S 4 R 1395/12

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 4 R 1395/12
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Versicherungspflicht des Klägers als Selbständiger mit nur einem Auftraggeber.

Der Kläger ist am xxxxx1961 in der T. geboren. Er hat die deutsche Staatsangehörigkeit und lebt seit November 1977 in der Bundesrepublik Deutschland. Er ist Diplom-Kaufmann und arbeitet als selbständiger Handelsvertreter.

Am 07.02.2006 stellte er einen Antrag auf Kontenklärung. Dazu reichte er diverse Unterlagen ein. Am 21.03.2006 ging der Fragebogen zur Feststellung der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für Selbständige bei der Beklagten ein. In diesem Fragebogen gab der Kläger an, als Versicherungsagentur-Inhaber seit dem 01.03.2001 tätig zu sein. Gegenstand des Unternehmens sei die selbständige Vermittlung von Versicherungen. Er gab an, dass das monatliche Arbeitseinkommen in der Zeit ab 01.04.2003 regelmäßig 400,- EUR und in der Zeit davor bis 31.03.2003 regelmäßig 325,- EUR überstiegen habe. Ein Arbeitnehmer sei nicht beschäftigt worden. Dem Fragebogen beigefügt war die Gewerbeanmeldung vom 16.03.2004, diese belegt eine Verlegung des Betriebssitzes, welcher nicht identisch ist mit der Wohnanschrift des Klägers. Ebenfalls beigefügt war der Agenturvertrag mit der I. Versicherung. Der Agenturvertrag enthält eine Wettbewerbsbeschränkung bezüglich der Vermittlung von Versicherungsverträgen für andere Versicherungen. Gestattet sind lediglich Abschlüsse, bei denen Risiken versichert werden, die die I. Versicherung nicht versichert.

Dem Prüfbogen der Beklagten vom 29.03.2006 ist zu entnehmen, dass die Beklagte von einer selbständigen Tätigkeit, wie vom Kläger angegeben, ab 01.03.2001 ausging und dies dem Versicherungsbeginn auch zugrunde legte. Wegen der Verjährung der Beiträge war der Beginn der Beitragszahlung jedoch mit dem 01.01.2002 angesetzt worden. Versicherungspflichtig sei der Kläger als Selbständiger mit nur einem Auftraggeber gemäß § 2 Satz 1 Nr. 9 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches – SGB VI -. Ebenfalls geprüft wurde die Befreiung von der Versicherungspflicht.

Mit rechtsmittelfähigem Bescheid vom 03.04.2006 wurde dem Kläger das Prüfungsergebnis mitgeteilt. Nach den von der Beklagten getroffenen Feststellungen sei der Kläger aufgrund seiner selbständigen Tätigkeit als Versicherungs- und Finanzdienstleister ab 01.03.2001 versicherungspflichtig. Um den Bescheid über die Versicherungspflicht erteilen zu können, benötige die Beklagte aber noch weitere Angaben. Des Weiteren enthielt der Bescheid die Belehrung, dass versicherungspflichtige Selbständige grundsätzlich bis zum Ablauf von 3 Kalenderjahren nach dem Jahr der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit den halben Regelbeitrag von damals 238,88 EUR und für die Zeit danach den Regelbeitrag von damals 477,75 EUR monatlich zu zahlen hätten. Auf Antrag könne jedoch davon abgewichen werden, indem ein einkommensgerechter Beitrag gezahlt werde, der auf der Grundlage des tatsächlichen Arbeitseinkommens (Gewinn) berechnet würde. Dieser einkommensgerechte Beitrag könne im Einzelfall erheblich niedriger als der halbe Regelbeitrag oder der Regelbeitrag sein. Für die Zeit vor dem 01.01.2003 bestehe die Möglichkeit zur Zahlung des halben Regelbeitrages jedoch nur für die ersten drei Kalenderjahre nach dem Jahr der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit, wenn die Zahlung des halben Regelbeitrags beantragt werde. Liege ein solcher Antrag nicht vor, sei der Regelbeitrag zu zahlen. Die Beklagte bat dann darum, den beigefügten Vordruck zur Beitragszahlung ausgefüllt zurückzusenden. Sie machte darauf aufmerksam, dass nach Ablauf einer Frist von 4 Wochen davon ausgegangen werde, dass kein Interesse an der Zahlung eines einkommensgerechten Beitrages oder der Zahlung des halben Regelbeitrages bestehe. Deshalb werde sodann ein Bescheid über die Versicherungs- und Beitragspflicht ergehen. Bezüglich des ebenfalls gestellten Antrages vom 07.02.2006 auf Befreiung von der Versicherungsplicht in der Rentenversicherung für Selbständige mit einem Auftraggeber, M. dieser Antrag abgelehnt werden. Die beantragte Befreiung für einen Zeitraum von drei Jahren nach Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit sei nur möglich, wenn zum 1. oder zum 2. Mai eine selbständige Tätigkeit aufgenommen worden sei, die die Merkmale des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI erfüllen würden. Hinzuträte, dass seit der Aufnahme dieser Tätigkeit noch keine drei Jahre vergangen sein dürften (§ 6 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 SGB VI). Die Tätigkeit als Versicherungs- und Finanzdienstleister, für die die Befreiung am 07.02.2006 beantragt worden sei, habe der Kläger am 01.03.2001 aufgenommen. Die Befreiung könne daher längstens bis zum 01.03.2004 überhaupt erfolgen. Der mögliche Beginn der Befreiung liege aber nach diesem Zeitpunkt. Bei der Beklagten gingen bis zum Fristablauf keine Unterlagen ein. Der Kläger äußerte sich nicht.

Mit Bescheid vom 09.05.2006 stellte die Beklagte die Versicherungspflicht ab 01.03.2001 nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI fest. Mit dem Bescheid wurde der Kläger nochmals über die gesetzlichen Bestimmungen der Beitragszahlung informiert und auch über die Tatsache, dass im Rahmen der Mitwirkungspflichten des Klägers sowohl die Beschäftigung eines oder mehrerer versicherungspflichtiger Arbeitnehmer mitzuteilen sei sowie auch die Tätigkeit für mehrere Auftraggeber. Dem Bescheid beigefügt war die Beitragsrechnung. Dort aufgeführt waren rückwirkend, unter Beachtung der Verjährungsvorschriften, die Beiträge ab 01.01.2002 in Höhe von 16.337,43 EUR, die zunächst für einen Zeitraum bis einschließlich 31.05.2006 gefordert wurden. Gegen den Bescheid erhob der Kläger am 26.05.2006 Widerspruch per Fax. Begründet worden war der Widerspruch zunächst nicht. Mit dem 20.09.2006 legitimierte sich der Bevollmächtigte bei der Beklagten zur Akte und bat um Akteneinsicht. Mit Schriftsatz vom 13.07.2007 begründete der Bevollmächtigte den Widerspruch damit, dass die Voraussetzungen des § 2 Nr. 9 SGB VI nicht vorlägen. Der Kläger sei nicht nur für einen Auftraggeber, nämlich die I. Versicherung, tätig. Der Kläger habe z.B. für den Steuerberater S.M. in den Jahren 2002 bis 2006 insgesamt 18 Buchführungen einschließlich der zu erstellenden Jahresabschlüsse vermittelt. Der Kläger habe aus dieser Vermittlungstätigkeit auch Provisionen erhalten. Aufgrund der beruflichen Schweigepflicht könne der Steuerberater aber die Namen der Firmen nicht benennen. Darüber hinaus habe der Kläger in den Jahren 2002 bis 2005 circa 100 Mandate an den Rechtsanwalt T.M. vermittelt. Für die Vermittlung der Mandate habe der Kläger Provision erhalten. Aus Gründen der beruflichen Schweigepflicht könne allerdings Rechtsanwalt M. derzeit nicht darlegen, um welche Mandate es sich gehandelt habe. Außerdem habe der Kläger in den Jahren 2005 bis 2006 Herrn Rechtsanwalt D.N. 50 Mandate vermittelt. Für diese habe er Vermittlungsprovision pro Mandat in Höhe von 15% der vereinnahmten Gebühr erhalten. Bezüglich der konkreten Mandate sei jedoch Rechtsanwalt N. ebenfalls an die Schweigepflicht gebunden. Zusätzlich habe der Kläger in den Jahren 2002 bis 2006 an den Kraftfahrzeug-Sachverständigen O.M. 300 Sachverständigen-Gutachten vermittelt. Er habe dafür eine Provision von 20% der Netto-Gutachterkosten erhalten. Eine Auftragsliste sei vom Gutachter angefordert und werde nachgereicht werden. Auch dem Bevollmächtigten selbst habe der Kläger seit 2005 bis Mitte 2006 26 Mandate vermittelt und dafür ebenfalls eine Gegenleistung erhalten. Zusätzlich hatte der Kläger im Jahre 2002 bis 2003 Mieterlöse erzielt. Der Kläger sei auch zu keinem Zeitpunkt verpflichtet gewesen, nur für die I. Versicherung tätig zu werden. Der Bescheid sei daher aufzuheben.

Die Beklagte bat mit Schreiben vom 30.08.2007 die angesprochenen Unterlagen der anderen Auftraggeber einzusenden. Nach Erinnerung vom 03.04.2008 und 18.08.2008 erließ die Beklagte am 25.08.2010 den Widerspruchsbescheid. Zur Begründung trug sie vor, die mit Schreiben vom 30.08.2007, 03.04.2008 und 18.08.2008 angeforderten Unterlagen seien nicht eingereicht worden. Trotz der Fristverlängerung seien die angeforderten neuen Aufstellungen über die Betriebseinnahmen nicht vorgelegt worden. Da eine Tätigkeit für mehrere Auftraggeber nicht nachgewiesen worden sei, sei der angefochtene Bescheid hinsichtlich der Feststellung der Versicherungspflicht nicht zu beanstanden und es verbleibe daher bei der festgestellten Beitragsforderung.

Mit seiner am 29.09.2010 erhobenen Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 25.08.2010 verfolgte dann der Kläger sein Begehren weiter. Zur Begründung trug der Bevollmächtigte vor, er beziehe sich auf den Schriftverkehr im Widerspruchsverfahren. Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Nach Erinnerung vom 13.12.2010, 17.01.2011 und 28.02.2011 die Klagbegründung einzureichen, erhielt der Bevollmächtigte eine Aufforderung gemäß 102 Abs. 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG -. Mit Schriftsatz vom 16.05.2011 erklärte der Bevollmächtigte, es bestehe selbstverständlich noch Interesse am Fortgang des Rechtsstreits. Die Klage werde auch nicht zurückgenommen. Sie könne auch nicht als zurückgenommen gelten. Es werde nochmals auf den Schriftverkehr im Widerspruchsverfahren Bezug genommen. Darüber hinaus werde die Rechnung an Rechtsanwalts N. über eine Beratungsleistung im Jahr 2006 von 593,92 EUR beigefügt. Weitere Rechnungen würden nachgereicht. In der Anlage befand sich die Rechnung auf dem Briefkopfpapier der I. Versicherungen, mit der der Kläger am 20.12.2006 einen Betrag von 593,92 EUR bei Herrn Rechtsanwalt N. geltend macht. Ein Zahlungsvermerk ist der Rechnung nicht zu entnehmen. Mit Schreiben vom 05.10.2011 wurde der Bevollmächtigte nochmals aufgefordert, zum Klaginhalt Stellung zu nehmen. Mit dem 18.11.2011 wurde wiederum eine Aufforderung gemäß § 102 Abs. 2 Satz 3 SGG an den Bevollmächtigten gerichtet. Mit Schlussverfügung vom 27.02.2012 wurde sodann das Verfahren, weil es länger als 3 Monate nicht betrieben worden war, gemäß § 102 Abs. 2 SGG beendet und ausgetragen.

Mit Bescheid vom 01.03.2012 informierte die Beklagte den Kläger darüber, dass bezüglich der Beitragszahlung ab 01.01.2009 eine Änderung eintreten werde. Der Regelbeitrag in Höhe von 494,92 EUR für 2008 erhöhe sich ab 01.01.2009 auf 501,48 EUR. Dabei sei ein Arbeitseinkommen in Höhe von monatlich 2.520,- EUR zugrunde zu legen gewesen. Sodann berechnete die Beklagte die Beiträge bis 31.03.2012 und stellte fest, dass Beiträge seit 01.01.2002 bis 31.03.2012 in Höhe von 51.230,58 EUR vom Kläger zu zahlen seien. Mit Schreiben vom 06.03.2012 informierte die Beklagte den Kläger darüber, dass nach Beendigung des Klagverfahrens im Februar 2012 der Bescheid vom 09.05.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.08.2010 bindend geworden sei. Damit sei die in diesem Bescheid festgestellte Beitragsforderung fällig. Da während des laufenden Klagverfahrens bis 31.12.2008 hinaus keine Beiträge festgesetzt worden seien, habe man nunmehr über diesen Zeitpunkt hinaus die Beiträge festgesetzt. Ein Nachweis über die Aufgabe oder Beendigung der selbständigen Tätigkeit sei nicht vorgelegt worden. Im Nachgang zum Bescheid vom 01.03.2012 werde außerdem der Formblattantrag zur Beantragung einer Ratenzahlung übersandt. Mit Schreiben vom 23.03.2012 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 01.03.2012. Der Widerspruch wurde nicht begründet. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.09.2012 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Mit seiner am 18.10.2012 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Mit der Klagbegründung vom 23.11.2012 trägt der Bevollmächtigte des Klägers vor, es bestehe keine Rentenversicherungspflicht gemäß § 2 Nr. 9 SGB VI, denn seit 2007 beschäftige der Kläger einen rentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmer.

Der Bevollmächtigte beantragt sinngemäß,

1. den Bescheid der Beklagten vom 01.03.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.09.2012 in Gestalt des Gegenstandsbescheides vom 15.02.2013 aufzuheben, 2. der Beklagten die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers aufzuerlegen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung ihres Antrages nimmt sie Bezug auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden und den Inhalt ihrer Verwaltungsakte.

Nach Prüfung der vom Bevollmächtigten des Klägers eingereichten Unterlagen erließ die Beklagte einen Gegenstandsbescheid vom 15.02.2013. Seit 01.07.2007 bestehe keine Versicherungspflicht nach § 2 Nr. 9 SGB VI. Für die Zeiträume davor ab 01.01.2002 bis 30.06.2007 schulde der Kläger allerdings die Beiträge in Höhe von 22.606,98 EUR. Die Beklagte wies in ihrem Schriftsatz darauf hin, dass für die Zeit vor dem 01.07.2007 weder die Beschäftigung eines versicherungspflichtigen Arbeitnehmers noch die Tätigkeit für mehrere Auftraggeber vom Kläger nachgewiesen worden sei.

Mit Schriftsatz vom 14.03.2013 nahm der Bevollmächtigte das Teilanerkenntnis an. Er trug vor, auch die für den 01.01.2003 bis 30.06.2007 erhobenen Beiträge seien rechtswidrig. Die von ihm eingereichte Liste enthalte alle Kundennamen die für ein Gutachten vermittelt worden seien. Außerdem auch Rechnungen des Ingenieurbüros Matzen. Im Übrigen seien die Ansprüche verjährt.

Die Beklagte blieb in ihrem Schriftsatz vom 15.02.2013 dabei, es fehle an den, den einzelnen Monaten zugeordneten Umsätzen, die dann einander gegenüber zu stellen seien, um feststellen zu können, ob der Kläger 5/6 seiner Einnahmen nur von einem Auftraggeber erziele. Die Listen enthielten hingegen nur Namen und Zeiträume.

Mit Schriftsatz vom 22.04.2013 wies die Beklagte darauf hin, dass die wirtschaftliche Abhängigkeit von großer Bedeutung sei bei der Prüfung, ob nur für einen Auftraggeber Tätigkeiten entwickelt worden seien.

Der Bevollmächtigte reichte mit Schriftsatz vom 22.07.2014 die Einnahme- und Überschussrechnungen für 2002 bis 2007 ein, in denen auch Mieterlöse enthalten sind. Der Bevollmächtigte wies auf eine abhängige Beschäftigung 2006 hin, mit der für Dienstleistungen 5.500,- EUR erzielt worden seien sowie auf eine Tätigkeitsvergütung vom 01.01.2007 bis 30.06.2007 in Höhe von 3.000,- EUR. Darüber hinaus über vermittelte Mandate 2007 in Höhe von 750,- EUR. Der Bevollmächtigte wies außerdem darauf hin, dass der Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht bisher nicht beschieden sei.

Mit Schriftsatz vom 19.09.2014 führte die Beklagte aus, die 5/6-Regelung je Kalenderjahr beziehe sich nicht auf abhängige Beschäftigungen. Im Übrigen sei der Kläger nach den Überschussrechnungen deutlich überwiegend für die I. Versicherung tätig geworden und habe dort auch die meisten Erlöse erzielt. Bezüglich der Befreiung käme diese nicht rückwirkend in Betracht.

Nach Übergang der Sache in die erkennende Kammer wurde der Bevollmächtigte mit Schreiben vom 04.12.2014 aufgefordert, darzulegen, warum der Bescheid vom 03.04.2006 rechtskräftig geworden und bei der Beklagten wurde angefragt, ob vom Kläger ein Antrag auf einkommensgerechte Beiträge gestellt worden sei. Die Beklagte nahm am 08.01.2015 dahingehend Stellung, dass mit dem Ausgangsbescheid ausdrücklich auf die einkommensgerechten Beiträge hingewiesen worden sei, ein Antrag sei nicht gestellt worden. Keinerlei Zahlungen seien bisher eingegangen. Die Tätigkeit als Handelsvertreter sei anerkannt, allerdings nur für die Selbständigkeit mit einem Auftraggeber.

Der Bevollmächtigte führte am 16.01.2015 aus, der Bescheid vom 03.04.2006 sei beim Kläger gänzlich unbekannt. Dieser sei dem Kläger nie zugegangen. Wenn dies so gewesen wäre, hätte der Kläger sicherlich Widerspruch eingelegt, was er nicht getan habe. Es werde daher ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein bestandkräftiger Bescheid diesbezüglich nicht vorliege.

Die Beklagte wies mit Schriftsatz vom 17.02.2015 darauf hin, dass mit dem abgeschlossenen Verfahren 49 R 834/10 aber der Ausgangsbescheid vom 09.05.2006 zur Versicherungspflicht bindend geworden sei. Der Bescheid vom 03.04.2006 sei nur die Ankündigung der Bescheiderteilung gewesen. Allerdings enthalte dieser Bescheid eine Unrichtigkeit zur befristeten Befreiung.

Mit Schriftsatz vom 01.03.2012 bezog sich der Bevollmächtigte auf Verjährung der Beitragsansprüche.

Die Beklagte wies mit Schreiben vom 15.06.2015 darauf hin, dass mit dem Bescheid vom 01.03.2012 der frühere Bescheid vom 09.05.2006 nicht aufgehoben werden sollte, sondern damit sei nur eine Änderung ab 01.07.2009 zur Beitragshöhe festgestellt worden. Der Gegenstandsbescheid vom 15.02.2013 habe dann die Mitteilung des Bevollmächtigten über die Beschäftigung eines Arbeitnehmers umgesetzt und festgestellt, dass ab 01.07.2007 keine Versicherungspflicht mehr bestehe. Eine erneute Verjährungsfrist habe nie begonnen, da der Bescheid vom 09.05.2006 rechtskräftig geworden sei.

Der Bevollmächtigte blieb mit Schreiben vom 21.07.2015 dabei, der Bescheid vom 09.05.2006 habe keinen Regelungswillen enthalten.

Am 14.10.2015 wurde die Sache zum Erörterungstermin geladen. Im Erörterungstermin am 18.02.2016 wurde die Sache ausführlich mit den Beteiligten besprochen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte der Kammer, die Prozessakte S 49 R 834/10 sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und deren Inhalt zum Gegenstand der Entscheidung gemacht worden ist.

Entscheidungsgründe:

Gemäß § 105 Abs. 1 des SGG kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt aufgeklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Die Vorschrift über Urteile gilt entsprechend. Die Beteiligten wurden über die Absicht durch Gerichtsbescheid zu entscheiden im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 18.02.2016 angehört.

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

Der Kläger ist versicherungspflichtig gemäß § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI in seiner Tätigkeit als Versicherungs- und Finanzdienstleister für die Zeit vom 01.03.2001 bis 30.06.2007.

Versicherungspflichtig sind selbständig Tätige Personen, die

a. im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, dessen Arbeitsentgelt aus diesen Beschäftigungsverhältnissen regelmäßig 400,- EUR im Monat übersteigt und

b. auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind (§ 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI).

In der Folgenzeit hat der Gesetzgeber die Vorschrift mehrfach geändert. Die Entgeltgrenze in § 2 Satz 1 Nr. 9a SGB VI ist heute entfallen. Der Kläger ist Diplom-Kaufmann, als selbständiger Handelsvertreter tätig und hat sein Gewerbe erstmals am 22.02.2001 angemeldet und die Tätigkeit am 01.03.2001 begonnen. Er hat in der Zeit vom 01.03.2001 bis 30.06.2007 unstreitig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt. Der Kläger war auch auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig (§ 2 Satz 1 Nr. 9b SGB VI). Aus den vom Kläger bei der Beklagten und beim Gericht eingereichten Unterlagen – insbesondere der Überschussrechnungen von 2002 bis 2007 ergibt sich deutlich, dass 5/6 der Einnahmen aus der geschäftlichen Beziehung zur I. Versicherung und dem zugrunde liegenden Agenturvertrag stammen. Weitere Auftraggeber, weitere Einnahmen und die Verteilung der Einnahmen im Verhältnis zueinander, aus denen sich etwas anderes ergibt, hat der Kläger nicht belegt. Eine abhängige Hauptbeschäftigung ist ebenso wenig in die Beurteilung miteinzubeziehen, wie die Mieterlöse, um festzustellen, ob nur für einen Auftraggeber gearbeitet wurde. (BSG vom 04.11.2009 Aktenzeichen: B 12 R 3/08, Rnr. 22 Fehler! Hyperlink-Referenz ungültig.).

Der Bescheid vom 01.03.2012 ist auch nicht fehlerhaft, weil er keine Bestimmungen über die Versicherungspflicht enthält. Darauf, dass der Kläger den Bescheid vom 03.04.2006 nicht erhalten hat, kommt es dabei nicht an. Die Beklagte hat mit Ausgangsbescheid vom 09.05.2006 die Versicherungspflicht des Klägers festgestellt sowie die Beiträge zunächst bis 31.05.2006 festgesetzt. Der Bescheid wurde zunächst nicht rechtskräftig, weil der Kläger Widerspruchs erhoben hat und anschließend Klage. Aufgrund der fiktiven Klagrücknahme gemäß § 102 Abs. 2 SGG ist dieser Bescheid in Rechtskraft erwachsen. Eine erneute Feststellung der Versicherungspflicht mit Bescheid vom 01.03.2012 war daher nicht erforderlich. Vielmehr wurden lediglich eine Änderungsmitteilung und die Festsetzung die Beiträge ab 01.06.2006 bis 31.03.2012 betreffend, nach Rechtskraft des Bescheides zur Feststellung der Versicherungspflicht vom 09.05.2006 gefertigt.

Die Beiträge sind auch nicht verjährt. Ansprüche auf Beiträge verjähren in 4 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Ein Beitragsverfahren hemmt die Verjährung von Beiträgen (§ 198 Satz 2 SGB VI). Ein Beitragsverfahren ist ein tatsächliches Tätigwerden der Behörde. Dabei ist es nicht erheblich, was der Betroffene mit seinem Antrag an die Behörde bezweckt hat. Ein Beitragsverfahren ist nicht nur auf Antrag, sondern auch von Amts wegen durchzuführen (BSG vom 27.07.2011 Aktenzeichen: B 12 R 19/09 R Rn. 12 www.juris.de). Es ist deshalb nicht erheblich, dass der Kläger ursprünglich die Kontenklärung beantragt hat. Die Beklagte war berechtigt und verpflichtet, das Beitragsverfahren durchzuführen, als sie von der selbständigen Tätigkeit des Klägers erfahren hat. Bei Beginn des Beitragsverfahrens waren nur die Beiträge für 2001 bereits verjährt und wurden von der Beklagten auch nicht mehr geltend gemacht. Mit dem Erlass des Bescheides vom 09.05.2006 fand das Beitragsverfahren dann seinen Abschluss. Durch den Widerspruch und die Klage gegen den Bescheid vom 09.05.2006 wurde die Verjährung der dort festgesetzten Beiträge unterbrochen sowie auch das gesamte Beitragsverfahren. Mit Beendigung des Klagverfahrens am 27.02.2012 und der Bestandskraft des Bescheides vom 09.05.2006 über das Bestehen von Versicherungspflicht und den Beitragsanspruch endete die Verjährung für die Beiträge bis 31.05.2006. Mit Bescheid vom 01.03.2012, der einen Monat nach dem Wegfall des Hindernisses und der Bestandskraft des Bescheides vom 09.05.2006 erteilt wurde, konnten nach Bestandskraft des Ausgangsbescheides zur Versicherungspflicht die Beiträge für die Vergangenheit ab 01.06.2006 bis 30.06.2007 und darüber hinaus festgesetzt werden, weil auch deren Verjährung erst mit dem Ende des Klagverfahrens über die Versicherungspflicht begann und mit dem Erlass des Beitragsbescheides wieder unterbrochen wurde. Mit dem Gegenstandsbescheid vom 15.02.2013 berichtigte die Beklagte den Ausgangsbescheid vom 01.03.2012 dahingehend, dass Beiträge über den 01.07.2007 hinaus nicht zu entrichten sind.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte über den Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht entschieden hat oder ob der Bescheid vom 03.04.2006 bezüglich der Befreiungsentscheidung fehlerhaft war. Da der Kläger bestritten hat, den Bescheid erhalten zu haben, ist ihm gegenüber jedenfalls keine rechtsmittelfähige Entscheidung der Beklagten ergangen. Die Beklagte hat aber zu Recht im Verfahren darauf hingewiesen, dass das Recht auf Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht als Selbständiger, anders als vom Bevollmächtigten behauptet, nicht besteht. Gemäß § 6 Abs. 1a sind Selbständige mit einem Auftraggeber für einen Zeitraum von 3 Jahren nach erstmaliger Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit, die die Merkmale von § 2 Satz 1 Nr. 9 erfüllen, zu befreien. Die Entscheidung erfolgt gemäß § 6 Abs. 2 nur auf Antrag des Versicherten. Es entscheidet gemäß § 6 Abs. 3 der Rentenversicherungsträger. Der Kläger hat erstmalig seine Tätigkeit 2001 aufgenommen. Die 3 Jahre wären, bei rechtzeitiger Antragstellung zu Beginn der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit, 2004 abgelaufen gewesen und der Kläger wäre bis dahin von der Versicherungspflicht zu befreien gewesen. Versicherungspflicht wäre erst danach eingetreten. Der Kläger hat seinen Antrag auf Befreiung aber erst am 07.02.2006 bei der Beklagten gestellt. Zu diesem Zeitpunkt war der Befreiungszeitraum (3 Jahre ab Beginn der selbständigen Tätigkeit) bereits seit 2 Jahren abgelaufen. Die Ausnahmeregelungen des § 6 Abs. 4 finden keine Anwendung.

Der Kläger schuldet deshalb - nach Annahme des Teilanerkenntnisses - für die Zeit vom 01.01.2002 bis 30.06.2007 der Beklagten Beiträge in Höhe von 22.606,98 EUR.

Die Bescheide der Beklagten waren unter Berücksichtigung des angenommenen Teilanerkenntnisses nicht rechtswidrig.

Die Klage deshalb abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes. Außergerichtliche Kosten waren nicht zu erstatten; da der Kläger die Beschäftigung eines Arbeitnehmers im Jahre 2007 trotz der Belehrung über die Mitwirkungspflichten im Ausgangsbescheid vom 09.05.2006 nicht mitgeteilt hat, konnte die Beklagte dies bei Erlass des Bescheides vom 01.03.2012 nicht berücksichtigen.
Rechtskraft
Aus
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