Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
20
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 20 AY 46/17 ER
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Die Vorschrift des § 2 Abs. 1 AsylbLG ist verfassungskonform einschränkend dahingehend auszulegen, dass im Falle eines Ausschlussgrundes nach dem SGB XII die Inanspruchnahme von Leistungen nach § 3 AsylbLG unbenommen bleibt.
2. Im Hinblick auf das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums sowie auf Art. 3 Abs. 1 GG ist der Anspruchsbereich des § 3 AsylbLG in dem Fall zu eröffnen, in dem ein Leistungsausschluss nach § 2 Abs. 1 AsylbLG in Verbindung mit § 22 SGB XII eingreift. Denn ein sachlicher Grund für eine Schlechterbehandlung von Personen mit über 15 Monate andauerndem Aufenthalt gegenüber Personen mit kürzerer Aufenthaltsdauer ist nicht ersichtlich.
3. Innerhalb der ersten 15 Monate des Aufenthalts in Deutschland haben Asylbewerber trotz Absolvierung einer Ausbildung ohne Weiteres Anspruch auf Leistungen nach § 3 AsylbLG (vgl. Schreiben der Bundesministerin für Arbeit und Soziales vom 26. Februar 2016). Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, nach dem AsylbLG anspruchsberechtigte Personen von Leistungen nach einer Verfestigung der Aufenthaltsdauer auszuschließen, die ihnen bei einem kürzeren Aufenthalt zustünden.
2. Im Hinblick auf das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums sowie auf Art. 3 Abs. 1 GG ist der Anspruchsbereich des § 3 AsylbLG in dem Fall zu eröffnen, in dem ein Leistungsausschluss nach § 2 Abs. 1 AsylbLG in Verbindung mit § 22 SGB XII eingreift. Denn ein sachlicher Grund für eine Schlechterbehandlung von Personen mit über 15 Monate andauerndem Aufenthalt gegenüber Personen mit kürzerer Aufenthaltsdauer ist nicht ersichtlich.
3. Innerhalb der ersten 15 Monate des Aufenthalts in Deutschland haben Asylbewerber trotz Absolvierung einer Ausbildung ohne Weiteres Anspruch auf Leistungen nach § 3 AsylbLG (vgl. Schreiben der Bundesministerin für Arbeit und Soziales vom 26. Februar 2016). Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, nach dem AsylbLG anspruchsberechtigte Personen von Leistungen nach einer Verfestigung der Aufenthaltsdauer auszuschließen, die ihnen bei einem kürzeren Aufenthalt zustünden.
I. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig Leistungen nach § 3 AsylbLG im Zeitraum vom 14. Dezember 2017 bis 31. Juli 2018 in Höhe von monatlich 354 EUR zu gewähren. II. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt. III. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu 7/8 zu erstatten.
Gründe:
I. Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Der 1994 geborene Antragsteller ist afghanischer Staatsangehörigkeit und befindet sich wegen der Durchführung eines Asylverfahrens im Besitz einer Aufenthaltsgestattung. Bis einschließlich September 2017 gewährte ihm die Antragsgegnerin Leistungen nach dem AsylbLG, zuletzt Analogleistungen nach § 2 AsylbLG. Seit 7. August 2017 besucht der Antragsteller die 9. Klasse der Abendoberschule Dresden. Mit Bescheid vom 15. September 2017 lehnte die Antragsgegnerin die Zahlung von Leistungen nach dem AsylbLG ab 7. August 2017 ab. Das Amt für Ausbildungsförderung der Antragsgegnerin lehnte mit Bescheid vom 1. November 2011 die Bewilligung von Ausbildungsförderung nach dem BAföG ab. Mit Schreiben vom 30. November 2017 erhob der Antragsteller Widerspruch gegen den Bescheid vom 15. September 2017, stellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und beantragte ab sofort die Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG. Der Antragsteller hat am 14. Dezember 2017 vor dem Sozialgericht Dresden die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt. Er trägt vor, er sei in eine existentielle Notlage geraten. § 22 SGB XII sei nicht anwendbar. Seine Ausbildung sei nicht nach dem BAföG förderfähig. Es liege jedenfalls wegen einer planwidrigen Regelungslücke ein Härtefall vor. Der Antragsteller beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller laufende Leistungen nach dem AsylbLG in Höhe von 409 EUR monatlich ab Antragstellung zu gewähren. Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzuweisen. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, die Rechtslage sei eindeutig. § 22 SGB XII finde auch bei Asylbewerbern Anwendung. Der Antragsteller gehöre nicht zum förderfähigen Personenkreis auf Ausbildungsförderung. Ein Härtefall liege nicht vor. Den Antrag vom 30. November 2017 hat die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 22. Dezember 2017 abgelehnt. Der Antragsteller hat Widerspruch erhoben, über den noch nicht entschieden ist. Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vom Antragsgegner vorgelegten Verwaltungsakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist überwiegend begründet. 1. Der Antrag ist als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG mit dem Inhalt, den Antragsgegner zu verpflichten, dem Antragsteller vorläufig existenzsichernde Leistungen zu gewähren, zulässig. Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erfolg des Antrages ist, dass ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund vorliegen. Für eine vorläufige Entscheidung müssen gewichtige Gründe vorliegen (Anordnungsgrund). Der Anordnungsgrund liegt vor, wenn dem Antragsteller wesentliche, insbesondere irreversible Nachteile drohen, die für ihn ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache unzumutbar machen und die Regelung zur Verhinderung dieser unzumutbaren Nachteile durch eine Anordnung nötig erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Oktober 1977, Az: 2 BvR 42/76). Ferner muss ein Anordnungsanspruch vorliegen. Dabei muss es sich um einen der Durchsetzung zugänglichen materiell-rechtlichen Anspruch des Antragstellers handeln (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 12. Aufl., § 86b Rn. 27 ff.). Eine einstweilige Anordnung ergeht demnach nur, wenn sie nach gebotener summarischer Prüfung der Sachlage zur Abwendung wesentlicher, nicht wieder gutzumachender Nachteile für den Antragsteller notwendig ist. Dabei hat der Antragsteller wegen der von ihm geltend gemachten Eilbedürftigkeit der Entscheidung die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach §§ 202 SGG, 294 Zivilprozessordnung (ZPO), also Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund, glaubhaft zu machen. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund überwiegend glaubhaft gemacht. a) Der Anordnungsanspruch beruht auf §§ 1, 3 AsylbLG. Der Antragsteller erfüllt die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG, da er eine Aufenthaltsgestattung nach dem AsylG besitzt. Damit ist der Anwendungsbereich des AsylbLG eröffnet. Zwar kann der Antragsteller Analogleistungen nach § 2 AsylbLG derzeit nicht beanspruchen, da er dem Leistungsausschluss des § 22 SGB XII unterfällt. Denn er absolviert zur Zeit eine Ausbildung, die nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 in Verbindung mit Abs. 5 BAföG förderfähig ist. Auch macht er das Vorliegen eines besonderen Härtefalles nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB XII nicht glaubhaft. Allerdings gebietet eine verfassungskonforme Auslegung des AsylbLG, dass dem Antragsteller derzeit jedenfalls Leistungen nach § 3 AsylbLG zustehen. Dies folgt aus der überragenden Bedeutung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG, vgl. BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 – 1 BvL 10/10 –). Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ergibt sich aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG. Art. 1 Abs. 1 GG begründet diesen Anspruch als Menschenrecht. Das Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG wiederum erteilt dem Gesetzgeber den Auftrag, ein menschenwürdiges Existenzminimum zu sichern. Dem Gesetzgeber kommt ein Gestaltungsspielraum bei den unausweichlichen Wertungen zu, die mit der Bestimmung der Höhe dessen verbunden sind, was die physische und soziale Existenz eines Menschen sichert. Dieses Grundrecht ist dem Grunde nach unverfügbar und muss durch einen Leistungsanspruch eingelöst werden, bedarf aber der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber, der die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen im Hinblick auf die konkreten Bedarfe der Betroffenen auszurichten hat (BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 – 1 BvL 10/10 –, Rn. 62). Art. 1 Abs. 1 GG erklärt die Würde des Menschen für unantastbar und verpflichtet alle staatliche Gewalt, sie zu achten und zu schützen. Wenn Menschen die zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins notwendigen materiellen Mittel fehlen, weil sie weder aus einer Erwerbstätigkeit noch aus eigenem Vermögen noch durch Zuwendungen Dritter zu erlangen sind, ist der Staat im Rahmen seines Auftrages zum Schutz der Menschenwürde und in Ausfüllung seines sozialstaatlichen Gestaltungsauftrages verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die materiellen Voraussetzungen dafür Hilfebedürftigen zur Verfügung stehen (vgl. BVerfGE 125, 175 (222)). Als Menschenrecht steht dieses Grundrecht deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, gleichermaßen zu. Dieser objektiven Verpflichtung aus Art. 1 Abs. 1 GG korrespondiert ein individueller Leistungsanspruch, da das Grundrecht die Würde jedes einzelnen Menschen schützt (BVerfG, a. a. O., Rn. 63). Der Antragsteller kann dieses Grundrecht derzeit außerhalb des AsylbLG nicht einlösen. Denn er ist von Leistungen nach dem SGB II und dem SGB XII ausgeschlossen (§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II, § 23 Abs. 2 SGB XII). Innerhalb der ersten 15 Monate des Aufenthalts in Deutschland hätte er trotz Teilnahme an der von ihm absolvierten Ausbildung ohne Weiteres Anspruch auf Leistungen nach § 3 AsylbLG (vgl. Schreiben der Bundesministerin für Arbeit und Soziales vom 26. Februar 2016). Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, nach dem AsylbLG anspruchsberechtigte Personen von Leistungen nach einer Verfestigung der Aufenthaltsdauer auszuschließen, die ihnen bei einem kürzeren Aufenthalt zustünden. Insofern ist auch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG der Anspruchsbereich des § 3 AsylbLG in dem Fall zu eröffnen, in dem ein Leistungsausschluss nach § 2 Abs. 1 AsylbLG in Verbindung mit § 22 SGB XII eingreift. Denn ein sachlicher Grund für eine Schlechterbehandlung von Personen mit über 15 Monate andauerndem Aufenthalt gegenüber Personen mit kürzerer Aufenthaltsdauer ist nicht ersichtlich. Die Vorschrift des § 2 Abs. 1 AsylbLG ist daher verfassungskonform einschränkend dahingehend auszulegen, dass im Falle eines Ausschlussgrundes nach dem SGB XII die Inanspruchnahme von Leistungen nach § 3 AsylbLG unbenommen bleibt. Der Antragsteller hat daher trotz Absolvierung einer förderfähigen Ausbildung aktuell einen Anspruch auf Leistungen nach § 3 Abs. 1 Satz 8 Nr. 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 AsylbLG in Höhe von monatlich 354 EUR. Einen darüber hinausgehenden Leistungsanspruch macht der Antragsteller nicht glaubhaft. b) Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Der Antragsteller hat insbesondere die Dringlichkeit der Durchsetzung seiner Ansprüche dargelegt, da er nach seinen aktuellen Einkommens- und Vermögensverhältnissen nicht in der Lage ist, seine existentiellen Bedarfe aus eigenen Mitteln zu begleichen. Damit ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Vermeidung einer Verletzung seines Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums geboten. Die Dauer der einstweiligen Anordnung war dabei der Dauer des aktuellen Schuljahres anzupassen, da noch nicht absehbar ist, ob der Antragsteller über diesen Zeitraum hinaus an der schulischen Ausbildung teilnehmen wird.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
3. Dieser Beschluss ist nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 in Verbindung mit § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG für den Antragsteller unanfechtbar, da der Beschwerdewert von 750 EUR hinsichtlich der Antragsablehnung nicht erreicht ist.
Gründe:
I. Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Der 1994 geborene Antragsteller ist afghanischer Staatsangehörigkeit und befindet sich wegen der Durchführung eines Asylverfahrens im Besitz einer Aufenthaltsgestattung. Bis einschließlich September 2017 gewährte ihm die Antragsgegnerin Leistungen nach dem AsylbLG, zuletzt Analogleistungen nach § 2 AsylbLG. Seit 7. August 2017 besucht der Antragsteller die 9. Klasse der Abendoberschule Dresden. Mit Bescheid vom 15. September 2017 lehnte die Antragsgegnerin die Zahlung von Leistungen nach dem AsylbLG ab 7. August 2017 ab. Das Amt für Ausbildungsförderung der Antragsgegnerin lehnte mit Bescheid vom 1. November 2011 die Bewilligung von Ausbildungsförderung nach dem BAföG ab. Mit Schreiben vom 30. November 2017 erhob der Antragsteller Widerspruch gegen den Bescheid vom 15. September 2017, stellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und beantragte ab sofort die Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG. Der Antragsteller hat am 14. Dezember 2017 vor dem Sozialgericht Dresden die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt. Er trägt vor, er sei in eine existentielle Notlage geraten. § 22 SGB XII sei nicht anwendbar. Seine Ausbildung sei nicht nach dem BAföG förderfähig. Es liege jedenfalls wegen einer planwidrigen Regelungslücke ein Härtefall vor. Der Antragsteller beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller laufende Leistungen nach dem AsylbLG in Höhe von 409 EUR monatlich ab Antragstellung zu gewähren. Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzuweisen. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, die Rechtslage sei eindeutig. § 22 SGB XII finde auch bei Asylbewerbern Anwendung. Der Antragsteller gehöre nicht zum förderfähigen Personenkreis auf Ausbildungsförderung. Ein Härtefall liege nicht vor. Den Antrag vom 30. November 2017 hat die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 22. Dezember 2017 abgelehnt. Der Antragsteller hat Widerspruch erhoben, über den noch nicht entschieden ist. Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vom Antragsgegner vorgelegten Verwaltungsakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist überwiegend begründet. 1. Der Antrag ist als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG mit dem Inhalt, den Antragsgegner zu verpflichten, dem Antragsteller vorläufig existenzsichernde Leistungen zu gewähren, zulässig. Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erfolg des Antrages ist, dass ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund vorliegen. Für eine vorläufige Entscheidung müssen gewichtige Gründe vorliegen (Anordnungsgrund). Der Anordnungsgrund liegt vor, wenn dem Antragsteller wesentliche, insbesondere irreversible Nachteile drohen, die für ihn ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache unzumutbar machen und die Regelung zur Verhinderung dieser unzumutbaren Nachteile durch eine Anordnung nötig erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Oktober 1977, Az: 2 BvR 42/76). Ferner muss ein Anordnungsanspruch vorliegen. Dabei muss es sich um einen der Durchsetzung zugänglichen materiell-rechtlichen Anspruch des Antragstellers handeln (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 12. Aufl., § 86b Rn. 27 ff.). Eine einstweilige Anordnung ergeht demnach nur, wenn sie nach gebotener summarischer Prüfung der Sachlage zur Abwendung wesentlicher, nicht wieder gutzumachender Nachteile für den Antragsteller notwendig ist. Dabei hat der Antragsteller wegen der von ihm geltend gemachten Eilbedürftigkeit der Entscheidung die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach §§ 202 SGG, 294 Zivilprozessordnung (ZPO), also Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund, glaubhaft zu machen. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund überwiegend glaubhaft gemacht. a) Der Anordnungsanspruch beruht auf §§ 1, 3 AsylbLG. Der Antragsteller erfüllt die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG, da er eine Aufenthaltsgestattung nach dem AsylG besitzt. Damit ist der Anwendungsbereich des AsylbLG eröffnet. Zwar kann der Antragsteller Analogleistungen nach § 2 AsylbLG derzeit nicht beanspruchen, da er dem Leistungsausschluss des § 22 SGB XII unterfällt. Denn er absolviert zur Zeit eine Ausbildung, die nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 in Verbindung mit Abs. 5 BAföG förderfähig ist. Auch macht er das Vorliegen eines besonderen Härtefalles nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB XII nicht glaubhaft. Allerdings gebietet eine verfassungskonforme Auslegung des AsylbLG, dass dem Antragsteller derzeit jedenfalls Leistungen nach § 3 AsylbLG zustehen. Dies folgt aus der überragenden Bedeutung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG, vgl. BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 – 1 BvL 10/10 –). Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ergibt sich aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG. Art. 1 Abs. 1 GG begründet diesen Anspruch als Menschenrecht. Das Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG wiederum erteilt dem Gesetzgeber den Auftrag, ein menschenwürdiges Existenzminimum zu sichern. Dem Gesetzgeber kommt ein Gestaltungsspielraum bei den unausweichlichen Wertungen zu, die mit der Bestimmung der Höhe dessen verbunden sind, was die physische und soziale Existenz eines Menschen sichert. Dieses Grundrecht ist dem Grunde nach unverfügbar und muss durch einen Leistungsanspruch eingelöst werden, bedarf aber der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber, der die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen im Hinblick auf die konkreten Bedarfe der Betroffenen auszurichten hat (BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 – 1 BvL 10/10 –, Rn. 62). Art. 1 Abs. 1 GG erklärt die Würde des Menschen für unantastbar und verpflichtet alle staatliche Gewalt, sie zu achten und zu schützen. Wenn Menschen die zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins notwendigen materiellen Mittel fehlen, weil sie weder aus einer Erwerbstätigkeit noch aus eigenem Vermögen noch durch Zuwendungen Dritter zu erlangen sind, ist der Staat im Rahmen seines Auftrages zum Schutz der Menschenwürde und in Ausfüllung seines sozialstaatlichen Gestaltungsauftrages verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die materiellen Voraussetzungen dafür Hilfebedürftigen zur Verfügung stehen (vgl. BVerfGE 125, 175 (222)). Als Menschenrecht steht dieses Grundrecht deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, gleichermaßen zu. Dieser objektiven Verpflichtung aus Art. 1 Abs. 1 GG korrespondiert ein individueller Leistungsanspruch, da das Grundrecht die Würde jedes einzelnen Menschen schützt (BVerfG, a. a. O., Rn. 63). Der Antragsteller kann dieses Grundrecht derzeit außerhalb des AsylbLG nicht einlösen. Denn er ist von Leistungen nach dem SGB II und dem SGB XII ausgeschlossen (§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II, § 23 Abs. 2 SGB XII). Innerhalb der ersten 15 Monate des Aufenthalts in Deutschland hätte er trotz Teilnahme an der von ihm absolvierten Ausbildung ohne Weiteres Anspruch auf Leistungen nach § 3 AsylbLG (vgl. Schreiben der Bundesministerin für Arbeit und Soziales vom 26. Februar 2016). Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, nach dem AsylbLG anspruchsberechtigte Personen von Leistungen nach einer Verfestigung der Aufenthaltsdauer auszuschließen, die ihnen bei einem kürzeren Aufenthalt zustünden. Insofern ist auch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG der Anspruchsbereich des § 3 AsylbLG in dem Fall zu eröffnen, in dem ein Leistungsausschluss nach § 2 Abs. 1 AsylbLG in Verbindung mit § 22 SGB XII eingreift. Denn ein sachlicher Grund für eine Schlechterbehandlung von Personen mit über 15 Monate andauerndem Aufenthalt gegenüber Personen mit kürzerer Aufenthaltsdauer ist nicht ersichtlich. Die Vorschrift des § 2 Abs. 1 AsylbLG ist daher verfassungskonform einschränkend dahingehend auszulegen, dass im Falle eines Ausschlussgrundes nach dem SGB XII die Inanspruchnahme von Leistungen nach § 3 AsylbLG unbenommen bleibt. Der Antragsteller hat daher trotz Absolvierung einer förderfähigen Ausbildung aktuell einen Anspruch auf Leistungen nach § 3 Abs. 1 Satz 8 Nr. 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 AsylbLG in Höhe von monatlich 354 EUR. Einen darüber hinausgehenden Leistungsanspruch macht der Antragsteller nicht glaubhaft. b) Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Der Antragsteller hat insbesondere die Dringlichkeit der Durchsetzung seiner Ansprüche dargelegt, da er nach seinen aktuellen Einkommens- und Vermögensverhältnissen nicht in der Lage ist, seine existentiellen Bedarfe aus eigenen Mitteln zu begleichen. Damit ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Vermeidung einer Verletzung seines Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums geboten. Die Dauer der einstweiligen Anordnung war dabei der Dauer des aktuellen Schuljahres anzupassen, da noch nicht absehbar ist, ob der Antragsteller über diesen Zeitraum hinaus an der schulischen Ausbildung teilnehmen wird.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
3. Dieser Beschluss ist nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 in Verbindung mit § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG für den Antragsteller unanfechtbar, da der Beschwerdewert von 750 EUR hinsichtlich der Antragsablehnung nicht erreicht ist.
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