin liegende Ausschluss beitragspflichtiger Entgeltbestandteile mit höherrangigem Recht in Einklang steht, allenfalls auf Grund einer von den gesetzlichen Vorschriften abweichenden Satzungsregelung gemäß § 47 Abs. 3 SGB V angeordnet werden. Eine solche Regelung fehlt. Die Beklagte hat § 47 Abs. 3 SGB V nicht umgesetzt. § 21 Abs. 7 der Satzung der Beklagten ist unwirksam. Die Regelung sieht, entgegen der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage des § 47 Abs. 3 SGB V, keine konkreten von § 47 Abs. 1 und 2 SGB V abweichenden Bestimmungen zur Zahlung und Berechnung des Krankengeldes bei nicht kontinuierlicher Arbeitsvergütung vor. Sie beinhaltet nicht mehr als eine Wiederholung des Gesetzeswortlauts, dass die Beklagte in diesen Fällen individuelle Bestimmungen treffen könne, unterlässt aber die gebotene Ausgestaltung im Wege vollziehbarer Satzungsregelungen. § 47 Abs. 3 SGB V ermächtigt die Beklagte nicht dazu, das Krankengeld bei nicht kontinuierlicher Arbeitsvergütung nach ihrem Ermessen im jeweiligen Einzelfall zu berechnen. Es bedarf vielmehr einer Regelung in der Satzung, die so hinreichend bestimmt ist, dass sich die Berechnung des Krankengeldes in jedem Einzelfall als gebundene Entscheidung abschließend daraus ergibt. Eine solche ausführbare Regelungen fehlt. Damit bleibt es bei der Berechnung an Hand des einmonatigen Regelbemessungszeitraums nach § 47 Abs. 2 Satz 3 SGB V.

Es mag zwar zutreffen, dass Fallgestaltungen denkbar sind, in denen die starre Anwendung des kurzen Bemessungszeitraums der Entgeltersatzfunktion des Krankengeldes zuwider laufen kann, wenn bestimmte Entgeltbestandteile, die nicht als Einmalzahlungen anzusehen sind, wegen ihres diskontinuierlichen Zuflusses die Lebens- und Einkommensverhältnisse des Versicherten nicht dauerhaft in der im Bemessungszeitraum erzielten Höhe prägen, aber, weil sie zufällig im Bemessungszeitraum erzielt wurden, gleichwohl in die Leistungsbemessung einfließen und so die krankheitsbedingten Einschränkungen der Lebens- und Einkommensverhältnisse überkompensieren. Umgekehrt kann der Fall eintreten, dass der Versicherte auf die Berücksichtigung solcher Entgeltbestandteile verzichten muss, wenn sie diese zwar sonst regelmäßig, aber im Bemessungszeitraum ausnahmsweise nicht erzielt haben (zu dieser Konstellation Bundessozialgericht, Urteil vom 05.03.2002, Az. B 2 U 13/01 R). Dies muss aber hingenommen werden, solange die Beklagte nicht von der Möglichkeit Gebrauch macht, durch eine wirksame Umsetzung der in § 47 Abs. 3 SGB V enthaltenen Satzungsermächtigung solche unstimmigen Ergebnisse - auch im Interesse der Versicherten - zu vermeiden.

Etwas anderes ergibt sich nicht aus den Urteilen des Bundessozialgerichts vom 23.01.1973, Az. 3 RK 22/70, und vom 28.11.1979, Az. 3 RK 103/78. Die Urteile betreffen die Berücksichtigung von Überstunden - also die Vergütung nicht im Vorhinein vertraglich vereinbarter Leistungen - bei der Berechnung des Regelentgelts aus Zeit- oder Akkordlohn nach § 182 Abs. 5 Satz 2 RVO bzw. dem inhaltsgleichen § 47 Abs. 2 Satz 2 SGB V. Einen Rechtssatz, wonach nicht kontinuierlich gezahlte Entgeltbestandteile generell nur in das Regelentgelt einbezogen werden dürften wenn diese in jedem der drei letzten Monate vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit erzielt wurden, hat das Bundessozialgericht nicht aufgestellt. Vielmehr hat es unter Rückgriff auf den Begriff der Regelmäßigkeit die Voraussetzungen näher beschrieben, unter denen die Vergütung nicht arbeitsvertraglich geschuldeter Leistungen den für arbeitsvertraglich vereinbarte Leistungen gewährten Entgeltbestandteilen gleichgestellt werden. Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist dagegen eine Erfolgsbeteiligung, die als Bestandteil des laufenden Entgelts für die regelmäßig als arbeitsvertragliche Hauptpflicht zu leistende Vermittlungstätigkeit gezahlt wird. Provisionen lassen sich zudem, anders als Überstundenvergütungen, keinem konkreten Zeitraum der Leistungserbringung zuordnen und unterliegen deshalb nicht der zeitbezogenen Entgeltzuordnung nach § 47 Abs. 2 Satz 2 SGB V. Die ausschließlich in diesem Zusammenhang relevante Begrenzung des für die Leistungsbemessung maßgeblichen Faktors Arbeitszeit durch den Begriff "regelmäßig" soll im Übrigen Schwankungen der Arbeitszeit im Bemessungszeitraum ausgleichen sowie zufällig und ungewöhnlich hohe Verdienste durch Mehrarbeit von der Berücksichtigung ausschließen. Das schließt es gerade aus, ein singuläres, zudem außerhalb des Regelbemessungszeitraums liegendes atypisches Arbeitsentgelt zur Grundlage der Berechnung zu machen. Schon aus dem vom Gesetz verwendeten unbestimmten Rechtsbegriff der Regelmäßigkeit, der sich an der tatsächlichen Gestaltung der individuellen Arbeitsverhältnisse zu orientieren hat, ergibt sich, dass der dreimonatige Referenzzeitraum nur den Regelfall betrifft und Besonderheiten des Einzelfalls berücksichtigt werden müssen. Das Bundessozialgericht hat deshalb zur Ausfüllung des vom Gesetz verwendeten Begriffs auch keine starre zeitliche Grenze für die Berücksichtigung von Überstunden definiert, sondern gefragt, ob "im Allgemeinen" die Überstunden "mindestens" während der letzten abgerechneten drei Monate "regelmäßig, d.h. ohne längere Unterbrechungen", geleistet worden sind. Es können im Einzelfall also durchaus längere Zeiträume betrachtet werden, wenn das Fehlen von Überstunden in einem Monat des dreimonatigen Referenzzeitraums auf Umständen beruht, die nicht durch die Art der Tätigkeit bedingt sind, wie zum Beispiel Arbeitsunfähigkeit, Kur oder Urlaub. Eine weitere Ausdehnung des Referenzzeitraums bis auf sechs oder sogar zwölf Monate kommt darüber hinaus in Betracht, wenn das Arbeitsverhältnis auf Grund bestimmter Vereinbarungen in besonderer Weise auf Überstunden zielt und diese dadurch zum wesentlichen Inhalt des Arbeitsverhältnisses gehörten, die Zahl der Überstunden aber gleichzeitig auf Grund der Art der Arbeit stark schwankt, es also zu erheblichen Überstundenballungen, aber auch zu Unterbrechungen kommt (Bundessozialgericht, Urteil vom 01.06.1994, Az. 7 RAr 40/93). Selbst wenn die von der Beklagten für ihre Auffassung in Anspruch genommene Rechtsprechung losgelöst von ihrem normativen Kontext auf den vorliegenden Fall anwendbar wäre, müssten die von der Klägerin erzielten Provisionen nach diesen Maßstäben in die Bemessung der Regelentgelts einfließen. Denn die Immobilienvermittlung und der damit verbundene typischerweise diskontinuierliche Zufluss von Provisionen und Courtagen, nach denen sich die Erfolgsbeteiligung der Klägerin bemisst, machte nach der Art der Arbeit gerade den wesentlichen Inhalt des Arbeitsverhältnisses aus (vgl. § 2 des Arbeitsvertrags).

Darin liegt keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern, welche Mehrarbeitsvergütungen erhalten, im Vergleich mit der Klägerin. Die Vergütung von - schon begrifflich nicht geschuldeten - Überstunden ist hinsichtlich der Frage, unter welchen Voraussetzungen diese Einnahmen als in das Regelentgelt einzubeziehende regelmäßige Entgeltbestandteile anzusehen sind, mit der Erzielung von Provisionen aus der vertraglich vereinbarten Vermittlungstätigkeit nicht vergleichbar.

Die vorliegende Entscheidung steht auch nicht im Widerspruch zu dem von der Beklagten vorgelegten Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 22.03.2005, Az. S 11 KR 3488/04. Auch insoweit sind die Sachverhalte nicht vergleichbar. In dem vom Sozialgericht Freiburg zu beurteilenden Fall waren Provisionen weder im Regelbemessungszeitraum noch in den beiden Monaten zuvor gezahlt worden. Vorliegend sind dagegen die Provisionen der Klägerin sowohl im Regelbemessungszeitraum als auch in allen anderen vorangegangenen Monaten mit Ausnahme des Monats August 2003 gezahlt worden. Hier stellte also die Nichtzahlung der Provision die Ausnahme dar. Die Nichtberücksichtigung außerhalb des Bemessungszeitraums erzielter Provisionen im Urteil des Sozialgerichts Freiburg steht damit im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur strikten Anwendung des kurzen Bemessungszeitraums (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 05.03.2002, Az. B 2 U 13/01 R). Die Berücksichtigung im Bemessungszeitraum erzielter Provisionen im vorliegenden Fall ergibt sich spiegelbildlich als Konsequenz hieraus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 Satz 1 und § 193 Abs. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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