Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
35
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 35 R 1351/14
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Voraussetzungen für eine Kostenerstattung nach § 15 Abs. 1 SGB IX liegen auch vor, wenn der Antragsteller vor Beginn der Ausbildung bei dem Rehabilitationsträger den Antrag auf Förderung mündlich beantragt hat und die Förderung vor Beginn der Ausbildung von dem Rehabilitationsträger (bzw. einem seiner Sachbearbeiter) mündlich abgelehnt wurde.
2. Sofern der Rehabilitationsträger bei der Ablehnung einer Ausbildung von fehlerhaften berufskundlichen Unterlagen ausgeht, liegt eine fehlerhafte Ermessensausübung vor.
3. Zur Unaufschiebbarkeit einer Leistung nach § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX.
2. Sofern der Rehabilitationsträger bei der Ablehnung einer Ausbildung von fehlerhaften berufskundlichen Unterlagen ausgeht, liegt eine fehlerhafte Ermessensausübung vor.
3. Zur Unaufschiebbarkeit einer Leistung nach § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX.
I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 06.03.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.07.2014 verurteilt, die vom 09.09.2013 bis 22.01.2016 erfolgte Ausbildung des Klägers zum Berufskraftfahrer im Personenverkehr durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu fördern. II. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Förderung einer Ausbildung als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben streitig.
Der 1982 geborene Kläger hat 2004 die Ausbildung zum Tischler mit Gesellenbrief beendet. Nach dem Grundwehrdienst war der Kläger zunächst arbeitslos und von November 2005 bis September 2008 (mit Unterbrechung durch Arbeitslosigkeit) als Produktionsarbeiter beschäftigt. Nach erneuter Arbeitslosigkeit absolvierte der Kläger ein Praktikum im Pflegeheim und war ab 15.05.2011 als Altenpflegehelfer beschäftigt. Im Januar 2012 wurde der Kläger, der seit Längerem unter Hüftbeschwerden litt, am linken Hüftgelenk operiert. Es erfolgte eine endoskopisch assistierte Offset-Verbesserung mit Knorpelflake-Resektion und Mikrofrakturierung am 13.01.2012 wegen Hüftdysplasie und Coxarthrose beidseits. In der nachfolgenden Anschlussheilbehandlung (vom 24.02.2012 bis 16.03.2012) wurde bei dem Kläger ein bestehendes Funktions- und Belastungsdefizit des linken Hüftgelenks festgestellt. Es wurde eingeschätzt, dass der Kläger die Tätigkeit als Pflegehelfer nur noch 3 bis unter 6 Stunden täglich ausüben könne (Entlassungsbericht vom 19.03.2012). Es bestehe ein positives Leistungsbild für leichte Tätigkeiten ohne häufiges Bücken, Hocken, Ersteigen von Leitern und Treppen sowie Gerüsten. Zu vermeiden sei ferner Heben und Tragen ohne Hilfsmittel oder Hilfspersonen. Der Kläger war im Anschluss an die Reha weiter beschäftigt als Altenpflegehelfer und bezog ergänzend Arbeitslosengeld II.
Am 02.03.2012 beantragte der Kläger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und gab an, er möchte eine Umschulung in eine sitzende Arbeit. Der GdB nach dem Schwerbehindertenrecht betrug 20. Der Kläger erklärte weiter, nach ca. 30minütigem Gehen bestünden große Schmerzen. Die Knie seien schmerzhaft. Heben und Tragen von Personen sei schmerzhaft. Außerdem belaste ihn die psychische Belastung in der Altenpflege. Mit Bescheid vom 27.04.2012 bewilligte die Beklagte Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dem Grunde nach und verwies darauf, dass Art, Dauer und Umfang der Leistungen noch festzulegen seien. Der Kläger befand sich danach zu regelmäßigen Gesprächen mit seinem Reha-Sachbearbeiter. Unter Anderem wurde im Gespräch am 11.06.2012 allgemein das Ziel und die Grundsätze der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben besprochen. Der Kläger erklärte dort, er möchte eine Umschulung in den "Bürobereich". Die Beklagte sah hierfür in dem Gespräch am 11.06.2012 keine Notwendigkeit bei dem bestehenden Restleistungsvermögen und dem bestehenden Arbeitsverhältnis. Zu prüfen sei eine betriebliche Umsetzung, die mittels Bescheid vom 15.06.2012 bezuschusst wurde. Der Kläger legte hiergegen mit Schreiben vom 04.07.2012 Widerspruch ein und erklärte, dass der Arbeitgeber eine innerbetriebliche Umsetzung ablehne. Das Arbeitsverhältnis sei mittlerweile auch durch Aufhebungsvertrag beendet. Ein Eingliederungszuschuss, so der Kläger weiter, nütze ihm nichts. Er bat um Kostenübernahme für eine Umschulung zum Einstieg in einen anderen Berufsbereich. Mit Bescheid vom 03.08.2012 bewilligte die Beklagte Eingliederungszuschuss für eine geeignete Tätigkeit, befristet bis 31.08.2014. Am 15.10.2012 erfolgte ein weiteres Beratungsgespräch, in dem der Kläger angab, auch weiterhin an einer beruflichen Neuorientierung interessiert zu sein. Ihm wurde Infomaterial zur Berufsfindung bei dem Berufsförderwerk B. ausgehändigt. Vom 14.01.2013 bis 25.01.2013 nahm der Kläger an einem RehaAssessment des Berufsförderwerk B. teil. Nach dem Abschlussbericht vom 13.03.2013 konnte der Kläger bei der Überprüfung des schulischen Wissens in Deutsch den Erwartungen nicht gerecht werden. Auch zeigten sich deutliche Defizite in Mathematik, die einer Aufschulung bedürfen. Aufgrund des defizitären Lernvermögens bei gravierenden Wissenslücken im Bereich Mathematik sei im Vorfeld einer Qualifizierung ein vorbereitender Lehrgang zu empfehlen. In der Gesamtschau der Testergebnisse liege, rein formal, eine deutlich bedingte Eignung für die in Erwägung gezogenen Berufsbilder Bürokaufmann sowie Bauzeichner vor. Dies bedeute, dass in einem 5monatigen Vorbereitungslehrgang eine zielförderliche Leistungsentwicklung in den schulischen Grundlagen (Mathe, Deutsch) unabdingbar sei. Das positive Leistungsbild wird beschrieben für leichte bis gelegentlich mittelschwere körperliche Tätigkeiten in gut temperierten Räumen unter Beachtung des negativen Leistungsbildes in wechselnder Körperhaltung. Das negative Leistungsbild wird u.a. beschrieben mit gleichförmiger Arbeitshaltung, längerer Zwangshaltung, schwere körperliche Arbeit, Heben und Tragen von schweren Lasten von mehr als 10 kg, Hocken und Knien, Einwirkung von Ganzkörper- oder Teilkörpervibrationen. In der medizinischen Tauglichkeitsbeurteilung wird der Kläger als nichttauglich eingeschätzt u.a. für die Berufe Altenpfleger, Tischler, Busfahrer / Straßenbahnfahrer und Berufskraftfahrer. Am 22.04.2013 wurde in einem Beratungsgespräch der Assessmentbericht ausgewertet. Nach dem Beratervermerk vom 22.04.2013 gäbe es "in Auswertung des Assessmentberichts eine passende Umschulung aktuell nicht". Es sei dem Kläger freigestellt, sich bei anderen Berufsförderwerken zu Alternativen zu informieren. Die weitere Förderung im Zusammenhang mit einer betrieblichen Einarbeitung (Eingliederungszuschuss) wurde in Aussicht gestellt. In dem Beratungsprotokoll wird zur Antragsstellung darauf hingewiesen, dass der Kläger den Antrag persönlich, telefonisch oder per E-Mail dem Auskunfts- und Beratungsdienst, im Rehabilitationsteam oder bei seinem Rehabilitationsfachberater erstellen könne. Es wurde in der Zielvereinbarung u.a. festgehalten, dass sich der Kläger unabhängig von seinem Umschulungswunsch um eine leidensgerechte Tätigkeit bemühen werde. Mit E-Mail vom 01.07.2013 beantragte der Kläger die Teilnahme an einer Arbeitserprobung für die Umschulung zum Qualitätsfachmann im Berufsförderwerk B. Er führte weiter aus, er habe sich wie besprochen bei P. GmbH vorgestellt, sich aber entschieden, dass ihm die Zusammenarbeit mit P. GmbH keine Verbesserung in der Jobsuche bringe. Er habe sich deshalb für den Umschulungsberuf des Qualitätsfachmanns entschieden. In der Nachfolge nahm der Kläger an einem RehaAssessment zur Erprobung im beruflichen Handlungsfeld Metalltechnik vom 06.08. – 07.08.2013 teil. Nach dem Abschlussbericht vom 09.09.2013 könne aus rein fachpraktischer Sicht keine Empfehlung für Berufsbilder im Metallbereich (Industriemechaniker sowie Qualitätsfachmann) gegeben werden. Dem Kläger sei es im Abschlussgespräch schwer gefallen, dies für sich zu akzeptieren.
Am 04.09.2013 unterzeichnete der Kläger einen Berufsausbildungsvertrag nach den §§ 10, 11 Berufsbildungsgesetz (BBiG) mit S. GmbH mit der Ausbildung zum Berufskraftfahrer im Personenverkehr. Die Ausbildung sollte vom 09.09.2013 bis 25.08.2016 dauern. Der Arbeitgeber verpflichtete sich zur Zahlung einer Ausbildungsvergütung von 440,00 Euro im ersten, 460,00 Euro im zweiten und 480,00 Euro im dritten Ausbildungsjahr. Anlässlich des nächsten Beratergesprächs am 16.12.2013 verwies der Kläger auf die begonnene Ausbildung. Der zuständige Sachbearbeiter erklärte ihm, dass es sich um eine selbstgewählte Ausbildung handle und vorab keine Kostenübernahme bei der Beklagten beantragt wurde, weshalb die Leistung an sich und auch keine begleitenden Leistungen übernommen werden können. Mit Bescheid vom 06.03.2014 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Leistungen zur Teilhabe in Form beruflicher Bildungsmaßnahmen ab und verwies zur Begründung auf § 33 Abs. 4 SGB IX. Die von dem Kläger begonnene Ausbildung zum Berufskraftfahrer sei laut medizinischer Tauglichkeitsbeurteilung nicht leidensgerecht. Ferner erfolgte vorab kein Antrag auf Kostenübernahme weshalb die Voraussetzungen für die selbstbeschaffte Leistung nach § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB IX nicht vorliege. Abschließend wird mitgeteilt, dass das Verfahren zur Teilhabe am Arbeitsleben damit eingestellt wird.
Mit Schreiben vom 19.03.2014 hat der Kläger gegen den Bescheid vom 06.03.2014 Widerspruch eingelegt und darauf verwiesen, dass die Zusammenarbeit mit der Beklagten sehr einseitig und von seiner Eigeninitiative geprägt gewesen sei. Weder der Rententräger noch das Jobcenter habe ihn unterstützt, eine Umschulung zu ermöglichen. Bis November 2013 hätte er keine Auswertung des RehaAssessments erhalten. Im November 2013 habe er sich telefonisch beim Rententräger gemeldet und um einen Termin gebeten. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er keine Auswertung erhalten, ob sein Antrag auf Umschulung stattgegeben werde. Am 01.09.2013 habe er Kenntnis von der freien Ausbildungsstelle erhalten, sich noch am selbigen Tag beworben und war am 03.09.2013 zum Vorstellungsgespräch. Da das Ausbildungsjahr schon begonnen hatte, war eine sofortige Entscheidung notwendig, um die Ausbildung zu bekommen und diese nicht an andere Mitbewerber zu verlieren. Er habe dann den Ausbildungsvertrag unterzeichnet und war davon ausgegangen, dass eine weitere finanzielle Unterstützung durch die Arbeitsagentur als Aufstocker erfolgen würde. Dies war nicht der Fall. Die bis Januar 2014 gezahlten Leistungen wurden von dort zurückgefordert. Der Kläger verwies darauf, dass er im Dezember 2013 den Führerschein Klasse D erfolgreich bestanden, und in der Berufsschule gute Noten habe.
Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 31.07.2014) und führte zur Begründung aus, dem Kläger sei im Abschlussgespräch am 07.08.2013 mitgeteilt worden, dass die Ausbildung zum Qualitätsfachmann nicht empfohlen werden könne. Dennoch habe er am 12.08.2013 die Umschulung für den Beruf Qualitätsfachmann beantragt. Die Beklagte verwies auf § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB IX, wonach selbst beschaffte Leistungen nur erstattet werden können, wenn die Entscheidung über den Rehabilitationsantrag nicht innerhalb bestimmter Fristen erfolgt sei. Hier mangele es an einer vorherigen Antragstellung, da der Kläger die Beklagte erst nachträglich am 16.12.2013 erstmals darüber informiert habe, dass er die Ausbildung zum Berufskraftfahrer bereits im September 2013 begonnen habe. Eine unaufschiebbare Leistung liege nicht vor. Die Kostenerstattung für die begehrte Ausbildung zum Berufskraftfahrer komme auch deshalb nicht in Betracht, da diese nicht geeignet sei. Der Kläger sei nach erneuter sozialmedizinischer Beurteilung nur in der Lage, eine leichte bis gelegentlich bzw. zeitweise mittelschwere körperliche Tätigkeit mit weiteren Einschränkungen zu verrichten. Nach dem maßgeblichen Anforderungsprofil im sog. Berufenet handle es sich bei der Tätigkeit des Berufskraftfahrers jedoch um eine Arbeit, bei der auch schweres Heben und Tragen anfallen könne. Ferner gehören dazu auch Kundenkontakt, Verantwortung für Personen sowie unregelmäßige Arbeitszeiten, sodass auch die erforderliche psychische Belastung gegeben sein müsse.
Am 25.08.2014 hat der Kläger Klage erhoben mit dem Ziel der Förderung der Ausbildung durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und schildert in der Klagebegründung das Hin und Her zwischen Jobcenter, Arbeitsagentur und Beklagter. Er habe zwischenzeitlich für die Ausbildung bei der Arbeitsagentur Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) beantragt, die abgelehnt wurde, weil einerseits bereits eine Ausbildung als Tischler beendet worden ist und andererseits vorrangig die Beklagte als Rehaträger zuständig sei. Der Kläger reicht eine Übernahmebestätigung des Arbeitgebers für die Zeit nach Ausbildungsende sowie eine Stellungnahme des Universitätsklinikums Dresden vom 14.05.2014 ein, wonach Umschulungsmaßnahmen mit einer überwiegend sitzenden Tätigkeit notwendig erscheinen. Die von dem Kläger angedachte Tätigkeit als Busfahrer erscheine gut geeignet. Der Kläger führt weiter aus, er habe von Januar 2012 bis September 2013 keine weiteren Fortschritte hinsichtlich seiner beruflichen Perspektive gesehen und ist der Meinung, es liege eine Ermessensreduzierung auf Null vor, da die Beklagte jegliche Vorschläge seinerseits abgeschmettert habe. Er verweist auch auf seine Verpflichtungen zur Eigeninitiative und darauf, dass er im Frühjahr 2012 genau den Beruf des Busfahrers vorgeschlagen habe, was vom zuständigen Sachbearbeiter sofort zurückgewiesen wurde. Nach Meinung des Klägers hätte bei Abwarten einer Entscheidung der Beklagten die Ausbildung möglicherweise erst im Jahr 2016 begonnen werden können.
Der Kläger hat die Ausbildung am 22.01.2016 bestanden und ab 23.01.2016 bei S. GmbH einen unbefristeten Arbeitsvertrag als Omnibusfahrer unterzeichnet. Die ersten 6 Monate seit der Einstellung gelten als Probezeit (§ 3 Abs. 2 des Arbeitsvertrags). Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 19.05.2016 schildert der Kläger nochmals die Zusammenhänge und insbesondere den zeitlichen Ablauf von Kenntnis über die Möglichkeit des Ausbildungsvertrages bis zum Vertragsabschluss. Ferner schildert er nochmals die Gespräche mit dem Reha-Sachbearbeiter der Beklagten.
Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 06.03.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.07.2014 zu verpflichten, die vom 09.09.2013 bis 22.01.2016 erfolgte Ausbildung zum Berufskraftfahrer im Personenverkehr durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu fördern.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist zunächst darauf, dass lt. Berufenet das Berufsbild Berufskraftfahrer / Personenverkehr nicht leidensgerecht sei. Schließlich bestehe kein Anspruch auf Kostenerstattung für die selbstbeschaffte Leistung ohne vorherigen Antrag. Auch liege kein Fall der Ermessensreduzierung auf Null vor. Der Kläger sei regelmäßig auf die notwendige vorherige Antragstellung (bspw. im Beratungsgespräch am 22.04.2013) hingewiesen worden. Die Förderung der Ausbildung zum Berufskraftfahrer wurde erst nach deren Beginn geltend gemacht. Die Information ging bei der Beklagten erst am 16.12.2013 ein, sodass keine nachträgliche Kostenerstattung mehr in Betracht kommen kann. Vor diesem Hintergrund sind auch die Ausführungen in dem Gutachten des Dr. D. vom 06.10.2015 unbeachtlich.
Im Rahmen der Sachverhaltsermittlung wurde u.a. eine Arbeitgeberbestätigung vom 03.03.2015 beigezogen, auf die wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird. Ferner wurde aus dem Parallelverfahren des Klägers Az. S 19 AL 93/14 mit dessen Zustimmung das Gutachten des Dr. D. zur Klärung der Frage, ob der Kläger unter Berücksichtigung der bei ihm vorliegenden Erkrankungen auf orthopädischem Fachgebiet, insbesondere im Bereich der Hüftgelenke, eine dauerhafte berufliche Tätigkeit als Busfahrer leidensgerecht ausüben könne, beigezogen. Auf das Gutachten des Dr. D. vom 06.10.2015, erstellt aufgrund Untersuchung des Klägers vom gleichen Tage, wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.
Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakte, die Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 06.03.2014 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 31.07.2014, in welchem die Förderung der Ausbildung zum Berufskraftfahrer abgelehnt und Leistungen zur Teilhabe eingestellt wurden, verletzt den Kläger rechtswidrig in seinen Rechten i.S.v. § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Kläger hat Anspruch auf Förderung der Ausbildung zum Berufskraftfahrer im Personenverkehr durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben durch die Beklagte.
Die Beklagte hatte dem Kläger dem Grunde nach Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Bescheid vom 27.04.2012 bewilligt und sich die Entscheidung über Art und Umfang der Leistungen vorbehalten. Dieser Bescheid ist nicht angefochten worden und damit bestandskräftig. In Ausführung dieses Grundlagenbescheides steht dem Kläger nach Auffassung der Kammer auch die konkrete Förderung der Ausbildung nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) zu.
Da die Ausbildung bereits abgeschlossen ist, richtet sich das Begehren auf die Verurteilung zur nachträglichen Förderung, insbes. zur Kostenerstattung (vgl. BSG 24.02.2000, B 2 U 12/99 R, SozR 3-2200 § 567 Nr. 3; LSG Baden-Württemberg 19.03.2009, L 10 R 2684/07). Als Anspruchsgrundlage kommt allein die Vorschrift des § 15 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch (SGB IX) in Betracht, die Kostenerstattungsansprüche für selbst beschaffte Teilhabeleistungen regelt (vgl. Urt. des BSG v. 20.10.2009 - B 5 R 5/07 R - zitiert nach juris). Satz 1 dieser Vorschrift bestimmt zunächst, dass der Rehabilitationsträger den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig mitteilt, falls über den Antrag auf Leistungen zur Teilhabe nicht innerhalb der in § 14 Abs. 2 SGB IX genannten Fristen entschieden werden kann. Erfolgt die Mitteilung nicht oder liegt ein zureichender Grund nicht vor, können Leistungsberechtigte dem Rehabilitationsträger eine angemessene Frist setzen und dabei erklären, dass sie sich nach Ablauf der Frist die erforderliche Leistung selbst beschaffen (§ 15 Abs. 1 S. 2 SGB IX). Eine Kostenerstattungspflicht wird in Satz 3 insoweit geregelt, als sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst beschaffen und der zuständige Rehabilitationsträger unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zur Erstattung der Aufwendungen verpflichtet ist. Die Erstattungspflicht besteht nach Satz 4 auch, wenn der Rehabilitationsträger eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann oder er eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat.
Voraussetzung für eine Kostenerstattung nach rechtswidriger Ablehnung der Leistung durch den Reha-Träger ist der notwendige Kausalzusammenhang zwischen der ablehnenden Entscheidung der Verwaltung und der Selbstbeschaffung. An einem solchen Zusammenhang fehlt es, wenn der Reha-Träger vor Beginn der Maßnahme mit dem Leistungsbegehren überhaupt nicht befasst wurde oder der Antragsteller die Entscheidung des Reha-Trägers in einem angemessenen Zeitraum nicht abgewartet hat, obwohl dies ihm möglich und zumutbar gewesen wäre.
Hier hat zwar der Kläger die Beklagte nicht unter Fristsetzung zur Leistungserbringung aufgefordert. Nach Auffassung der Kammer liegen jedoch die Voraussetzungen für eine Kostenerstattung vor, da der Kläger jedenfalls mündlich vor Beginn der Ausbildung bei der Beklagten den Antrag auf Förderung einer Ausbildung zum Busfahrer beantragt hat und diese auch vor Beginn der Ausbildung von der Beklagten abgelehnt wurde. Der Kläger hat für die Kammer glaubhaft dargestellt, dass er die Berufsfelder wie Busfahrer oder Lockführer im Frühjahr 2013 als geeignete Berufsfelder seinem zuständigen Reha-Sachbearbeiter vorgeschlagen hat. Dabei kann offen bleiben, ob es ein Gespräch im Mai 2013 war oder ob das Gespräch am 22.04.2013 stattgefunden hat. Jedenfalls hat der Kläger vor Beginn der Ausbildung die begehrte Schulung bei der Beklagten geltend gemacht, was von der Beklagten auch, aus Sicht der Kammer ungerechtfertigterweise, sofort abgelehnt wurde. Dabei ist auch zu beachten, dass die Beklagte dem Kläger auf dessen konkrete Anfrage keine konkreten Angebote gemacht hat, obwohl sie hierzu verpflichtet gewesen wäre. Auch die Einlassung anlässlich des Gesprächs am 22.04.2013, es gäbe keine passende Umschulung für den Kläger, erweist sich als schlicht falsch. Die Beklagte ist von der falschen Annahme ausgegangen, dass der Beruf des Busfahrers für diesen ungeeignet sei. Sie hat sich dabei auf die Aussage des Abschlussberichts des Reha-Assessments vom 13.03.2013 verlassen, ohne einen Abgleich der beigezogenen medizinischen Unterlagen durch einen Arzt oder ihren sozialmedizinischen Dienst vornehmen zu lassen. Die Einschätzung der Beklagten war auch falsch, wie ein Abgleich mit den Unterlagen aus dem allgemein anerkannten Informationsdienstes der Bundesagentur für Arbeit – Berufenet - zum Beruf des Busfahrers ergibt. Laut Berufenet lauten die Arbeitsbedingungen für Busfahrer im Einzelnen: - Handarbeit (z.B. kleinere Reparaturen selbst ausführen) - Unfallgefahr (z.B. beim Führen von Fahrzeugen des öffentlichen Personennahverkehrs) - Arbeit unter den Augen von Kunden und Gästen - Schichtarbeit - Arbeit im Sitzen - Kundenkontakt (z.B. im Linienverkehr: Fahrkarten verkaufen, Fahrausweise prüfen; im Ausflugs- und Reiseverkehr: Fahrgäste betreuen) - häufige Abwesenheit vom Wohnort (vor allem im Ausflugs- und Reiseverkehr) - Verantwortung für Personen (z.B. Fahrgäste sicher ans Ziel bringen) - Verantwortung für Sachwerte (z.B. Busse, Reisegepäck) Das für den Kläger negative Leistungsbild, insbes. schwere körperliche Arbeit, Heben und Tragen von schweren Lasten von mehr als 10 kg, Hocken und Knien, wird dort nicht beschrieben.
Die damalige Prognoseentscheidung, eine Förderung der Ausbildung zum Busfahrer sei nicht geeignet, hat sich im Übrigen auch durch den weiteren Ablauf nicht bestätigt. Die Ausbildung war insbesondere leidensgerecht und geeignet, um den Kläger dauerhaft in das Arbeitsleben zu integrieren.
Die Beklagte erbringt gemäß § 16 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI) die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach den §§ 33 ff. SGB IX. Zur Teilhabe am Arbeitsleben werden die erforderlichen Leistungen erbracht, um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wieder herzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern (§ 33 Abs. 1 SGB IX). Die Leistungen umfassen insbesondere auch berufliche Anpassung und Weiterbildung (§ 33 Abs. 3 Nr. 3 SG IX) sowie berufliche Ausbildung, auch soweit die Leistungen in einem zeitlich nicht überwiegenden Abschnitt schulisch durchgeführt werden (§ 33 Abs. 3 Nr. 4 SGB IX). Bei der Auswahl der Leistungen werden Eignung, Neigung, bisherige Tätigkeit sowie Lage und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt angemessen berücksichtigt (§ 33 Abs. 4 Satz 1 SGB IX). Ziel ist die Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit behinderter Menschen und die Sicherung ihrer Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer (§ 33 Abs. 1 SGB IX, §§ 4 Abs. 1 Nr. 3, 10 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Die Regelung in § 33 Abs. 1 SGB IX eröffnet und beschränkt zugleich die Leistungserbringung auf die erforderlichen Teilhabeleistungen. Grundvoraussetzung dafür, die Erforderlichkeit bejahen zu können, ist die Eignung der entsprechenden Maßnahme für das Erreichen des Ziels, dass die Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer sichergestellt wird (Haines in: Sozialgesetzbuch IX, Lehr- und Praxiskommentar, 2. Aufl. 2009, § 33 SGB IX Rn. 9, 13). Hierfür ist vom Maßnahmeträger eine Prognoseentscheidung über die Aussichten, dass dieses Ziel voraussichtlich erreicht wird, gefordert.
Im vorliegenden Fall hat sich die Beklagte ohne nähere Nachprüfung auf die Auskunft von Berufsförderwerk B. vom 13.03.2013 sowie die Auskunft aus Berufenet, allerdings zum falschen Beruf (Berufskraftfahrer), verlassen. Die Unterlagen aus Berufenet stimmen hinsichtlich des Berufs des Busfahrers nicht mit denen des Berufskraftfahrers überein. Insbesondere wird bei dem Beruf des Busfahrers kein schweres Heben und Tragen und Bewegen von Lasten verlangt (s.o. Seite 10). Schließlich hat die Beklagte auch keinen Abgleich des Assessmentberichts durch ihren sozialmedizinischen Dienst vornehmen lassen.
Aus Sicht der Kammer lag somit bei der anlässlich des Beratungsgesprächs im Frühjahr 2013 mündlich erfolgten ablehnenden Entscheidung hinsichtlich des Berufs des Busfahrers eine fehlerhafte Ermessensausübung vor.
Die Beklagte hat ihr Ermessen - wie es in § 39 Abs. 1 Satz 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) vorgesehen ist - entsprechend dem Regelungszweck und den gesetzlichen Ermessensgrenzen auszuüben. Relevante Gesichtspunkte der Ermessensabwägung sind die individuelle Situation des Arbeitnehmers - insbesondere die Relation zwischen dem bisherigen Berufsverlauf und dem Weiterbildungswunsch (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. März 2013 - L 2 AS 377/13 B ER, L 2 AS 378/13 B, juris) - die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes, der anhand der Ergebnisse der Beratungs- und Vermittlungsgespräche ermittelten arbeitsmarktpolitische Handlungsbedarf, der Gleichbehandlungsgrundsatz und der Umstand, ob Vermittlungs- und Eigenbemühungen über einen angemessenen Zeitraum erfolglos waren (Hassel in: Brand, SGB III, 6. Aufl. 2012, § 81 Rn. 7; Reichel in: jurisPK-SGB III, 2014, § 81 SGB III Rn. 79). Kommen nach den oben dargelegten Grundsätzen bei Vorliegen der Voraussetzungen für einen Anspruch des Versicherten auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dem Grunde nach verschiedene Maßnahmen in Betracht, die gleichermaßen geeignet sind, die Teilhabe des Versicherten am Arbeitsleben zu sichern, hat der Reha-Träger ein Auswahlermessen, welche Maßnahme er gewähren will (BSG 17.10.2006, B 5 RJ 15/05 R, SozR 4-2600 § 10 Nr. 2; 20.03.2007, B 2 U 18/05 R, SozR 4-2700 § 35 Nr. 1). Dieses Auswahlermessen muss pflichtgemäß ausgeübt werden (§ 39 Abs. 1 SGB I), also insbesondere am Gesetzeszweck der dauerhaften beruflichen Eingliederung ausgerichtet werden. Bei der Entscheidung über die Leistungen und bei der Ausführung der Leistungen zur Teilhabe wird berechtigten Wünschen der Leistungsberechtigten entsprochen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die besondere Bedeutung des Berufswunsches bei der Auswahl der Rehabilitationsmaßnahme kommt jedoch nur dann zum Tragen, wenn der behinderte Mensch einen die Eingliederung gewährleistenden Beruf wählt, für den er uneingeschränkt geeignet ist (BSG 28.03.1990, 9 B/7 RAr 92/88, BSGE 66, 275; BSG 18.05.2000, B 11 AL 107/99, juris).
Ein Kostenerstattungsanspruch nach § 15 Abs. 1 SGB IX i.V.m. § 33 SGB IX für eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben setzt einen entsprechenden Primärleistungsanspruch voraus. Bei im Ermessen des Leistungsträgers stehenden Leistungen erfordert dies eine Ermessensreduzierung auf Null. Diese Voraussetzungen sind im hier vorliegenden Ausnahmefall gegeben.
Aus der Verpflichtung zur Beachtung der Erfolgsaussichten sowie aus der Zielvorgabe einer dauerhaften Eingliederung folgt, dass bei mehreren möglichen Leistungen diejenige zu wählen ist, welche die größte Wahrscheinlichkeit der dauerhaften Eingliederung bietet. Hierbei sind die Neigungen und Wünsche angemessen zu berücksichtigen. Durch den Berufswunsch wird die Motivation des behinderten Menschen und damit die Erfolgsaussicht der Wiedereingliederung entscheidend beeinflusst. Überragende Zielbestimmung der Leistungen zur Teilhabe nach dem SGB IX ist die Förderung der Selbstbestimmung, Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit. Wesentliche Ausprägung dieser Zielsetzung ist die besondere Hervorhebung der Wunsch- und Wahlrechte der Leistungsberechtigten (Hessisches LSG, 01.09.2011, L 1 AL 65/10, juris). Diesen kommt auch vor dem Hintergrund der grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz besondere Bedeutung zu. Dies gilt in besonderem Maße, wenn sich die Neigung bereits – wie hier – zu einer entschiedenen Berufswahl verdichtet hat (BSG 03.07.1991, 9b/7 RAr 142/89, BSGE 69, 128 = SozR 3-4100 § 56 Nr 3).
Der Kläger hat hier eine geeignete Maßnahme begonnen, der eine auf fehlerhafter Amtsermittlung beruhende behördliche Ablehnung vorausging. Das Ermessen der Beklagten verengt sich dadurch auf die gewählte Maßnahme (Luik in juris-PK, SGB IX, § 33 RdNr 59). Die Beklagte hat die Maßnahme mit der unzutreffenden Begründung abgelehnt, dass der Kläger hierfür gesundheitlich nicht geeignet sei. Arbeitsmarktpolitische Erwägungen, die dem Eingliederungsziel entgegenstehen könnten, hat sie nicht vorgebracht. Andere Angebote hat die Beklagte nicht gemacht und der Kläger war auch nicht ausschließlich auf den Beruf des Busfahrers festgelegt, wie seine spätere Bereitschaft für den Beruf des Qualitätsfachmanns zeigt. Die Beklagte hat vielmehr die für den noch jungen Kläger völlig ungeeigneten Mittel des Eingliederungszuschusses weiter angeboten und auch sonst nicht erkennen lassen, dass dem Kläger zweckdienliche Alternativen angeboten werden. Nachdem bereits aufgrund des ersten Assessments (vom 14.01.2013 – 25.01.2013) feststand, dass bei dem Kläger Defizite in Deutsch und in Mathematik bestehen, weshalb beispielsweise des Bauzeichners nicht in Betracht kommt, hat die Beklagte weiter ein Assessment für den Beruf des Qualitätsfachmanns gefördert, obwohl von vornherein absehbar war, dass der Kläger aufgrund der Defizite im mathematischen Bereich auch diesen Beruf nicht wird erlernen können. Die Angebote der Beklagten (z.B. P. GmbH) waren auch im Übrigen nicht hilfreich oder geeignet, das Ziel der dauerhaften Eingliederung zu verwirklichen. Danach kann sich die Beklagte auch nicht darauf stützen, es seien noch andere Möglichkeiten der Wiedereingliederung denkbar. In der vorliegenden Konstellation verdichtet sich vielmehr das Ermessen auf die Förderung der Ausbildung zum Berufskraftfahrer/Personenverkehr.
Die Frage, ob in dem Gespräch vom Frühjahr 2013 ein hinreichend konkreter Antrag gesehen werden kann, über den abschlägig entschieden wurde, kann indes auch offen bleiben: Nach Auffassung der Kammer ergibt sich ein Kostenerstattungsanspruch auch daraus, dass der Rehabilitationsträger eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (§ 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). Aufgrund der Schilderungen des Klägers geht die Kammer davon aus, dass eine Unaufschiebbarkeit des Ausbildungsbeginns vorlag, da die Ausbildungen regelmäßig im September eines Jahres beginnen, und er ansonsten 1 Jahr hätte warten müssen. Es handelt sich nicht etwa um ein Fortbildungsangebot, das mehrfach im Jahr angeboten wird. Der Kläger hat geschildert, dass er am 01.09.2013 Kenntnis von dem Ausbildungsangebot hatte und sich noch am selben Tag beworben hat. Am 03.09.2013 fand das Vorstellungsgespräch statt und am 04.09.2013 wurde der Ausbildungsvertrag unterzeichnet. Das Abwarten einer Entscheidung über den konkreten Antrag erscheint aus Sicht der Kammer unzumutbar, zumal der Kläger weder die Durchwahl noch die konkrete E-Mail-Adresse seines Reha-Sachbearbeiters zur Verfügung gestellt bekommen hatte. Er hat auch insoweit glaubhaft geschildert, dass er jeweils sich beim Servicecenter melden muss und erst von dort einen Termin für seinen Sachbearbeiter erhält. Es ist im Übrigen auch gerichtsbekannt, dass die Kontaktaufnahme mit dem konkreten Sachbearbeiter sich als schwierig erweist. Es kann dem Kläger nicht zum Nachteil gereichen, wenn die Beklagte den Rehabilitanden jeweils nur den Weg über das Servicecenter eröffnet. Da es sich mithin um eine unaufschiebbare Leistung handelte und ein Zuwarten unzumutbar war, ergibt sich auch daraus ein Anspruch aus § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX.
Die Ausbildung war schließlich in jedem Fall geeignet, wie sich aus der Stellungnahme des Universitätsklinikums Dresden vom Mai 2014, der Arbeitgeberbestätigung vom 03.03.2015, dem Gutachten des Dr. D. vom 06.10.2015 und dem mittlerweile unbefristet abgeschlossen Arbeitsvertrag bei S. GmbH ergibt. Der Sachverständige Dr. D. hat nach Untersuchung des Klägers am 06.10.2015 mit Gutachten vom gleichen Tage geklärt, ob die bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen ohne quantitative Leistungsminderung dem Beruf als Busfahrer in leidensgerechter, dauerhafter beruflicher Tätigkeit entspricht. Er hat dies bejaht. Dr. D. führt in seinem Gutachten u.a. aus:
"( ) Die Hüftdysplasie und beginnende Arthrose des linken Hüftgelenkes stellen hier nach Ansicht dieses Gutachters keine Einschränkungen für diese Anforderungen dar. Da der Beruf des Busfahrers überwiegend im Sitzen absolviert wird und keine längere Geh- oder Stehbelastung auftreten sowie kein regelmäßiges und längeres Heben und Tragen mittelschwerer bis schwerer Lasten zu erwarten sind und Arbeiten im Hocken, Knien, in Zwangshaltungen und einseitige Belastungen nicht stattfinden, scheint er gemäß der vorliegenden Berufserklärung der Bundesagentur für Arbeit durchaus geeignet für das bestehende Leistungsvermögen des Klägers zu sein, ohne auf Kosten der Gesundheit zu arbeiten. Darüber hinaus kommen das Besteigen von Leitern, Gerüsten sowie das Gehen auf unebenem Gelände hierbei nicht vor. Diese würden ebenfalls Gefahrenmomente darstellen. Somit kann der Beruf als Busfahrer durchaus als geeignet für das Krankheitsbild des Klägers angesehen werden und wäre leidensgerecht dauerhaft ausführbar. ( )" (Seiten 11/12 des Gutachtens).
Nach alledem war die Ausbildung leidensgerecht und hat zur dauerhaften Eingliederung des Klägers in den Arbeitsmarkt geführt. Die Ablehnung der Beklagten war in jedem Fall ermessensfehlerhaft.
Unerheblich ist schließlich noch, dass die Ausbildung entgegen § 37 Abs. 2 SGB IX auf einen längeren Zeitraum als zwei Jahre angelegt war, da eine grundsätzlich dreijährige Ausbildung nach dem BBiG (i.v.m. der jeweiligen Ausbildungsordnung, vgl. § 5 BBiG) vorgeschrieben und allgemein üblich ist i.S.v. § 37 Abs. 1 SGB IX.
Danach hat die Beklagte die vom 09.09.2013 bis 22.01.2016 erfolgte Ausbildung zum Berufskraftfahrer im Personenverkehr durch Leistungen zur Teilhabe zu fördern. Zu erstatten sind dem Kläger evtl. Schulungs – oder Prüfungsgebühren. Daneben hat der Kläger Anspruch auf Übergangsgeld in gesetzlicher Höhe nach § 20 SGB VI für die Dauer der Ausbildung sowie auf ergänzende Leistungen nach § 28 SGB VI. Hierzu gehören u.a. Beiträge bzw. Beitragszuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung nach § 44 Abs. 1 Nr. 2 Buchst a und e SGB IX sowie evtl. Reisekosten i.S.v. § 53 SGB IX.
Im Hinblick auf den erfolgreichen Ausgang der Klage hat die Beklagte die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten (§ 193 Abs. 1 SGG).
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Förderung einer Ausbildung als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben streitig.
Der 1982 geborene Kläger hat 2004 die Ausbildung zum Tischler mit Gesellenbrief beendet. Nach dem Grundwehrdienst war der Kläger zunächst arbeitslos und von November 2005 bis September 2008 (mit Unterbrechung durch Arbeitslosigkeit) als Produktionsarbeiter beschäftigt. Nach erneuter Arbeitslosigkeit absolvierte der Kläger ein Praktikum im Pflegeheim und war ab 15.05.2011 als Altenpflegehelfer beschäftigt. Im Januar 2012 wurde der Kläger, der seit Längerem unter Hüftbeschwerden litt, am linken Hüftgelenk operiert. Es erfolgte eine endoskopisch assistierte Offset-Verbesserung mit Knorpelflake-Resektion und Mikrofrakturierung am 13.01.2012 wegen Hüftdysplasie und Coxarthrose beidseits. In der nachfolgenden Anschlussheilbehandlung (vom 24.02.2012 bis 16.03.2012) wurde bei dem Kläger ein bestehendes Funktions- und Belastungsdefizit des linken Hüftgelenks festgestellt. Es wurde eingeschätzt, dass der Kläger die Tätigkeit als Pflegehelfer nur noch 3 bis unter 6 Stunden täglich ausüben könne (Entlassungsbericht vom 19.03.2012). Es bestehe ein positives Leistungsbild für leichte Tätigkeiten ohne häufiges Bücken, Hocken, Ersteigen von Leitern und Treppen sowie Gerüsten. Zu vermeiden sei ferner Heben und Tragen ohne Hilfsmittel oder Hilfspersonen. Der Kläger war im Anschluss an die Reha weiter beschäftigt als Altenpflegehelfer und bezog ergänzend Arbeitslosengeld II.
Am 02.03.2012 beantragte der Kläger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und gab an, er möchte eine Umschulung in eine sitzende Arbeit. Der GdB nach dem Schwerbehindertenrecht betrug 20. Der Kläger erklärte weiter, nach ca. 30minütigem Gehen bestünden große Schmerzen. Die Knie seien schmerzhaft. Heben und Tragen von Personen sei schmerzhaft. Außerdem belaste ihn die psychische Belastung in der Altenpflege. Mit Bescheid vom 27.04.2012 bewilligte die Beklagte Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dem Grunde nach und verwies darauf, dass Art, Dauer und Umfang der Leistungen noch festzulegen seien. Der Kläger befand sich danach zu regelmäßigen Gesprächen mit seinem Reha-Sachbearbeiter. Unter Anderem wurde im Gespräch am 11.06.2012 allgemein das Ziel und die Grundsätze der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben besprochen. Der Kläger erklärte dort, er möchte eine Umschulung in den "Bürobereich". Die Beklagte sah hierfür in dem Gespräch am 11.06.2012 keine Notwendigkeit bei dem bestehenden Restleistungsvermögen und dem bestehenden Arbeitsverhältnis. Zu prüfen sei eine betriebliche Umsetzung, die mittels Bescheid vom 15.06.2012 bezuschusst wurde. Der Kläger legte hiergegen mit Schreiben vom 04.07.2012 Widerspruch ein und erklärte, dass der Arbeitgeber eine innerbetriebliche Umsetzung ablehne. Das Arbeitsverhältnis sei mittlerweile auch durch Aufhebungsvertrag beendet. Ein Eingliederungszuschuss, so der Kläger weiter, nütze ihm nichts. Er bat um Kostenübernahme für eine Umschulung zum Einstieg in einen anderen Berufsbereich. Mit Bescheid vom 03.08.2012 bewilligte die Beklagte Eingliederungszuschuss für eine geeignete Tätigkeit, befristet bis 31.08.2014. Am 15.10.2012 erfolgte ein weiteres Beratungsgespräch, in dem der Kläger angab, auch weiterhin an einer beruflichen Neuorientierung interessiert zu sein. Ihm wurde Infomaterial zur Berufsfindung bei dem Berufsförderwerk B. ausgehändigt. Vom 14.01.2013 bis 25.01.2013 nahm der Kläger an einem RehaAssessment des Berufsförderwerk B. teil. Nach dem Abschlussbericht vom 13.03.2013 konnte der Kläger bei der Überprüfung des schulischen Wissens in Deutsch den Erwartungen nicht gerecht werden. Auch zeigten sich deutliche Defizite in Mathematik, die einer Aufschulung bedürfen. Aufgrund des defizitären Lernvermögens bei gravierenden Wissenslücken im Bereich Mathematik sei im Vorfeld einer Qualifizierung ein vorbereitender Lehrgang zu empfehlen. In der Gesamtschau der Testergebnisse liege, rein formal, eine deutlich bedingte Eignung für die in Erwägung gezogenen Berufsbilder Bürokaufmann sowie Bauzeichner vor. Dies bedeute, dass in einem 5monatigen Vorbereitungslehrgang eine zielförderliche Leistungsentwicklung in den schulischen Grundlagen (Mathe, Deutsch) unabdingbar sei. Das positive Leistungsbild wird beschrieben für leichte bis gelegentlich mittelschwere körperliche Tätigkeiten in gut temperierten Räumen unter Beachtung des negativen Leistungsbildes in wechselnder Körperhaltung. Das negative Leistungsbild wird u.a. beschrieben mit gleichförmiger Arbeitshaltung, längerer Zwangshaltung, schwere körperliche Arbeit, Heben und Tragen von schweren Lasten von mehr als 10 kg, Hocken und Knien, Einwirkung von Ganzkörper- oder Teilkörpervibrationen. In der medizinischen Tauglichkeitsbeurteilung wird der Kläger als nichttauglich eingeschätzt u.a. für die Berufe Altenpfleger, Tischler, Busfahrer / Straßenbahnfahrer und Berufskraftfahrer. Am 22.04.2013 wurde in einem Beratungsgespräch der Assessmentbericht ausgewertet. Nach dem Beratervermerk vom 22.04.2013 gäbe es "in Auswertung des Assessmentberichts eine passende Umschulung aktuell nicht". Es sei dem Kläger freigestellt, sich bei anderen Berufsförderwerken zu Alternativen zu informieren. Die weitere Förderung im Zusammenhang mit einer betrieblichen Einarbeitung (Eingliederungszuschuss) wurde in Aussicht gestellt. In dem Beratungsprotokoll wird zur Antragsstellung darauf hingewiesen, dass der Kläger den Antrag persönlich, telefonisch oder per E-Mail dem Auskunfts- und Beratungsdienst, im Rehabilitationsteam oder bei seinem Rehabilitationsfachberater erstellen könne. Es wurde in der Zielvereinbarung u.a. festgehalten, dass sich der Kläger unabhängig von seinem Umschulungswunsch um eine leidensgerechte Tätigkeit bemühen werde. Mit E-Mail vom 01.07.2013 beantragte der Kläger die Teilnahme an einer Arbeitserprobung für die Umschulung zum Qualitätsfachmann im Berufsförderwerk B. Er führte weiter aus, er habe sich wie besprochen bei P. GmbH vorgestellt, sich aber entschieden, dass ihm die Zusammenarbeit mit P. GmbH keine Verbesserung in der Jobsuche bringe. Er habe sich deshalb für den Umschulungsberuf des Qualitätsfachmanns entschieden. In der Nachfolge nahm der Kläger an einem RehaAssessment zur Erprobung im beruflichen Handlungsfeld Metalltechnik vom 06.08. – 07.08.2013 teil. Nach dem Abschlussbericht vom 09.09.2013 könne aus rein fachpraktischer Sicht keine Empfehlung für Berufsbilder im Metallbereich (Industriemechaniker sowie Qualitätsfachmann) gegeben werden. Dem Kläger sei es im Abschlussgespräch schwer gefallen, dies für sich zu akzeptieren.
Am 04.09.2013 unterzeichnete der Kläger einen Berufsausbildungsvertrag nach den §§ 10, 11 Berufsbildungsgesetz (BBiG) mit S. GmbH mit der Ausbildung zum Berufskraftfahrer im Personenverkehr. Die Ausbildung sollte vom 09.09.2013 bis 25.08.2016 dauern. Der Arbeitgeber verpflichtete sich zur Zahlung einer Ausbildungsvergütung von 440,00 Euro im ersten, 460,00 Euro im zweiten und 480,00 Euro im dritten Ausbildungsjahr. Anlässlich des nächsten Beratergesprächs am 16.12.2013 verwies der Kläger auf die begonnene Ausbildung. Der zuständige Sachbearbeiter erklärte ihm, dass es sich um eine selbstgewählte Ausbildung handle und vorab keine Kostenübernahme bei der Beklagten beantragt wurde, weshalb die Leistung an sich und auch keine begleitenden Leistungen übernommen werden können. Mit Bescheid vom 06.03.2014 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Leistungen zur Teilhabe in Form beruflicher Bildungsmaßnahmen ab und verwies zur Begründung auf § 33 Abs. 4 SGB IX. Die von dem Kläger begonnene Ausbildung zum Berufskraftfahrer sei laut medizinischer Tauglichkeitsbeurteilung nicht leidensgerecht. Ferner erfolgte vorab kein Antrag auf Kostenübernahme weshalb die Voraussetzungen für die selbstbeschaffte Leistung nach § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB IX nicht vorliege. Abschließend wird mitgeteilt, dass das Verfahren zur Teilhabe am Arbeitsleben damit eingestellt wird.
Mit Schreiben vom 19.03.2014 hat der Kläger gegen den Bescheid vom 06.03.2014 Widerspruch eingelegt und darauf verwiesen, dass die Zusammenarbeit mit der Beklagten sehr einseitig und von seiner Eigeninitiative geprägt gewesen sei. Weder der Rententräger noch das Jobcenter habe ihn unterstützt, eine Umschulung zu ermöglichen. Bis November 2013 hätte er keine Auswertung des RehaAssessments erhalten. Im November 2013 habe er sich telefonisch beim Rententräger gemeldet und um einen Termin gebeten. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er keine Auswertung erhalten, ob sein Antrag auf Umschulung stattgegeben werde. Am 01.09.2013 habe er Kenntnis von der freien Ausbildungsstelle erhalten, sich noch am selbigen Tag beworben und war am 03.09.2013 zum Vorstellungsgespräch. Da das Ausbildungsjahr schon begonnen hatte, war eine sofortige Entscheidung notwendig, um die Ausbildung zu bekommen und diese nicht an andere Mitbewerber zu verlieren. Er habe dann den Ausbildungsvertrag unterzeichnet und war davon ausgegangen, dass eine weitere finanzielle Unterstützung durch die Arbeitsagentur als Aufstocker erfolgen würde. Dies war nicht der Fall. Die bis Januar 2014 gezahlten Leistungen wurden von dort zurückgefordert. Der Kläger verwies darauf, dass er im Dezember 2013 den Führerschein Klasse D erfolgreich bestanden, und in der Berufsschule gute Noten habe.
Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 31.07.2014) und führte zur Begründung aus, dem Kläger sei im Abschlussgespräch am 07.08.2013 mitgeteilt worden, dass die Ausbildung zum Qualitätsfachmann nicht empfohlen werden könne. Dennoch habe er am 12.08.2013 die Umschulung für den Beruf Qualitätsfachmann beantragt. Die Beklagte verwies auf § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB IX, wonach selbst beschaffte Leistungen nur erstattet werden können, wenn die Entscheidung über den Rehabilitationsantrag nicht innerhalb bestimmter Fristen erfolgt sei. Hier mangele es an einer vorherigen Antragstellung, da der Kläger die Beklagte erst nachträglich am 16.12.2013 erstmals darüber informiert habe, dass er die Ausbildung zum Berufskraftfahrer bereits im September 2013 begonnen habe. Eine unaufschiebbare Leistung liege nicht vor. Die Kostenerstattung für die begehrte Ausbildung zum Berufskraftfahrer komme auch deshalb nicht in Betracht, da diese nicht geeignet sei. Der Kläger sei nach erneuter sozialmedizinischer Beurteilung nur in der Lage, eine leichte bis gelegentlich bzw. zeitweise mittelschwere körperliche Tätigkeit mit weiteren Einschränkungen zu verrichten. Nach dem maßgeblichen Anforderungsprofil im sog. Berufenet handle es sich bei der Tätigkeit des Berufskraftfahrers jedoch um eine Arbeit, bei der auch schweres Heben und Tragen anfallen könne. Ferner gehören dazu auch Kundenkontakt, Verantwortung für Personen sowie unregelmäßige Arbeitszeiten, sodass auch die erforderliche psychische Belastung gegeben sein müsse.
Am 25.08.2014 hat der Kläger Klage erhoben mit dem Ziel der Förderung der Ausbildung durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und schildert in der Klagebegründung das Hin und Her zwischen Jobcenter, Arbeitsagentur und Beklagter. Er habe zwischenzeitlich für die Ausbildung bei der Arbeitsagentur Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) beantragt, die abgelehnt wurde, weil einerseits bereits eine Ausbildung als Tischler beendet worden ist und andererseits vorrangig die Beklagte als Rehaträger zuständig sei. Der Kläger reicht eine Übernahmebestätigung des Arbeitgebers für die Zeit nach Ausbildungsende sowie eine Stellungnahme des Universitätsklinikums Dresden vom 14.05.2014 ein, wonach Umschulungsmaßnahmen mit einer überwiegend sitzenden Tätigkeit notwendig erscheinen. Die von dem Kläger angedachte Tätigkeit als Busfahrer erscheine gut geeignet. Der Kläger führt weiter aus, er habe von Januar 2012 bis September 2013 keine weiteren Fortschritte hinsichtlich seiner beruflichen Perspektive gesehen und ist der Meinung, es liege eine Ermessensreduzierung auf Null vor, da die Beklagte jegliche Vorschläge seinerseits abgeschmettert habe. Er verweist auch auf seine Verpflichtungen zur Eigeninitiative und darauf, dass er im Frühjahr 2012 genau den Beruf des Busfahrers vorgeschlagen habe, was vom zuständigen Sachbearbeiter sofort zurückgewiesen wurde. Nach Meinung des Klägers hätte bei Abwarten einer Entscheidung der Beklagten die Ausbildung möglicherweise erst im Jahr 2016 begonnen werden können.
Der Kläger hat die Ausbildung am 22.01.2016 bestanden und ab 23.01.2016 bei S. GmbH einen unbefristeten Arbeitsvertrag als Omnibusfahrer unterzeichnet. Die ersten 6 Monate seit der Einstellung gelten als Probezeit (§ 3 Abs. 2 des Arbeitsvertrags). Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 19.05.2016 schildert der Kläger nochmals die Zusammenhänge und insbesondere den zeitlichen Ablauf von Kenntnis über die Möglichkeit des Ausbildungsvertrages bis zum Vertragsabschluss. Ferner schildert er nochmals die Gespräche mit dem Reha-Sachbearbeiter der Beklagten.
Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 06.03.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.07.2014 zu verpflichten, die vom 09.09.2013 bis 22.01.2016 erfolgte Ausbildung zum Berufskraftfahrer im Personenverkehr durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu fördern.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist zunächst darauf, dass lt. Berufenet das Berufsbild Berufskraftfahrer / Personenverkehr nicht leidensgerecht sei. Schließlich bestehe kein Anspruch auf Kostenerstattung für die selbstbeschaffte Leistung ohne vorherigen Antrag. Auch liege kein Fall der Ermessensreduzierung auf Null vor. Der Kläger sei regelmäßig auf die notwendige vorherige Antragstellung (bspw. im Beratungsgespräch am 22.04.2013) hingewiesen worden. Die Förderung der Ausbildung zum Berufskraftfahrer wurde erst nach deren Beginn geltend gemacht. Die Information ging bei der Beklagten erst am 16.12.2013 ein, sodass keine nachträgliche Kostenerstattung mehr in Betracht kommen kann. Vor diesem Hintergrund sind auch die Ausführungen in dem Gutachten des Dr. D. vom 06.10.2015 unbeachtlich.
Im Rahmen der Sachverhaltsermittlung wurde u.a. eine Arbeitgeberbestätigung vom 03.03.2015 beigezogen, auf die wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird. Ferner wurde aus dem Parallelverfahren des Klägers Az. S 19 AL 93/14 mit dessen Zustimmung das Gutachten des Dr. D. zur Klärung der Frage, ob der Kläger unter Berücksichtigung der bei ihm vorliegenden Erkrankungen auf orthopädischem Fachgebiet, insbesondere im Bereich der Hüftgelenke, eine dauerhafte berufliche Tätigkeit als Busfahrer leidensgerecht ausüben könne, beigezogen. Auf das Gutachten des Dr. D. vom 06.10.2015, erstellt aufgrund Untersuchung des Klägers vom gleichen Tage, wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.
Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakte, die Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 06.03.2014 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 31.07.2014, in welchem die Förderung der Ausbildung zum Berufskraftfahrer abgelehnt und Leistungen zur Teilhabe eingestellt wurden, verletzt den Kläger rechtswidrig in seinen Rechten i.S.v. § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Kläger hat Anspruch auf Förderung der Ausbildung zum Berufskraftfahrer im Personenverkehr durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben durch die Beklagte.
Die Beklagte hatte dem Kläger dem Grunde nach Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Bescheid vom 27.04.2012 bewilligt und sich die Entscheidung über Art und Umfang der Leistungen vorbehalten. Dieser Bescheid ist nicht angefochten worden und damit bestandskräftig. In Ausführung dieses Grundlagenbescheides steht dem Kläger nach Auffassung der Kammer auch die konkrete Förderung der Ausbildung nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) zu.
Da die Ausbildung bereits abgeschlossen ist, richtet sich das Begehren auf die Verurteilung zur nachträglichen Förderung, insbes. zur Kostenerstattung (vgl. BSG 24.02.2000, B 2 U 12/99 R, SozR 3-2200 § 567 Nr. 3; LSG Baden-Württemberg 19.03.2009, L 10 R 2684/07). Als Anspruchsgrundlage kommt allein die Vorschrift des § 15 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch (SGB IX) in Betracht, die Kostenerstattungsansprüche für selbst beschaffte Teilhabeleistungen regelt (vgl. Urt. des BSG v. 20.10.2009 - B 5 R 5/07 R - zitiert nach juris). Satz 1 dieser Vorschrift bestimmt zunächst, dass der Rehabilitationsträger den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig mitteilt, falls über den Antrag auf Leistungen zur Teilhabe nicht innerhalb der in § 14 Abs. 2 SGB IX genannten Fristen entschieden werden kann. Erfolgt die Mitteilung nicht oder liegt ein zureichender Grund nicht vor, können Leistungsberechtigte dem Rehabilitationsträger eine angemessene Frist setzen und dabei erklären, dass sie sich nach Ablauf der Frist die erforderliche Leistung selbst beschaffen (§ 15 Abs. 1 S. 2 SGB IX). Eine Kostenerstattungspflicht wird in Satz 3 insoweit geregelt, als sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst beschaffen und der zuständige Rehabilitationsträger unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zur Erstattung der Aufwendungen verpflichtet ist. Die Erstattungspflicht besteht nach Satz 4 auch, wenn der Rehabilitationsträger eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann oder er eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat.
Voraussetzung für eine Kostenerstattung nach rechtswidriger Ablehnung der Leistung durch den Reha-Träger ist der notwendige Kausalzusammenhang zwischen der ablehnenden Entscheidung der Verwaltung und der Selbstbeschaffung. An einem solchen Zusammenhang fehlt es, wenn der Reha-Träger vor Beginn der Maßnahme mit dem Leistungsbegehren überhaupt nicht befasst wurde oder der Antragsteller die Entscheidung des Reha-Trägers in einem angemessenen Zeitraum nicht abgewartet hat, obwohl dies ihm möglich und zumutbar gewesen wäre.
Hier hat zwar der Kläger die Beklagte nicht unter Fristsetzung zur Leistungserbringung aufgefordert. Nach Auffassung der Kammer liegen jedoch die Voraussetzungen für eine Kostenerstattung vor, da der Kläger jedenfalls mündlich vor Beginn der Ausbildung bei der Beklagten den Antrag auf Förderung einer Ausbildung zum Busfahrer beantragt hat und diese auch vor Beginn der Ausbildung von der Beklagten abgelehnt wurde. Der Kläger hat für die Kammer glaubhaft dargestellt, dass er die Berufsfelder wie Busfahrer oder Lockführer im Frühjahr 2013 als geeignete Berufsfelder seinem zuständigen Reha-Sachbearbeiter vorgeschlagen hat. Dabei kann offen bleiben, ob es ein Gespräch im Mai 2013 war oder ob das Gespräch am 22.04.2013 stattgefunden hat. Jedenfalls hat der Kläger vor Beginn der Ausbildung die begehrte Schulung bei der Beklagten geltend gemacht, was von der Beklagten auch, aus Sicht der Kammer ungerechtfertigterweise, sofort abgelehnt wurde. Dabei ist auch zu beachten, dass die Beklagte dem Kläger auf dessen konkrete Anfrage keine konkreten Angebote gemacht hat, obwohl sie hierzu verpflichtet gewesen wäre. Auch die Einlassung anlässlich des Gesprächs am 22.04.2013, es gäbe keine passende Umschulung für den Kläger, erweist sich als schlicht falsch. Die Beklagte ist von der falschen Annahme ausgegangen, dass der Beruf des Busfahrers für diesen ungeeignet sei. Sie hat sich dabei auf die Aussage des Abschlussberichts des Reha-Assessments vom 13.03.2013 verlassen, ohne einen Abgleich der beigezogenen medizinischen Unterlagen durch einen Arzt oder ihren sozialmedizinischen Dienst vornehmen zu lassen. Die Einschätzung der Beklagten war auch falsch, wie ein Abgleich mit den Unterlagen aus dem allgemein anerkannten Informationsdienstes der Bundesagentur für Arbeit – Berufenet - zum Beruf des Busfahrers ergibt. Laut Berufenet lauten die Arbeitsbedingungen für Busfahrer im Einzelnen: - Handarbeit (z.B. kleinere Reparaturen selbst ausführen) - Unfallgefahr (z.B. beim Führen von Fahrzeugen des öffentlichen Personennahverkehrs) - Arbeit unter den Augen von Kunden und Gästen - Schichtarbeit - Arbeit im Sitzen - Kundenkontakt (z.B. im Linienverkehr: Fahrkarten verkaufen, Fahrausweise prüfen; im Ausflugs- und Reiseverkehr: Fahrgäste betreuen) - häufige Abwesenheit vom Wohnort (vor allem im Ausflugs- und Reiseverkehr) - Verantwortung für Personen (z.B. Fahrgäste sicher ans Ziel bringen) - Verantwortung für Sachwerte (z.B. Busse, Reisegepäck) Das für den Kläger negative Leistungsbild, insbes. schwere körperliche Arbeit, Heben und Tragen von schweren Lasten von mehr als 10 kg, Hocken und Knien, wird dort nicht beschrieben.
Die damalige Prognoseentscheidung, eine Förderung der Ausbildung zum Busfahrer sei nicht geeignet, hat sich im Übrigen auch durch den weiteren Ablauf nicht bestätigt. Die Ausbildung war insbesondere leidensgerecht und geeignet, um den Kläger dauerhaft in das Arbeitsleben zu integrieren.
Die Beklagte erbringt gemäß § 16 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI) die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach den §§ 33 ff. SGB IX. Zur Teilhabe am Arbeitsleben werden die erforderlichen Leistungen erbracht, um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wieder herzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern (§ 33 Abs. 1 SGB IX). Die Leistungen umfassen insbesondere auch berufliche Anpassung und Weiterbildung (§ 33 Abs. 3 Nr. 3 SG IX) sowie berufliche Ausbildung, auch soweit die Leistungen in einem zeitlich nicht überwiegenden Abschnitt schulisch durchgeführt werden (§ 33 Abs. 3 Nr. 4 SGB IX). Bei der Auswahl der Leistungen werden Eignung, Neigung, bisherige Tätigkeit sowie Lage und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt angemessen berücksichtigt (§ 33 Abs. 4 Satz 1 SGB IX). Ziel ist die Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit behinderter Menschen und die Sicherung ihrer Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer (§ 33 Abs. 1 SGB IX, §§ 4 Abs. 1 Nr. 3, 10 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Die Regelung in § 33 Abs. 1 SGB IX eröffnet und beschränkt zugleich die Leistungserbringung auf die erforderlichen Teilhabeleistungen. Grundvoraussetzung dafür, die Erforderlichkeit bejahen zu können, ist die Eignung der entsprechenden Maßnahme für das Erreichen des Ziels, dass die Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer sichergestellt wird (Haines in: Sozialgesetzbuch IX, Lehr- und Praxiskommentar, 2. Aufl. 2009, § 33 SGB IX Rn. 9, 13). Hierfür ist vom Maßnahmeträger eine Prognoseentscheidung über die Aussichten, dass dieses Ziel voraussichtlich erreicht wird, gefordert.
Im vorliegenden Fall hat sich die Beklagte ohne nähere Nachprüfung auf die Auskunft von Berufsförderwerk B. vom 13.03.2013 sowie die Auskunft aus Berufenet, allerdings zum falschen Beruf (Berufskraftfahrer), verlassen. Die Unterlagen aus Berufenet stimmen hinsichtlich des Berufs des Busfahrers nicht mit denen des Berufskraftfahrers überein. Insbesondere wird bei dem Beruf des Busfahrers kein schweres Heben und Tragen und Bewegen von Lasten verlangt (s.o. Seite 10). Schließlich hat die Beklagte auch keinen Abgleich des Assessmentberichts durch ihren sozialmedizinischen Dienst vornehmen lassen.
Aus Sicht der Kammer lag somit bei der anlässlich des Beratungsgesprächs im Frühjahr 2013 mündlich erfolgten ablehnenden Entscheidung hinsichtlich des Berufs des Busfahrers eine fehlerhafte Ermessensausübung vor.
Die Beklagte hat ihr Ermessen - wie es in § 39 Abs. 1 Satz 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) vorgesehen ist - entsprechend dem Regelungszweck und den gesetzlichen Ermessensgrenzen auszuüben. Relevante Gesichtspunkte der Ermessensabwägung sind die individuelle Situation des Arbeitnehmers - insbesondere die Relation zwischen dem bisherigen Berufsverlauf und dem Weiterbildungswunsch (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. März 2013 - L 2 AS 377/13 B ER, L 2 AS 378/13 B, juris) - die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes, der anhand der Ergebnisse der Beratungs- und Vermittlungsgespräche ermittelten arbeitsmarktpolitische Handlungsbedarf, der Gleichbehandlungsgrundsatz und der Umstand, ob Vermittlungs- und Eigenbemühungen über einen angemessenen Zeitraum erfolglos waren (Hassel in: Brand, SGB III, 6. Aufl. 2012, § 81 Rn. 7; Reichel in: jurisPK-SGB III, 2014, § 81 SGB III Rn. 79). Kommen nach den oben dargelegten Grundsätzen bei Vorliegen der Voraussetzungen für einen Anspruch des Versicherten auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dem Grunde nach verschiedene Maßnahmen in Betracht, die gleichermaßen geeignet sind, die Teilhabe des Versicherten am Arbeitsleben zu sichern, hat der Reha-Träger ein Auswahlermessen, welche Maßnahme er gewähren will (BSG 17.10.2006, B 5 RJ 15/05 R, SozR 4-2600 § 10 Nr. 2; 20.03.2007, B 2 U 18/05 R, SozR 4-2700 § 35 Nr. 1). Dieses Auswahlermessen muss pflichtgemäß ausgeübt werden (§ 39 Abs. 1 SGB I), also insbesondere am Gesetzeszweck der dauerhaften beruflichen Eingliederung ausgerichtet werden. Bei der Entscheidung über die Leistungen und bei der Ausführung der Leistungen zur Teilhabe wird berechtigten Wünschen der Leistungsberechtigten entsprochen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die besondere Bedeutung des Berufswunsches bei der Auswahl der Rehabilitationsmaßnahme kommt jedoch nur dann zum Tragen, wenn der behinderte Mensch einen die Eingliederung gewährleistenden Beruf wählt, für den er uneingeschränkt geeignet ist (BSG 28.03.1990, 9 B/7 RAr 92/88, BSGE 66, 275; BSG 18.05.2000, B 11 AL 107/99, juris).
Ein Kostenerstattungsanspruch nach § 15 Abs. 1 SGB IX i.V.m. § 33 SGB IX für eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben setzt einen entsprechenden Primärleistungsanspruch voraus. Bei im Ermessen des Leistungsträgers stehenden Leistungen erfordert dies eine Ermessensreduzierung auf Null. Diese Voraussetzungen sind im hier vorliegenden Ausnahmefall gegeben.
Aus der Verpflichtung zur Beachtung der Erfolgsaussichten sowie aus der Zielvorgabe einer dauerhaften Eingliederung folgt, dass bei mehreren möglichen Leistungen diejenige zu wählen ist, welche die größte Wahrscheinlichkeit der dauerhaften Eingliederung bietet. Hierbei sind die Neigungen und Wünsche angemessen zu berücksichtigen. Durch den Berufswunsch wird die Motivation des behinderten Menschen und damit die Erfolgsaussicht der Wiedereingliederung entscheidend beeinflusst. Überragende Zielbestimmung der Leistungen zur Teilhabe nach dem SGB IX ist die Förderung der Selbstbestimmung, Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit. Wesentliche Ausprägung dieser Zielsetzung ist die besondere Hervorhebung der Wunsch- und Wahlrechte der Leistungsberechtigten (Hessisches LSG, 01.09.2011, L 1 AL 65/10, juris). Diesen kommt auch vor dem Hintergrund der grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz besondere Bedeutung zu. Dies gilt in besonderem Maße, wenn sich die Neigung bereits – wie hier – zu einer entschiedenen Berufswahl verdichtet hat (BSG 03.07.1991, 9b/7 RAr 142/89, BSGE 69, 128 = SozR 3-4100 § 56 Nr 3).
Der Kläger hat hier eine geeignete Maßnahme begonnen, der eine auf fehlerhafter Amtsermittlung beruhende behördliche Ablehnung vorausging. Das Ermessen der Beklagten verengt sich dadurch auf die gewählte Maßnahme (Luik in juris-PK, SGB IX, § 33 RdNr 59). Die Beklagte hat die Maßnahme mit der unzutreffenden Begründung abgelehnt, dass der Kläger hierfür gesundheitlich nicht geeignet sei. Arbeitsmarktpolitische Erwägungen, die dem Eingliederungsziel entgegenstehen könnten, hat sie nicht vorgebracht. Andere Angebote hat die Beklagte nicht gemacht und der Kläger war auch nicht ausschließlich auf den Beruf des Busfahrers festgelegt, wie seine spätere Bereitschaft für den Beruf des Qualitätsfachmanns zeigt. Die Beklagte hat vielmehr die für den noch jungen Kläger völlig ungeeigneten Mittel des Eingliederungszuschusses weiter angeboten und auch sonst nicht erkennen lassen, dass dem Kläger zweckdienliche Alternativen angeboten werden. Nachdem bereits aufgrund des ersten Assessments (vom 14.01.2013 – 25.01.2013) feststand, dass bei dem Kläger Defizite in Deutsch und in Mathematik bestehen, weshalb beispielsweise des Bauzeichners nicht in Betracht kommt, hat die Beklagte weiter ein Assessment für den Beruf des Qualitätsfachmanns gefördert, obwohl von vornherein absehbar war, dass der Kläger aufgrund der Defizite im mathematischen Bereich auch diesen Beruf nicht wird erlernen können. Die Angebote der Beklagten (z.B. P. GmbH) waren auch im Übrigen nicht hilfreich oder geeignet, das Ziel der dauerhaften Eingliederung zu verwirklichen. Danach kann sich die Beklagte auch nicht darauf stützen, es seien noch andere Möglichkeiten der Wiedereingliederung denkbar. In der vorliegenden Konstellation verdichtet sich vielmehr das Ermessen auf die Förderung der Ausbildung zum Berufskraftfahrer/Personenverkehr.
Die Frage, ob in dem Gespräch vom Frühjahr 2013 ein hinreichend konkreter Antrag gesehen werden kann, über den abschlägig entschieden wurde, kann indes auch offen bleiben: Nach Auffassung der Kammer ergibt sich ein Kostenerstattungsanspruch auch daraus, dass der Rehabilitationsträger eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (§ 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). Aufgrund der Schilderungen des Klägers geht die Kammer davon aus, dass eine Unaufschiebbarkeit des Ausbildungsbeginns vorlag, da die Ausbildungen regelmäßig im September eines Jahres beginnen, und er ansonsten 1 Jahr hätte warten müssen. Es handelt sich nicht etwa um ein Fortbildungsangebot, das mehrfach im Jahr angeboten wird. Der Kläger hat geschildert, dass er am 01.09.2013 Kenntnis von dem Ausbildungsangebot hatte und sich noch am selben Tag beworben hat. Am 03.09.2013 fand das Vorstellungsgespräch statt und am 04.09.2013 wurde der Ausbildungsvertrag unterzeichnet. Das Abwarten einer Entscheidung über den konkreten Antrag erscheint aus Sicht der Kammer unzumutbar, zumal der Kläger weder die Durchwahl noch die konkrete E-Mail-Adresse seines Reha-Sachbearbeiters zur Verfügung gestellt bekommen hatte. Er hat auch insoweit glaubhaft geschildert, dass er jeweils sich beim Servicecenter melden muss und erst von dort einen Termin für seinen Sachbearbeiter erhält. Es ist im Übrigen auch gerichtsbekannt, dass die Kontaktaufnahme mit dem konkreten Sachbearbeiter sich als schwierig erweist. Es kann dem Kläger nicht zum Nachteil gereichen, wenn die Beklagte den Rehabilitanden jeweils nur den Weg über das Servicecenter eröffnet. Da es sich mithin um eine unaufschiebbare Leistung handelte und ein Zuwarten unzumutbar war, ergibt sich auch daraus ein Anspruch aus § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX.
Die Ausbildung war schließlich in jedem Fall geeignet, wie sich aus der Stellungnahme des Universitätsklinikums Dresden vom Mai 2014, der Arbeitgeberbestätigung vom 03.03.2015, dem Gutachten des Dr. D. vom 06.10.2015 und dem mittlerweile unbefristet abgeschlossen Arbeitsvertrag bei S. GmbH ergibt. Der Sachverständige Dr. D. hat nach Untersuchung des Klägers am 06.10.2015 mit Gutachten vom gleichen Tage geklärt, ob die bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen ohne quantitative Leistungsminderung dem Beruf als Busfahrer in leidensgerechter, dauerhafter beruflicher Tätigkeit entspricht. Er hat dies bejaht. Dr. D. führt in seinem Gutachten u.a. aus:
"( ) Die Hüftdysplasie und beginnende Arthrose des linken Hüftgelenkes stellen hier nach Ansicht dieses Gutachters keine Einschränkungen für diese Anforderungen dar. Da der Beruf des Busfahrers überwiegend im Sitzen absolviert wird und keine längere Geh- oder Stehbelastung auftreten sowie kein regelmäßiges und längeres Heben und Tragen mittelschwerer bis schwerer Lasten zu erwarten sind und Arbeiten im Hocken, Knien, in Zwangshaltungen und einseitige Belastungen nicht stattfinden, scheint er gemäß der vorliegenden Berufserklärung der Bundesagentur für Arbeit durchaus geeignet für das bestehende Leistungsvermögen des Klägers zu sein, ohne auf Kosten der Gesundheit zu arbeiten. Darüber hinaus kommen das Besteigen von Leitern, Gerüsten sowie das Gehen auf unebenem Gelände hierbei nicht vor. Diese würden ebenfalls Gefahrenmomente darstellen. Somit kann der Beruf als Busfahrer durchaus als geeignet für das Krankheitsbild des Klägers angesehen werden und wäre leidensgerecht dauerhaft ausführbar. ( )" (Seiten 11/12 des Gutachtens).
Nach alledem war die Ausbildung leidensgerecht und hat zur dauerhaften Eingliederung des Klägers in den Arbeitsmarkt geführt. Die Ablehnung der Beklagten war in jedem Fall ermessensfehlerhaft.
Unerheblich ist schließlich noch, dass die Ausbildung entgegen § 37 Abs. 2 SGB IX auf einen längeren Zeitraum als zwei Jahre angelegt war, da eine grundsätzlich dreijährige Ausbildung nach dem BBiG (i.v.m. der jeweiligen Ausbildungsordnung, vgl. § 5 BBiG) vorgeschrieben und allgemein üblich ist i.S.v. § 37 Abs. 1 SGB IX.
Danach hat die Beklagte die vom 09.09.2013 bis 22.01.2016 erfolgte Ausbildung zum Berufskraftfahrer im Personenverkehr durch Leistungen zur Teilhabe zu fördern. Zu erstatten sind dem Kläger evtl. Schulungs – oder Prüfungsgebühren. Daneben hat der Kläger Anspruch auf Übergangsgeld in gesetzlicher Höhe nach § 20 SGB VI für die Dauer der Ausbildung sowie auf ergänzende Leistungen nach § 28 SGB VI. Hierzu gehören u.a. Beiträge bzw. Beitragszuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung nach § 44 Abs. 1 Nr. 2 Buchst a und e SGB IX sowie evtl. Reisekosten i.S.v. § 53 SGB IX.
Im Hinblick auf den erfolgreichen Ausgang der Klage hat die Beklagte die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten (§ 193 Abs. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
FSS
Saved