Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
18
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 18 KA 831/07
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Verordnet der Vertragsarzt zu Lasten der Krankenkasse ein nicht verschreibungspflichtiges Arzneimittel, für das keine Ausnahmeindikation in der sog. OTC-Liste nach Abschnitt F Nr. 16 der Arzneimittel-Richtlinien vorgesehen ist (hier: Kombinationspräparat aus Eisen- und Folsäure), so kann er einem Arzneimittelregress nicht entgegen halten, der Krankenkasse sei kein Schaden entstanden, weil bei der hypothetischen Verordnung eines nach der OTC-Liste verordnungsfähigen Alternativpräparats (hier: Eisen als Monopräparat) wegen des selben Arzneimittelfestpreises Kosten in gleicher Höhe angefallen wären; es erfolgt keine Gegenrechnung ersparter Aufwendungen (Anschluss an Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 09.05.2006, Az. L 4 KA 14/04).
I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin. III. Die Berufung ist zugelassen. IV. Der Streitwert wird auf 6,84 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Mit ihrer Klage wendet sich die Kassenärztliche Vereinigung gegen einen gegenüber dem zu 1 beigeladenen Vertragsarzt festgesetzten Verordnungsregress wegen der vertragsärztlichen Verschreibung eines Kombinationspräparates.
Der Beigeladene zu 1 verordnete im Quartal IV/2004 einer gesetzlich Versicherten der Beigeladenen zu 2 als Weiterverordnung zur Behandlung einer postoperativen Anämie nach einem gynäkologischen Eingriff auf vertragsärztlichem Verordnungsvordruck vom 15.11.2004 ferro sanol® gyn Kapseln, Packungsgröße N2 (50 Stück), ein nicht verschreibungspflichtiges chemisch definiertes Antianämikum von Eisen in Kombinationen mit Folsäure zur Behandlung eines kombinierten Eisen- und Folsäure-Mangels. Der Wirkstoffgehalt der darin enthaltenen 454,13 mg Eisen-(II)-glycin-sulfat-Komplex entspricht 80 mg Fe2+; der Wirkstoffgehalt an Folsäure beträgt 1 mg. Der Apothekenabgabepreis belief sich auf 12,46 EUR, der Apothekenrabatt auf 0,62 EUR, die Versicherte leistete eine Zuzahlung in Höhe von 5,00 EUR. Die Beigeladene zu 2 wurde mit 6,84 EUR belastet.
Der Prüfungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen stellte auf Grund seiner Entscheidung vom 01.09.2006 mit Prüfbescheid vom 15.09.2006 fest, dass der Beigeladenen zu 2 durch fehlerhafte Verordnungsweise im Quartal IV/2004 ein Schaden von 247,94 EUR entstanden sei, der ihr zu erstatten sei. Hiervon entfielen 6,84 EUR auf die Verordnung der ferro sanol® gyn Kapseln. Gemäß Nr. 16.4.14 der Arzneimittel-Richtlinien (AMR) seien Eisen-(II)-Verbindungen nur zur Behandlung gesicherter Eisenmangelanämie verordnungsfähig. Fixe Kombinationen aus einer Eisen-(II)-Verbindung und Folsäure gehörten nicht zu dieser Ausnahme.
Gegen den Prüfbescheid erhob die Klägerin am 20.10.2006 mit Schreiben vom 19.10.2006 hinsichtlich der Verordnung von ferro sanol® gyn Kapseln Widerspruch. Der Beigeladenen zu 2 sei kein Schaden entstanden. Die Verordnung sei medizinisch indiziert und nach Nr. 16.4.14 AMR zulässig gewesen. Mehrkosten seien durch die Verordnung eines Kombinationspräparates nicht entstanden, weil die Festsetzung des durch die Kasse zu erstattenden Festbetrages ausschließlich nach dem Eisengehalt und der Packungsgröße erfolge. Somit sei der Festbetrag für das Monopräparat identisch mit dem Festbetrag für die Eisen-Folsäure-Kombination mit gleicher Eisenmenge.
Der Beklagte wies auf Grund seiner Entscheidung vom 31.01.2007 mit Widerspruchsbescheid vom 23.04.2007, der am selben Tag abgesandt wurde, den Widerspruch der Klägerin zurück. Auch wenn der Festbetrag für ein Eisen-Monopräparat mit dem Festbetrag für eine Eisen-Folsäure-Kombination gleicher Eisenmenge identisch sei, seien ersparte Aufwendungen nicht abzusetzen.
Hiergegen richtet sich die am 23.05.2007 beim Sozialgericht Dresden eingegangene Klage, mit der die Klägerin eine Neubescheidung ihres Widerspruchs unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts begehrt. Die Verordnung des Kombinationspräparates entspreche zwar formal nicht der Regelung in Nr. 16.4.14 AMR, weil kein Monopräparat verordnet worden sei. Der geltend gemachte Schaden sei der Beigeladenen zu 2 indessen nicht entstanden, weil der im Arzneimittel mit enthaltene Wirkstoff Folsäure für den Festbetrag irrelevant sei. Hätte der Beigeladene zu 1 sich für ein Monopräparat entschieden, wären Kosten in gleicher Höhe angefallen. Es handele sich um einen speziellen Fall, in dem sich der Festbetrag allein am Preis der auch in der Kombination in erster Linie therapierelevanten Eisenpräparate orientiert. Der Gemeinsame Bundesausschuss habe, indem er den Festbetrag des Kombinationspräparates allein auf Basis des Hauptwirkstoffes festsetzt, verhindern wollen, dass durch die Beimengung therapeutisch unwesentlicher Zusätzen - hier: der Folsäure - ein Preisvorteil erzielt wird. Deshalb könne in diesen Fällen der Krankenkasse kein Schaden entstehen. Die Anordnung eines Regresses beruhe auf einer viel zu formalen Herangehensweise.
Der Beklagte und die Beigeladene zu 2 sind der Klage unter Verweis auf das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 09.05.2006, Az. L 4 KA 14/04, entgegen getreten. Ein Schaden entstehe auch dann, wenn ein Alternativarzneimittel gleiche oder niedrigere Kosten verursacht hätte. Ein Vorteilsausgleich bzw. eine Saldierung sei nicht statthaft. Nach Auffassung der Beigeladenen zu 2 sei eine normative Betrachtung letztlich unvermeidlich, Ausnahmen von dem mangels Verordnungsfähigkeit grundsätzlich anzuordnenden Regress seien der falsche Weg. Zudem gebe es durchaus Konstellationen, in denen eine Tagesdosis von Kombinationspräparaten wesentlich teurer sei als die alternative Verordnung von Monopräparaten.
Der Beigeladene zu 2 hat von einer Stellungnahme in der Sache abgesehen.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der gerichtlichen Verfahrensakte und auf die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig. Die Selbstbetroffenheit der Klägerin in eigenen Rechten, welche ihr die Befugnis zur Klageerhebung verleiht, folgt unabhängig vom Nachweis eines konkreten rechtlichen Interesses daraus, dass die Festsetzung des Verordnungsregresses in Höhe von 6,84 EUR gegen den Beigeladenen zu 2 durch den - hierfür zuständigen, vom Gesetzgeber mit den erforderlichen Kompetenzen ausgestatteten und auch mit Vertretern der Ärzteschaft besetzten - Beklagten nach höchstrichterlicher Meinung einen Eingriff in die Gesamtverantwortung der Klägerin für eine den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entsprechende Durchführung der vertragsärztlichen Versorgung darstellen soll (Bundessozialgericht, Urteil vom 28.08.1996, Az. 6 RKa 88/95).
Die Klage ist unbegründet. Der Beklagte hat zutreffend festgestellt, dass der Beigeladene zu 1 der Beigeladenen zu 2 die durch die Verordnung von ferro sanol® gyn Kapseln entstandenen Aufwendungen zu ersetzen hat.
Grundlage für den angeordneten Verordnungsregress ist § 8 Abs. 1 Nr. 5, § 12 Abs. 1 2. Spstr. Buchst. a der auf § 106 Abs. 2 Satz 4 SGB V beruhenden Prüfungsvereinbarung über das Verfahren zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit durch den Prüfungs- und den Beschwerdeausschuss zwischen der Klägerin und den Krankenkassen bzw. deren Verbänden auf Landesebene in der ab dem 01.01.2004 geltenden Fassung sowie § 48 Abs. 1 BMV-Ä (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 14.03.2001, Az. B 6 KA 19/00 R). Nach diesen Vorschriften obliegt den Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung unter Anderem die Entscheidung über Anträge der Krankenkassen auf Feststellung eines sonstigen Schadens, der durch die unzulässige Verordnung von Leistungen, die aus der Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen sind, entstanden ist.
Der Beigeladenen zu 2 ist auf Grund der unzulässigen Verordnung von ferro sanol® gyn Kapseln durch den Beigeladenen zu 1 ein Schaden in Höhe des festgesetzten Regressbetrags entstanden.
Die Verordnung des Arzneimittels zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung war unzulässig. Das Präparat ist nicht verschreibungspflichtig. Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel sind gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB V von den Leistungen der Krankenkassen grundsätzlich ausgeschlossen. Nr. 16.4.14 AMR sieht eine nach § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V zulässige Ausnahme von dem Verordnungsausschluss nur für Eisen-(II)-Verbindungen zur Behandlung von gesicherter Eisenmangelanämie vor. Folsäure ist gemäß Nr. 16.4.16 AMR nur bei Therapie mit Folsäureantagonisten sowie zur Behandlung des kolorektalen Karzinoms und gemäß Nr. 16.4.39 AMR als Monopräparat (5 mg/Dosiseinheit) nur bei nachgewiesenem, schwerwiegendem Vitaminmangel, der durch eine entsprechende Ernährung nicht behoben werden kann, verordnungsfähig. Auch bei nachgewiesenem Folsäuremangel wäre ein Folsäurepräparat mit der verabreichten Wirkstoffkonzentration (1 mg/Dosiseinheit) selbst als Monopräparat nicht verordnungsfähig gewesen.
Die Verordnung von Eisen-(II)-Verbindungen ist in den genannten Ausnahmefällen nicht ausdrücklich auf Monopräparate beschränkt. Der für fixe Kombinationen aus Vitaminen - Folsäure ist ein solches (Vitamin B9) - und anderen Stoffen in Nr. 20.1 Buchst. q AMR angeordnete Verordnungsausschluss gilt gemäß Nr. 16.9 AMR nicht für rezeptfreie Medikamente. Gleichwohl folgt aus dem Zusammenspiel von Nr. 16.4.39 und Nr. 16.4.14 AMR zwingend, dass es nach den Arzneimittel-Richtlinien keine Ausnahmeindikation gibt, die im vorliegenden Fall die Verordnung einer Kombination aus einer Eisen-(II)-Verbindung mit Folsäure als Kassenleistung gerechtfertigt hätte.
Damit verbleibt es bei dem gesetzlichen Verordnungsausschluss nach § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Dies steht zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit.
Umstritten ist allein die Frage, ob der Beigeladene zu 1 dem angeordneten Verordnungsregress entgegen halten kann, er hätte, wenn er der Versicherten nicht das Kombinationspräparat verschrieben hätte, statt dessen zulässigerweise ein ebenso teures Eisen-II-Monopräparat verordnet. Der Vorteil, welcher der Beigeladenen zu 2 dadurch entstanden ist, dass sie wegen der Verordnung des Kombinationspräparats die Aufwendungen für das statt dessen indizierte Monopräparat eingespart habe, sei anzurechnen. Wegen des gleichen Arzneimittelfestbetrags sei ihr kein Schaden entstanden.
Diese Frage hat der Beklagte zu Recht verneint.
Eine Saldierung der tatsächlich angefallenen mit den bei rechtmäßigem Alternativverhalten entstandenen hypothetischen Arzneimittelkosten im Sinne eines Vorteilsausgleichs ist nicht statthaft. Die Prüfungsvereinbarung sieht eine Anrechnung kompensatorischer Einsparungen nicht vor. Dem Gesetz lässt sich keine Grundlage hierfür entnehmen. Auch der Bundesmantelvertrag-Ärzte bietet - im Gegensatz zu § 44 Abs. 3 EKV - keinen Ansatzpunkt, der es den Beteiligten der Prüfungsvereinbarung erlauben würde, eine solche Vorteilsanrechnung zu vereinbaren.
Ein Schaden im Sinne des § 12 der Prüfungsvereinbarung ist der Beigeladenen zu 2 schon deshalb entstanden, weil der Beigeladene zu 1 der Versicherten ein Medikament verschrieben hat, das von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen ist, und die Beigeladene zu 2 mit den Kosten hierfür belastet hat, aber die Versicherte ein vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung umfasstes Arzneimittel nicht erhalten hat.
Ob der Beigeladene zu 1 der Patientin statt dessen das verordnungsfähige Medikament hätte verschreiben können und gegebenenfalls verschrieben hätte und, wenn ja, welche Kosten dabei der Beigeladenen zu 2 entstanden wären, spielt für die Frage der Entstehung eines Schadens keine Rolle. Insoweit gilt das Gleiche wie bei der Korrektur fehlerhafter Honorarabrechnungen im Wege der sachlich-rechnerischen Richtigstellung. Auch hier ist es nicht zulässig, an Stelle des aus der Abrechnung gestrichenen Ansatzes einer tatsächlich erbrachten, aber für den Arzt nicht abrechenbaren Leistung, die Gebührenposition einer nur hypothetisch abrechenbaren alternativen Leistung abzurechnen, deren Leistungsumfang der Arzt jedoch tatsächlich nicht erbracht hat.
Die von der Klägerin eingeforderte Anrechnung der ersparten Aufwendungen bei rechtmäßigem Alternativverhalten ist schon begrifflich nicht Voraussetzung für die Feststellung eines Schadens. Bereits für den Schadensbegriff im Zivilrecht ist anerkannt, dass die Anrechnung eines Vorteils - wie zum Beispiel durch das schädigende Ereignis ersparte Aufwendungen - dem Zweck des Schadensersatzes entsprechen muss und den Schädiger nicht unbillig entlasten darf. Die Vorteilsausgleichung erfolgt also nicht bei der Endsaldierung aller Aktiv- und Passivposten gegenüber dem Gesamtbetrag des Schadens, sondern betrifft nur den Schadensposten, dem der Vorteil seiner Art nach entspricht, das heißt der mit dem Vorteil "kongruent" ist. Die Rechtsprechung hat hierfür die Formulierung gebraucht, dass nur solche Vorteile als anrechenbar in Betracht kommen, die gerade mit dem geltend gemachten Nachteil in einem qualifizierten Zusammenhang stehen, der beide gewissermaßen zu einer Rechnungseinheit verbindet. Diese Rechnungseinheit ist nicht die Folge einer bestimmten Art der Schadensberechnung, sondern das Ergebnis einer wertenden Zuordnung von bestimmten Vor- und Nachteilen aus dem Schadensereignis. Denn die Summen dieser Vor- und Nachteile sind nur rein formale Größen, die als solche nicht in einem sachstrukturellen Zusammenhang stehen (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.06.1997, Az. V ZR 115/96).
Nach diesen Maßstäben scheidet die Saldierung der Kosten des verordneten, aber nicht verordnungsfähigen Kombinationspräparats mit denen des verordnungsfähigen, aber nicht verordneten Monopräparates aus. Zwischen beiden Leistungen herrscht gerade keine rechtliche Kongruenz. Die Grenze zwischen den nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, für deren Kosten die Krankenkassen aufzukommen haben, und denen, bei denen dies nicht der Fall ist, wird abschließend und einheitlich durch § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V in Verbindung mit den Arzneimittel-Richtlinien gezogen. Sie kann nicht dadurch umgangen werden, dass der Arzt gleichwohl vom gesetzlichen Leistungsumfang ausgeschlossene Arzneimittel verordnet und anschließend die hierdurch entstandenen Kosten mit denen eines angeblichen Substitutionspäparates verrechnet. Sind unter den gegebenen Indikationsvoraussetzungen Folsäurepräparate von der Leistungspflicht ausgeschlossen, hat die Kasse sich an den Kosten eines gleichwohl verordneten Folsäure-Kombinationspräparates nicht, auch nicht anteilig, zu beteiligen, indem sie die Kosten einer Kombination mit einem medizinisch nicht indizierten Wirkstoff ganz oder anteilig übernimmt.
Diese generell für die Bestimmung eines Schadens in Folge einer fehlerhaften Arzneimittelverordnung geltenden Grundsätze werden nicht wegen des besonderen Umstandes, dass für Mono- und Kombinationspräparate ein einheitlicher Festbetrag gilt, in Frage gestellt.
In diesem Zusammenhang ist klarzustellen, dass die gleiche Höhe des Festbetrags für die Frage, ob schon dem Grunde nach überhaupt ein Schaden entstanden sein kann, schon deshalb ohne Bedeutung ist, weil Arzneimittelfestbeträge keine Festpreise darstellen. Vielmehr begrenzt der Festbetrag gemäß § 31 Abs. 2 Satz 1 SGB V nur die Kostenübernahmepflicht der Krankenkasse nach oben; die Höhe der Kostenbelastung unterhalb des Festbetrags kann dabei außer von den tatsächlichen Arzneimittelpreisen durchaus auch vom Verordnungsverhalten des Arztes abhängen.
So wenig wie der Patient, der eine nicht gemäß §§ 31, 135 SGB V vom Leistungsumfang der Krankenversicherung umfasste Leistung in Anspruch nimmt, gleichwohl unter Umgehung des Sachleistungsprinzips eine Übernahme der Kosten beanspruchen kann, die bei der Inanspruchnahme der anerkannten Behandlung angefallen wären (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 24.09.1996, Az. 1 RK 33/95), so wenig kann der Arzt das gleiche Ergebnis dadurch erwirken, dass er dem Patienten die ausgeschlossene Leistung auf Kassenrezept verschafft und dem Regressbegehren der Krankenversicherung die Kosten der tatsächlich nicht erbrachten rechtmäßigen Alternativleistung entgegen hält.
Diese Abgrenzung ist normativer Natur. Ob tatsächlich, wie von der Klägerin sinngemäß geltend gemacht wird, hinsichtlich der antianämischen Wirkung des verordneten Kombinationspräparates eine pharmakotherapeutische Vergleichbarkeit mit verordnungsfähigen Monopräparaten besteht, wenn ja, ob bei der Patientin eine Substitution möglich gewesen wäre und welche Kosten in Abhängigkeit von der Dosierung, Zusammensetzung und Pharmakodynamik eines alternativ verordnungsfähigen Monopräparats angefallen wären, ist für die rechtliche Grenzziehung nicht relevant. Mag die Beurteilung im vorliegenden Fall noch medizinisch einfach sein, so würde eine solche umfassende Vergleichsbetrachtung nicht nur die rechtlichen Grenzen, sondern auch die faktischen Möglichkeiten des Prüfungsauftrags des Beklagten sprengen. Die Entscheidung, welche Arzneimittel insoweit vergleichbar sind und welche nicht, hat der Gesetzgeber durch § 34 Abs. 1 Satz 9 in Verbindung mit § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V allein dem Gemeinsamen Bundesausschuss überantwortet. Die Beurteilung der Prüfgremien hat sich darauf zu beschränken, ob die zur Prüfung gestellte Verordnung den dort normierten Voraussetzungen entspricht, nicht aber, welche Alternativen statt dessen in Betracht gekommen wären. Dies einzuschätzen und sein Verordnungsverhalten entsprechend auszurichten, ist allein Sache des Arztes, der es damit in der Hand hat, durch eine richtliniengerechte Verordnungsweise ein Regressverfahren zu vermeiden.
Es würde den gesetzlichen Auftrag der Prüfgremien überspannen, in jedem konkret zu prüfenden Einzelfall gedanklich ein rein fiktiv gebliebenes Verordnungsverhalten des Arztes mit tatsächlich nicht verordneten Arzneimitteln zu simulieren, um den Eintritt eines Schaden zu bestimmen. Eine hypothetische Indikationsstellung an Hand der hierfür maßgeblichen Patientendaten, eine alternative Arzneimittelauswahl und -dosierung sowie der daran anknüpfende Kostenvergleich würden vielfach mit der Wirklichkeit eines Prüfungsverfahrens kollidieren, das den Erfordernissen eines Massenverfahrens nach einfachen Kriterien gerecht werden muss, ohne den Betrieb der Praxis durch oftmals schwierige Nachermittlungen sowie therapeutische und pharmakologische Beurteilungen in einzelnen Behandlungsfällen unverhältnismäßig zu beeinträchtigen.
Aus dem gleichen Grund hat das Bundessozialgericht schon bezüglich der Prüfung, ob die Behandlungs- und Verordnungsweise eines Arztes unter Berücksichtigung evtl. kompensatorischer Einsparungen wirtschaftlich (im engeren Sinne) ist, darauf aufmerksam gemacht, dass bei einer Einzelfallprüfung konkrete, auf die Aufklärung der früheren Indikationslage bezogene Tatsachenfeststellungen dazu zu treffen sind, was unter Vergegenwärtigung der jeweiligen medizinischen Indikation an ärztlichen Leistungen notwendig bzw. nicht notwendig war, und dass dabei primär eine Heranziehung des Patienten zu erwägen ist. Wegen der großen Zahl der Abrechnungsfälle und wegen der Schwierigkeit einer Rekonstruktion des für die Indikation maßgebenden Krankheitszustandes im Einzelfall sei auf Grund dieser Anforderungen nicht die rechtsdogmatisch als Grundsatz vorgesehene strenge Einzelfallprüfung, sondern vielmehr die im Prinzip als Ausnahme vorgesehene statistische Prüfmethode praktisch als Regelfall anzuwenden. Der statistischen Methode komme der Vorrang zu, weil nach allgemeinen Erfahrung den Anforderungen, die an einen konkreten Beweis zu stellen sind, im Regelfall der kassenärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht Genüge getan werden kann (Bundessozialgericht, Urteil vom 02.06.1987, Az. 6 RKa 19/86).
Würde man diese - praktisch nicht erfüllbaren - Beweismaßstäbe, die für die Feststellung der Unwirtschaftlichkeit der Behandlungs- und Verordnungsweise im Rahmen strenger Einzelfallprüfungen gelten, auf die Prüfung übertragen, ob der Krankenkasse durch eine fehlerhafte Verordnung ein Schaden entstanden ist, so würde - da insoweit ein Ausweichen auf geeignete statistische Prüfmethoden nicht in Betracht kommt - der Prüfungsaufwand, je häufiger der Arzt bei seinen Verordnungen von den Bestimmungen der Arzneimittel-Richtlinien abweicht, prohibitiv anwachsen. Verstöße wären, wenn sie nur in ausreichender Zahl begangen werden, faktisch sanktionslos und die Arzneimittel-Richtlinien letztlich zur Disposition des Arztes gestellt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO. Die Auferlegung außergerichtlicher Kosten der Beigeladenen auf Beteiligte oder die Staatskasse war nicht veranlasst (§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 162 Abs. 3 VwGO). Der gemäß § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit § 1 Nr. 4 GKG und § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG nach der sich aus dem Klageantrag ergebenden Bedeutung der Sache festzusetzende Streitwert entspricht der Höhe des streitgegenständlichen Verordnungsregresses.
Die Kammer hat auf Antrag der Klägerin gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG die Berufung wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen. Nach Angaben des Beklagten ist bei den Prüfgremien noch eine Vielzahl vergleichbarer Verfahren anhängig, die teilweise im Hinblick auf den Ausgang des vorliegenden Verfahrens ruhen. Höchstrichterliche Rechtsprechung des für Angelegenheiten des Vertragsarztrechts zuständigen Senats des Bundessozialgerichts liegt zu der im vorliegenden Verfahren aufgeworfenen Rechtsfrage nicht vor. Soweit das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht in seinem Urteil vom 09.05.2006, Az. L 4 KA 14/04, die Rechtsfrage im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts für grundsätzlich geklärt erachtet hat, handelt es sich bei den unter Bezug genommenen Entscheidungen im Wesentlichen um Urteile der für Angelegenheiten der Gesetzlichen Krankenversicherung zuständigen Senate des Bundessozialgerichts, die keinen unmittelbaren Bezug zum Schadensbegriff beim Arzneimittelregress wegen fehlerhafter Verordnung aufweisen. Darüber hinaus sieht die Kammer es als der Klarstellung bedürftig an, ob aus dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 28.08.1996, Az. 6 RKa 88/95, tatsächlich folgt, dass der Kassenärztlichen Vereinigung auf Grund ihrer Gesamtverantwortung für eine den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entsprechende Durchführung der vertragsärztlichen Versorgung ein Mandat zu einer allgemeinen und umfassenden Gesetzlichkeitskontrolle in Fragen der ärztlichen Behandlungs- und Verordnungsweise im Einzelfall - deren Überwachung bereits den Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung zugewiesen ist - zustehen soll, welches ihr eine vom Rechtsschutzbegehren des unmittelbar betroffenen Vertragsarztes unabhängige Klagebefugnis verleiht.
Tatbestand:
Mit ihrer Klage wendet sich die Kassenärztliche Vereinigung gegen einen gegenüber dem zu 1 beigeladenen Vertragsarzt festgesetzten Verordnungsregress wegen der vertragsärztlichen Verschreibung eines Kombinationspräparates.
Der Beigeladene zu 1 verordnete im Quartal IV/2004 einer gesetzlich Versicherten der Beigeladenen zu 2 als Weiterverordnung zur Behandlung einer postoperativen Anämie nach einem gynäkologischen Eingriff auf vertragsärztlichem Verordnungsvordruck vom 15.11.2004 ferro sanol® gyn Kapseln, Packungsgröße N2 (50 Stück), ein nicht verschreibungspflichtiges chemisch definiertes Antianämikum von Eisen in Kombinationen mit Folsäure zur Behandlung eines kombinierten Eisen- und Folsäure-Mangels. Der Wirkstoffgehalt der darin enthaltenen 454,13 mg Eisen-(II)-glycin-sulfat-Komplex entspricht 80 mg Fe2+; der Wirkstoffgehalt an Folsäure beträgt 1 mg. Der Apothekenabgabepreis belief sich auf 12,46 EUR, der Apothekenrabatt auf 0,62 EUR, die Versicherte leistete eine Zuzahlung in Höhe von 5,00 EUR. Die Beigeladene zu 2 wurde mit 6,84 EUR belastet.
Der Prüfungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen stellte auf Grund seiner Entscheidung vom 01.09.2006 mit Prüfbescheid vom 15.09.2006 fest, dass der Beigeladenen zu 2 durch fehlerhafte Verordnungsweise im Quartal IV/2004 ein Schaden von 247,94 EUR entstanden sei, der ihr zu erstatten sei. Hiervon entfielen 6,84 EUR auf die Verordnung der ferro sanol® gyn Kapseln. Gemäß Nr. 16.4.14 der Arzneimittel-Richtlinien (AMR) seien Eisen-(II)-Verbindungen nur zur Behandlung gesicherter Eisenmangelanämie verordnungsfähig. Fixe Kombinationen aus einer Eisen-(II)-Verbindung und Folsäure gehörten nicht zu dieser Ausnahme.
Gegen den Prüfbescheid erhob die Klägerin am 20.10.2006 mit Schreiben vom 19.10.2006 hinsichtlich der Verordnung von ferro sanol® gyn Kapseln Widerspruch. Der Beigeladenen zu 2 sei kein Schaden entstanden. Die Verordnung sei medizinisch indiziert und nach Nr. 16.4.14 AMR zulässig gewesen. Mehrkosten seien durch die Verordnung eines Kombinationspräparates nicht entstanden, weil die Festsetzung des durch die Kasse zu erstattenden Festbetrages ausschließlich nach dem Eisengehalt und der Packungsgröße erfolge. Somit sei der Festbetrag für das Monopräparat identisch mit dem Festbetrag für die Eisen-Folsäure-Kombination mit gleicher Eisenmenge.
Der Beklagte wies auf Grund seiner Entscheidung vom 31.01.2007 mit Widerspruchsbescheid vom 23.04.2007, der am selben Tag abgesandt wurde, den Widerspruch der Klägerin zurück. Auch wenn der Festbetrag für ein Eisen-Monopräparat mit dem Festbetrag für eine Eisen-Folsäure-Kombination gleicher Eisenmenge identisch sei, seien ersparte Aufwendungen nicht abzusetzen.
Hiergegen richtet sich die am 23.05.2007 beim Sozialgericht Dresden eingegangene Klage, mit der die Klägerin eine Neubescheidung ihres Widerspruchs unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts begehrt. Die Verordnung des Kombinationspräparates entspreche zwar formal nicht der Regelung in Nr. 16.4.14 AMR, weil kein Monopräparat verordnet worden sei. Der geltend gemachte Schaden sei der Beigeladenen zu 2 indessen nicht entstanden, weil der im Arzneimittel mit enthaltene Wirkstoff Folsäure für den Festbetrag irrelevant sei. Hätte der Beigeladene zu 1 sich für ein Monopräparat entschieden, wären Kosten in gleicher Höhe angefallen. Es handele sich um einen speziellen Fall, in dem sich der Festbetrag allein am Preis der auch in der Kombination in erster Linie therapierelevanten Eisenpräparate orientiert. Der Gemeinsame Bundesausschuss habe, indem er den Festbetrag des Kombinationspräparates allein auf Basis des Hauptwirkstoffes festsetzt, verhindern wollen, dass durch die Beimengung therapeutisch unwesentlicher Zusätzen - hier: der Folsäure - ein Preisvorteil erzielt wird. Deshalb könne in diesen Fällen der Krankenkasse kein Schaden entstehen. Die Anordnung eines Regresses beruhe auf einer viel zu formalen Herangehensweise.
Der Beklagte und die Beigeladene zu 2 sind der Klage unter Verweis auf das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 09.05.2006, Az. L 4 KA 14/04, entgegen getreten. Ein Schaden entstehe auch dann, wenn ein Alternativarzneimittel gleiche oder niedrigere Kosten verursacht hätte. Ein Vorteilsausgleich bzw. eine Saldierung sei nicht statthaft. Nach Auffassung der Beigeladenen zu 2 sei eine normative Betrachtung letztlich unvermeidlich, Ausnahmen von dem mangels Verordnungsfähigkeit grundsätzlich anzuordnenden Regress seien der falsche Weg. Zudem gebe es durchaus Konstellationen, in denen eine Tagesdosis von Kombinationspräparaten wesentlich teurer sei als die alternative Verordnung von Monopräparaten.
Der Beigeladene zu 2 hat von einer Stellungnahme in der Sache abgesehen.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der gerichtlichen Verfahrensakte und auf die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig. Die Selbstbetroffenheit der Klägerin in eigenen Rechten, welche ihr die Befugnis zur Klageerhebung verleiht, folgt unabhängig vom Nachweis eines konkreten rechtlichen Interesses daraus, dass die Festsetzung des Verordnungsregresses in Höhe von 6,84 EUR gegen den Beigeladenen zu 2 durch den - hierfür zuständigen, vom Gesetzgeber mit den erforderlichen Kompetenzen ausgestatteten und auch mit Vertretern der Ärzteschaft besetzten - Beklagten nach höchstrichterlicher Meinung einen Eingriff in die Gesamtverantwortung der Klägerin für eine den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entsprechende Durchführung der vertragsärztlichen Versorgung darstellen soll (Bundessozialgericht, Urteil vom 28.08.1996, Az. 6 RKa 88/95).
Die Klage ist unbegründet. Der Beklagte hat zutreffend festgestellt, dass der Beigeladene zu 1 der Beigeladenen zu 2 die durch die Verordnung von ferro sanol® gyn Kapseln entstandenen Aufwendungen zu ersetzen hat.
Grundlage für den angeordneten Verordnungsregress ist § 8 Abs. 1 Nr. 5, § 12 Abs. 1 2. Spstr. Buchst. a der auf § 106 Abs. 2 Satz 4 SGB V beruhenden Prüfungsvereinbarung über das Verfahren zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit durch den Prüfungs- und den Beschwerdeausschuss zwischen der Klägerin und den Krankenkassen bzw. deren Verbänden auf Landesebene in der ab dem 01.01.2004 geltenden Fassung sowie § 48 Abs. 1 BMV-Ä (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 14.03.2001, Az. B 6 KA 19/00 R). Nach diesen Vorschriften obliegt den Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung unter Anderem die Entscheidung über Anträge der Krankenkassen auf Feststellung eines sonstigen Schadens, der durch die unzulässige Verordnung von Leistungen, die aus der Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen sind, entstanden ist.
Der Beigeladenen zu 2 ist auf Grund der unzulässigen Verordnung von ferro sanol® gyn Kapseln durch den Beigeladenen zu 1 ein Schaden in Höhe des festgesetzten Regressbetrags entstanden.
Die Verordnung des Arzneimittels zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung war unzulässig. Das Präparat ist nicht verschreibungspflichtig. Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel sind gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB V von den Leistungen der Krankenkassen grundsätzlich ausgeschlossen. Nr. 16.4.14 AMR sieht eine nach § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V zulässige Ausnahme von dem Verordnungsausschluss nur für Eisen-(II)-Verbindungen zur Behandlung von gesicherter Eisenmangelanämie vor. Folsäure ist gemäß Nr. 16.4.16 AMR nur bei Therapie mit Folsäureantagonisten sowie zur Behandlung des kolorektalen Karzinoms und gemäß Nr. 16.4.39 AMR als Monopräparat (5 mg/Dosiseinheit) nur bei nachgewiesenem, schwerwiegendem Vitaminmangel, der durch eine entsprechende Ernährung nicht behoben werden kann, verordnungsfähig. Auch bei nachgewiesenem Folsäuremangel wäre ein Folsäurepräparat mit der verabreichten Wirkstoffkonzentration (1 mg/Dosiseinheit) selbst als Monopräparat nicht verordnungsfähig gewesen.
Die Verordnung von Eisen-(II)-Verbindungen ist in den genannten Ausnahmefällen nicht ausdrücklich auf Monopräparate beschränkt. Der für fixe Kombinationen aus Vitaminen - Folsäure ist ein solches (Vitamin B9) - und anderen Stoffen in Nr. 20.1 Buchst. q AMR angeordnete Verordnungsausschluss gilt gemäß Nr. 16.9 AMR nicht für rezeptfreie Medikamente. Gleichwohl folgt aus dem Zusammenspiel von Nr. 16.4.39 und Nr. 16.4.14 AMR zwingend, dass es nach den Arzneimittel-Richtlinien keine Ausnahmeindikation gibt, die im vorliegenden Fall die Verordnung einer Kombination aus einer Eisen-(II)-Verbindung mit Folsäure als Kassenleistung gerechtfertigt hätte.
Damit verbleibt es bei dem gesetzlichen Verordnungsausschluss nach § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Dies steht zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit.
Umstritten ist allein die Frage, ob der Beigeladene zu 1 dem angeordneten Verordnungsregress entgegen halten kann, er hätte, wenn er der Versicherten nicht das Kombinationspräparat verschrieben hätte, statt dessen zulässigerweise ein ebenso teures Eisen-II-Monopräparat verordnet. Der Vorteil, welcher der Beigeladenen zu 2 dadurch entstanden ist, dass sie wegen der Verordnung des Kombinationspräparats die Aufwendungen für das statt dessen indizierte Monopräparat eingespart habe, sei anzurechnen. Wegen des gleichen Arzneimittelfestbetrags sei ihr kein Schaden entstanden.
Diese Frage hat der Beklagte zu Recht verneint.
Eine Saldierung der tatsächlich angefallenen mit den bei rechtmäßigem Alternativverhalten entstandenen hypothetischen Arzneimittelkosten im Sinne eines Vorteilsausgleichs ist nicht statthaft. Die Prüfungsvereinbarung sieht eine Anrechnung kompensatorischer Einsparungen nicht vor. Dem Gesetz lässt sich keine Grundlage hierfür entnehmen. Auch der Bundesmantelvertrag-Ärzte bietet - im Gegensatz zu § 44 Abs. 3 EKV - keinen Ansatzpunkt, der es den Beteiligten der Prüfungsvereinbarung erlauben würde, eine solche Vorteilsanrechnung zu vereinbaren.
Ein Schaden im Sinne des § 12 der Prüfungsvereinbarung ist der Beigeladenen zu 2 schon deshalb entstanden, weil der Beigeladene zu 1 der Versicherten ein Medikament verschrieben hat, das von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen ist, und die Beigeladene zu 2 mit den Kosten hierfür belastet hat, aber die Versicherte ein vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung umfasstes Arzneimittel nicht erhalten hat.
Ob der Beigeladene zu 1 der Patientin statt dessen das verordnungsfähige Medikament hätte verschreiben können und gegebenenfalls verschrieben hätte und, wenn ja, welche Kosten dabei der Beigeladenen zu 2 entstanden wären, spielt für die Frage der Entstehung eines Schadens keine Rolle. Insoweit gilt das Gleiche wie bei der Korrektur fehlerhafter Honorarabrechnungen im Wege der sachlich-rechnerischen Richtigstellung. Auch hier ist es nicht zulässig, an Stelle des aus der Abrechnung gestrichenen Ansatzes einer tatsächlich erbrachten, aber für den Arzt nicht abrechenbaren Leistung, die Gebührenposition einer nur hypothetisch abrechenbaren alternativen Leistung abzurechnen, deren Leistungsumfang der Arzt jedoch tatsächlich nicht erbracht hat.
Die von der Klägerin eingeforderte Anrechnung der ersparten Aufwendungen bei rechtmäßigem Alternativverhalten ist schon begrifflich nicht Voraussetzung für die Feststellung eines Schadens. Bereits für den Schadensbegriff im Zivilrecht ist anerkannt, dass die Anrechnung eines Vorteils - wie zum Beispiel durch das schädigende Ereignis ersparte Aufwendungen - dem Zweck des Schadensersatzes entsprechen muss und den Schädiger nicht unbillig entlasten darf. Die Vorteilsausgleichung erfolgt also nicht bei der Endsaldierung aller Aktiv- und Passivposten gegenüber dem Gesamtbetrag des Schadens, sondern betrifft nur den Schadensposten, dem der Vorteil seiner Art nach entspricht, das heißt der mit dem Vorteil "kongruent" ist. Die Rechtsprechung hat hierfür die Formulierung gebraucht, dass nur solche Vorteile als anrechenbar in Betracht kommen, die gerade mit dem geltend gemachten Nachteil in einem qualifizierten Zusammenhang stehen, der beide gewissermaßen zu einer Rechnungseinheit verbindet. Diese Rechnungseinheit ist nicht die Folge einer bestimmten Art der Schadensberechnung, sondern das Ergebnis einer wertenden Zuordnung von bestimmten Vor- und Nachteilen aus dem Schadensereignis. Denn die Summen dieser Vor- und Nachteile sind nur rein formale Größen, die als solche nicht in einem sachstrukturellen Zusammenhang stehen (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.06.1997, Az. V ZR 115/96).
Nach diesen Maßstäben scheidet die Saldierung der Kosten des verordneten, aber nicht verordnungsfähigen Kombinationspräparats mit denen des verordnungsfähigen, aber nicht verordneten Monopräparates aus. Zwischen beiden Leistungen herrscht gerade keine rechtliche Kongruenz. Die Grenze zwischen den nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, für deren Kosten die Krankenkassen aufzukommen haben, und denen, bei denen dies nicht der Fall ist, wird abschließend und einheitlich durch § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V in Verbindung mit den Arzneimittel-Richtlinien gezogen. Sie kann nicht dadurch umgangen werden, dass der Arzt gleichwohl vom gesetzlichen Leistungsumfang ausgeschlossene Arzneimittel verordnet und anschließend die hierdurch entstandenen Kosten mit denen eines angeblichen Substitutionspäparates verrechnet. Sind unter den gegebenen Indikationsvoraussetzungen Folsäurepräparate von der Leistungspflicht ausgeschlossen, hat die Kasse sich an den Kosten eines gleichwohl verordneten Folsäure-Kombinationspräparates nicht, auch nicht anteilig, zu beteiligen, indem sie die Kosten einer Kombination mit einem medizinisch nicht indizierten Wirkstoff ganz oder anteilig übernimmt.
Diese generell für die Bestimmung eines Schadens in Folge einer fehlerhaften Arzneimittelverordnung geltenden Grundsätze werden nicht wegen des besonderen Umstandes, dass für Mono- und Kombinationspräparate ein einheitlicher Festbetrag gilt, in Frage gestellt.
In diesem Zusammenhang ist klarzustellen, dass die gleiche Höhe des Festbetrags für die Frage, ob schon dem Grunde nach überhaupt ein Schaden entstanden sein kann, schon deshalb ohne Bedeutung ist, weil Arzneimittelfestbeträge keine Festpreise darstellen. Vielmehr begrenzt der Festbetrag gemäß § 31 Abs. 2 Satz 1 SGB V nur die Kostenübernahmepflicht der Krankenkasse nach oben; die Höhe der Kostenbelastung unterhalb des Festbetrags kann dabei außer von den tatsächlichen Arzneimittelpreisen durchaus auch vom Verordnungsverhalten des Arztes abhängen.
So wenig wie der Patient, der eine nicht gemäß §§ 31, 135 SGB V vom Leistungsumfang der Krankenversicherung umfasste Leistung in Anspruch nimmt, gleichwohl unter Umgehung des Sachleistungsprinzips eine Übernahme der Kosten beanspruchen kann, die bei der Inanspruchnahme der anerkannten Behandlung angefallen wären (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 24.09.1996, Az. 1 RK 33/95), so wenig kann der Arzt das gleiche Ergebnis dadurch erwirken, dass er dem Patienten die ausgeschlossene Leistung auf Kassenrezept verschafft und dem Regressbegehren der Krankenversicherung die Kosten der tatsächlich nicht erbrachten rechtmäßigen Alternativleistung entgegen hält.
Diese Abgrenzung ist normativer Natur. Ob tatsächlich, wie von der Klägerin sinngemäß geltend gemacht wird, hinsichtlich der antianämischen Wirkung des verordneten Kombinationspräparates eine pharmakotherapeutische Vergleichbarkeit mit verordnungsfähigen Monopräparaten besteht, wenn ja, ob bei der Patientin eine Substitution möglich gewesen wäre und welche Kosten in Abhängigkeit von der Dosierung, Zusammensetzung und Pharmakodynamik eines alternativ verordnungsfähigen Monopräparats angefallen wären, ist für die rechtliche Grenzziehung nicht relevant. Mag die Beurteilung im vorliegenden Fall noch medizinisch einfach sein, so würde eine solche umfassende Vergleichsbetrachtung nicht nur die rechtlichen Grenzen, sondern auch die faktischen Möglichkeiten des Prüfungsauftrags des Beklagten sprengen. Die Entscheidung, welche Arzneimittel insoweit vergleichbar sind und welche nicht, hat der Gesetzgeber durch § 34 Abs. 1 Satz 9 in Verbindung mit § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V allein dem Gemeinsamen Bundesausschuss überantwortet. Die Beurteilung der Prüfgremien hat sich darauf zu beschränken, ob die zur Prüfung gestellte Verordnung den dort normierten Voraussetzungen entspricht, nicht aber, welche Alternativen statt dessen in Betracht gekommen wären. Dies einzuschätzen und sein Verordnungsverhalten entsprechend auszurichten, ist allein Sache des Arztes, der es damit in der Hand hat, durch eine richtliniengerechte Verordnungsweise ein Regressverfahren zu vermeiden.
Es würde den gesetzlichen Auftrag der Prüfgremien überspannen, in jedem konkret zu prüfenden Einzelfall gedanklich ein rein fiktiv gebliebenes Verordnungsverhalten des Arztes mit tatsächlich nicht verordneten Arzneimitteln zu simulieren, um den Eintritt eines Schaden zu bestimmen. Eine hypothetische Indikationsstellung an Hand der hierfür maßgeblichen Patientendaten, eine alternative Arzneimittelauswahl und -dosierung sowie der daran anknüpfende Kostenvergleich würden vielfach mit der Wirklichkeit eines Prüfungsverfahrens kollidieren, das den Erfordernissen eines Massenverfahrens nach einfachen Kriterien gerecht werden muss, ohne den Betrieb der Praxis durch oftmals schwierige Nachermittlungen sowie therapeutische und pharmakologische Beurteilungen in einzelnen Behandlungsfällen unverhältnismäßig zu beeinträchtigen.
Aus dem gleichen Grund hat das Bundessozialgericht schon bezüglich der Prüfung, ob die Behandlungs- und Verordnungsweise eines Arztes unter Berücksichtigung evtl. kompensatorischer Einsparungen wirtschaftlich (im engeren Sinne) ist, darauf aufmerksam gemacht, dass bei einer Einzelfallprüfung konkrete, auf die Aufklärung der früheren Indikationslage bezogene Tatsachenfeststellungen dazu zu treffen sind, was unter Vergegenwärtigung der jeweiligen medizinischen Indikation an ärztlichen Leistungen notwendig bzw. nicht notwendig war, und dass dabei primär eine Heranziehung des Patienten zu erwägen ist. Wegen der großen Zahl der Abrechnungsfälle und wegen der Schwierigkeit einer Rekonstruktion des für die Indikation maßgebenden Krankheitszustandes im Einzelfall sei auf Grund dieser Anforderungen nicht die rechtsdogmatisch als Grundsatz vorgesehene strenge Einzelfallprüfung, sondern vielmehr die im Prinzip als Ausnahme vorgesehene statistische Prüfmethode praktisch als Regelfall anzuwenden. Der statistischen Methode komme der Vorrang zu, weil nach allgemeinen Erfahrung den Anforderungen, die an einen konkreten Beweis zu stellen sind, im Regelfall der kassenärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht Genüge getan werden kann (Bundessozialgericht, Urteil vom 02.06.1987, Az. 6 RKa 19/86).
Würde man diese - praktisch nicht erfüllbaren - Beweismaßstäbe, die für die Feststellung der Unwirtschaftlichkeit der Behandlungs- und Verordnungsweise im Rahmen strenger Einzelfallprüfungen gelten, auf die Prüfung übertragen, ob der Krankenkasse durch eine fehlerhafte Verordnung ein Schaden entstanden ist, so würde - da insoweit ein Ausweichen auf geeignete statistische Prüfmethoden nicht in Betracht kommt - der Prüfungsaufwand, je häufiger der Arzt bei seinen Verordnungen von den Bestimmungen der Arzneimittel-Richtlinien abweicht, prohibitiv anwachsen. Verstöße wären, wenn sie nur in ausreichender Zahl begangen werden, faktisch sanktionslos und die Arzneimittel-Richtlinien letztlich zur Disposition des Arztes gestellt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO. Die Auferlegung außergerichtlicher Kosten der Beigeladenen auf Beteiligte oder die Staatskasse war nicht veranlasst (§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 162 Abs. 3 VwGO). Der gemäß § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit § 1 Nr. 4 GKG und § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG nach der sich aus dem Klageantrag ergebenden Bedeutung der Sache festzusetzende Streitwert entspricht der Höhe des streitgegenständlichen Verordnungsregresses.
Die Kammer hat auf Antrag der Klägerin gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG die Berufung wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen. Nach Angaben des Beklagten ist bei den Prüfgremien noch eine Vielzahl vergleichbarer Verfahren anhängig, die teilweise im Hinblick auf den Ausgang des vorliegenden Verfahrens ruhen. Höchstrichterliche Rechtsprechung des für Angelegenheiten des Vertragsarztrechts zuständigen Senats des Bundessozialgerichts liegt zu der im vorliegenden Verfahren aufgeworfenen Rechtsfrage nicht vor. Soweit das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht in seinem Urteil vom 09.05.2006, Az. L 4 KA 14/04, die Rechtsfrage im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts für grundsätzlich geklärt erachtet hat, handelt es sich bei den unter Bezug genommenen Entscheidungen im Wesentlichen um Urteile der für Angelegenheiten der Gesetzlichen Krankenversicherung zuständigen Senate des Bundessozialgerichts, die keinen unmittelbaren Bezug zum Schadensbegriff beim Arzneimittelregress wegen fehlerhafter Verordnung aufweisen. Darüber hinaus sieht die Kammer es als der Klarstellung bedürftig an, ob aus dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 28.08.1996, Az. 6 RKa 88/95, tatsächlich folgt, dass der Kassenärztlichen Vereinigung auf Grund ihrer Gesamtverantwortung für eine den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entsprechende Durchführung der vertragsärztlichen Versorgung ein Mandat zu einer allgemeinen und umfassenden Gesetzlichkeitskontrolle in Fragen der ärztlichen Behandlungs- und Verordnungsweise im Einzelfall - deren Überwachung bereits den Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung zugewiesen ist - zustehen soll, welches ihr eine vom Rechtsschutzbegehren des unmittelbar betroffenen Vertragsarztes unabhängige Klagebefugnis verleiht.
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