Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
SG Lübeck (SHS)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 3 KR 1461/04
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Sozialgericht Lübeck Az.: S 3 KR 1461/04 Im Namen des Volkes Urteil In dem Rechtsstreit H B , W straße , L , - Kläger - gegen Barmer Ersatzkasse, vertreten durch den Vorstand, Lichtscheider Straße 89 - 95, 42285 Wuppertal, Gz.: - - ( )- - / - Beklagte - hat die 3. Kammer des Sozialgerichts Lübeck auf die mündliche Verhandlung vom 18. August 2005 durch den Richter am Sozialgericht Otten sowie die ehrenamtliche Richterin Schippmann-Wernau und den ehrenamtlichen Richter Schliepat f ü r R e c h t e r k a n n t: Der Bescheid der Beklagten vom 12.07.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2004 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die Zuzahlung für das Arzneimittel Kalymin für die Zeit von März 2004 bis zum Oktober 2004 in Höhe von insgesamt 20,16 EUR zu erstatten. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger für von ihm wegen Arzneimitteln geleistete Zuzahlungen teilweise zu erstatten hat.
Der am ...1936 geborene Kläger ist bei der Beklagten versichert. Ihm wird regelmäßig das Arzneimittel Kalymin 60 N verordnet. Die maximale Packungsgröße dieses Arzneimittels (N 3) beträgt 100 Tabletten pro Packung. In der Zeit von Februar bis Oktober 2004 hatte der behandelnde Arzt des Klägers in seinen Verordnungen jeweils 200 Tabletten Kalymin 60 N aufgeführt. Aufgrund dieser Verordnungen erhielt der Kläger am 01.03.2004, am 29.03.2004, am 25.05.2004, am 24.06.2004, am 02.08.2004, am 21.09.2004 und am 28.10.2004 jeweils zwei Packungen Kalymin 60 N zu je 100 Stück. Der Abgabepreis pro Packung betrug 35,59 EUR. Der Kläger leistete Zuzahlungen in Höhe von jeweils 5,00 EUR pro Packung.
Mit einem am 02.07.2004 bei der Beklagten eingegangen Schreiben stellte der Kläger einen Antrag auf Erstattung der von ihm in der Zeit von März bis Juni 2004 geleisteten Zuzahlungen, soweit sie über den Betrag von 10 % des Gesamtabgabepreises in Höhe von 71,18 EUR hinausgingen. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12.07.2004 ab.
Dagegen erhob der Kläger Widerspruch und beantragte zusätzlich die teilweise Erstattung der von ihm in der Zeit von August bis Oktober 2004 geleisteten Zuzahlungen.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 10.11.2004 zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Der Kläger habe keinen Anspruch auf teilweise Erstattung der von ihm geleisteten Zuzahlungen. Er habe gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 61 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zu jeder Packung des Arzneimittels Kalymin N 60 5,00 EUR als Zuzahlung zu leisten. § 31 Abs. 3 Satz 1 SGB V schreibe ausdrücklich vor, dass die Zuzahlung zu jedem zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordneten Arzneimittel zu leisten sei. Gemäß § 31 Abs. 4 SGB V in Verbindung mit § 2 Abs. 4 der Packungsgrößenverordnung in der Fassung vom 22.06.2004 sei es der Apotheke nicht möglich gewesen, eine größere Packung als N 3 (100 Stück) abzugeben. Der Apotheker habe deshalb zwei Packungen á 100 Stück Tabletten geben müssen.
Gegen diesen Widerspruchsbescheid hat der Kläger mit dem am 06.12.2004 beim Sozialgericht Lübeck eingegangenen Schriftsatz Klage erhoben. Zur Begründung führt im Wesentlichen aus: Die Beklagte habe zu Unrecht seinen Antrag auf teilweise Erstattung der Zuzahlungen abgelehnt. Nach dem Wortlaut von § 31 Abs. 3 und § 61 Abs. 1 SGB V seien Zuzahlungen für ein Medikament, nicht aber für Packungen zu leisten. Bei der Bestimmung der Höhe der Zuzahlung sei daher nicht mehr wie nach dem alten Recht auf die Zahl und die Größe der Packungen, sondern auf die Anzahl der Arzneimittel abzustellen. Aus diesem Grunde habe er gemäß § 61 Satz 1 SGB V lediglich 10 % des Abgabepreises in Höhe von insgesamt 71,18 EUR, mithin 7,12 EUR pro Verordnung des Arzneimittels Kalymin 60 N und nicht zweimal 5,00 EUR, mithin 10,00 EUR zu zahlen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 12.07.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die Zuzahlung des Arzneimittels Kalymin für die Zeit von März 2004 bis zum Oktober 2004 in Höhe von insgesamt 20,16 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf den Inhalt des angefochtenen Widerspruchsbescheides.
Der Kammer haben neben der Gerichtsakte die den streitbefangenen Vorgang betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten (1 Band) vorgelegen. Diese Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, da sie gemäß § 54 Abs. 1 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft ist, Form und Frist der Klageerhebung gemäß §§ 87, 90 SGG gewahrt sind und auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen vorliegen.
Die Klage ist auch begründet.
Die angefochtenen Bescheide der Beklagten halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Kläger hat einen Anspruch auf Erstattung der Zuzahlung für das Arzneimittel Kalymin 60 N für die Zeit von März bis zum Oktober 2004 in Höhe von insgesamt 20,16 EUR. Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch. Der öffentlich- rechtliche Erstattungsanspruch ist ein eigenständiges Rechtsinstitut, das den Ausgleich einer ungerechtfertigten Vermögensverschiebung im Rahmen eines öffentlich rechtlichen Rechtsverhältnisses bezweckt. Er bietet unter anderem die Grundlage für einen Anspruch auf Erstattung von Zahlungen, die ein Versicherter an einen Versicherungsträger ohne Rechtsgrund geleistet hat. Dieser Tatbestand liegt hier vor. Der Kläger hat in der Zeit von März bis Oktober 2004 im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses Zahlungen in Höhe von insgesamt 20,16 EUR ohne Rechtsgrund an die Beklagte geleistet.
Die Zuzahlungen für das Arzneimittel Kalymin 60 N wurden innerhalb des zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehenden Sozialrechtsverhältnis, mithin im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses geleistet. Grundlage der Zahlungen war § 31 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 61 Satz 1 SGB V in der Fassung des Gesetzes vom 14.11.2003 ( BGBl. I 2190 ) und damit Normen des öffentlichen Rechts.
Empfänger der Leistungen des Klägers im Sinne des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruches war auch die Beklagte. Sie ist ist in Bezug auf die Zuzahlung Inhaberin der Forderung gegenüber dem Versicherten ( BSGE 69,301; 75,167 ). Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger an den Apotheker gezahlt hat. Der Apotheker ist nicht Empfänger der Leistung des Klägers. Er ist gemäß § 43 b Abs. 1 S. 1 SGB V als Leistungserbringer verpflichtet, die Zuzahlung einzuziehen und mit seinem Vergütungsanspruch gegenüber der Krankenkasse zu verrechnen. Die Zuzahlung des Versicherten kommt daher der Krankenkasse zugute. Der Anspruch des Leistungserbringers gegenüber der Kasse verringert sich in Höhe der geleisteten Zuzahlung.
Für die Zuzahlung des Klägers in der Zeit von März bis Oktober 2004 fehlt es in Bezug auf den Teilbetrag von 20,16 EUR an einer Rechtsgrundlage.
§ 31 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 61 Satz 1 SGB V kann nicht als Grundlage der Zahlung des streitbefangenen Betrages herangezogen werden. Gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 SGB V leisten Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, zu jedem zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordneten Arznei- und Verbandmittel an die abgebende Stelle als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 SGB V ergebenden Betrag, jedoch jeweils nicht mehr als die Kosten des Mittels. Gemäß § 61 Satz 1 SGB V betragen Zuzahlungen, die Versicherte zu leisten haben, 10 v. H. des Abgabepreises, mindestens jedoch 5,00 EUR und höchstens 10,00 EUR; allerdings jeweils als nicht mehr als die Kosten des Mittels. Diese Vorschriften bieten keine Grundlage dafür, bei der Abgabe von mehreren Packungen desselben (Fertig-)Arzneimittels eine Zuzahlung für jede Packung einzeln zu erheben. § 31 Abs. 3 Satz 1 SGB V stellt nach seinem Wortlaut auf das Arzneimittel, nicht aber auf die jeweilige Packung ab. Entsprechendes gilt für § 61 Satz 1 SGB V. Dort wird im zweiten Halbsatz ebenfalls auf das "Mittel" abgestellt. Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist demgemäß lediglich eine Zuzahlung pro Arzneimittel zulässig.
Diesem Ergebnis steht auch nicht § 31 Abs. 4 Satz 1 SGB V entgegen. Nach dieser Vorschrift bestimmt das BMGS durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates das Nähere zu therapiegerechten und wirtschaftlichen Packungsgrößen. Diese Rechtsverordnung ist bislang nicht in Kraft getreten.
Die Pflicht zur Zuzahlung in Höhe des streitbefangenen Betrages findet auch keine Grundlage in der Verordnung über die Zuzahlung bei der Abgabe von Arznei- und Verbandmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung vom 09.09.1993 (BGBl I, 1557) in der Fassung vom 12.11.2002 (BGBl I, 4409). Diese Rechtsverordnung gilt zwar gemäß Artikel 25 in Verbindung mit Artikel 37 Abs. 6 des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003 bis zum Inkrafttreten der nach § 31 Abs. 4 Satz 1 SGB V n. F. zu erlassenden Verordnung weiter. Sie bietet jedoch keine hinreichende Grundlage für eine Pflicht des Versicherten zur Leistung von Zuzahlungen für Arzneimittel je Packung. Die Verordnung regelt lediglich die Zuordnung von Packungsgrößen zu den Zuzahlungsstufen. Eine Pflicht des Versicherten, bestimmte Zuzahlungen zu leisten, wird in der Verordnung nicht geregelt. Diese Regelung war in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung des § 31 Abs. 3 SGB V enthalten. Durch die Änderung des Gesetzes mit Wirkung ab 01.01.2004 ist die gesetzliche Grundlage für eine nach der Anzahl der Packungen ausgerichteten Zuzahlung des Versicherten entfallen.
Der Regelung in Artikel 37 Abs. 6 des GKV-Modernisierungsgesetzes kann auch nicht der Willen des Gesetzgebers entnommen werden, dass die bis zum 31.12.2003 geltende Rechtslage fortbestehen soll. Da die Verordnung über die Zuzahlung bei der Abgabe von Arznei- und Verbandmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung vom 09.09.1993 keine Regelung enthält, die eine Zuzahlungspflicht des Versicherten dem Grunde nach festlegt, kann aus der Entscheidung, diese Verordnung weiter bestehen zu lassen, nicht darauf geschlossen werden, dass weiterhin eine Zuzahlung nach Maßgabe der Anzahl der Packungen bemessen werden soll. Unter Berücksichtigung des insoweit klaren Wortlauts des § 31 Abs. 3 Satz 1 SGB V in der ab 01.01.2004 geltenden Fassung ist vielmehr auf die Anzahl der Arzneimittel abzustellen.
Nach allem besteht für eine Pflicht des Klägers, Zuzahlungen von je 5,00 EUR pro Packung des Arzneimittels Kalymin 60 N zu leisten keine Grundlage. Der Kläger hatte vielmehr lediglich eine Zuzahlung in Höhe von 10 % des (Gesamt-) Abgabepreises des Arzneimittels, mithin 7,12 EUR zu zahlen. In Höhe des Differenzbetrages von 2,88 EUR hat die Beklagte je Verordnung eine Zuzahlung in Höhe 2,88 EUR ohne Rechtsgrund erhalten. Mithin hat der Kläger einen Erstattungsanspruch für die in der Zeit von März bis Oktober 2004 eingereichten 7 Verordnungen in Höhe von insgesamt 20,16 EUR.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Kammer hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Rechtsstreits die Berufung gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger für von ihm wegen Arzneimitteln geleistete Zuzahlungen teilweise zu erstatten hat.
Der am ...1936 geborene Kläger ist bei der Beklagten versichert. Ihm wird regelmäßig das Arzneimittel Kalymin 60 N verordnet. Die maximale Packungsgröße dieses Arzneimittels (N 3) beträgt 100 Tabletten pro Packung. In der Zeit von Februar bis Oktober 2004 hatte der behandelnde Arzt des Klägers in seinen Verordnungen jeweils 200 Tabletten Kalymin 60 N aufgeführt. Aufgrund dieser Verordnungen erhielt der Kläger am 01.03.2004, am 29.03.2004, am 25.05.2004, am 24.06.2004, am 02.08.2004, am 21.09.2004 und am 28.10.2004 jeweils zwei Packungen Kalymin 60 N zu je 100 Stück. Der Abgabepreis pro Packung betrug 35,59 EUR. Der Kläger leistete Zuzahlungen in Höhe von jeweils 5,00 EUR pro Packung.
Mit einem am 02.07.2004 bei der Beklagten eingegangen Schreiben stellte der Kläger einen Antrag auf Erstattung der von ihm in der Zeit von März bis Juni 2004 geleisteten Zuzahlungen, soweit sie über den Betrag von 10 % des Gesamtabgabepreises in Höhe von 71,18 EUR hinausgingen. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12.07.2004 ab.
Dagegen erhob der Kläger Widerspruch und beantragte zusätzlich die teilweise Erstattung der von ihm in der Zeit von August bis Oktober 2004 geleisteten Zuzahlungen.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 10.11.2004 zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Der Kläger habe keinen Anspruch auf teilweise Erstattung der von ihm geleisteten Zuzahlungen. Er habe gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 61 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zu jeder Packung des Arzneimittels Kalymin N 60 5,00 EUR als Zuzahlung zu leisten. § 31 Abs. 3 Satz 1 SGB V schreibe ausdrücklich vor, dass die Zuzahlung zu jedem zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordneten Arzneimittel zu leisten sei. Gemäß § 31 Abs. 4 SGB V in Verbindung mit § 2 Abs. 4 der Packungsgrößenverordnung in der Fassung vom 22.06.2004 sei es der Apotheke nicht möglich gewesen, eine größere Packung als N 3 (100 Stück) abzugeben. Der Apotheker habe deshalb zwei Packungen á 100 Stück Tabletten geben müssen.
Gegen diesen Widerspruchsbescheid hat der Kläger mit dem am 06.12.2004 beim Sozialgericht Lübeck eingegangenen Schriftsatz Klage erhoben. Zur Begründung führt im Wesentlichen aus: Die Beklagte habe zu Unrecht seinen Antrag auf teilweise Erstattung der Zuzahlungen abgelehnt. Nach dem Wortlaut von § 31 Abs. 3 und § 61 Abs. 1 SGB V seien Zuzahlungen für ein Medikament, nicht aber für Packungen zu leisten. Bei der Bestimmung der Höhe der Zuzahlung sei daher nicht mehr wie nach dem alten Recht auf die Zahl und die Größe der Packungen, sondern auf die Anzahl der Arzneimittel abzustellen. Aus diesem Grunde habe er gemäß § 61 Satz 1 SGB V lediglich 10 % des Abgabepreises in Höhe von insgesamt 71,18 EUR, mithin 7,12 EUR pro Verordnung des Arzneimittels Kalymin 60 N und nicht zweimal 5,00 EUR, mithin 10,00 EUR zu zahlen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 12.07.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die Zuzahlung des Arzneimittels Kalymin für die Zeit von März 2004 bis zum Oktober 2004 in Höhe von insgesamt 20,16 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf den Inhalt des angefochtenen Widerspruchsbescheides.
Der Kammer haben neben der Gerichtsakte die den streitbefangenen Vorgang betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten (1 Band) vorgelegen. Diese Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, da sie gemäß § 54 Abs. 1 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft ist, Form und Frist der Klageerhebung gemäß §§ 87, 90 SGG gewahrt sind und auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen vorliegen.
Die Klage ist auch begründet.
Die angefochtenen Bescheide der Beklagten halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Kläger hat einen Anspruch auf Erstattung der Zuzahlung für das Arzneimittel Kalymin 60 N für die Zeit von März bis zum Oktober 2004 in Höhe von insgesamt 20,16 EUR. Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch. Der öffentlich- rechtliche Erstattungsanspruch ist ein eigenständiges Rechtsinstitut, das den Ausgleich einer ungerechtfertigten Vermögensverschiebung im Rahmen eines öffentlich rechtlichen Rechtsverhältnisses bezweckt. Er bietet unter anderem die Grundlage für einen Anspruch auf Erstattung von Zahlungen, die ein Versicherter an einen Versicherungsträger ohne Rechtsgrund geleistet hat. Dieser Tatbestand liegt hier vor. Der Kläger hat in der Zeit von März bis Oktober 2004 im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses Zahlungen in Höhe von insgesamt 20,16 EUR ohne Rechtsgrund an die Beklagte geleistet.
Die Zuzahlungen für das Arzneimittel Kalymin 60 N wurden innerhalb des zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehenden Sozialrechtsverhältnis, mithin im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses geleistet. Grundlage der Zahlungen war § 31 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 61 Satz 1 SGB V in der Fassung des Gesetzes vom 14.11.2003 ( BGBl. I 2190 ) und damit Normen des öffentlichen Rechts.
Empfänger der Leistungen des Klägers im Sinne des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruches war auch die Beklagte. Sie ist ist in Bezug auf die Zuzahlung Inhaberin der Forderung gegenüber dem Versicherten ( BSGE 69,301; 75,167 ). Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger an den Apotheker gezahlt hat. Der Apotheker ist nicht Empfänger der Leistung des Klägers. Er ist gemäß § 43 b Abs. 1 S. 1 SGB V als Leistungserbringer verpflichtet, die Zuzahlung einzuziehen und mit seinem Vergütungsanspruch gegenüber der Krankenkasse zu verrechnen. Die Zuzahlung des Versicherten kommt daher der Krankenkasse zugute. Der Anspruch des Leistungserbringers gegenüber der Kasse verringert sich in Höhe der geleisteten Zuzahlung.
Für die Zuzahlung des Klägers in der Zeit von März bis Oktober 2004 fehlt es in Bezug auf den Teilbetrag von 20,16 EUR an einer Rechtsgrundlage.
§ 31 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 61 Satz 1 SGB V kann nicht als Grundlage der Zahlung des streitbefangenen Betrages herangezogen werden. Gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 SGB V leisten Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, zu jedem zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordneten Arznei- und Verbandmittel an die abgebende Stelle als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 SGB V ergebenden Betrag, jedoch jeweils nicht mehr als die Kosten des Mittels. Gemäß § 61 Satz 1 SGB V betragen Zuzahlungen, die Versicherte zu leisten haben, 10 v. H. des Abgabepreises, mindestens jedoch 5,00 EUR und höchstens 10,00 EUR; allerdings jeweils als nicht mehr als die Kosten des Mittels. Diese Vorschriften bieten keine Grundlage dafür, bei der Abgabe von mehreren Packungen desselben (Fertig-)Arzneimittels eine Zuzahlung für jede Packung einzeln zu erheben. § 31 Abs. 3 Satz 1 SGB V stellt nach seinem Wortlaut auf das Arzneimittel, nicht aber auf die jeweilige Packung ab. Entsprechendes gilt für § 61 Satz 1 SGB V. Dort wird im zweiten Halbsatz ebenfalls auf das "Mittel" abgestellt. Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist demgemäß lediglich eine Zuzahlung pro Arzneimittel zulässig.
Diesem Ergebnis steht auch nicht § 31 Abs. 4 Satz 1 SGB V entgegen. Nach dieser Vorschrift bestimmt das BMGS durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates das Nähere zu therapiegerechten und wirtschaftlichen Packungsgrößen. Diese Rechtsverordnung ist bislang nicht in Kraft getreten.
Die Pflicht zur Zuzahlung in Höhe des streitbefangenen Betrages findet auch keine Grundlage in der Verordnung über die Zuzahlung bei der Abgabe von Arznei- und Verbandmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung vom 09.09.1993 (BGBl I, 1557) in der Fassung vom 12.11.2002 (BGBl I, 4409). Diese Rechtsverordnung gilt zwar gemäß Artikel 25 in Verbindung mit Artikel 37 Abs. 6 des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003 bis zum Inkrafttreten der nach § 31 Abs. 4 Satz 1 SGB V n. F. zu erlassenden Verordnung weiter. Sie bietet jedoch keine hinreichende Grundlage für eine Pflicht des Versicherten zur Leistung von Zuzahlungen für Arzneimittel je Packung. Die Verordnung regelt lediglich die Zuordnung von Packungsgrößen zu den Zuzahlungsstufen. Eine Pflicht des Versicherten, bestimmte Zuzahlungen zu leisten, wird in der Verordnung nicht geregelt. Diese Regelung war in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung des § 31 Abs. 3 SGB V enthalten. Durch die Änderung des Gesetzes mit Wirkung ab 01.01.2004 ist die gesetzliche Grundlage für eine nach der Anzahl der Packungen ausgerichteten Zuzahlung des Versicherten entfallen.
Der Regelung in Artikel 37 Abs. 6 des GKV-Modernisierungsgesetzes kann auch nicht der Willen des Gesetzgebers entnommen werden, dass die bis zum 31.12.2003 geltende Rechtslage fortbestehen soll. Da die Verordnung über die Zuzahlung bei der Abgabe von Arznei- und Verbandmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung vom 09.09.1993 keine Regelung enthält, die eine Zuzahlungspflicht des Versicherten dem Grunde nach festlegt, kann aus der Entscheidung, diese Verordnung weiter bestehen zu lassen, nicht darauf geschlossen werden, dass weiterhin eine Zuzahlung nach Maßgabe der Anzahl der Packungen bemessen werden soll. Unter Berücksichtigung des insoweit klaren Wortlauts des § 31 Abs. 3 Satz 1 SGB V in der ab 01.01.2004 geltenden Fassung ist vielmehr auf die Anzahl der Arzneimittel abzustellen.
Nach allem besteht für eine Pflicht des Klägers, Zuzahlungen von je 5,00 EUR pro Packung des Arzneimittels Kalymin 60 N zu leisten keine Grundlage. Der Kläger hatte vielmehr lediglich eine Zuzahlung in Höhe von 10 % des (Gesamt-) Abgabepreises des Arzneimittels, mithin 7,12 EUR zu zahlen. In Höhe des Differenzbetrages von 2,88 EUR hat die Beklagte je Verordnung eine Zuzahlung in Höhe 2,88 EUR ohne Rechtsgrund erhalten. Mithin hat der Kläger einen Erstattungsanspruch für die in der Zeit von März bis Oktober 2004 eingereichten 7 Verordnungen in Höhe von insgesamt 20,16 EUR.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Kammer hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Rechtsstreits die Berufung gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
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