Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 13 AL 563/11
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Gründungszuschuss.
Der am xxxxx 1967 geborene Kläger war vom 1. Juni 1997 bis zum 30. Juni 2011 Senior Business Graphik- Designer bei der Firma R ... Sein Antrag auf Arbeitslosengeld ab dem 1. Juli 2011 wurde mit Bescheid vom 7. September 2011 abgelehnt, weil der Kläger eine Urlaubsabgeltung erhalten habe, so dass nach § 143 SGB III der Arbeitslosengeldanspruch bis zum 8. August 2011 ruhe. Da der Kläger am 4. Juli 2011 eine selbständige Tätigkeit von mindestens 15 Stunden wöchentlich aufgenommen habe, bestehe ab dem 4. Juli 2011 kein Anspruch auf Arbeitslosengeld. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Ein nachfolgendes Klageverfahren S 18 AL 562/11 endete durch Erledigungserklärung vom 19. April 2012.
In der Leistungsakte der Beklagten befindet sich ein Antrag auf Gründungszuschuss vom 14. Juli 2011 für die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit als Graphik-Designer-Gestalter-Berater mit einer Agentur in Hamburg am 4. Juli 2011. Die Tätigkeit war seit 4 Jahren als Nebenerwerb ausgeübt worden. Der Antrag war am 1. Juli 2011 vom Kläger unterschrieben worden. Die Stellungnahme der fachkundigen Stelle datierte vom 7. Juli 2011. Die vorgelegte Gewerbeanmeldung wies als Betriebsbeginn den 4. Juli 2011 aus und war auch für Frau W. als Betriebsinhaberin ausgestellt. Eine weitere Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vom 9. August 2011 wurde durch die Steuerkanzlei L. abgegeben.
In einem Gesprächsvermerk vom 14. Juli 2011 wurde festgehalten, dass der Kläger ab dem 4. Juli 2011 selbständig sei und dass er angebe, den Antrag auf Gründungszuschuss bereits gestellt zu haben.
Nachdem die Beratungsvermerke gesichtet wurden, erging am 14. September 2011 der Ablehnungsbescheid, in welchem die Beklagte ausführte, der Kläger habe den Antrag auf Gründungszuschuss nicht vor Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses gestellt. Die Rechtsgrundlage für die Entscheidung finde sich in den §§ 57, 324 SGB III.
Hiergegen legte der Kläger am 21. September 2011 Widerspruch ein und führte aus, er habe den Antrag auf Gründungszuschuss am 28. Juni 2011 bereits formlos gestellt gehabt, was Frau W., die ihn seinerzeit begleitet habe, bestätigen könne. Da ANGEBLICH NOCH Unterlagen gefehlt hätten, habe er das von ihm ausgefüllte Antragsformular, was trotz seiner Bitte nicht entgegen genommen worden sei, wieder mitnehmen müssen. Einen neuen Gesprächstermin habe der Kläger erst am 14. Juli 2011 erhalten. Frau W. habe einen gleichartigen Antrag gestellt und bereits am 1. Juli 2011 einen Gesprächstermin zur Klärung weiterer Punkte erhalten, hingegen der Kläger seinen Termin erst am 14. Juli 2011 erhalten habe. Da es sich praktisch um einen identischen Sachverhalt handele, sei die Ungleichbehandlung nicht gerechtfertigt. Frau W. habe einen Gründungszuschuss bewilligt bekommen. Die späte Terminvergabe zum 14. Juli 2011 habe der Kläger nicht zu vertreten. Der Kläger habe den Antrag vor dem 4. Juli 2011 gestellt; auf die formale Antragstellung mittels Vordruck komme es nicht an. Hilfeweise stütze sich der Kläger auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch. Er sei angesichts der Sachlage so zu stellen, als habe er am 28. Juni 2011 einen formal hinreichenden Antrag gestellt. Die Verweigerung der Antragsannahme sei nicht gerechtfertigt. Hilfsweise werde ein Schadensersatzanspruch in Höhe des Gründungszuschusses geltend gemacht.
In einem Beratungsvermerk vom 28. Juni 2011 wurde durch die Mitarbeiterin der Beklagten, Frau K., festgehalten, dass es eine persönliche Vorsprache des Klägers gegeben habe. Der Kläger habe ALG-Unterlagen abgeben wollen. Die Arbeitsbescheinigung und die Lohnsteuerkarte haben gefehlt. Wörtlich heißt es weiter: "Kd. gibt AP 3 ab, weiter an AV. Auf TAV hingewiesen". Ein schriftlicher Kontakt wurde am 7. Juni 2011 durch die Mitarbeiterin der Beklagten, Frau R., festgehalten. Unter anderem notierte sie: Kanzlei bittet um Klärung, ob GZ-Förderung beansprucht werden könne.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 2011 (ab 14. Oktober 2011) wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Sie führte im Wesentlichen aus, es ergebe sich aus dem Beratungsvermerk vom 28. Juni 2011 eindeutig, dass der Kläger keinen formlosen mündlichen Antrag auf Gründungszuschuss gestellt habe. Er habe lediglich einen unvollständigen Antrag auf Arbeitslosengeld abgegeben. Die Beklagte habe von der Tatsache, dass sich der Kläger bereits zum 4. Juli 2011 selbständig gemacht habe, erstmals am 14. Juli 2011 Kenntnis erlangt.
Mit seiner am 17. November 2011 erhobenen Klage vor dem Sozialgericht Hamburg trägt der Kläger im Wesentlichen vor, was er bereits im Widerspruchsverfahren vorgetragen hatte. Er weist darauf hin, dass es nicht am 28. Juni 2011 einen formlosen mündlichen Antrag auf Gründungszuschuss gegeben habe, sondern einen formlosen schriftlichen Antrag, und zwar vom 13. Juni 2011 und auch im Schreiben der Kanzlei L. und H. vom 17. Mai 2011 liege eine Antragstellung. Soweit die Beklagte darauf abstelle, dass der Selbständigkeit kein Leistungsbezug vorausgegangen sei, werde darauf hingewiesen, dass dem Kläger dem Grunde nach ein Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit vom 1. Juli 2011 bis zum 3. Juli 2011 zugestanden habe. Der Anspruch habe lediglich infolge der vom Arbeitgeber geleisteten Urlaubsabgeltung geruht. Es könne für den Leistungsbezug nicht darauf ankommen, ob tatsächlich Leistungen bezogen worden seien. Der Sachverhalt der in Bezug genommenen Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 23. Oktober 2014 sei ein anderer gewesen und in wesentlicher Hinsicht nicht mit der hier vorliegenden Fallkonstellation vergleichbar. Frau W. sei bei identischer Sachlage ein Gründungszuschuss bewilligt worden.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 14. September 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger mit Wirkung vom 4. Juli 2011 Gründungszuschuss nach den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden und trägt vor, dass das Schreiben vom 13. Juni 2011 erstmals im laufenden Klagverfahren vorgelegt worden sei. Im Original liege es nicht vor. Die Anfrage der Buchhaltungskanzlei L. vom 17. Mai 2011 könne als Antragstellung nicht gewertet werden. Es handele sich um einen Anfrage im Sinne einer Anliegenserklärung. Das Schreiben vom 13. Juni 2011 sie auch in der Leistungsakte zum Arbeitslosengeldantrag gesucht worden. Dort sei es nicht enthalten gewesen. Weder im Mai noch am 28. Juni 2011 sei die Absicht des Klägers, einen Antrag auf Gründungszuschuss stellen zu wollen, erkennbar gewesen. Selbst wenn man von einem rechtzeitig gestellten Antrag auf Gründungszuschuss ausgehe, sei damit noch nicht gesagt, dass alle sonstigen Voraussetzungen vom Kläger schlüssig nachgewiesen seien. Auch sei die zwischenzeitlich ergangene Rechtsprechung des LSG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 16.4.2014, L 9 AL 297/13 und Urteil vom 25.9.2014, L 9 AL 219/13) zu berücksichtigen, nach der ein Anspruch auf Gründungszuschuss voraussetze, dass ein Anspruch auf Entgeltersatzleistungen zumindest für einen Tag dem Grunde nach vor Aufnahme der selbständigen Tätigkeit entstanden sein müsse. Diese Rechtsprechung werde auch vom Bundessozialgericht vertreten (Beschluss vom 23. Oktober 2014, B 11 AL 52/14 B). Weil für den Kläger an keinem Tag vor Aufnahme der selbständigen Tätigkeit ein Auszahlungsanspruch auf Arbeitslosengeld bestanden habe, seien die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Gründungszuschuss nicht erfüllt. Die Entscheidung über die Ablehnung des Antrages auf Arbeitslosengeld sei bindend geworden.
Dem Gericht haben neben der Gerichtsakte auch die Verwaltungsakte der Beklagten vorgelegen. Die Verfahrensakte S 18 AL 562/11 hat das Gericht beigezogen. Sie waren Gegenstand der Beratung. Auf das Sitzungsprotokoll vom 22. Oktober 2013 der mündlichen Verhandlung wird Bezug genommen. Das Gericht hat die Beteiligten zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 SGG angehört.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Die Sache weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf und der Sachverhalt ist geklärt. Die Beteiligten sind vor der Entscheidung gehört worden (§ 105 Abs. 1 Satz 1 SGG).
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Die Klage ist zulässig; sie wurde form- und fristgemäß erhoben.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Bescheid vom 14. September 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 13. Oktober 2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung eines Gründungszuschusses für die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit ab dem 4. Juli 2011.
Die Rechtsgrundlage findet sich in § 57 SGB III in der vom 1. August 2009 bis zum 27. Dezember 2011 gültigen Fassung. Danach haben Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Anspruch auf Gründungszuschuss (Abs. 1). Der Gründungszuschuss wird geleistet, wenn der Arbeitnehmer bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit (Abs. 2 Satz 1 Nr. 1) unter anderem einen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III hat (Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a), bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch über einen Anspruch auf Arbeitslosengeld von mindestens 90 Tagen verfügt (Abs. 2 Satz 1 Nr. 2), der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist (Abs. 2 Satz 1 Nr. 3) und seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt (Abs. 2 Satz 1 Nr. 4).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Der Kläger hatte bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit am 4. Juli 2011 keinen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III. Für die Zeit vom 1. Juli 2011 bis zum 3. Juli 2011 stand ihm kein Anspruch auf Arbeitslosengeld zu. Dieses geht aus dem Ablehnungsbescheid vom 7. September 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. Oktober 2011 hervor. Danach ruhte der Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit der Urlaubsabgeltung nach § 143 SGB III bis zum 8. August 2011. Da der Kläger bereits am 4. Juli 2011 die selbständige Tätigkeit aufgenommen hatte, war ein Zahlungsanspruch nicht entstanden. Der Bescheid vom 7. Oktober 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. Oktober 2011 wurde bestandskräftig, da der Kläger das hiergegen gerichtete Klageverfahren S 18 AL 562/11 für erledigt erklärte.
Soweit der Kläger die Ansicht vertritt, dass er trotz der Ablehnung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld einen Anspruch auf Gründungszuschuss habe, weil der Leistungsanspruch in dem genannten Zeitraum vom 1.Juli 2011 bis zum 3. Juli 2011 lediglich infolge des § 143 SGB III zum Ruhen gekommen, aber dem Grunde nach bestanden habe, so vermag das Gericht diese Rechtsauffassung nicht zu teilen.
In seiner hier zu beachtenden Entscheidung vom 5. Mai 2010 (B 11 AL 11/09 R) hat das Bundessozialgericht bereits ausgeführt, dass ein "Anspruch" im Sinne des § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 a SGB III vorliege, wenn die materiellen Voraussetzungen eines konkreten Zahlungsanspruchs auf die jeweilige Entgeltersatzleistung gegeben sei und verweist hierzu auf die Kommentierung von Link in Eicher/Schlegel, SGB III, § 57 RdNr. 56, Stand März 2010. Im vorliegenden Fall liegt ein konkreter Zahlungsanspruch nicht vor, denn das gesetzlich gem. § 143 SGB III eingetretene Ruhen des Zahlungsanspruchs steht der Auszahlung von Leistungen entgegen. Zutreffend führt die Beklagte zudem den Beschluss des Bundessozialgerichts vom 23. Oktober 2014 (B 11 AL 52/14 B) an, in welchem die oben genannte Entscheidung bekräftigt wird und das Bundessozialgericht herausgestellt, dass ein Leistungsbezug nach dem SGB III bei Arbeitslosigkeit notwendige tatbestandliche Voraussetzung für das Bestehen eines Anspruchs auf Gründungszuschuss sei. Liege eine rechtkräftige Ablehnung eines solchen Anspruchs auf Arbeitslosengeld vor, binde dies die Beteiligten und führe dazu, dass auch eine andere Leistung – wie Gründungszuschuss – die den Leistungsbezug tatbestandlich voraussetzt, nicht erbracht werden könne.
Dieses Ergebnis deckt sich auch mit dem Sinn und Zweck der Gewährung eines Gründungszuschusses. Diese Leistung bezweckt, den Lebensunterhalt zu sichern und das infolge der Existenzgründung wegfallende Arbeitslosengeld zu kompensieren (BSG, Urteil vom 5.5.2010, b.b.).
Soweit der Kläger geltend macht, bei nahezu identischem Sachverhalt sei Frau W. ein Gründungszuschuss aber gewährt worden, lässt sich hieraus kein günstigeres Ergebnis für den Kläger ableiten. Durch die Bewilligung eines Gründungszuschuss an Frau W. hat sich die Beklagte nicht im Verhältnis zum Kläger gebunden. Ob bei dem Kläger und Frau W. genau identische Sachverhalte vorliegen, ist das Gericht zu prüfen gehindert, da Klagegegenstand hier einzig die Ablehnung des Gründungszuschusses für den Kläger ist. Es sind insbesondere keine Erkenntnisse darüber vorhanden, ob Frau W. Arbeitslosengeldanspruch ebenfalls geruht hat. Sollten allerdings die gleichen oder sehr ähnliche Umstände bei Frau W. zu berücksichtigen gewesen sein, würde dies jedenfalls nicht zu einem günstigeren Ergebnis für den Kläger führen, denn dann dürften die an Frau W. ergangene Bewilligung aufgrund des bereits vor Aufnahme der Selbständigkeit nicht entstandenen Zahlanspruchs auf Arbeitslosengeld nicht mit dem Wortlaut des § 57 SGB III in Einklang stehen. Eine Gleichbehandlung im Unrecht ist aus Art. 3 GG nicht abzuleiten.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Das Gericht erlaubt sich die Bemerkung, dass die den Rechtsstreit lange Zeit hindurch beherrschende Frage nach der rechtzeitigen Antragstellung als Sachentscheidungsvoraussetzung der Beklagten zur Entscheidung über den Gründungszuschuss den Blick für die Prüfung der übrigen Tatbestandsvoraussetzungen des § 57 SGB III verstellt hat.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Gründungszuschuss.
Der am xxxxx 1967 geborene Kläger war vom 1. Juni 1997 bis zum 30. Juni 2011 Senior Business Graphik- Designer bei der Firma R ... Sein Antrag auf Arbeitslosengeld ab dem 1. Juli 2011 wurde mit Bescheid vom 7. September 2011 abgelehnt, weil der Kläger eine Urlaubsabgeltung erhalten habe, so dass nach § 143 SGB III der Arbeitslosengeldanspruch bis zum 8. August 2011 ruhe. Da der Kläger am 4. Juli 2011 eine selbständige Tätigkeit von mindestens 15 Stunden wöchentlich aufgenommen habe, bestehe ab dem 4. Juli 2011 kein Anspruch auf Arbeitslosengeld. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Ein nachfolgendes Klageverfahren S 18 AL 562/11 endete durch Erledigungserklärung vom 19. April 2012.
In der Leistungsakte der Beklagten befindet sich ein Antrag auf Gründungszuschuss vom 14. Juli 2011 für die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit als Graphik-Designer-Gestalter-Berater mit einer Agentur in Hamburg am 4. Juli 2011. Die Tätigkeit war seit 4 Jahren als Nebenerwerb ausgeübt worden. Der Antrag war am 1. Juli 2011 vom Kläger unterschrieben worden. Die Stellungnahme der fachkundigen Stelle datierte vom 7. Juli 2011. Die vorgelegte Gewerbeanmeldung wies als Betriebsbeginn den 4. Juli 2011 aus und war auch für Frau W. als Betriebsinhaberin ausgestellt. Eine weitere Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vom 9. August 2011 wurde durch die Steuerkanzlei L. abgegeben.
In einem Gesprächsvermerk vom 14. Juli 2011 wurde festgehalten, dass der Kläger ab dem 4. Juli 2011 selbständig sei und dass er angebe, den Antrag auf Gründungszuschuss bereits gestellt zu haben.
Nachdem die Beratungsvermerke gesichtet wurden, erging am 14. September 2011 der Ablehnungsbescheid, in welchem die Beklagte ausführte, der Kläger habe den Antrag auf Gründungszuschuss nicht vor Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses gestellt. Die Rechtsgrundlage für die Entscheidung finde sich in den §§ 57, 324 SGB III.
Hiergegen legte der Kläger am 21. September 2011 Widerspruch ein und führte aus, er habe den Antrag auf Gründungszuschuss am 28. Juni 2011 bereits formlos gestellt gehabt, was Frau W., die ihn seinerzeit begleitet habe, bestätigen könne. Da ANGEBLICH NOCH Unterlagen gefehlt hätten, habe er das von ihm ausgefüllte Antragsformular, was trotz seiner Bitte nicht entgegen genommen worden sei, wieder mitnehmen müssen. Einen neuen Gesprächstermin habe der Kläger erst am 14. Juli 2011 erhalten. Frau W. habe einen gleichartigen Antrag gestellt und bereits am 1. Juli 2011 einen Gesprächstermin zur Klärung weiterer Punkte erhalten, hingegen der Kläger seinen Termin erst am 14. Juli 2011 erhalten habe. Da es sich praktisch um einen identischen Sachverhalt handele, sei die Ungleichbehandlung nicht gerechtfertigt. Frau W. habe einen Gründungszuschuss bewilligt bekommen. Die späte Terminvergabe zum 14. Juli 2011 habe der Kläger nicht zu vertreten. Der Kläger habe den Antrag vor dem 4. Juli 2011 gestellt; auf die formale Antragstellung mittels Vordruck komme es nicht an. Hilfeweise stütze sich der Kläger auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch. Er sei angesichts der Sachlage so zu stellen, als habe er am 28. Juni 2011 einen formal hinreichenden Antrag gestellt. Die Verweigerung der Antragsannahme sei nicht gerechtfertigt. Hilfsweise werde ein Schadensersatzanspruch in Höhe des Gründungszuschusses geltend gemacht.
In einem Beratungsvermerk vom 28. Juni 2011 wurde durch die Mitarbeiterin der Beklagten, Frau K., festgehalten, dass es eine persönliche Vorsprache des Klägers gegeben habe. Der Kläger habe ALG-Unterlagen abgeben wollen. Die Arbeitsbescheinigung und die Lohnsteuerkarte haben gefehlt. Wörtlich heißt es weiter: "Kd. gibt AP 3 ab, weiter an AV. Auf TAV hingewiesen". Ein schriftlicher Kontakt wurde am 7. Juni 2011 durch die Mitarbeiterin der Beklagten, Frau R., festgehalten. Unter anderem notierte sie: Kanzlei bittet um Klärung, ob GZ-Förderung beansprucht werden könne.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 2011 (ab 14. Oktober 2011) wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Sie führte im Wesentlichen aus, es ergebe sich aus dem Beratungsvermerk vom 28. Juni 2011 eindeutig, dass der Kläger keinen formlosen mündlichen Antrag auf Gründungszuschuss gestellt habe. Er habe lediglich einen unvollständigen Antrag auf Arbeitslosengeld abgegeben. Die Beklagte habe von der Tatsache, dass sich der Kläger bereits zum 4. Juli 2011 selbständig gemacht habe, erstmals am 14. Juli 2011 Kenntnis erlangt.
Mit seiner am 17. November 2011 erhobenen Klage vor dem Sozialgericht Hamburg trägt der Kläger im Wesentlichen vor, was er bereits im Widerspruchsverfahren vorgetragen hatte. Er weist darauf hin, dass es nicht am 28. Juni 2011 einen formlosen mündlichen Antrag auf Gründungszuschuss gegeben habe, sondern einen formlosen schriftlichen Antrag, und zwar vom 13. Juni 2011 und auch im Schreiben der Kanzlei L. und H. vom 17. Mai 2011 liege eine Antragstellung. Soweit die Beklagte darauf abstelle, dass der Selbständigkeit kein Leistungsbezug vorausgegangen sei, werde darauf hingewiesen, dass dem Kläger dem Grunde nach ein Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit vom 1. Juli 2011 bis zum 3. Juli 2011 zugestanden habe. Der Anspruch habe lediglich infolge der vom Arbeitgeber geleisteten Urlaubsabgeltung geruht. Es könne für den Leistungsbezug nicht darauf ankommen, ob tatsächlich Leistungen bezogen worden seien. Der Sachverhalt der in Bezug genommenen Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 23. Oktober 2014 sei ein anderer gewesen und in wesentlicher Hinsicht nicht mit der hier vorliegenden Fallkonstellation vergleichbar. Frau W. sei bei identischer Sachlage ein Gründungszuschuss bewilligt worden.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 14. September 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger mit Wirkung vom 4. Juli 2011 Gründungszuschuss nach den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden und trägt vor, dass das Schreiben vom 13. Juni 2011 erstmals im laufenden Klagverfahren vorgelegt worden sei. Im Original liege es nicht vor. Die Anfrage der Buchhaltungskanzlei L. vom 17. Mai 2011 könne als Antragstellung nicht gewertet werden. Es handele sich um einen Anfrage im Sinne einer Anliegenserklärung. Das Schreiben vom 13. Juni 2011 sie auch in der Leistungsakte zum Arbeitslosengeldantrag gesucht worden. Dort sei es nicht enthalten gewesen. Weder im Mai noch am 28. Juni 2011 sei die Absicht des Klägers, einen Antrag auf Gründungszuschuss stellen zu wollen, erkennbar gewesen. Selbst wenn man von einem rechtzeitig gestellten Antrag auf Gründungszuschuss ausgehe, sei damit noch nicht gesagt, dass alle sonstigen Voraussetzungen vom Kläger schlüssig nachgewiesen seien. Auch sei die zwischenzeitlich ergangene Rechtsprechung des LSG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 16.4.2014, L 9 AL 297/13 und Urteil vom 25.9.2014, L 9 AL 219/13) zu berücksichtigen, nach der ein Anspruch auf Gründungszuschuss voraussetze, dass ein Anspruch auf Entgeltersatzleistungen zumindest für einen Tag dem Grunde nach vor Aufnahme der selbständigen Tätigkeit entstanden sein müsse. Diese Rechtsprechung werde auch vom Bundessozialgericht vertreten (Beschluss vom 23. Oktober 2014, B 11 AL 52/14 B). Weil für den Kläger an keinem Tag vor Aufnahme der selbständigen Tätigkeit ein Auszahlungsanspruch auf Arbeitslosengeld bestanden habe, seien die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Gründungszuschuss nicht erfüllt. Die Entscheidung über die Ablehnung des Antrages auf Arbeitslosengeld sei bindend geworden.
Dem Gericht haben neben der Gerichtsakte auch die Verwaltungsakte der Beklagten vorgelegen. Die Verfahrensakte S 18 AL 562/11 hat das Gericht beigezogen. Sie waren Gegenstand der Beratung. Auf das Sitzungsprotokoll vom 22. Oktober 2013 der mündlichen Verhandlung wird Bezug genommen. Das Gericht hat die Beteiligten zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 SGG angehört.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Die Sache weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf und der Sachverhalt ist geklärt. Die Beteiligten sind vor der Entscheidung gehört worden (§ 105 Abs. 1 Satz 1 SGG).
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Die Klage ist zulässig; sie wurde form- und fristgemäß erhoben.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Bescheid vom 14. September 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 13. Oktober 2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung eines Gründungszuschusses für die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit ab dem 4. Juli 2011.
Die Rechtsgrundlage findet sich in § 57 SGB III in der vom 1. August 2009 bis zum 27. Dezember 2011 gültigen Fassung. Danach haben Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Anspruch auf Gründungszuschuss (Abs. 1). Der Gründungszuschuss wird geleistet, wenn der Arbeitnehmer bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit (Abs. 2 Satz 1 Nr. 1) unter anderem einen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III hat (Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a), bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch über einen Anspruch auf Arbeitslosengeld von mindestens 90 Tagen verfügt (Abs. 2 Satz 1 Nr. 2), der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist (Abs. 2 Satz 1 Nr. 3) und seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt (Abs. 2 Satz 1 Nr. 4).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Der Kläger hatte bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit am 4. Juli 2011 keinen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III. Für die Zeit vom 1. Juli 2011 bis zum 3. Juli 2011 stand ihm kein Anspruch auf Arbeitslosengeld zu. Dieses geht aus dem Ablehnungsbescheid vom 7. September 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. Oktober 2011 hervor. Danach ruhte der Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit der Urlaubsabgeltung nach § 143 SGB III bis zum 8. August 2011. Da der Kläger bereits am 4. Juli 2011 die selbständige Tätigkeit aufgenommen hatte, war ein Zahlungsanspruch nicht entstanden. Der Bescheid vom 7. Oktober 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. Oktober 2011 wurde bestandskräftig, da der Kläger das hiergegen gerichtete Klageverfahren S 18 AL 562/11 für erledigt erklärte.
Soweit der Kläger die Ansicht vertritt, dass er trotz der Ablehnung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld einen Anspruch auf Gründungszuschuss habe, weil der Leistungsanspruch in dem genannten Zeitraum vom 1.Juli 2011 bis zum 3. Juli 2011 lediglich infolge des § 143 SGB III zum Ruhen gekommen, aber dem Grunde nach bestanden habe, so vermag das Gericht diese Rechtsauffassung nicht zu teilen.
In seiner hier zu beachtenden Entscheidung vom 5. Mai 2010 (B 11 AL 11/09 R) hat das Bundessozialgericht bereits ausgeführt, dass ein "Anspruch" im Sinne des § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 a SGB III vorliege, wenn die materiellen Voraussetzungen eines konkreten Zahlungsanspruchs auf die jeweilige Entgeltersatzleistung gegeben sei und verweist hierzu auf die Kommentierung von Link in Eicher/Schlegel, SGB III, § 57 RdNr. 56, Stand März 2010. Im vorliegenden Fall liegt ein konkreter Zahlungsanspruch nicht vor, denn das gesetzlich gem. § 143 SGB III eingetretene Ruhen des Zahlungsanspruchs steht der Auszahlung von Leistungen entgegen. Zutreffend führt die Beklagte zudem den Beschluss des Bundessozialgerichts vom 23. Oktober 2014 (B 11 AL 52/14 B) an, in welchem die oben genannte Entscheidung bekräftigt wird und das Bundessozialgericht herausgestellt, dass ein Leistungsbezug nach dem SGB III bei Arbeitslosigkeit notwendige tatbestandliche Voraussetzung für das Bestehen eines Anspruchs auf Gründungszuschuss sei. Liege eine rechtkräftige Ablehnung eines solchen Anspruchs auf Arbeitslosengeld vor, binde dies die Beteiligten und führe dazu, dass auch eine andere Leistung – wie Gründungszuschuss – die den Leistungsbezug tatbestandlich voraussetzt, nicht erbracht werden könne.
Dieses Ergebnis deckt sich auch mit dem Sinn und Zweck der Gewährung eines Gründungszuschusses. Diese Leistung bezweckt, den Lebensunterhalt zu sichern und das infolge der Existenzgründung wegfallende Arbeitslosengeld zu kompensieren (BSG, Urteil vom 5.5.2010, b.b.).
Soweit der Kläger geltend macht, bei nahezu identischem Sachverhalt sei Frau W. ein Gründungszuschuss aber gewährt worden, lässt sich hieraus kein günstigeres Ergebnis für den Kläger ableiten. Durch die Bewilligung eines Gründungszuschuss an Frau W. hat sich die Beklagte nicht im Verhältnis zum Kläger gebunden. Ob bei dem Kläger und Frau W. genau identische Sachverhalte vorliegen, ist das Gericht zu prüfen gehindert, da Klagegegenstand hier einzig die Ablehnung des Gründungszuschusses für den Kläger ist. Es sind insbesondere keine Erkenntnisse darüber vorhanden, ob Frau W. Arbeitslosengeldanspruch ebenfalls geruht hat. Sollten allerdings die gleichen oder sehr ähnliche Umstände bei Frau W. zu berücksichtigen gewesen sein, würde dies jedenfalls nicht zu einem günstigeren Ergebnis für den Kläger führen, denn dann dürften die an Frau W. ergangene Bewilligung aufgrund des bereits vor Aufnahme der Selbständigkeit nicht entstandenen Zahlanspruchs auf Arbeitslosengeld nicht mit dem Wortlaut des § 57 SGB III in Einklang stehen. Eine Gleichbehandlung im Unrecht ist aus Art. 3 GG nicht abzuleiten.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Das Gericht erlaubt sich die Bemerkung, dass die den Rechtsstreit lange Zeit hindurch beherrschende Frage nach der rechtzeitigen Antragstellung als Sachentscheidungsvoraussetzung der Beklagten zur Entscheidung über den Gründungszuschuss den Blick für die Prüfung der übrigen Tatbestandsvoraussetzungen des § 57 SGB III verstellt hat.
Rechtskraft
Aus
Login
HAM
Saved