S 32 AS 4477/16 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Dortmund (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
32
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 32 AS 4477/16 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 18/17 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Dem Antragsteller wird für diesen Rechtszug für die Zeit ab dem 21.10.2016 ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt N T aus E beigeordnet.

Gründe:

Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes um die Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach §§ 19 ff. Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) – Grundsicherung für Arbeitssuchende – (nachfolgend: SGB II) dem Grunde nach.

Streitig ist, ob der Antragsteller, der die bulgarische Staatsangehörigkeit besitzt, in den Anwendungsbereich des Leistungsausschlusses gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II fällt, und ob ihm bejahendenfalls stattdessen Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) – Sozialhilfe – (nachfolgend: SGB XII) zustehen.

Sowohl der am 20.09.2016 bei Gericht anhängig gemachte (nachfolgend teilweise sinngemäß, teilweise wörtlich wiedergegebene) Antrag,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller vorläufig für die Zeit ab Rechtshängigkeit des Eilantrages (20.09.2016) bis zu einer bestandskräftigen bzw. rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache "Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe, zumindest vorläufig, zu gewähren",

den die Kammer hinsichtlich der Formulierung "zumindest vorläufig" als hilfsweise auf die vorläufige Gewährung vorläufiger Leistungen nach § 43 Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) – Allgemeiner Teil – (nachfolgend: SGB I) bezogen auslegt, als auch der (sinngemäß) konkludent gestellte Hilfsantrag,

hilfsweise die Beigeladene im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller vorläufig für die Zeit ab Rechtshängigkeit des Eilantrages (20.09.2016) bis zu einer bestandskräftigen bzw. rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII in gesetzlicher Höhe,

haben keinen Erfolg.

Haupt- und Hilfsantrag sind jeweils als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (Regelungsanordnung) gem. § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig, jedoch unbegründet. Folglich war der Eilantrag insgesamt abzulehnen.

1. Zum Hauptantrag (Verpflichtung des Antragsgegners durch Regelungsanordnung gem. § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zur vorläufigen Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach den §§ 19 ff. SGB II dem Grunde nach, hilfsweise zur vorläufigen Gewährung von vorläufigen Leistungen nach § 43 SGB I dem Grunde nach):

Der zulässige Hauptantrag ist unbegründet.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt somit voraus, dass ein materieller Anspruch besteht, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird (sog. Anordnungsanspruch) und dass der Erlass einer gerichtlichen Entscheidung besonders eilbedürftig ist (sog. Anordnungsgrund).

Eilbedürftigkeit besteht, wenn dem Betroffenen ohne die Eilentscheidung eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten droht, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05NVwZ 2005, 927 = juris (Rn. 23); BVerfG, Beschluss vom 16.05.1995 – 1 BvR 1087/91BVerfGE 93, 1 = juris (Rn. 28)). Der gemäß Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) von den Gerichten zu gewährende effektive Rechtsschutz bedeutet auch Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit. Daraus folgt, dass gerichtlicher Rechtsschutz namentlich in Eilverfahren so weit wie möglich der Schaffung solcher vollendeter Tatsachen zuvorzukommen hat, die dann, wenn sich eine Maßnahme bei (endgültiger) richterlicher Prüfung als rechtswidrig erweist, nicht mehr rückgängig gemacht werden können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.05.1995 a. a. O.).

Der geltend gemachte (Anordnungs-)Anspruch und die Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO)). Für die Glaubhaftmachung genügt es, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund überwiegend wahrscheinlich sind (vgl. BSG, Beschluss vom 08.08.2001 – B 9 V 23/01 B – juris (Rn. 5) m. w. N.), wenn also mehr für als gegen die Richtigkeit der Angaben spricht (vgl. auch LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 13.03.2013 – L 5 AS 107/13 B ER – juris (Rn. 32) m. w. N.).

Ob ein Anordnungsanspruch vorliegt, ist in der Regel durch summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu ermitteln. Können ohne die Gewährung von Eilrechtsschutz jedoch schwere und unzumutbare Nachteile entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, ist eine abschließende Prüfung erforderlich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 a. a. O. (Rn. 25)). Liegt ein Anordnungsanspruch nicht vor, ist ein schützenswertes Recht zu verneinen und der Eilantrag abzulehnen. Hat die Hauptsache hingegen offensichtlich Aussicht auf Erfolg, ist dem Eilantrag stattzugeben, wenn die Angelegenheit eine gewisse Eilbedürftigkeit aufweist. Bei offenem Ausgang muss das Gericht anhand einer Folgenabwägung entscheiden, die die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend einstellt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 a. a. O. (Rn. 26); Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 86b Rn. 29, 29a).

Der Antragsteller hat nach diesem Maßstab vorliegend keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Es kann dahinstehen, ob er die Anspruchsvoraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1-4 SGB II erfüllt, denn er ist jedenfalls nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II vom Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen.

Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II werden Ausländerinnen und Ausländer einschließlich ihrer Familienangehörigen aus dem Kreis der Leistungsberechtigten ausgenommen, wenn sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt.

Das Aufenthaltsrecht aus dem Grund der Arbeitssuche ist heute in § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU in der seit dem 09.12.2014 geltenden Fassung des "Gesetzes zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes/EU und weiterer Vorschriften" vom 02.12.2014 (BGBl I, 1922) geregelt; "unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt sind" danach "Unionsbürger, die sich zur Arbeitsuche aufhalten, für bis zu sechs Monate und darüber hinaus nur, solange sie nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden" (zuvor war es in § 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 FreizügG/EU a. F. geregelt: "Unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt" waren danach "Unionsbürger, die sich ( ) zur Arbeitssuche ( ) aufhalten wollen").

Die Anwendbarkeit der Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II erfordert eine ("fiktive") Prüfung des Grundes bzw. der Gründe für eine im streitigen Leistungszeitraum (weiterhin) bestehende Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU, welches die Aufenthaltsrechte von Unionsbürgern nach dem AEUV i. V. m. der Unionsbürgerrichtlinie vom 29.04.2004 (RL 2004/38/EG) in nationales Recht umsetzt, bzw. eines Aufenthaltsrechts nach den gem. § 11 Abs. 1 Satz 11 FreizügG/EU ("Das Aufenthaltsgesetz findet auch dann Anwendung, wenn es eine günstigere Rechtsstellung vermittelt als dieses Gesetz.") – im Wege eines Günstigkeitsvergleichs – anwendbaren Regelungen des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG). Bereits das Vorliegen der Voraussetzungen für ein anderes materiell bestehendes Aufenthaltsrecht als ein solches aus dem Zweck der Arbeitsuche hindert sozialrechtlich die positive Feststellung eines Aufenthaltsrechts "allein aus dem Zweck der Arbeitsuche" i. S. v. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II bzw. lässt den Leistungsausschluss "von vornherein" entfallen (vgl. BSG, Urteil vom 03.12.2015 – B 4 AS 43/15 R – juris (Rn. 27) m. w. N.; vgl. ferner BSG, Vorlage-Beschluss an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R – juris (Rn. 15); BSG, Urteil vom 30.01.2013 – B 4 AS 54/12 R – juris (Rn. 22 ff.) ; LSG NRW, Beschluss vom 09.09.2015 – L 19 AS 1260/15 B ER – juris (Rn. 21); LSG NRW, Beschluss vom 06.07.2015 – L 19 AS 931/15 B ER – juris (Rn. 21); LSG NRW, Urteil vom 01.06.2015 – L 19 AS 1923/14 – juris (Rn. 39) m. w. N.).

Soweit Aufenthaltsrechte nach § 11 Abs. 1 Satz 11 FreizügG/EU i. V. m. den Vorschriften des AufenthG zu prüfen sind, ist nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 30.01.2013, a. a. O.; siehe auch VG Gießen, Urteil vom 16.04.2013 – 7 K 4111/11.GI – juris mit Wiedergabe des Meinungsstandes zur Bedeutung von § 11 Abs. 1 Satz 11 FreizügG/EU im Verhältnis zu den Aufenthaltsrechten nach dem FreizügG/EU) unerheblich, ob dem Unionsbürger ein Aufenthaltstitel nach dem AufenthG erteilt worden ist. Entscheidend ist, ob ein solcher Titel zu erteilen wäre (vgl. LSG NRW, Urteil vom 01.06.2015 – L 19 AS 1923/14 – juris (Rn. 39)). Es kommt insoweit auf das Vorliegen der – unionsrechtlich nicht modifizierten – Erteilungsvoraussetzungen an (vgl. VG Gießen a. a. O.; Dienelt in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Auflage 2016, § 11 FreizügG/EU Rn. 36). Zudem tendiert die Kammer dazu, dass im Rahmen des "Günstigkeitsvergleichs" kein abstrakter Vergleich vorzunehmen ist (wonach ein Status als Unionsbürger oder Familienangehöriger eines Unionsbürgers wohl grundsätzlich bzw. typischerweise / überwiegend günstiger wäre), sondern ein konkreter Vergleich im Hinblick auf die konkret in Rede stehenden sozialleistungsrechtlichen Auswirkungen (vgl. zu dieser Problematik u. a. VG Gießen a. a. O. (Rn. 17) m. w. N.).

Ein anderes Aufenthaltsrecht i. S. d. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II kann sich zudem nicht nur aus § 2 FreizügG/EU oder aus § 11 Abs. 1 Satz 11 FreizügG/EU i. V. m. Vorschriften des AufenthG ergeben sondern auch in einem – eigenständigen oder abgeleiteten – Aufenthaltsrecht nach Art. 10 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (VO (EU) 492/2011; vormals: Art 12 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (VO 1612/68)) bestehen (vgl. BSG, Urteil vom 03.12.2015 – B 4 AS 43/15 R – juris (Rn. 27, 29-35); LSG NRW, Beschluss vom 16.03.2015 – L 19 AS 275/15 B ER – juris m. w. N.; vgl. hierzu auch ausführlich den Beschluss der erkennenden Kammer vom 20.07.2016 – S 32 AS 3037/16 ER – juris).

Über den wörtlich geregelten Fall hinaus umfasst der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II "erst recht" diejenigen Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten der EU, die keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzen (EU-Ausländer) und überhaupt nicht über eine materielle Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU oder ein Aufenthaltsrecht nach dem AufenthG verfügen, also nicht einmal über eine materielle Freizügigkeitsberechtigung aus dem Zweck der Arbeitssuche nach § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU (vgl. BSG, Urteil vom 20.01.2016 – B 14 AS 35/15 R – juris (Rn. 24) m. w. N.; BSG, Urteil vom 03.12.2015 – B 4 AS 44/15 R – juris (Rn. 19 ff.) m. w. N.). Die Kammer hat ihre bisherige insoweit abweichende Auffassung, nach der ein solcher "Erst-Recht-Schluss" nicht zulässig sei (vgl. hierzu u. a. das Urteil der Kammer vom 14.04.2014 – S 32 AS 4882/12 – juris), aufgegeben, da sie die Ausführungen des BSG zu dieser Frage im Urteil vom 03.12.2015 – B 4 AS 44/15 R – juris (Rn. 19 ff.) für überzeugend hält (vgl. den Beschluss der erkennenden Kammer vom 18.04.2016 – S 32 AS 380/16 ER – juris (Rn. 41 f.)).

Nach diesem Maßstab ist vorliegend für den streitigen Zeitraum ab Rechtshängigkeit des Eilantrags nur ein Aufenthaltsrecht allein (oder nicht einmal) aus dem Zweck der Arbeitssuche i. S. d. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II i. V. m. § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU n. F. positiv festzustellen, weil sich kein anderes materielles Aufenthaltsrecht feststellen lässt. Der Antragsteller fällt damit vom Wortlaut her (oder "erst recht") in den Anwendungsbereich des Leistungsausschlusses.

Der Antragsteller verfügt – entgegen den offenbar vollkommen "ins Blaue hinein" erfolgten Andeutungen des Bevollmächtigten in der Antragsschrift vom 19.09.2016 darüber, dass "wohl, soweit ersichtlich, eine hinreichend umfangreiche Erwerbstätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt worden" sei – nicht über einen Arbeitnehmerstatus nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 FreizügG/EU, auch nicht "fortwirkend" nach § 2 Abs. 3 FreizügG/EU.

Auch die anderen in § 2 Abs. 2 FreizügG/EU geregelten Aufenthaltsrechtsvarianten liegen nicht vor.

Ein Aufenthalt zur Berufsausbildung (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 FreizügG/EU n. F. bzw. § 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 3 FreizügG/EU a. F.) ist nicht gegeben. Auch der Aufenthaltsgrund der selbständigen Erwerbstätigkeit nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU (ggf. i. V. m. § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, 2 oder 3 FreizügG/EU) liegt nicht vor. Ferner ist der Antragsteller weder Erbringer (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 FreizügG/EU) noch Empfänger von Dienstleistungen (§ 2 Abs. 2 Nr. 4 FreizügG/EU).

Auch über ein Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 5 i. V. m. § 4 FreizügG/EU als nicht erwerbstätiger Unionsbürger verfügt er nicht. Hierfür fehlt es jedenfalls an ausreichenden Existenzmitteln. Der Antragsteller verfügt – wie das vorliegende Eilverfahren belegt – nicht über Existenzmittel, die sicherstellen würden, dass er die "Sozialhilfe" des Aufnahmemitgliedstaats Deutschland nicht in Anspruch nehmen muss (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 16.07.2015 – 1 C 22/14 – juris (Rn. 21)). Da hier nicht die Voraussetzungen einer Verlustfeststellung gem. § 5 Abs. 4 FreizügG/EU oder § 6 FreizügG/EU in Bezug auf die Freizügigkeitsberechtigung zu prüfen sind, sondern die Voraussetzungen von § 4 FreizügG/EU als einem möglichen anderen materiellen Aufenthaltsrecht als dem zur Arbeitssuche mit der Folge eines Leistungsanspruchs nach dem SGB II, kommt es nach Auffassung der Kammer hier nicht darauf an, ob eine "unangemessene" Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen vorliegt oder ob eine Feststellung des Verlusts des Freizügigkeitsrechts hier rechtmäßig gewesen wäre, insbesondere dem Erfordernis der Verhältnismäßigkeit genügt hätte (vgl. hierzu – im Kontext einer Verlustfeststellung gem. § 5 Abs. 4 FreizügG/EU – BVerwG, Urteil vom 16.07.2015 – 1 C 22/14 – juris (Rn. 21)). Dass der Antragsteller nicht über ausreichende Existenzmittel im hier relevanten Sinn verfügt, zeigt sich vielmehr bereits daran, dass er – jedenfalls nach seinem hier als zutreffend unterstellten Vortrag – über keinerlei Einkommen verfügt und hilfebedürftig i. S. d. § 7 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 9 SGB II ist (vgl. BSG, Urteil vom 03.12.2015 – B 4 AS 44/15 R – juris (Rn. 31); vgl. ferner Thym, NJW 2015, 130 (132)).

Auch aus § 2 Abs. 2 Nr. 6 i. V. m. § 3 FreizügG/EU (Familiennachzug) ergibt sich kein (abgeleitetes) Aufenthaltsrecht.

Die mit dem Antragsteller in einer Bedarfsgemeinschaft lebende Frau E1 W O, die offenbar über einen Arbeitnehmerstatus nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU verfügt, ist zwar die Mutter des Antragstellers aber dennoch nicht seine Familienangehörige i. S. d. § 3 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU, da der am XX.XX.XXXX geborene Antragsteller über 21 Jahre alt ist.

Für eine Unterhaltsgewährung i. S. d. § 3 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU ist ebenfalls kein Anhaltspunkt vorgetragen worden oder sonst erkennbar, abgesehen davon, dass eine solche ohnehin nur (oder zumindest weitestgehend) aus steuerfinanzierten Sozialleistungen erfolgen könnte, was nicht dem Sinn und Zweck von § 3 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU entspräche.

Ferner liegt schon angesichts des Einreisezeitpunkts (am 09.11.2015 erfolgte die Anmeldung beim Einwohnermeldeamt mit der Angabe eines Zuzugs am 23.10.2015, vgl. Bl. 20 der Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners (VV)) im streitigen Zeitraum auch noch kein Daueraufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 7 i. V. m. § 4a FreizügG/EU vor, unabhängig von der Frage, ob der Aufenthalt durchgehend "rechtmäßig" i. S. v. § 4a Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU war (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 16.07.2015 – 1 C 22/14 – juris (Rn. 16 ff.); BVerwG, Urteil vom 31.05.2012 – 10 C 8/12 – juris (Rn. 16); EuGH, Urteil vom 21.12.2011 – C 424/10 u. a. "Ziolkowski u. a." – juris).

Ein Aufenthaltsrecht ergibt sich auch nicht aus § 11 Abs. 1 Satz 11 FreizügG/EU i. V. m. §§ 27, 28 AufenthG (Familiennachzug zu Deutschen) oder aus § 11 Abs. 1 Satz 11 FreizügG/EU i. V. m. § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG i. V. m. Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) (vgl. zu derartigen Fällen LSG NRW, Beschluss vom 25.02.2013 – L 12 AS 1858/12 B ER, L 12 AS 1859/12 B – juris; BSG, Urteil vom 30.01.2013 – B 4 AS 54/12 R – juris (Rn. 31 ff.)).

Schließlich ergeben sich auch aus Art. 10 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union keine originären oder abgeleiteten Aufenthaltsrechte für den Antragsteller.

Die Kammer kann daher kein anderes Aufenthaltsrecht positiv feststellen und der Antragsteller fällt somit entweder vom Wortlaut her oder "erst recht" in den Anwendungsbereich des Leistungsausschlusses.

Das Gleichbehandlungsgebot nach Art. 1 des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA) steht dem nicht entgegen. Denn das EFA ist schon nach seinem persönlichen Anwendungsbereich nicht einschlägig, weil der Antragsteller bulgarischer Staatsangehöriger und Bulgarien nicht Signatarstaat dieses Abkommens ist (vgl. BSG, Urteil vom 20.01.2016 – B 14 AS 35/15 R – juris (Rn. 30); vgl. ferner BSG, Urteil vom 03.12.2015 – B 4 AS 43/15 R – juris (Rn. 15 ff.), auch zu dem von der Bundesregierung erklärten Vorbehalt).

Auch steht vorrangiges Recht der Europäischen Union (EU) dem nicht entgegen. Ein Leistungsausschluss wie der gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II verstößt nach der für die Kammer als nationales Gericht bindenden Auslegung des Europarechts durch den EuGH (a. A. offenbar SG Mainz, Beschluss vom 12.11.2015 – S 12 AS 946/15 ER – juris (Rn. 41 ff.)) nicht gegen EU-Recht (vgl. EuGH, Urteil vom 15.09.2015 – C-67/14 "Alimanovic" – juris; EuGH, Urteil vom 11.11.2014 – C-333/13 "Dano" – juris; vgl. ferner zu § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II EuGH, Urteil vom 25.02.2016 – C-299/14 "Garcia-Nieto" – juris). Die Kammer hat ihre frühere hiervon abweichende Rechtsauffassung, dass der Leistungsausschluss gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 4 VO (EG) 883/2004 verstößt und nicht von der Ermächtigung in Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG gedeckt ist (vgl. hierzu z. B. das Urteil der Kammer vom 14.04.2014 – S 32 AS 4882/12 – juris), bereits im Beschluss vom 18.04.2016 – S 32 AS 380/16 ER – ausdrücklich aufgegeben.

Dem Antragsteller steht damit kein Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II dem Grunde nach zu.

Nachdem das BSG und der EuGH über die streitigen Fragen entschieden haben und ein "passendes" Verfahren bei dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) derzeit nicht anhängig ist, kann auch nicht ein mit dem streitigen Anspruch auf endgültige Leistungen nach dem SGB II im Wesentlichen inhaltsgleicher, im Falle einer Ermessensreduzierung "auf Null" möglicher Anspruch auf vorläufige Leistungen aus § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II (in der bis zum 31.07.2016 gültigen Fassung vom 21.07.2014) i. V. m. § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder 2 SGB III oder der Nachfolgeregelung, § 41a Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 oder 2 SGB II in der seit dem 01.08.2016 geltenden Fassung vom 26.07.2016, als Grundlage für eine Verpflichtung des Antragsgegners herangezogen werden.

Der Vorlagebeschluss des SG Mainz vom 18.04.2016 – S 3 AS 149/16 – juris hat zwar dazu geführt, dass derzeit ein Verfahren in Bezug auf die Verfassungsmäßigkeit von § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II bei dem BVerfG anhängig ist, wie es § 41a Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 SGB II n. F. / § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III voraussetzen. Jedoch kann sich der Kläger in dem dortigen Fall nicht auf eine materielle oder wenigstens formelle Freizügigkeitsberechtigung als EU-Bürger nach § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU berufen bzw. er fällt von vornherein nicht unter den durch § 1 FreizügG/EU definierten Anwendungsbereich des FreizügG/EU, da er weder Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedsstaates der Europäischen Union (Unionsbürger) noch ein Familienangehöriger eines/r solchen ist. Vielmehr ist er Angehöriger eines Drittstaats und Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 16 Abs. 4 AufenthG. Dabei handelt es sich zwar wohl wie bei § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU um ein "Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche" i. S. v. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II. Jedoch ist die aufenthaltsrechtliche Situation insofern eine grundlegend andere, so dass sich jedenfalls zum Teil andere verfassungsrechtliche Fragen stellen (vgl. in diesem Zusammenhang auch – insbesondere zu den Unterschieden zwischen der "privatisierten" Unionsbürgerfreizügigkeit und der klassischen aufenthaltsrechtlichen Zugangssteuerung – Thym, "Sozialhilfe für erwerbsfähige Unionsbürger - Das Bundessozialgericht auf Umwegen", NZS 2016, 441 ff.). Es ist aus Sicht der Kammer nicht zu erwarten, dass die Entscheidung des BVerfG in dem o. g. konkreten Normenkontrollverfahren nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Anwendung des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II auf Unionsbürger bei gleichzeitigem Fehlen eines anderweitigen Anspruchs auf existenzsichernde Sozialleistungen klären wird (vgl. hierzu bereits den Beschluss der Kammer vom 20.07.2016 – S 32 AS 3037/16 ER – juris (Rn. 62 f.)).

Die Kammer sieht auch keine Veranlassung, bei vollständig geklärter Anwendbarkeit des Leistungsausschlusses gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II den Antragsgegner als erstangegangenen Träger zur Gewährung vorläufiger Leistungen nach § 43 SGB I i. V. m. den §§ 19 ff. SGB II zu verpflichten (vgl. einerseits die § 43 SGB I sehr großzügig anwendende Rechtsprechung des 7. Senats des LSG NRW, u. a. die Beschlüsse vom 16.12.2015 – L 7 AS 1466/15 B ER – juris, vom 17.12.2015 – L 7 AS 1711/15 B ER – juris und vom 02.06.2016 – L 7 AS 955/16 B ER – juris; vgl. andererseits die beachtliche Kritik des 2. Senats des LSG NRW im Beschluss vom 02.11.2016 – L 2 AS 1741/16 B ER – juris).

2. Zum Hilfsantrag (Verpflichtung der Beigeladenen durch Regelungsanordnung gem. § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zur vorläufigen Gewährung von Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII dem Grunde nach):

Der Antragsteller hat auch gegenüber der Beigeladenen keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, denn er besitzt keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) – Sozialhilfe – (SGB XII). Daher war auch die auf der Grundlage von § 75 Abs. 2 Alt. 2 SGG "unecht" notwendig Beigeladene, der örtlich zuständige Sozialhilfeträger, nicht nach § 75 Abs. 5 SGG (analog) durch einstweilige Anordnung zur vorläufigen Gewährung solcher Leistungen zu verpflichten.

Die nachfolgenden Ausführungen der Kammer entsprechen zu einem großen Teil – teils sinngemäß, teils wörtlich – den Ausführungen der Kammer in den Gründen zu Ziff. II des Beschlusses vom 18.04.2016 – S 32 AS 380/16 ER – juris (Rn. 75 ff.) einschließlich der dortigen umfangreichen Zitate aus anderen Entscheidungen, insbesondere aus dem für die Problematik grundlegenden Beschluss der 35. Kammer des Sozialgerichts Dortmund vom 11.02.2016 – S 35 AS 5396/15 ER –.

An ihrer dort zum Ausdruck gebrachten Sichtweise hält die Kammer auch nach nochmaliger Überprüfung vollumfänglich fest. Die Kammer ergänzt ihre Ausführungen nachfolgend um einige aktuelle Rechtsprechungs- und Literaturnachweise und auch um einige zusätzliche rechtliche Erwägungen:

Der Antragsteller ist als – unstreitig – Erwerbsfähiger gemäß § 21 Satz 1 SGB XII vom Bezug von Leistungen nach dem SGB XII ausgeschlossen.

Dies folgt aus dem Wortlaut und dem systematischen Aufbau des § 21 SGB XII, der Gesetzesbegründung sowie dem vom BSG in weiteren Urteilen aufgezeigten systematischen Wechselspiel von SGB II und SGB XII und der in diesem Zusammenhang angenommenen abgrenzenden Funktion des § 21 SGB XII und der in § 7 SGB II vertretenen Leistungsausschlüsse. Dessen ungeachtet kommt auch wegen § 23 Abs. 3 SGB XII die Gewährung laufender Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB XII nicht in Betracht, auch nicht nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII.

Die Kammer folgt insoweit weiterhin nicht der Rechtsauffassung des 4. und des 14. Senats des Bundessozialgerichts (BSG), wie sie sich den Urteilen vom 03.12.2015 (Az.: B 4 AS 59/13 R, B 4 AS 44/15 R und B 4 AS 43/15 R), vom 16.12.2015 (Az.: B 14 AS 15/14 R, B 14 AS 18/14 R und B 14 AS 33/14 R), vom 20.01.2016 (Az.: B 14 AS 15/15 R und B 14 AS 35/15 R), vom 17.02.2016 (Az.: B 4 AS 24/14 R) und vom 17.03.2015 (Az.: B 4 AS 32/15 R) entnehmen lässt, und nach der hier zumindest ein Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Gewährung von Leistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII, ggf. aber auch aufgrund einer Ermessensreduzierung auf Null ein (quasi) gebundener Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII i. V. m. §§ 27 ff. SGB XII gegen die Beigeladene als insoweit örtlich und sachlich zuständigen Leistungsträger bestehen würde, weil der Leistungsausschluss gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II eingreift.

Die Kammer vertritt vielmehr weiterhin die Auffassung, dass sowohl § 21 SGB XII als auch § 23 Abs. 3 SGB XII der Gewährung von Leistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 3 XII an erwerbsfähige Hilfebedürftige, die EU-Staatsangehörige sind, entgegenstehen und die Gewährung von existenzsichernden Leistungen an EU-Ausländer auch nicht verfassungsrechtlich geboten ist (vgl. zu letzterem Aspekt bereits den nicht veröffentlichten (n. v.) Beschluss der erkennenden Kammer vom 30.10.2015 – S 32 AS 3492/15 ER – zum Leistungsausschluss für die ersten drei Monate des Aufenthalts in Deutschland gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II; vgl. ferner SG Dortmund, Beschluss vom 23.11.2015 – S 30 AS 3827/15 ER – juris m. w. N.; vgl. zu der hier und in der Entscheidung der Kammer vom 18.04.2016 in dem Verfahren S 32 AS 380/16 ER vertretenen, von der BSG-Rechtsprechung abweichenden Auffassung zu §§ 21 Satz 1, 23 Abs. 3 und Abs. 1 Satz 3 SGB XII sodann in chronologischer Reihenfolge: SG Berlin, Urteil vom 11.12.2015 – S 149 AS 7191/13 – juris; SG Berlin, Urteil vom 14.01.2016 – S 26 AS 12515/13 – juris; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.01.2016 – L 29 AS 20/16 B ER, L 29 AS 21/16 B ER PKH (unter Bestätigung der Vorinstanz: SG Berlin, Beschluss vom 06.01.2016 – S 59 AS 26012/15 ER – n. v.); SG Halle (Saale), Beschluss vom 22.01.2016 – S 5 AS 4299/15 ER – juris; SG Dortmund, Beschluss vom 11.02.2016 – S 35 AS 5396/15 ER – juris; SG Berlin, Beschluss vom 22.02.2016 – S 95 SO 3345/15 ER – juris; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22.02.2016 – L 9 AS 1335/15 B ER – juris; SG Berlin, Beschluss vom 02.03.2016 – S 205 AS 1365/16 ER – juris; LSG NRW, Beschluss vom 07.03.2016 – L 12 SO 79/16 B ER – juris; SG Dortmund, Beschluss vom 18.03.2016 – S 35 AS 521/16 ER – n. v.; SG Dortmund, Beschluss vom 18.03.2016 – S 19 AS 91/16 ER – n. v.; SG Reutlingen, Urteil vom 23.03.2016 – S 4 AS 114/14 – juris; SG Speyer, Urteil vom 29.03.2016 – S 5 AS 493/14 – juris; SG Berlin, Beschluss vom 07.04.2016 – S 92 AS 359/16 ER – juris; SG Dortmund, Beschluss vom 13.04.2016 – S 62 SO 164/16 ER – n. v.; SG Freiburg (Breisgau), Beschluss vom 14.04.2016 – S 7 SO 773/16 ER – juris; SG Berlin, Urteil vom 18.04.2016 – S 135 AS 22330/13 – juris; SG Berlin, Urteil vom 23.05.2016 – S 135 AS 3655/13 – juris; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 09.06.2016 – L 31 AS 1158/16 B ER – juris; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 07.07.2016 – L 9 SO 12/16 B ER, L 9 SO 13/16 B PKH – juris; Beschluss der erkennenden Kammer vom 20.07.2016 – S 32 AS 3037/16 ER – juris; SG Halle (Saale), Beschluss vom 08.08.2016 – S 16 AS 2316/16 ER – juris; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11.08.2016 – L 3 AS 376/16 B ER – juris; SG Aachen, Urteil vom 30.08.2016 – S 14 AS 267/16 – juris; Hessisches LSG, Beschlüsse vom 29.09.2016 – L 9 AS 427/16 B ER – juris und vom 26.09.2016 – L 9 AS 643/16 B ER – bislang nur veröffentlicht unter www.sozialgerichtsbarkeit.de; SG Dortmund, Beschluss vom 20.09.2016 – S 62 SO 403/16 ER – juris; SG Aachen, Urteil vom 25.10.2016 – S 11 AS 357/16 – juris; vgl. auch die bislang noch n. v. Urteile der erkennenden Kammer vom 12.09.2016 (Az. S 32 AS 3198/13, S 32 AS 4289/15 WA und S 32 AS 190/16 WA sowie (zu § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II) S 32 AS 5367/15 WA); vgl. außerdem und nicht zuletzt die vom 20. Senat des LSG NRW im Beschluss vom 23.05.2016 – L 20 SO 139/16 B ER – juris (Rn. 44 ff.) geäußerten, nur für das Eilverfahren zurückgestellten, erheblichen verfassungsrechtlichen Zweifel an der Rechtsprechung des BSG; vgl. schließlich auch die sehr kritischen Aufsätze von Thym, "Sozialhilfe für erwerbsfähige Unionsbürger - Das Bundessozialgericht auf Umwegen", NZS 2016, 441 ff. und von Bernsdorff, "Sozialhilfe für nichterwerbstätige Unionsbürger - Kassel locuta, causa finita?", NVwZ 2016, 633 ff.).

Die 35. Kammer des Sozialgerichts Dortmund hat in ihrer bereits erwähnten, grundlegenden Entscheidung (Beschluss vom 11.02.2016 – S 35 AS 5396/15 ER – juris (Rn. 23 ff.); ebenso LSG NRW, Beschluss vom 07.03.2016 – L 12 SO 79/16 B ER – juris) zu § 21 Satz 1 SGB XII ausgeführt:

"Bereits der Wortlaut des § 21 Satz 1 SGB XII spricht gegen die vom BSG angenommene Möglichkeit, einem Hilfebedürftigen, dessen mangelnde Anspruchsberechtigung auf Leistungen nach dem SGB II nicht aus dem Merkmal der (ggf. auch "fingierten") Erwerbsunfähigkeit resultiert, Leistungen nach dem SGB XII zu gewähren. Gemäß § 21 Satz 1 SGB XII erhalten Personen, die nach dem Zweiten Buch als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, keine Leistungen für den Lebensunterhalt. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber auf eine Leistungsberechtigung "als Erwerbsfähiger" "dem Grunde nach" abstellt, zeigt für die Kammer aber, dass bereits die positive Feststellung der Anspruchsvoraussetzung des § 7 Abs. 1 Satz1 Nr. 2 ("erwerbsfähig sind") dazu führen soll, dass ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII ausscheidet. Sowohl das Tatbestandsmerkmal "als Erwerbsfähige" wie auch das Tatbestandsmerkmal "dem Grunde nach" wären nämlich überflüssig, wenn es nicht um das Vorliegen von Erwerbsfähigkeit als zentrales Ausschlusskriterium, sondern um die tatsächliche Leistungsberechtigung bzw. den Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II ginge. Dann hätte vielmehr der bloße Verweis eben auf diese Leistungsberechtigung oder diesen Anspruch nahegelegen.

Auch das Vorliegen eines Leistungsausschlusses (so auch gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II) lässt die Leistungsberechtigung "als Erwerbsfähiger" "dem Grunde nach" nach der Systematik der Norm im Übrigen nicht entfallen, denn während § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II die (positiv formulierten) Tatbestandsvoraussetzungen ("dem Grunde nach") für einen Bezug von Leistungen nach dem SGB II benennt, schließen die Regelungen des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II ("ausgenommen sind" ") nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II leistungsberechtigte Personengruppen wieder vom Leistungsbezug nach dem SGB II aus. Die Voraussetzung eines weiteren Aufenthaltsrechts als "positive Tatbestandsvoraussetzung" hat der Gesetzgeber gerade nicht vorgenommen.

Für die Auslegung der Kammer spricht auch die weitere Systematik des § 21 SGB XII:

Gemäß § 21 Satz 2 SGB XII können Personen, die nicht hilfebedürftig nach § 9 des Zweiten Buches sind, abweichend von Satz 1 Leistungen nach § 36 (SGB XII) erhalten.

Auch diese Regelung wäre aber überflüssig, wenn allein die fehlende Leistungsberechtigung nach dem SGB II (unabhängig vom Kriterium der Erwerbsfähigkeit) den Weg in einen Leistungsbezug nach dem SGB XII eröffnen könnte. Schon das Fehlen der in § 7 Abs.1 Satz 1 Nr.3 SGB II als positive Tatbestandsvoraussetzung benannten (und in § 9 SGB II näher definierten) Hilfebedürftigkeit ließe nämlich die Leistungsberechtigung nach dem SGB II entfallen. In § 21 Satz 2 SGB XII ließe sich dann keine Abweichung zu § 21 Satz 1 SGB XII erkennen (so aber der Gesetzeswortlaut).

Weiter beschreibt § 21 Satz 3 SGB XII das zwischen den Trägern von Leistungen nach dem SGB II und dem SGB XII anzuwendende Verfahren, wenn zwischen diesen unterschiedliche Auffassungen über die Zuständigkeit bestehen. Diesbezüglich ist der Träger von Leistungen nach dem SGB XII an die Feststellung einer vollen Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs.2 Satz des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuchs (SGB VI) und nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens an die Entscheidung der Agentur für Arbeit zur Erwerbsfähigkeit gemäß § 44 a Abs.1 SGB II gebunden. Dieses Instrumentarium vermittelt die Auffassung des Gesetzgebers, dass allein die unterschiedliche Einschätzung der Erwerbsfähigkeit als entscheidendes Abgrenzungskriterium zu Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen den Trägern führen kann. Einen Mechanismus für die Bewältigung weiterer möglicher Abgrenzungsfragen (so z.B. für die nach der neuen Rechtsprechung des BSG erforderliche Klärung, ob neben dem Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche noch ein weiteres Aufenthaltsrecht vorliegt) sieht § 21 SGB XII nicht vor.

Auch die Gesetzesbegründung zu § 21 SGB XII (BT Drs. 15/1514, S. 57) spricht dafür, dass Erwerbsfähigen der Weg zu Leistungen nach dem SGB XII nicht eröffnet werden soll. Hier heißt es: "Die Regelung setzt nicht voraus, dass jemand tatsächlich Leistungen des anderen Sozialleistungsträgers erhält oder voll erhält, sondern knüpft an die Eigenschaft als Erwerbsfähige oder deren im Zweiten Buch näher bezeichneten Angehörigen an" (vgl. hierzu überzeugend SG Berlin, Urteil vom 11.12.2015, S 149 AS 7191/13, - juris).

Dass das Tatbestandsmerkmal der Erwerbsfähigkeit entscheidendes Abgrenzungskriterium zwischen den Leistungssystemen von SGB II und SGB XII sein soll (so auch Coseriu in juris-PK zu § 21 SGB XII, Rn. 10, der § 21 SGB XII eine systemabgrenzende Funktion beimisst [Anmerkung der 32. Kammer: hier hätte Eicher statt Coseriu als Autor genannt werden müssen]) führt das BSG auch in seiner Entscheidung vom 03. Dezember 2015 – (Rn.41, - juris) aus. Hier heißt es: "Im Grundsatz gilt für die Systemzuweisung aufgrund der Erwerbszentriertheit des SGB II, dass derjenige, der von dem auf die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ausgerichteten Leistungssystem des SGB II ausgeschlossen werden soll, dem System des SGB XII zugewiesen wird."

Diese Bedeutung der Erwerbsfähigkeit und der Arbeitsmarktnähe des Hilfebedürftigen für seine Zuweisung zu dem seiner ursprünglichen Konzeption nach erwerbszentrierten und arbeitsmarktnahen System des SGB II und dem "arbeitsmarktfernen" System des SGB XII hat das BSG auch in mehreren Entscheidungen herausgearbeitet, auf die es in seinem Urteil vom 03.12.2015 nunmehr zur Begründung seiner Prämisse verweist, dass im Falle des Ausschlusses eines erwerbsfähigen Ausländers von Leistungen gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nach dem SGB II ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII grundsätzlich möglich bleibe (Zitat: "Auf dieser Grundlage hat das BSG bereits für andere in § 7 SGB II geregelte Leistungsausschlüsse ausdrücklich entschieden, dass die "Anwendungssperre" des § 21 S 1 SGB XII nicht greift" Rn. 42 (juris)) Eine differenzierte Betrachtung der Leistungsausschlüsse sei erforderlich.

Im Einzelnen nennt das BSG in diesem Zusammenhang folgende Urteile, die alle einen Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 4 SGB II zum Gegenstand haben:

BSG vom 16.5.2012 - B 4 AS 105/11 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 30 RdNr 20 (Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 4 SGB II wegen Bezugs einer litauischen Altersrente)

BSG vom 2.12.2014 - B 14 AS 66/13 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 42 RdNr 10, 24 (Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 4 wegen Unterbringung in einer Klinik)

BSG vom 19.8.2015 - B 14 AS 1/15 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen - RdNr 47: vorzeitige Altersrente nach Aufforderung durch den Grundsicherungsträger)

In dem erstgenannten Urteil vom 16.05.2012 (B 4 AS 105/11 R, Rn.23, - juris) führt das BSG zum Hintergrund des Leistungsausschlusses gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II und im Hinblick auf die Zuordnung der Empfängerin einer ausländischen Rente zum Leistungssystem nach dem SGB XII exemplarisch aus:

"Anspruch auf Leistungen haben allerdings grundsätzlich nur erwerbsfähige Hilfebedürftige. Nicht leistungsberechtigt ist, wer nicht erwerbsfähig iS des § 8 Abs 1 SGB II ist. Letzteres ist bei Personen in einer stationären Einrichtung (BSGE 99, 88 = SozR 4-4200 § 7 Nr 7, RdNr 13 f; SozR 4-4200 § 7 Nr 24, RdNr 20) und beim Bezug einer Altersrente (Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 7 RdNr 71) nicht unbedingt der Fall. Bei Beziehern von Altersrenten vor Erreichen des Regelrentenalters - danach sind sie bereits aus Gründen des § 7 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB II nicht mehr leistungsberechtigt - wird jedoch nach der Begründung zur Regelung des § 7 Abs 4 S 1 SGB II typisierend angenommen, sie seien endgültig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden und müssten daher nicht mehr in Arbeit eingegliedert werden (vgl BT-Drucks 15/1749, S 31). Sie benötigen aus diesem Grunde keine Leistungen aus dem System des SGB II mehr."

Weiter heißt es:

"( ) denn Erwerbsfähigkeit schließt Leistungen nach dem System des SGB XII gemäß § 21 S 1 SGB XII grundsätzlich aus. Nach § 21 S 1 SGB XII erhalten Personen, die nach dem SGB II als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Wenn jedoch vor dem Hintergrund des systematischen "Wechselspiels" zwischen SGB II und SGB XII Altersrentner vor Vollendung des Regelrentenalters nach deutschem Recht nicht als Erwerbsfähige leistungsberechtigt iS des SGB II sind, kann unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten für Bezieher ausländischer Altersrenten nichts Anderes gelten."

Warum im Hinblick auf den Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nichts anderes gilt als in Bezug auf die in den vorgenannten Urteilen streitgegenständlichen Leistungsausschlüsse des § 7 Abs. 4 SGB II (so BSG, Urteil vom 03.12.2015, B 44 AS 15 R [Anmerkung der 32. Kammer: gemeint ist B 4 AS 44/15 R], Rn.43,- juris), ist nicht ohne Weiteres zu erkennen:

Sämtliche der in den früheren zitierten Urteilen des BSG behandelten Fallkonstellationen sind nämlich solche, in denen der Leistungsausschluss des BSG auf einer "fingierten Erwerbsunfähigkeit" beruht. So führt Coseriu [Anmerkung der 32. Kammer: auch hier hätte Eicher statt Coseriu als Autor genannt werden müssen] in juris-PK zu § 21 SGB XII zu den Fallkonstellationen des § 7 Abs. 4 SGB II aus: "Nach der Rechtsprechung des BSG handelt es sich bei dieser Norm, soweit es die Unterbringung in Einrichtungen betrifft, um eine "verkappte" Regelung der Erwerbsunfähigkeit. Auch bei den übrigen Varianten ist von einem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben auszugehen."

Dass die "fingierte Erwerbsunfähigkeit" maßgeblicher Hintergrund der Leistungsausschlüsse des § 7 Abs. 4 SGB II ist, ergibt sich plastisch aus der "Unterausnahme" des § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 SGB II:

Die Ausübung einer Erwerbstätigkeit unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes, die einen wöchentlichen Umfang von mindestens 15 Stunden erreicht, hebt die "typisierende Annahme" der Erwerbsunfähigkeit nämlich auch für in einer stationären Einrichtung untergebrachte Hilfebedürftige wieder auf.

Liegen die in § 7 Abs. 4 SGB II geregelten Leistungsausschlüsse vor, erscheint es vor dem Hintergrund der vorab dargestellten Systemzusammenhangs von SGB und SGB XII auch der erkennenden Kammer geboten, von ihnen erfasste Hilfebedürftige im Rahmen einer teleologischen Reduktion nicht als "Erwerbsfähige" im Sinne von § 21 Satz 1 SGB XII zu behandeln. Maßgebliche Funktion dieser Leistungsausschlüsse ist es nämlich, dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehende Personen nicht dem nach seiner ursprünglichen Zielsetzung auf Aktivierung und Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt ausgerichteten System des SGB II zuzuordnen, sondern in das hiervon unabhängige Grundsicherungssystem des SGB XII zu integrieren.

Dieser Hintergrund kann aber für den Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nicht angenommen werden. Eine Fiktion der Erwerbsunfähigkeit ist aus einem Freizügigkeitsrecht zum Zweck der Arbeitsuche gerade nicht herauszulesen.

Vielmehr sollte der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II eine leistungsrechtliche Hürde für den Zugang zu Sozialleistungen schaffen. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Norm nämlich von der Option des Art. 24 der RL 2004/38 EG Gebrauch machen, die vorgenannten Personengruppen vom Anspruch auf Sozialhilfe - mithin Leistungen nach dem SGB XII und dem SGB XII - auszuschließen (vgl. hierzu eindringlich und überzeugend BSG, Urteil vom 03.12.2015, B 44 AS 15 R, Rn.21-24 und Rn.48-50, juris). Der Leistungsausschluss sollte in beiden Systemen gleichermaßen greifen (BSG, Urteil vom 03.12.2015, B 44 AS 15 R, Rn.50,- juris). Vor dem Hintergrund dieser sozialpolitischen Zielsetzung hat der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II anders als in den Fällen des § 7 Abs. 4 SGB II keine systemabgrenzende, sondern eine "systemausschließende" Funktion. Anders als in den Fällen des § 7 Abs. 4 SGB II erscheint es dann aber wenig sachgerecht, von diesem Leistungsausschluss Betroffene dem zu "bedingungslosen" Leistungen zur Grundsicherung führenden Leistungssystem des SGB XII zuzuweisen.

Dass aufgrund der Vorschrift des § 21 Satz 1 SGB XII grundsätzlich auch Erwerbsfähigen der Zugang zum SGB XII eröffnet werden sollte, kann auch nicht damit begründet werden, dass die Leistungsausschlüsse der §§ 22 Abs. 1, 23 Abs. 3 Satz 2 SGB XII ansonsten "leerliefen":

Im Hinblick auf § 22 Abs. 1 SGB XII, der Auszubildende, deren Ausbildung nach den Vorschriften des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) und des Dritten Buchs Sozialgesetzbuchs (SGB III) grundsätzlich förderungsfähig ist, vom Bezug von Leistungen nach dem SGB XII ausschließt, ergibt sich dies daraus, dass die Aufnahme einer Ausbildung oder eines Studiums nicht zwangsläufig eine Erwerbsfähigkeit im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II voraussetzt, so dass für diese der Norm des § 7 Abs. 5 SGB II entsprechende und aus dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) übernommene Vorschrift auch bei einer Einordnung des § 21 SGB XII als "Anwendungssperre" für Erwerbsfähige ein eigenständiger Regelungsgehalt verbleibt. Dass § 22 Abs. 1 SGB XII sich auf nicht erwerbsfähige Auszubildende beziehen soll, hat das BSG in seinem Urteil vom 06.09.2007 (B 14/7b As 36/06 R,-juris) auch ausdrücklich dargestellt. Hier heißt es:

"Soweit der Kläger meint, Auszubildende würden nach dem SGB II schlechter gestellt als nach dem SGB XII, weil die Leistungen im besonderen Härtefall nach dem SGB II nur als Darlehen, nach § 22 Abs.1 Satz 2 SGB XII jedoch auch als Beihilfe gewährt werden können, führt dieses ebenfalls nicht zur Erforderlichkeit einer vom SGB XII abweichenden Anwendung des § 7 Abs.5 Satz 1 SGB II. Grund für die unterschiedlichen Leistungsarten ist die Zuordnung zu dem einen oder anderen System, differenziert nach der Erwerbsfähigkeit. Bei dem Erwerbsfähigen kann erwartet werden, dass er die Leistung nach Beendigung der Ausbildung und Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zurückzahlen kann. Diese Aussicht besteht bei dem SGB XII-Leistungsempfänger nicht ohne weiteres, so dass die Leistungsgewährung in Form der Beihilfe berechtigt erscheint."

Die gebotene Differenzierung zwischen erwerbsfähigen und nicht erwerbsfähigen Auszubildenden, die die (früher) ungleiche Konzeption der Leistungsausschlüsse der §§ 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II und 22 Abs. 1 Satz 2 SGB XII rechtfertige, wird auch vom Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 03.09.2014, 1 BvR 1768/11 aufgegriffen.

Auch aus der der Norm des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II entsprechenden 2. Alternative des § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII (Leistungsausschluss für Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt) lässt sich kein Argument gegen eine solche Auslegung der Vorschrift des § 21 Satz 1 SGB XII ableiten. Zunächst ist es nach Auffassung der Kammer bereits dem Grunde nach nicht zulässig, aus der Einführung der auf dem Entwurf des Gesetzes zur Änderung des SGB XII und anderer Gesetze vom 25.09.2006 beruhenden Norm des § 23 Abs.3 Satz 1 SGB XII auf den gesetzgeberischen Willen bei der Konzeption der Norm des § 21 Satz 1 SGB XII (vom 27.12.2003) zu schließen.

Überdies führt Coseriu im juris-PK zu § 23 SGB II zur Entstehungsgeschichte des § 23 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB XII (Rn. 64) aus:

"Der zunächst im SGB XII noch nicht vorgesehene Ausschluss von Leistungen nach dem SGB XII ist mit Wirkung vom 07.12.2006 durch das Gesetz zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 02.12.2006 eingeführt worden und sollte im Hinblick auf die entsprechende Regelung in § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II sicherstellen, dass der von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossene Ausländer keinen Leistungsanspruch nach dem SGB XII herleiten kann. Dies hatte etwa das LSG NRW zu Recht mit der Begründung angenommen, der Ausländer habe dem Grunde nach keinen Leistungsanspruch nach dem SGB II; deshalb greife der Leistungsausschluss des § 21 Abs. 1 SGB XII nicht."

Sofern die Einführung des § 23 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB XII aber als "sicherstellende" gesetzgeberische Reaktion auf eine bereits in der damaligen Rechtsprechung vertretene Auffassung, die über die Anwendung des SGB XII eine faktische Aufhebung des vom Gesetzgeber durch § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II gewünschten Ausschlusses bestimmter Personengruppen vom Sozialleistungsbezug bewirkte, zu verstehen ist, lässt sie sich aber nicht argumentativ gegen die Auslegung des § 21 Satz 1 SGB XII als "Anwendungssperre" für Erwerbsfähige ins Feld führen.

In der Gesetzesbegründung des aufgrund des Gesetzes zur 2. Änderung des Zweiten Buchs Sozialgesetzbuchs vom 24.03.2006 eingeführten § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II (BT Drs. 16/688, S. 13) heißt es zudem: "Auch wenn bei Ausländern die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen vorliegen, das heißt sie zwischen 15 und unter 65 Jahre alt, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben, können dennoch die Leistungen nach diesem Buch durch den neugefassten Satz 2 ausgeschlossen sein. Darüber hinaus kommen dann für diese Personengruppe auch Leistungen des SGB XII wegen § 21 Satz 1 SGB XII nicht in Betracht, da sie dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II ist." Jedenfalls auch zu diesem Zeitpunkt ist der Gesetzgeber mithin noch davon ausgegangen, dass Erwerbsfähige aufgrund der Vorschrift des § 21 Satz 1 SGB XII keine Leistungen nach dem SGB XII beziehen konnten."

Diesen überzeugenden Ausführungen schließt sich die Kammer nach eigener Prüfung – weiterhin – an (vgl. insoweit aus der obigen Auflistung von der BSG-Rechtsprechung abweichender Entscheidungen vor allem auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22.02.2016 – L 9 AS 1335/15 B ER – juris (Rn. 57-66) mit sehr ausführlicher Begründung, auch zur Methodik der Auslegung von Gesetzen (insofern v. a. Rn. 79 und 80 ff.) und LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.01.2016 – L 29 AS 20/16 B ER, L 29 AS 21/16 B ER PKH – juris (Rn. 25 ff.)).

Soweit das BSG in einer weiteren Entscheidung zu seiner Auslegung von § 21 SGB XII ausgeführt hat (BSG, Urteil vom 20.01.2016 – B 14 AS 35/15 R – juris (Rn. 35)), dass "die "Systemabgrenzung" zwischen SGB II und SGB XII nicht auf das schlichte Kriterium der Erwerbsfähigkeit reduziert werden kann, sondern differenzierter ist" und insoweit auf das Urteil vom 03.12.2015 – B 4 AS 44/15 R – Bezug nimmt, überzeugt das nicht, da sich auch der Begründung dieses Urteils kein nachvollziehbarer Hinweis entnehmen lässt, inwieweit die Abgrenzung der Systeme "differenzierter" sein soll und welche Differenzierungskriterien zu beachten sein sollen. Die Begründung erschöpft sich in der These, dass die Abgrenzung "differenzierter" betrachtet werden müsse, in der Feststellung, dass das BSG für bestimmte Leistungsausschlüsse bereits entschieden habe, dass die ausgeschlossene Person dann dem SGB XII-Leistungssystem zugewiesen sei, und in der Behauptung "Bezogen auf den Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II gilt nichts anderes" (nebst zwei Literaturnachweisen). Und auch, dass das BSG dort ausgeführt hat (BSG a. a. O. Rn. 35): "Dagegen spricht nicht, dass in den Gesetzesmaterialien abweichende Regelungsvorstellungen zum Ausdruck gelangt sind. Denn soweit § 21 SGB XII ausweislich der Materialien durch die Anknüpfung an die Eigenschaft als Erwerbsfähige oder deren Angehörige nach dem SGB II eine eindeutige Abgrenzung leisten sollte (Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 5.9.2003, BT-Drucks 15/1514 S 57), ist diese allein auf das Kriterium der Erwerbsfähigkeit abstellende Abgrenzung der existenzsichernden Leistungssysteme in den gesetzlichen Abgrenzungsregelungen des SGB II und des SGB XII so nicht verwirklicht worden. Zudem sind diese seit ihrem Inkrafttreten am 1.1.2005 bereits mehrfach geändert worden", vermag nicht zu überzeugen. Aus den vorstehend wiedergegebenen Ausführungen der 35. Kammer ergibt sich nach Meinung der erkennenden Kammer, dass der Gesetzgeber seine Regelungsvorstellung sehr wohl hinreichend deutlich im Wortlaut und in der Systematik der gesetzlichen Vorschriften zum Ausdruck gebracht hat.

Der Antragsteller ist danach bereits gemäß § 21 Satz 1 SGB XII vom Bezug von Leistungen nach dem SGB XII ausgeschlossen.

Ein weiterer Ausschlussgrund ergibt sich allerdings nach Auffassung der Kammer aus § 23 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGB XII, mit dem der Gesetzgeber – wie bereits weiter oben in dem Zitat aus der Entscheidung der 35. Kammer ausgeführt worden ist – eine "sicherstellende" Regelung zusätzlich zu der "Anwendungssperre" des § 21 Satz 1 SGB X schaffen wollte und geschaffen hat (vgl. zur Entstehungsgeschichte nochmals Coseriu in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 23 SGB XII Rn. 64; vgl. zum Verhältnis zwischen § 23 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 und § 21 SGB XII auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22.02.2016 – L 9 AS 1335/15 B ER – juris (Rn. 64 ff.)).

Abgesehen davon, dass § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII bereits aufgrund seiner systematischen Stellung und seines Wortlauts ("Im Übrigen ") nicht als Anspruchsgrundlage für Leistungen geeignet ist, die bereits von § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII umfasst sind, d. h. insbesondere nicht für Leistungen wie "Hilfe zum Lebensunterhalt" (vgl. SG Dortmund, Beschluss vom 18.03.2016 – S 19 AS 91/16 ER – n. v.; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22.02.2016 – L 9 AS 1335/15 B ER – juris (Rn. 70)), steht einem Leistungsanspruch der Klägerin auf Gewährung von Leistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII i. V. m. § 27 SGB XII nach Auffassung der Kammer jedenfalls die Regelung des § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII entgegen (vgl. insoweit aus der o. g. Liste von Entscheidungen vor allem LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22.02.2016 – L 9 AS 1335/15 B ER – juris; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07.03.2016 – L 12 SO 79/16 B ER – juris; SG Berlin, Beschluss vom 22.02.2016 – S 95 SO 3345/15 ER – juris (Rn. 37)).

Die 35. Kammer des Sozialgerichts Dortmund hat in ihrer soeben bereits umfänglich wiedergegebenen Entscheidung (Beschluss vom 11.02.2016 – S 35 AS 5396/15 ER – juris (Rn. 46 ff.); ebenso LSG NRW, Beschluss vom 07.03.2016 – L 12 SO 79/16 B ER – juris) zu § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII u. a. ausgeführt:

"Gemäß § 23 Abs.1 SGB XII ist Ausländern, die sich im Inland tatsächlich aufhalten, Hilfe zum Lebensunterhalt, Hilfe bei Krankheit, Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft sowie Hilfe zur Pflege nach diesem Buch zu leisten. Die Vorschriften des Vierten Kapitels bleiben unberührt. Im Übrigen kann Sozialhilfe geleistet werden, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist ( ) Nach § 23 Abs.3 Satz 1 SGB XII haben Ausländer, die eingereist sind, um Sozialhilfe zu erlangen, oder deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, sowie ihre Familienangehörigen keinen Anspruch auf Sozialhilfe.

Bereits nach dem systematischen Aufbau der Vorschrift bezieht sich der in § 23 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB XII geregelte Leistungsausschluss aber auf die davor aufgeführten Absätze und damit auch auf die Vorschrift des § 23 Abs. 1 SGB XII insgesamt – mithin auch auf § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII.

Soweit das BSG auf den "unveränderten Wortlaut" des § 23 SGB XII im Verhältnis zum früheren § 120 BSHG und in diesem Zusammenhang maßgeblich auf eine frühere Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 1987 – 5 C 32/85 –, BVerwGE 78, 314-321) verweist (BSG, Urteil vom 03.12.2015, B 44 AS 15 R, Rn.51/52,- juris), ist einzuräumen, dass der Wortlaut des § 120 BSHG zwar unmittelbar vor der Einführung des SGB XII im Wesentlichen dem Wortlaut des § 23 SGB XII entsprach.

Die der Entscheidung des BVerwG vom 10.12.1987 zugrundeliegende Fassung des § 120 BSHG war aber in ihren wesentlichen Grundzügen anders gefasst. § 120 Abs. 1 BSHG in der Fassung vom 22.12.1983 lautete:

"Personen, die nicht Deutsche im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes sind und die sich im Geltungsbereich dieses Gesetzes tatsächlich aufhalten, ist Hilfe zum Lebensunterhalt, Krankenhilfe, Hilfe für werdende Mütter und Wöchnerinnen, Tuberkulosehilfe und Hilfe zur Pflege nach diesem Gesetz zu gewähren; wer sich in den Geltungsbereich dieses Gesetzes begeben hat, um Sozialhilfe zu erlangen, hat keinen Anspruch. Im übrigen kann Sozialhilfe gewährt werden, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist."

Im Gegensatz zu späteren Fassungen des BSHG (ab dem Jahr 1993) ist hier die Möglichkeit der Gewährung von Leistungen im Wege des Ermessens aber nach dem Leistungsausschluss aufgeführt. Diese Systematik konnte in der Tat zu der Annahme berechtigen, dass die Gewährung von Leistungen im Ermessenswege auch im Falle eines Leistungsausschlusses möglich bleiben sollte.

Vor diesem Hintergrund bezog sich das BVerwG in dem vom BSG zitierten Urteil auch gerade auf den Wortlaut der Norm des § 120 BSHG. Es führt aus:

"Auch aus der Systematik des § 120 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BSHG folgt dieses Verständnis. Der mit "Im übrigen ..." eingeleitete Satz 2 des § 120 Abs. 1 BSHG schließt an den Satz 1 mit seinen b e i d e n Halbsätzen an. Daß sich der Ausschluß vom Rechtsanspruch auf bestimmte Hilfen (zum Beispiel die Eingliederungshilfe), der nach Halbsatz 1 des § 120 Abs. 1 Satz 1 BSHG von vornherein besteht, aus einem Umkehrschluß ergibt, während er im Halbsatz 2 unmittelbar bestimmt ist, ändert nichts an der "Gleichwertigkeit" des Ausschlusses vom Rechtsanspruch als des Tatbestandsmerkmals, an das im anschließenden Satz 2 die Möglichkeit der Hilfegewährung im Einzelfall (in Ausübung von Ermessen) geknüpft ist (BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 1987 – 5 C 32/85 –, BVerwGE 78, 314-321, Rn. 14).

Unter Berücksichtigung des geänderten Aufbaus der Norm sind die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Überzeugung der Kammer für die Beurteilung der Systematik des § 23 SGB XII nicht mehr heranzuziehen.

Weiter geht die Kammer nicht davon aus, dass die Begrifflichkeit des "Anspruchs" in § 23 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB XII tatsächlich nur den "gebundenen Anspruch" bzw. "Rechtsanspruch" und nicht auch die Gewährung von Leistungen im Ermessenswege gemäß § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII erfassen soll.

Dies ergibt sich aus § 17 SGB XII, der die gesetzliche Überschrift "Anspruch" trägt und diese Begrifflichkeit damit definiert. Er lautet wie folgt: "(1) Auf Sozialhilfe besteht ein Anspruch, soweit bestimmt wird, dass die Leistung zu erbringen ist. Der Anspruch kann nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden. (2) Über Art und Maß der Leistungserbringung ist nach pflichtmäßigem Ermessen zu entscheiden, soweit das Ermessen nicht ausgeschlossen wird. Werden Leistungen auf Grund von Ermessensentscheidungen erbracht, sind die Entscheidungen im Hinblick auf die sie tragenden Gründe und Ziele zu überprüfen und im Einzelfall gegebenenfalls abzuändern."

Mit dem Begriff "Anspruch" meint das Gesetz nach seinem Sinn und Zweck nicht nur die Forderung gegen den Sozialhilfeträger auf eine Mussleistung, sondern auch Forderungen aus einer eine Ermessensleistung bewilligenden Entscheidung (so ausdrücklich Coseriu in juris-PK zu § 17 SGB XII, Rn.19). Dies ergibt sich für die Kammer insbesondere auch daraus, dass der zweite Absatz des ausweislich seiner Überschrift die Begrifflichkeit des Anspruchs definierenden § 17 SGB XII explizit regelt, in welchem Zusammenhang Leistungsträger bei der Realisierung des Anspruchs Ermessen auszuüben hat und wie dieses Ermessen auszuüben ist. Die Einbeziehung dieser Regelung in die Norm des § 17 SGB II erschiene aber nicht sinnvoll, wenn der Gesetzgeber den Anspruch auf Ermessensentscheidungen nicht in die Definition des Anspruchs einbeziehen wollte. Warum der Begriff des "Anspruchs" in § 23 Abs. 3 Satz 2 2. Alt. SGB XII aber von dem des § 17 SGB XII abweichen sollte, ist nicht ersichtlich. Von einem "Rechtsanspruch" ist in § 23 Abs. 3 Satz 2 SGB XII indes nicht die Rede.

Das BSG weist in seinem Urteil vom 03.12.2015, B 44 AS 15 R, Rn.49,- juris überzeugend daraufhin, dass die Einführung des Leistungsausschlusses des § 23 Abs.3 Satz 1 2.Alt. sicherstellen sollte, dass von einem Leistungsausschluss nach dem SGB II erfasste Ausländer auch aus dem SGB XII keine Ansprüche herleiten konnten. Dieses gesetzgeberische Ziel wird vor dem Hintergrund der nunmehr vom BSG gewählten Auslegung der Norm nur eingeschränkt erreicht."

Das LSG NRW hat zu dieser Thematik ergänzend ausgeführt (Beschluss vom 07.03.2016 – L 12 SO 79/16 B ER – juris (Rn. 31)):

"Sowohl die Auslegung des BSG von § 23 SGB XII als von § 21 S. 1 SGB XII steht dem in den gesetzgeberischen Motiven zum Ausdruck kommenden eindeutigen Willen des Gesetzgebers entgegen. Im Entwurf des Gesetzes zur Änderung des SGB XII und anderer Gesetze vom 25.09.2009 (BT-Drucks 16/2711, S. 10), mit dem dann § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII in der nunmehr gültigen Fassung eingeführt wurde, heißt es: "Die Einführung normiert einen der Regelung im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch entsprechenden Leistungsausschluss für Ausländer und stellt damit zugleich sicher, dass Ausländer, die nach § 7 Abs. 1 S. 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch haben, auch aus dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch keine Ansprüche herleiten können." Die Formulierung lässt keinen Zweifel daran zu, dass der Gesetzgeber mit der Einführung der Norm auch eine Leistungsbewilligung über die Vorschrift des § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII ausschließen wollte. Andernfalls hätte er die insofern sprachlich eindeutige Formulierung "aus dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch" eingeschränkt. Dem BSG waren die Motive bei Fassung des Urteils vom 03.12.2015 auch bekannt. Es benutzt das Zitat an anderer Stelle (BSG a. a. O., Rn. 48 ff, juris), um zu erklären, dass nach dem gesetzgeberischen Willen von dem Leistungsausschluss in § 23 Abs. 3 S. 1 2. Alt SGB XII trotz abweichender Formulierung dieselbe Personengruppe betroffen sein soll wie von dem Ausschluss in § 7 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 SGB II. Warum das BSG die gesetzgeberischen Motive dann jedoch bei der Auslegung des Umfangs des Ausschlusses außer Betracht lässt, bleibt unbeantwortet."

Auch diesen überzeugenden Ausführungen in den genannten Entscheidungen schließt sich die Kammer nach eigener Prüfung – weiterhin – an (vgl. insoweit vor allem auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22.02.2016 – L 9 AS 1335/15 B ER – juris (Rn. 67 ff.), auch zur Methodik der Auslegung einschließlich der Grenzen "grundrechtsgeleiteter" und "verfassungskonformer" Auslegung von Gesetzen (insofern v. a. Rn. 79 und 80 ff.); zu den Grenzen "verfassungskonformer" Gesetzesauslegung weiter unten näher).

Die vorstehend wiedergegebene Rechtslage verstößt nach Überzeugung der Kammer auch nicht gegen das Grundgesetz, insbesondere gegen das aus Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG hergeleitete (vgl. BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09) Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (so bereits der Beschluss der erkennenden Kammer vom 30.10.2015 – S 32 AS 3492/15 ER – n. v. (zu § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II)).

In diesem Beschluss hatte die Kammer folgendes ausgeführt:

"Die Kammer ist zudem im Rahmen der im vorliegenden Eilverfahren durchgeführten summarischen Prüfung der Auffassung, dass die in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortete Frage, ob ein derartiger Leistungsausschluss gegen deutsches Verfassungsrecht – konkret insbesondere gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums gem. Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG und gegen Art. 3 Abs. 1 GG – verstößt, zu verneinen ist (so auch LSG Hamburg, Beschluss vom 15.10.2015 – L 4 AS 403/15 B ER – juris (zu § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II); Bayerisches LSG, Beschluss vom 01.10.2015 – L 7 AS 627/15 B ER – juris (ebenfalls zu § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II); a. A. Kingreen, "Staatsangehörigkeit als Differenzierungskriterium im Sozialleistungsrecht – Zur Vereinbarkeit von § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II mit europäischem Unions- und deutschem Verfassungsrecht", SGb 2013, 132 (137-139); a. A. jüngst auch SG Mainz, Beschluss vom 02.09.2015 – S 3 AS 599/15 ER – bislang offenbar n. v. bei juris usw., aber abrufbar unter http://www.srif.de/ (ebenfalls zu § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II))."

Daran hält die Kammer – weiterhin – fest.

Die 35. Kammer des Sozialgerichts Dortmund (Beschluss vom 11.02.2016 – S 35 AS 5396/15 ER – juris (Rn. 53 ff.); ebenso LSG NRW, Beschluss vom 07.03.2016 – L 12 SO 79/16 B ER – juris) führt zu dieser Thematik außerdem aus:

"Die Kammer geht auch nicht davon aus, dass der Ausschluss von Ausländern, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, gegen die Art.1 Abs.1, Art. 20 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verstößt (vgl. hierzu umfassend und überzeugend Sozialgericht Dortmund, Beschluss vom 23.11.2015, S 30 AS 3827/15 ER,- juris; Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 05. November 2015 – L 3 AS 479/15 B ER –, juris).

Vielmehr hat der Gesetzgeber mit dem Leistungsausschluss für EU-Ausländer, die ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ableiten, den Nachrang des deutschen Sozialleistungssystems gegenüber dem des Herkunftslandes normiert. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 05. November 2015 – L 3 AS 479/15 B ER –Rn.26 , juris).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18.07.2012 (1 BvL 10/10, 1BvL 2/11, juris).

Gegenstand dieser Entscheidung ist die Frage, inwiefern der Gesetzgeber bei der Ermittlung der Höhe von Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums (dort: Höhe der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) im Vergleich zu den Leistungen nach dem SGB II und SGB XII) unterschiedliche Bedarfe festsetzen und sich bei dieser Differenzierung am Aufenthaltsstatus der Hilfebedürftigen orientieren darf. Das BVerfG führt in diesem Zusammenhang in Rn.74 (juris) aus:

"Falls der Gesetzgeber bei der Festlegung des menschenwürdigen Existenzminimums die Besonderheiten bestimmter Personengruppen berücksichtigen will, darf er bei der konkreten Ausgestaltung existenzsichernder Leistungen nicht pauschal nach dem Aufenthaltsstatus differenzieren. Eine Differenzierung ist nur möglich, sofern deren Bedarf an existenznotwendigen Leistungen von dem anderer Bedürftiger signifikant abweicht und dies folgerichtig in einem inhaltlich transparenten Verfahren anhand des tatsächlichen Bedarfs gerade dieser Gruppe belegt werden kann."

In Rn. 75 (juris) heißt es: "Ob und in welchem Umfang der Bedarf existenznotwendigen Leistungen für Menschen mit nur vorübergehendem Aufenthaltsrecht in Deutschland ( ) bestimmt werden kann, hängt allein davon ab, ob wegen eines nur kurzfristigen Aufenthalts konkrete Minderbedarfe gegenüber Hilfsempfängern mit Daueraufenthaltsrecht nachvollziehbar festgestellt und bemessen werden können"

Das Urteil enthält dagegen keine Aussage darüber, inwiefern es dem Gesetzgeber möglich ist, Personen ohne Aufenthaltsrecht Sozialleistungen zu verwehren (in Rn.74 knüpft es vielmehr an ein bestehendes Aufenthaltsrecht an) oder Personen mit einem bestimmten, näher definierten Aufenthaltsrecht (hier: dem Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche) vom Bezug von Sozialleistungen auszuschließen.

Die Kammer verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass die Situation eines Asylbewerbers nicht mit der eines EU-Bürgers vergleichbar ist, der von seinem Freizügigkeitsrecht zum Zweck der Arbeitsuche Gebrauch gemacht hat und in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist. Während ein Asylbewerber, der sich auf eine politische Verfolgung in seinem Heimatland beruft, regelmäßig nicht in sein Herkunftsland zurückkehren kann, ist dies der hier betroffenen Personengruppe grundsätzlich ohne Weiteres möglich. Diese Rückkehr in das Heimatland stellt auch ein zumutbares Mittel zur Selbsthilfe dar, dessen Einforderung das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht verletzt.

Das Bundesverfassungsgericht hat in einer gegen den Leistungsausschluss des § 7 Abs.5 Satz 1 SGB II (Leistungsausschluss für Auszubildende) gerichteten Verfassungsbeschwerde die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt (Beschluss vom 08.10.2014, 1 BvR 886/11 (juris)). Es hat in diesem Zusammenhang in Rn.13 ausgeführt: "Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art.1 Abs.1 GG in Verbindung mit Art.20 Abs.1 GG ( ) ist nicht verletzt. Nach § 2 Abs.2 Satz 2 SGB II müssen erwerbsfähige Leistungsberechtigte ihre Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensunterhalts einsetzen; dies tut der Beschwerdeführer nicht, wenn er studiert. Daher schließt § 7 Abs.5 Satz 1 SGB a.F. im Fall des Beschwerdeführers die Gewährung dieser Grundsicherungsleistungen aus." In Rn.14 heißt es weiter: "Der faktische Zwang, ein Studium abbrechen zu müssen, weil keine Sozialleistungen zur Verfügung stehen, berührt zwar die teilhaberechtliche Dimension des Art.12 Abs.1 in Verbindung mit Art.3 Abs.1 GG und dem Sozialstaatsgebot des Art.20 Abs.1 GG ( ) Der Gesetzgeber hat mit den Vorschriften des Bundesausbildungsförderungsgesetzes jedoch ein besonderes Sozialleistungssystem zur individuellen Förderung der Hochschulausbildung durch den Staat geschaffen, das diese Teilhabe sichern soll."

Die erkennende Kammer entnimmt diesen Ausführungen, dass das Bundesverfassungsgericht keinen von dem Hilfebedürftigen möglichen Mitwirkungshandlungen losgelösten, allein aus der Hilfebedürftigkeit und dem tatsächlichen Aufenthalt im Bundesgebiet resultierenden Anspruch auf Sicherung des Existenzminimums annimmt. Der faktische Zwang, die bisherige Lebensführung zur Sicherung des Existenzminimums ändern zu müssen, führt danach nicht zur Verletzung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, sondern berührt vielmehr das Grundrecht, das diese vom Hilfebedürftigen anvisierte Lebensgestaltung schützt (im Fall 1 BvR 886/11 die dort genannten Grundrechte, hier ggf. Art.2 Abs.1 GG). Nach diesen Maßgaben sieht die Kammer keine Verpflichtung des Gesetzgebers, einen Aufenthalt des Hilfebedürftigen im Bundesgebiet trotz einer ihm möglichen Rückkehr in sein Heimatland durch die Gewährung von Sozialleistungen zu ermöglichen, wenn der Hilfebedürftige über gar kein Aufenthaltsrecht oder nur über ein solches verfügt, dessen Gewährung der nationale Gesetzgeber originär - europarechtlich zulässig - mit der Versagung von Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums verknüpft hat.

Eine Prüfung, inwiefern ein Hilfebedürftiger in seinem Herkunftsland das Existenzminimum nach deutschen Maßstäben sichern kann, ist in diesem Zusammenhang nicht anzustellen. Im Ausländerrecht ist die nachteilige wirtschaftliche Situation im Herkunftsland nämlich kein Maßstab, der zur Gewährung eines Aufenthaltsrechts oder dem Schutz vor einer Abschiebung führen kann. Sofern wirtschaftliche Gesichtspunkte bei der Beurteilung einer Abschiebung ins Herkunftsland nicht die Annahme der Unzumutbarkeit einer Rückkehr rechtfertigen können (vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 06.09.2007, 11 A 633/05 A, Rn.28-32 (juris) zur Zumutbarkeit einer Abschiebung nach Sierra Leone trotz völlig fehlender sozialer Sicherungssysteme und einer Arbeitslosenquote von 70 %), erscheint es zur Überzeugung der Kammer unter Berücksichtigung des Gedankens der Einheit der Rechtsordnung auch nicht gangbar, solche nachteiligen Lebensumstände im Herkunftsland bei der Prüfung der sozialrechtlichen Zumutbarkeit einer Rückkehr ins Feld zu führen."

Das LSG Nordrhein-Westfalen hat hierzu ergänzend ausgeführt (Beschluss vom 07.03.2016 – L 12 SO 79/16 B ER – juris):

"Die Überlegungen stehen im Einklang mit den Ausführungen des BVerfG in der oben zitierten Entscheidung vom 18.07.2012. Zwar wird dort festgehalten (bei juris Rn. 63): "Wenn Menschen, die zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins notwendigen materiellen Mittel fehlen, ( ...) ist der Staat im Rahmen seines Auftrages zum Schutz der Menschenwürde ( ...) verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die materiellen Voraussetzungen dafür Hilfebedürftigen zur Verfügung stehen." Das BVerfG folgert daraus: "(Mit) dieser objektiven Verpflichtung aus Art. 1 GG korrespondiert ein individueller Leistungsanspruch, da das Grundrecht die Würde jedes einzelnen Menschen schützt und sie in solchen Notlagen nur durch materielle Unterstützung gesichert werden kann." Es knüpft damit einen "Anspruch" auf Sozialleistungen an das Vorliegen einer Notlage, zu deren Behebung eine entsprechende materielle Unterstützung (der Bundesrepublik Deutschland) von Nöten ist. Das ist bei EU-Ausländern aber regelmäßig nicht der Fall. Denn ihnen steht es frei, in ihr Heimatland zurückzukehren, dort ohne Sprachbarriere (wieder) eine Tätigkeit aufzunehmen oder auf die dortigen sozialen Sicherungssysteme zurückzugreifen. Auf Leistungen der Bundesrepublik Deutschland sind EU-Ausländer zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz regelhaft nicht angewiesen." (vgl. auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22.02.2016 – L 9 AS 1335/15 B ER – juris (Rn. 84 ff.); SG Berlin, Beschluss vom 22.02.2016 – S 95 SO 3345/15 ER; SG Berlin, Urteil vom 14.01.2016 – S 26 AS 12515/13; SG Berlin, Urteil vom 11.12.2015 – S 149 AS 7191/13).

Auch diesen überzeugenden Ausführungen in den genannten Entscheidungen schließt sich die Kammer nach eigener Prüfung – weiterhin – an.

Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit eines Verweises auf Rückkehr- bzw. Überbrückungsleistungen – die hier allerdings nicht streitgegenständlich sind (dazu noch näher weiter unten) – zusätzlich kurz hingewiesen auf etwas ältere Rechtsprechung des 19. Senats des LSG NRW, nämlich den Beschluss vom 16.04.2007 – L 19 B 13/07 AS ER – juris und den Beschluss vom 07.10.2011 – L 19 AS 1560/11 B ER – juris. Die dortigen Ausführungen überzeugen immer noch.

Außerdem führt "(d)ie Entscheidung des BSG ( ) zu einer nach Art. 3 Abs. 1 GG unzulässigen Ungleichbehandlung von erwerbsfähigen Leistungsbeziehern nach dem SGB II und nach dem SGB XII. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB II müssen erwerbsfähige Leistungsberechtigte und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit ausschöpfen. Eine erwerbsfähige leistungsberechtigte Person muss aktiv an allen Maßnahmen zu ihrer Eingliederung in Arbeit mitwirken, insbesondere eine Eingliederungsvereinbarung abschließen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 SGB II). Wenn eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in absehbarer Zeit nicht möglich ist, hat die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person eine ihr angebotene zumutbare Arbeitsgelegenheit zu übernehmen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB II). Bei Verletzung der Pflichten nach § 31 SGB II drohen zudem Leistungskürzungen nach § 31 a SGB II. Vergleichbare Regelungen fehlen im Rahmen des SGB XII. Die Rechtsauffassung des Bundessozialgerichts kann somit nicht zutreffend sein, da sie zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung von erwerbsfähigen Leistungsbeziehern nach dem SGB II und dem SGB XII führt." (SG Speyer, Urteil vom 29.03.2016 – S 5 AS 493/14 – juris (Rn. 67)).

Selbst wenn man schließlich entgegen der hier vertretenen Auffassung die Möglichkeit eines Leistungsbezugs nach dem SGB XII für erwerbsfähige EU-Ausländer annehmen wollte, spräche nach der Überzeugung der Kammer nichts dafür, (schon) nach Ablauf von (bloß) sechs Monaten bei der Anwendung von § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII eine "Verfestigung" des Aufenthalts und deshalb regelmäßig eine Ermessensreduzierung auf Null zugunsten einer Gewährung von Leistungen nach §§ 27 ff. SGB anzunehmen (vgl. insoweit auch LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11.02.2016 – L 3 AS 668/15 B ER – juris; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 07.03.2016 – L 15 AS 185/15 B ER – juris; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13.04.2016 – L 15 SO 53/16 B ER – juris; LSG Hamburg, Beschluss vom 14.04.2016 – L 4 AS 76/16 B ER – juris; ähnlich LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 31.05.2016 – L 8 SO 8/16 B ER – juris; kritisch auch Pfersich, ZAR 2016, 196 (Anm. zu BSG, Urteil vom 03.12.2015 – B 4 AS 44/15 R –)).

"Denn abgesehen davon, dass sich für eine regelmäßige "Verfestigung des Aufenthaltsrechts" nach sechs Monaten aus den einschlägigen gesetzlichen Regelungen keinerlei Anhaltspunkte ableiten lassen (im Gegenteil dürfte sich das Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a und Satz 2 FreizügG/EU für arbeitslose und arbeitsuchende Unionsbürger nach sechs Monaten eher lockern) und aus einem solchen Aufenthaltsrecht im Hinblick auf die gerade für diese Fälle geltenden Leistungsausschlüssen nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II und § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII jedenfalls für einen Anspruch auf Sozialhilfe keine Rückschlüsse ziehen lassen, handelt es sich hierbei um eine abstrakt-generelle Erwägung, die eine Ausnahme in einem konkreten Einzelfall angesichts des auch für diesen Fall gesetzlich grundsätzlich angeordneten Leistungsausschlusses nicht rechtfertigen kann. Denn dadurch würde die gesetzliche Regelung nach § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII mit abstrakt-generellen Erwägungen – jedenfalls was Unionsbürger betrifft, die sich länger als sechs Monate im Bundesgebiet aufhalten – in ihr Gegenteil verkehrt und damit eine (abstrakt-generelle) Regelung zur Anwendung gebracht, für die es so in den gesetzgebenden Körperschaften keine politische Mehrheit gegeben hat" (LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11.02.2016 – L 3 AS 668/15 B ER – juris (Rn. 30)).

Nach der Überzeugung der Kammer ist der vom BSG zur Begründung seiner Rechtsprechung, insbesondere bzgl. der vermeintlichen "Verfestigung des Aufenthalts" nach bereits sechs Monaten, angeführte Aspekt eines ausländerrechtlichen "Vollzugsdefizits" verfehlt.

Für Unionsbürger ist mit dem FreizügG/EU und der ihm zugrunde liegenden Unionsbürgerrichtlinie ein System einer "privatisierten" Unionsbürgerfreizügigkeit geschaffen worden, das sich durch das Fehlen einer klassischen aufenthaltsrechtlichen Zugangssteuerung auszeichnet (vgl. hierzu ausführlich Thym, NZS 2016, 441 ff.). Die schlichte Duldung dieses "privatisierten", ungesteuerten Aufenthalts von EU-Bürgern in Deutschland kann nach der Überzeugung der Kammer keinen verfassungsrechtlichen, einfachgesetzlich durch Schaffung eines entsprechenden Leistungssystems oder durch verfassungskonforme Auslegung – freilich nur im Rahmen der entsprechenden Grenzen (hierzu sogleich näher) – zu gewährleistenden Anspruch auf fortwährende Alimentation begründen. Der Aufenthalt von Unionsbürgern beruht auf einem Freizügigkeitssystem, das gerade unter der Prämisse geschaffen worden ist, dass ein Aufenthalt in den ersten drei Monaten – außer beim Vorliegen eines ggf. fortwirkenden Status als Arbeitnehmer(in) oder Selbständige(r) – und über diesen Zeitraum hinaus ein Aufenthalt nur (oder nicht einmal) zur Arbeitssuche nicht zu einer Alimentationspflicht des Aufenthaltsstaates führt (vgl. EuGH, Urteil vom 11.11.2014 – C-333/13 "Dano" – juris; EuGH, Urteil vom 15.09.2015 – C-67/14 "Alimanovic" – juris; EuGH, Urteil vom 25.02.2016 – C-299/14 "Garcia-Nieto" – juris). Diese Umstände dürfen speziell bei der Bewertung einer angeblichen "Untätigkeit" der Ausländerbehörden im Vollzug des FreizügG/EU und generell bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung von Leistungsausschlüssen für diesen Personenkreis nicht unberücksichtigt bleiben.

Es ist nicht einmal so, dass das Fehlen einer materiellen Freizügigkeitsberechtigung die Ausländerbehörden ohne weiteres, "automatisch" berechtigen würde, eine Verlustfeststellung vorzunehmen, eine Ausreisepflicht zu begründen und den Aufenthalt, notfalls zwangsweise, zu beenden, und sie so in die Lage wären, der "Verfestigung des Aufenthalts" konsequent entgegenzuwirken. Denn die Feststellung des Verlusts des Freizügigkeitsrechts muss unter anderem dem Erfordernis der Verhältnismäßigkeit genügen (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 16.07.2015 – 1 C 22/14 – juris (Rn. 21)).

Die vom BSG wohl – allerdings ohne eine ausdrückliche und nachvollziehbare Prüfung, ob § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II bei isolierter Betrachtung einen Verfassungsverstoß darstellen würde bzw., ob es im Lichte von Art. 1, 20 GG der Gewährung irgendwelcher laufender existenzsichernder Leistungen an alle Personen, die sich tatsächlich in Deutschland aufhalten, bedarf – vorgenommene verfassungskonforme Auslegung der §§ 21, 23 Abs. 3 und Abs. 1 Satz 3 SGB XII einschließlich der Annahme einer regelmäßigen Ermessensreduzierung auf Null ist aus Sicht der Kammer nicht nur falsch sondern nicht vertretbar und ihrerseits wegen Verletzung der Grenzen richterlicher Gesetzesauslegung und der Vorlagepflicht gem. Art. 100 GG und damit der Garantie des gesetzlichen Richters aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungswidrig (vgl. hierzu insbesondere Bernsdorff in: "Sozialhilfe für nichterwerbstätige Unionsbürger - Kassel locuta, causa finita?", NVwZ 2016, 633 (insbes. S. 636 f.); vgl. ferner LSG NRW, Beschluss vom 23.05.2016 – L 20 SO 139/16 B ER – juris (insbes. Rn. 44 ff.) m. N. auf BVerfG, Beschluss vom 16.12.2014 – 1 BvR 2142/11BVerfGE 138, 64-102 = juris; kritisch auch Thym, NZS 2016, 441 (insbes. S. 443 f.)).

Nach Auffassung der Kammer ergeben sich aus der Rechtsprechung des BSG, insbesondere aus der Annahme einer Ermessensreduzierung auf Null nach Ablauf von sechs Monaten, auch erhebliche Wertungswidersprüche im Hinblick auf die Möglichkeit eines SGB XII-Leistungsbezugs in den ersten drei Monaten des Aufenthalts in Deutschland einerseits und in den Monaten 4, 5 und 6 andererseits.

In Bezug auf den die ersten drei Monate des Aufenthalts in Deutschland betreffenden Leistungsausschluss gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II dürfte das BSG bei seiner o. g. Rechtsprechung (insbes. Urteil vom 03.12.2015 – B 4 AS 44/15 R –) unausgesprochen davon ausgegangen sein, dass § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II zwar anwendbar und rechtlich nicht zu beanstanden ist, dass aber in den ersten drei Monaten des Aufenthalts wie in den Monaten 4 bis 6 ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Gewährung von Sozialhilfeleistungen aus § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII (Ermessen dem Grunde, der Form und der Höhe nach) folgt.

Die Kammer geht jedoch davon aus, dass dies nicht zutrifft. Vielmehr würde eine erwerbsfähige Person, die nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II in den ersten drei Monaten von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist, für diesen Zeitraum nach dem Ansatz des BSG – jedenfalls häufig – nicht nur einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Gewährung von Sozialhilfeleistungen besitzen sondern einen Rechtsanspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII (vgl. hierzu und zu den nachfolgenden Erwägungen bereits den Beschluss der Kammer vom 18.04.2016 – S 32 AS 380/16 ER – juris (Rn. 151)).

Denn § 23 Abs. 3 SGB XII enthält keinen der Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II entsprechenden Leistungsausschluss für die ersten drei Monate des Aufenthalts in Deutschland. Geregelt ist nur ein Ausschluss für Fälle einer Einreise, "um Sozialhilfe zu erlangen" (§ 23 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 SGB XII; vgl. hierzu LSG NRW, Beschluss vom 22.04.2015 – L 9 SO 496/14 B – juris). Dieser Ausschlusstatbestand greift nur ein, wenn ein finaler Zusammenhang zwischen dem Einreiseentschluss und der Inanspruchnahme von Sozialhilfe gegeben ist, und wenn bei unterschiedlichen Einreisemotiven der Zweck der Inanspruchnahme von Sozialhilfe für den Einreiseentschluss von prägender Bedeutung war (vgl. hierzu z. B. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.06.2016 – L 2 SO 2095/16 ER-B – juris (Rn. 20)). Dieser Ausschlusstatbestand greift nur ein, wenn ein finaler Zusammenhang zwischen dem Einreiseentschluss und der Inanspruchnahme von Sozialhilfe gegeben ist, und wenn bei unterschiedlichen Einreisemotiven der Zweck der Inanspruchnahme von Sozialhilfe für den Einreiseentschluss von prägender Bedeutung war (auch hierzu sogleich näher). Diese Voraussetzung ist nicht in jedem Fall eines Aufenthalts in den ersten drei Monaten, in dem es zu einem Sozialleistungsantrag kommt, ohne weiteres erfüllt; auch die Nachweisführung kann schwierig sein.

Das BSG hat in seinem Urteil vom 30.01.2013 – B 4 AS 37/12 R – juris (Rn. 22) darauf hingewiesen, dass die Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II als Reaktion auf den erst im Jahr 2007 eingeführten § 2 Abs. 5 FreizügG/EU erfolgt sei, weil der Leistungsausschluss für Arbeitsuchende diese Gruppe nicht erfasste. Dann ist es aber nach Meinung der Kammer nicht möglich, diese Gruppe in den Leistungsausschluss in § 23 Abs. 3 SGB XII hineinzulesen. Und auch ein "Erst-Recht-Schluss" ist nach Meinung der Kammer nicht möglich. Das für die ersten drei Monate bestehende voraussetzungslose Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 5 FreizügG/EU ("Für einen Aufenthalt von Unionsbürgern von bis zu drei Monaten ist der Besitz eines gültigen Personalausweises oder Reisepasses ausreichend. Familienangehörige, die nicht Unionsbürger sind, haben das gleiche Recht, wenn sie im Besitz eines anerkannten oder sonst zugelassenen Passes oder Passersatzes sind und sie den Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen") ist ein anderes Aufenthaltsrecht als "nur" eines zur Arbeitssuche gem. § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a FreizügG/EU bzw. § 23 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGB XII und ist auch nicht gleichzusetzen mit einem Aufenthalt ohne materielle Freizügigkeitsberechtigung, für den ein solcher "Erst-Recht-Schluss" zulässig ist.

Hält man daher entgegen der hier vertretenen Auffassung und mit der des BSG Leistungen nach dem SGB XII für erwerbsfähige EU-Bürger nicht schon wegen § 21 Satz 1 SGB XII für ausgeschlossen, besitzen Personen, die nicht unter § 23 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 SGB XII fallen, in den ersten drei Monaten ihres Deutschlandaufenthalts einen gebundenen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt in gesetzlichem Umfang nach §§ 23 Abs. 1 Satz 1, 27 ff. SGB XII, in den Monaten 4 bis 6 hingegen nur einen Anspruch auf eine fehlerfreie Ermessensentscheidung nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII und erst nach Ablauf von insgesamt 6 Monaten, also ab dem 7. Monat, wegen einer Ermessensreduzierung auf Null wieder einen Anspruch nach §§ 27 ff. SGB XII (vgl. zu dieser sich aus dem Ansatz des BSG ergebenden, kaum nachvollziehbaren sozialleistungsrechtlichen "Achterbahnfahrt" bereits den Beschluss der Kammer vom 18.04.2016 – S 32 AS 380/16 ER – juris (Rn. 151); ebenso SG Dortmund, Beschluss vom 20.09.2016 – S 62 SO 403/16 ER – juris (Rn. 63 f.)).

Die Kammer bleibt zudem dabei, dass die verschiedentlich sinngemäß vertretene Auffassung, in einstweiligen Rechtsschutzverfahren wie dem vorliegenden müssten die Instanzgerichte – etwa auf der Grundlage einer Folgenabwägung bzw., weil in der Hauptsache spätestens in der Revisionsinstanz das Rechtsschutzbegehren sicher Erfolg haben werde – im Ergebnis entgegen der eigenen richterlichen Überzeugung davon, was geltendem Recht entspricht, entscheiden und auf der Grundlage der Rechtsprechung des BSG Leistungen nach dem SGB XII zusprechen (vgl. insbesondere LSG NRW, Beschluss vom 18.04.2016 – L 6 AS 2249/15 B ER, L 6 AS 21/16 B – juris (Rn. 22 ff.) und Beschluss vom 21.04.2016 – L 6 AS 389/16 B ER – juris (Rn. 24 ff.)) nicht überzeugt.

An ihren Ausführungen zu diesem Thema in dem Beschluss vom 20.07.2016 – S 32 AS 3037/16 ER – juris (Rn. 66 ff.) hält die Kammer vollumfänglich fest.

Ergänzend hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang noch auf die zutreffende, kritische Anmerkung von Bittner in SGb 2016, 399 zu dem o. g. Beschluss des LSG NRW vom 18.04.2016 und auf die an den Beschluss der Kammer vom 20.07.2016 anknüpfenden, sehr überzeugenden Ausführungen der 62. Kammer des SG Dortmund im Beschluss vom 20.09.2016 – S 62 SO 403/16 ER – juris (Rn. 87 ff.).

Die 62. Kammer hat dort ausgeführt:

"Der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung maßgebliche § 86b Abs. 2 SGG verweist in Satz 3 darauf, dass die §§ 920, 921, 923, 926, 928, 929 Absatz 1 und 3, die §§ 930 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend gelten. § 920 Abs.2 ZPO führt aus, dass der Anspruch und der Arrestgrund glaubhaft zu machen sind. Diese gesetzlichen Vorgaben führen bei der Prüfung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung dazu, dass der Anordnungsanspruch (der verfolgte materiell-rechtliche Anspruch) und der Anordnungsgrund (die Dringlichkeit der erstrebten vorläufigen Regelung) zu prüfen sind (Lutz Wehrhahn in: Breitkreuz/Fichte, § 86b, Rn. 57). Regelmäßig findet nur eine summarische Prüfung des Anordnungsanspruchs statt. Die Begrifflichkeit der "summarischen Prüfung" bedeutet, dass keine vollständige und erschöpfende Aufklärung der Sach- und Rechtslage vorzunehmen ist, wie dies in einem Hauptsacheverfahren der Fall ist (Lutz Wehrhahn in: Breitkreuz/Fichte, § 86b, Rn. 65). Diese "herabgesetzte" Anforderung an die Aufklärung der Sach- und Rechtslage folgt daraus, dass dem erkennenden Gericht im Eilverfahren im Vergleich zum Hauptsacheverfahren nur eine deutlich kürzere Zeitspanne zur Verfügung steht. Ist für die abschließende Klärung der Sach- und Rechtslage ein Zeitaufwand erforderlich, durch dessen Inanspruchnahme das dem Wesen des Eilrechtsschutzes immanente Bedürfnis nach einer schnellen Entscheidung vereitelt würde, kann und muss das Gericht zunächst auch ohne eine vollständige Entscheidungsgrundlage eine vorläufige Entscheidung treffen.

Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Zusammenhang in verschiedenen Beschlüssen herausgearbeitet, unter welchen Umständen die gerichtliche Entscheidung in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG abweichend von den vorstehenden Maßstäben nicht auf der Grundlage einer abschließenden oder summarischen Prüfung von Anordnungsanspruch und -grund, sondern auf der Grundlage einer sogenannten Folgenabwägung, nämlich der Gegenüberstellung der durch den im Eilverfahren betroffenen grundrechtlichen Belange der Prozessbeteiligten, erfolgen darf.

Hierzu heißt es exemplarisch im stattgebenden Kammerbeschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 –, Rn. 26, juris): "Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden."

Im Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 06. Februar 2013 – 1 BvR 2366/12 –, Rn. 3, juris, wird ausgeführt: "Je gewichtiger die drohende Grundrechtsverletzung und je höher ihre Eintrittswahrscheinlichkeit ist, desto intensiver hat die tatsächliche und rechtliche Durchdringung der Sache bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu erfolgen (vgl. BVerfGE 79, 69 (75)). Ist eine der drohenden Grundrechtsverletzung entsprechende Klärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich - etwa weil es dafür weiterer, in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu verwirklichender tatsächlicher Aufklärungsmaßnahmen bedürfte -, ist es von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn die Entscheidung über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes dann auf der Grundlage einer Folgenabwägung erfolgt."

Weiter führt das BVerfG im Nichtannahmebeschluss vom 06. August 2014 – 1 BvR 1453/12 –, Rn. 12, juris, aus: "Das Landessozialgericht hat die Erfolgsaussichten der Hauptsache summarisch geprüft und verneint, so dass für eine Folgenabwägung kein Raum verblieb. Insoweit es davon ausging, dass der Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht worden sei, hat es die Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG an den Eilrechtsschutz nicht verkannt."

Sämtliche dieser - nur exemplarisch dargestellten - Ausführungen haben miteinander gemeinsam, dass für eine von der Grundkonzeption des § 86b Abs. 2 SGG Folgenabwägung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur Raum verbleibt, wenn dem Gericht eine Klärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist. Dies betrifft zur Überzeugung der Kammer maßgeblich Fallgestaltungen, in denen eine aufwändige Sachverhaltsaufklärung (Zeugenvernehmung, Beziehung von Unterlagen) erforderlich, diese Aufklärung aber mit dem Erfordernis schnellen Rechtsschutzes nicht in Einklang zu bringen wäre. Bei geklärtem Sachverhalt ist eine Folgenabwägung nur in Ausnahmefällen zulässig, z. B. wenn sich für den entscheidenden Spruchkörper eine neuartige, durch kurzfristige Recherche nicht zu lösende Rechtsfrage stellt, und der für die Einarbeitung erforderliche Zeitaufwand auch hier nicht mit dem Erfordernis schnellen Rechtsschutzes vereinbar ist. Stellt sich dieselbe Rechtsfrage dem Spruchkörper in verschiedenen einstweiligen Rechtsschutzverfahren aber immer wieder, ist ihm eine Meinungsbildung in der Rechtsfrage auch dann möglich, wenn er immer wieder kurzfristig über diese zu befinden hat. Es ist dagegen nach den vorab dargestellten Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Überzeugung der Kammer nicht zulässig, gegebenenfalls über Jahre hinweg die Möglichkeit der Klärung derselben Rechtsfrage unter Bezugnahme auf die Erforderlichkeit der Gewährung zügigen Rechtsschutzes zu verneinen und im Wege eines "Automatismus" unter Bezugnahme auf eine Folgenabwägung Leistungen zuzusprechen.

Im vorliegenden Verfahren verbleibt nach dem Vorstehenden für eine Folgenabwägung kein Raum: Zur Überzeugung der Kammer besteht - bei insoweit geklärter Sach- und Rechtslage im vorliegenden Fall weder ein Anspruch der Antragstellerin auf die Gewährung laufender Leistungen nach dem SGB XII noch auf die Gewährung laufender Leistungen nach dem SGB II.

Die Kammer hält es im Lichte von Art. 97 Abs. 1 GG auch weder für geboten noch für vertretbar, einen Anordnungsanspruch entgegen dem Ergebnis ihrer eigenen rechtlichen Prüfung deshalb anzunehmen, weil die Antragstellerin nach dem jetzigen Sachstand mit ihrem Begehren jedenfalls in einem möglichen Revisionsverfahren in der Hauptsache durchdringen dürfte:

Der mit einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren befasste Spruchkörper führt die Prüfung von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund in eigener Zuständigkeit durch. Gemäß Art. 97 Abs.1 GG ist er hierbei unabhängig und nur dem Gesetze unterworfen. Auch eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung entfaltet eine solche Gesetzeskraft nicht.

Hierzu hat das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 26. Juni 1991 – 1 BvR 779/85 –, BVerfGE 84, 212-232, Rn. 42, ausdrücklich ausgeführt: "Höchstrichterliche Urteile sind kein Gesetzesrecht und erzeugen keine damit vergleichbare Rechtsbindung. Von ihnen abzuweichen, verstößt grundsätzlich nicht gegen Art. 20 Abs. 3 GG. Ihr Geltungsanspruch über den Einzelfall hinaus beruht allein auf der Überzeugungskraft ihrer Gründe sowie der Autorität und den Kompetenzen des Gerichts."

Weiter hat es darauf verwiesen, dass "die Rechtspflege ( ) durch die Unabhängigkeit der Richter (Art. 97 GG) konstitutionell uneinheitlich" sei (BVerfG, Beschluss vom 26. April 1988 – 1 BvR 669/87, 1 BvR 686/87, 1 BvR 687/87 –, BVerfGE 78, 123-127, Rn. 10, juris).

Dem ist nichts hinzuzufügen. Etwas anderes kann für das einstweilige Rechtsschutzverfahren auch nicht daraus abgeleitet werden, dass hier - anders als im Hauptsacheverfahren - die Möglichkeit eines "Gangs zum Bundessozialgericht" mit der Aussicht einer nachträglichen Korrektur nicht besteht. Die in der vorliegenden Fallgestaltung unterschiedliche "Chancenverteilung" für die Antragsteller im einstweiligen Rechtsschutz- und im Hauptsacheverfahren beruht allein auf der gesetzgeberisch gewollten unterschiedlichen Ausgestaltung von einstweiligem Rechtsschutzverfahren (als zweistufigem Verfahren) und Hauptsacheverfahren (mit maximal drei Instanzen) und dem der Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung geschuldeten "Zufallsergebnis", dass die dritte Instanz in der hier zu beurteilenden Rechtsfrage momentan einheitlich, die zweite Instanz als "letzte Instanz" des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens aber nach jeweils eigenständiger und unabhängiger Prüfung uneinheitlich entscheidet. Zu ähnlichen Divergenzen zwischen einstweiligem Rechtsschutzverfahren und Hauptsacheverfahren kann es auch in Fallkonstellationen kommen, in denen bei einem Berufungs-/ Beschwerdestreitwert bis zu EUR 750,- wegen einer Abweichung von der höherrangigen Rechtsprechung im Hauptsacheverfahren die Berufung nach § 144 Abs.1 Satz 1 Nr.2 SGG zuzulassen wäre, für eine "Zulassung der Beschwerde" im einstweiligen Rechtsschutzverfahren aber mangels gesetzlicher Grundlage kein Raum besteht. Dass in der letztgenannten Konstellation eine "Quasi-Bindung" der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren abschließend entscheidenden ersten Instanz an die Rechtsprechung des Landessozialgerichts eingefordert wird, ist der Kammer nicht bekannt.

Vor diesem Hintergrund ist der Rechtsprechung der am einstweiligen Rechtsschutzverfahren nach dem Willen des Gesetzgebers gar nicht beteiligten Revisionsinstanz keine weitergehende Bindungswirkung einzuräumen, als ihr im Übrigen zukommt."

Die Kammer hatte schließlich nicht darüber zu entscheiden, ob und ggf. auf welcher Rechtsgrundlage, von Seiten welches Leistungsträgers, in welchem Umfang und für welche Zeitspanne im Fall des Antragstellers die Erbringung von Leistungen zur Übernahme der Kosten der Rückreise und des bis dahin erforderlichen Aufenthalts (Überbrückungsleistungen) in Betracht zu ziehen gewesen sein könnte.

Hierzu wird einerseits vertreten, dass derartige Leistungen vom SGB XII-Träger geschuldet sein können (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15.11.2013 – L 15 AS 365/13 B ER – juris (Rn. 66 f.)), und andererseits, dass grundsätzlich der SGB II-Träger "zuständig" sein soll, soweit noch nicht durch eine Verlustfeststellung eine Ausreisepflicht (§ 7 FreizügG/EU) begründet worden und diese entweder durch Eintritt der Bestandskraft oder durch Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO (§ 84 AufenthG ist nicht anwendbar, weshalb Rechtsbehelfe gegen eine Verlustfeststellung aufschiebende Wirkung besitzen) vollziehbar geworden ist (vgl. Hessisches LSG, Beschluss vom 22.05.2015 – L 4 SO 31/15 B ER – juris (Rn. 25)).

Durch Entstehung einer vollziehbaren Ausreisepflicht würde es schließlich wohl zur Anwendung von § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG i. V. m. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II kommen (so jdf. Hessisches LSG, Beschluss vom 05.02.2015 – L 6 AS 883/14 B ER – juris (Rn. 12); a. A. wohl Frerichs in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 1 AsylbLG, Rn. 43).

Der Antragsteller beabsichtigt nicht, Deutschland zu verlassen, und hat weder bei der Beklagten oder der Beigeladenen noch bei Gericht derartige Überbrückungsleistungen beantragt. Er strebt vielmehr ausschließlich laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für einen dauerhaften Verbleib in Deutschland an.

Bei diesen begehrten laufenden Leistungen handelt es sich um einen qualitativ anderen Streitgegenstand als bei Überbrückungsleistungen. Das Gericht hatte daher nicht – gewissermaßen als minus zu dem Begehren des Antragstellers – über solche Leistungen zu entscheiden.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und trägt dem vollständigen Unterliegen des Antragstellers Rechnung.

Veranlassungsgesichtspunkte, die eine andere Kostenverteilung rechtfertigen könnten, sind nicht erkennbar.

4. Die Entscheidung über den mit Einreichung der Eilantragsschrift gestellten Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe beruht auf § 73a SGG i. V. m. §§ 114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO). Maßgeblich sind aufgrund des Zeitpunktes der Antragstellung nach § 40 des Gesetzes, betreffend die Einführung der Zivilprozeßordnung (EGZPO), der Übergangsvorschrift zum Gesetz zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts, die §§ 114 ff. ZPO in der ab dem 01.01.2014 geltenden Fassung.

Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Der Antragsteller kann die Kosten der Prozessführung nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht aufbringen.

Die Rechtsverfolgung erscheint auch nicht mutwillig und die Beiordnung eines Rechtsanwaltes war unter Berücksichtigung der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage erforderlich.

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bot schließlich auch trotz der vorstehenden Erwägungen zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife die erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht:

Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht, wenn das Gericht nach vorläufiger Prüfung den Standpunkt des Antragstellers auf Grund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 73a Rn. 7 ff.; LSG NRW, Beschluss vom 09.09.2013 – L 6 AS 1177/13 B – juris (Rn. 13)). Der Erfolg braucht nicht sicher zu sein, muss aber nach den bisherigen Umständen eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich haben. Ist ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte, darf der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt werden. Wird eine Rechtsfrage aufgeworfen, die in der Rechtsprechung noch nicht geklärt, aber klärungsbedürftig ist, muss Prozesskostenhilfe ebenfalls bewilligt werden. Klärungsbedürftig in diesem Sinn ist nicht bereits jede Rechtsfrage, die noch nicht höchstrichterlich entschieden ist. Vielmehr ist maßgeblich, ob die entscheidungserhebliche Rechtsfrage im Hinblick auf die einschlägige gesetzliche Regelung oder die durch die bereits vorliegende Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen schwierig erscheint. Ist dies der Fall, muss die bedürftige Person die Möglichkeit haben, ihren Rechtsstandpunkt im Hauptsacheverfahren zu vertreten und ggf. Rechtsmittel einlegen zu können (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 09.09.2013 – L 6 AS 1177/13 B – juris (Rn. 13) m. w. N.). Eine hinreichende Erfolgsaussicht ist dabei anhand konkret zu bezeichnender und darzulegender Tatsachen schlüssig und substantiiert unter Angabe der Beweismittel aufzuzeigen. Insoweit hat ein Rechtschutzsuchender eine Darlegungsobliegenheit, die auch unter Berücksichtigung des Amtsermittlungsgrundsatzes im sozialgerichtlichen Verfahren gilt. Es ist das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel darzustellen und wenigstens im Kern deutlich zu machen, auf welche Beanstandung die Klage gestützt wird (vgl. hierzu LSG NRW, Beschluss vom 16.10.2013 – L 19 AS 1057/13 B – juris (Rn. 15) m. w. N.; BVerfG, Beschluss vom 25.04.2012 – 1 BvR 2869/11NZS 2012, 739 = juris; BVerfG, Beschluss vom 14.04.2010 – 1 BvR 362/10 – juris; BVerfG, Beschluss vom 20.10.1993 – 1 BvR 1686/93 – juris; vgl. auch Burkiczak, NZS 2011, 326 (328)).

Die Kammer geht zudem davon aus, dass es ausreicht, dass für eine "hilfsweise" Rechtsverfolgung gegenüber einer gem. § 75 Abs. 2 Alt. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) notwendig Beigeladenen/Beizuladenden im Hinblick auf § 75 Abs. 5 SGG eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht (vgl. insoweit LSG NRW, Beschluss vom 04.03.2010 – L 1 B 34/09 AS – juris; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 30.09.2011 – L 1 AL 70/11 B – juris; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 16.09.2013 – L 8 SO 10/13 B – juris).

Das Eilrechtsschutzbegehren hatte nach diesem Maßstab eine hinreichende Aussicht auf Erfolg i. S. v. § 114 ZPO.

Die hinreichenden Erfolgsaussichten ergeben sich nach Meinung der Kammer im vorliegenden Fall schon daraus, dass hier nach der Rechtsauffassung des 4. und des 14. Senats des BSG ein Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Gewährung von Leistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII oder ggf. aufgrund einer Ermessensreduzierung auf Null ein (quasi) gebundener Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII i. V. m. §§ 27 ff. SGB XII, gegen die gem. § 75 Abs. 2 Alt. 2 SGG notwendig Beigeladene bestehen könnte – bzw. besteht, wenn der Antragsteller hilfebedürftig ist, was die Kammer nach ihrem Rechtstandpunkt offen lassen konnte – und weil daher nach dieser Rechtsauffassung eine einstweilige Anordnung gegenüber der Beigeladenen zu erlassen gewesen sein dürfte; das Bestehen des hierfür außerdem erforderlichen Anordnungsgrundes – das die Kammer nach ihrem Rechtstandpunkt ebenfalls offen lassen konnte – erscheint hinreichend wahrscheinlich.

Dass die Kammer die Rechtsauffassung des BSG nicht teilt sondern die Gegenauffassung vertritt, nach der sowohl § 21 SGB XII als auch § 23 Abs. 3 SGB XII der Gewährung von Leistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 3 XII an erwerbsfähige Hilfebedürftige, die EU-Staatsangehörige sind, entgegenstehen und die Gewährung von existenzsichernden Leistungen an EU-Ausländer auch nicht verfassungsrechtlich geboten ist, ändert nichts daran, dass ein Rechtsstandpunkt des Antragstellers, der auf dieser Auffassung des BSG beruhen würde, nur als vertretbar im Sinne des für die Beurteilung der hinreichenden Erfolgsaussichten i. S. v. § 114 ZPO anzulegenden Maßstabs gewertet werden kann. Zudem hat der Antragsteller hier ausdrücklich "hilfsweise" diesen Rechtsstandpunkt eingenommen, wobei dies nicht zwingend erforderlich gewesen wäre (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 03.12.2015 – B 4 AS 44/15 R – juris (Rn. 13)).
Rechtskraft
Aus
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