S 6 R 53/05

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Köln (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 6 R 53/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin, mit Ausnahme der Kosten des Beigeladenen, der seine Kosten selbst trägt.

Der Streitwert wird auf ... Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beigeladene seine Tätigkeit als Stromableser für die Klägerin im Rahmen eines abhängigen und damit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausübt.

Die Klägerin ist ein Energieversorgungsunternehmen und liefert im Südteil des Kreises Euskirchen Strom an Privat- und Geschäftskunden. Um den jährlichen Stromverbrauch ihrer Kunden festzustellen, beauftragt sie ca. 60 sogenannte Ortsbeauftragte, die im Zeitraum von Ende November bis Ende Dezember des jeweiligen Jahres den Stand der im Eigentum der Klägerin stehenden Stromzähler bei den Kunden ablesen. Die Ortsbeauftragten erhalten von der Klägerin ein Legitimationspapier, wonach ihnen unter Bezugnahme auf die Bestimmungen des Stromlieferungsvertrages der Zutritt zu den Grundstücken und Gebäuden der Kunden zu gestatten ist, soweit es für die Ausführung der Zählerablesung erforderlich ist.

Der Beigeladene war seit 1989 als ein solcher Stromableser für die Klägerin tätig. Während seiner Tätigkeit für die Klägerin ging er keiner anderen Beschäftigung oder Tätigkeit nach. Seine ursprüngliche Beschäftigung bei der Bundesbahn hatte er bereits 1985 beendet. Andere Auftraggeber neben der Klägerin hatte er nicht. Ein Gewerbe hatte er nicht angemeldet. Er führte auch keine Umsatzsteuer ab.

In der am 10.11.1989 zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen geschlossenen vertraglichen "Vereinbarung zur Ablesung der Zähler der ... sowie sonstiger Provisionstätigkeiten" hieß es u. a.:

"Wir bestätigen hiermit das zwischen Ihnen und uns geführte Gespräch von 10.11.1989 in dem Sie sich bereit erklärten, das Ablesen des Stromverbrauches einmal jährlich bis auf weiteres für uns zu übernehmen. Die Ihnen übertragene Ablesung der Stromzähler erfolgt nach unserer zeitlichen Vorgabe im Zeitraum Mitte Dezember eines laufenden Jahres bis Mitte Januar des Folgejahres. Die Zählerablesung, die anhand von Ablesebüchern vorzunehmen ist, ist in der Regel auf ihren Wohnort beschränkt. Wir behalten uns vor, die Ablesebezirke von Ablesung zu Ablesung neu zu verteilen und machen unsere Entscheidung wesentlich von dem vorjährigen Ableseergebnis der übertragenen Zähler abhängig.

Als unser Ortsbeauftragter übernehmen Sie im Zuge der Zählerablesung folgende weitere Tätigkeiten:

a) Die Meldung eines Wohnungswechsels bei Ein- und Auszug eines Stromkunden;

b) die Werbung eines Stromkunden zur Zahlung seiner Stromentgelte im Bankeinzugsverfahren;

c) die Meldung von Unregelmäßigkeiten am Zähler des Kunden, wie z. B. fehlende Plombierung des Zählers.

Die Ihnen übertragenen Tätigkeiten werden von Ihnen in selbständiger Arbeit ausgeführt und begründen kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis mit der K ... In der Gestaltung des von Ihnen übernommenen Auftrages sind Sie im Rahmen der von Ihnen erwarteten Sorgfaltspflicht frei. So ist es Ihnen überlassen, Ihre tägliche Arbeitszeit selbst zu bestimmen und im Verhinderungsfalle sich nach Ihrem Gutdünken durch Dritte, evtl. durch Familienangehörige, vertreten zu lassen."

Weiterhin wurde in der Vereinbarung die Provision, die der Beigeladene pro abzulesenden Zähler ( ... DM), pro gemeldeten Wohnungswechsel, pro unterschriebenem Bankabbuchungsauftrag und pro gemeldeter Unregelmäßigkeit beanspruchen konnte, festgelegt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die in der Verwaltungsakte der Beklagten befindliche Kopie der vertraglichen Vereinbarung Bezug genommen.

Auf der Grundlage dieser vertraglichen Vereinbarung erhielt der Beigeladene jedenfalls bis zum Jahre 2005 jeweils gegen Ende des Jahres den Auftrag, die Stromzähler im Bezirk Mechernich-Stremp und Kall-Broich abzulesen. Die Beauftragung des Beigeladenen erfolgte dabei teilweise auf telefonische Nachfrage des Beigeladenen hin, teilweise kontaktierte ihn aber auch die Klägerin selbst. Für den Ablesevorgang erhielt der Beigeladene von der Klägerin Listen, in denen die Adressen der einzelnen Kunden im Ablesebezirk und die einzelnen Zählernummern verzeichnet und die Zählerstände oder etwaige Unregelmäßigkeiten einzutragen waren. Um die jeweiligen Kunden aufzusuchen, benutzte der Beigeladene seinen PKW. Sonstige Hilfsmittel, wie eine Taschenlampe und Stifte, schaffte er auf eigene Kosten an. Wenn der Beigeladene einen Kunden nicht antraf, musste er ihn nach den Vereinbarungen mit der Klägerin ein zweites Mal aufsuchen. Traf er ihn auch beim zweiten Mal nicht an, warf er eine sogenannte Zählerkarte in den Briefkasten des Kunden. Auf dieser Zählerkarte wurde der Kunde darüber informiert, dass man ihn zweimal nicht angetroffen habe, und gebeten, den Stand seines Stromzählers selbst abzulesen und in der Karte einzutragen und diese dann direkt an die Klägerin zu schicken. Der Beigeladene vermerkte in diesen Fällen auf der ihm übergebenden Liste, dass er eine Zählerkarte hinterlassen habe. Auf der Liste trug der Beigeladene ebenfalls ein, welche Strecke er für den Ablesevorgang mit seinem PKW zurückgelegt hatte. Die ausgefüllten Listen holte die Klägerin nach Beendigung des Ablesevorgangs beim Beigeladenen ab. Auf der Grundlage der Eintragungen berechnete sie sodann die dem Beigeladenen zustehende Provision und zahlte sie an ihn aus. Dabei gewährte sie dem Beigeladenen auch ein Kilometergeld in Höhe von ... Euro pro Entfernungskilometer (einfache Strecke). Pro abgelesenem Zähler erhielt der Beigeladene eine Ableseprovision von zuletzt ... Euro.

Die Klägerin beantragte am 05.03.2004 die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Beigeladenen. Der Beigeladene gab dabei in dem Antragsformular unter anderem an, die Zählerstände der Stromkunden der Klägerin würden einmalig in vorbestimmten Orten abgelesen und auf Listen festgehalten. Die Ablesung werde innerhalb von ca. 5 Tagen im Dezember des jeweiligen Jahres vorgenommen. Als Anlage zu dem Antrag reichte die Klägerin eine zugunsten des Beigeladenen ausgestellte Ausgabeanweisung vom 16.01.2004 über die Abrechnung der Provision des Beigeladenen bei der Beklagten ein, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird.

Nach Anhörung der Beteiligten stellte die Beklagte mit Bescheid vom 15.06.2004 fest, dass der Beigeladene die Tätigkeit als Stromzählerableser für die Klägerin seit dem 10.11.1989 im Rahmen eines abhängigen und damit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe. Zur Begründung führte sie aus, der Beigeladene sei in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingebunden, da die Klägerin Weisungen, die Zeit, Ort, Dauer sowie die Art und Weise der Tätigkeit beträfen, erteile. In der Tätigkeit des Beigeladenen bestehe daher persönliche Abhängigkeit zum Auftraggeber.

Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, eine persönliche Abhängigkeit des Beigeladenen zur Klägerin sei bei einer Beauftragung mit einer einmaligen Provision in Höhe von ca ... Euro nicht gegeben. Der Beigeladene sei nicht in den Betrieb der Klägerin eingegliedert. Die Provision erfolge allein nach dem feststellbaren Ableseerfolg und könne durch Meldung von sonstigen Hinweisen, wie z. B. allgemeine Änderungshinweise, fehlende Plomben, Umzugsmeldungen oder ähnlichem jeweils erhöht werden. Die Klägerin verlange zudem keine persönliche Arbeitsleistung, da sich der Beigeladene nach seinem Gutdünken durch Dritte vertreten lassen könne. Der Ableseauftrag ergehe auch nur für den aktuellen Ablesezeitraum. Eine Wiederholungsbeauftragung sei abhängig von dem erzielten Ableseerfolg. Hinsichtlich der Arbeitszeit mache die Klägerin nur grobe Vorgaben. Innerhalb des Zeitraums Ende November bis Ende Dezember sei der Beigeladene in seiner Zeiteinteilung völlig frei. Der Beigeladene sei auch nicht in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert. Die Klägerin beschäftige auch keine Mitarbeiter mit den gleichen Aufgaben wie die Ableser als Arbeitnehmer. Die einmal jährlich stattfindende Ablesung aller Tarifkunden werde ausschließlich als selbständige Tätigkeit vergeben. Schließlich habe auch das zuständige Finanzamt Bonn-Innenstadt anläßlich einer für den Zeitraum vom 01.06.1993 bis zum 31.08.1997 durchgeführten Lohnsteueraußenprüfung die Tätigkeit der Ableser als selbständig angesehen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.01.2005, der der Klägerin am 18.01.2005 zugestellt wurde, wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Beigeladene unterliege den terminlichen und örtlichen Vorgaben der Klägerin und habe deshalb keinen Gestaltungsspielraum hinsichtlich Arbeitsort und Arbeitszeit. Er werde zudem nach außen hin als Mitarbeiter der Klägerin tätig. Er trage auch kein unternehmerisches Risiko. Seine Arbeitskraft setze er nicht mit ungewissem Erfolg ein. Ein unternehmerisches Risiko werde auch nicht durch die Benutzung des eigenen Kfz begründet. Schließlich oblägen dem Beigeladenen lediglich untergeordnete Arbeiten. Bei derartigen Arbeiten sei eine Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers eher anzunehmen, als bei gehobenen Tätigkeiten. Die Berechtigung, die Leistung durch Dritte erbringen zu lassen, schließe ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nicht aus, wenn die persönliche Leistungserbringung, so wie hier, die Regel sei.

Hiergegen richtet sich die am 17.02.2005 erhobene Klage, mit der die Klägerin ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt. Ergänzend führt sie aus, für eine selbständige Tätigkeit des Beigeladenen spreche auch, dass dieser nicht zur Aufgabenerfüllung verpflichtet sei und auch nicht etwa täglich seinen Dienst wie ein Arbeitnehmer zu erfüllen habe. Er besitze zudem ein hohes Maß an eigener Organsationshoheit und unterliege keinem Konkurrenzverbot. Auch könne der Ablesebezirk jederzeit wechseln.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 15.06.2004 und den Widerspruchsbescheid vom 12.01.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen festzustellen, dass der Beigeladene seine Tätigkeit als Stromableser nicht im Rahmen eines abhängigen und damit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis, sondern als Selbständiger ausgeübt hat und ausübt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie nimmt auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden Bezug und trägt ergänzend vor, für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung spreche auch, dass der Ablesevorgang inhaltlich vorgegeben sei. Die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten erhalte der Beigeladene vom Servicecenter der Klägerin. Über die zu verwendenden Materialien treffe er keine eigene Entscheidung. Er könne auch nicht von sich aus sein Arbeitsgebiet ändern.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 23.05.2005 den Personalleiter der Klägerin, Herrn E. P., und den Beigeladenen angehört. Wegen ihrer Angaben wird auf die Sitzungsniederschrift vom 23.05.2005 Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streit- und Verwaltungsakte der Beklagten sowie die darin befindlichen gewechselten Schriftsätze, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist unbegründet. Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert, denn die Bescheide sind rechtmäßig. Die Beklagte hat zu Recht im Verfahren nach § 7 a SGB IV festgestellt, dass der Beigeladene seine Tätigkeit als Stromableser für die Klägerin im Rahmen eines abhängigen und damit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausübt und ausgeübt hat.

Nach § 7 Abs. 1 SGB IV ist Beschäftigung die nicht selbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Ob der Beigeladene selbständig tätig war oder in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stand, richtet sich nach dieser Vorschrift und den von der Rechtsprechung für die Abgrenzung von selbständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung herausgearbeiteten Grundsätzen. Danach ist für die Bewertung einer Beschäftigung als abhängig ausschlaggebend, dass sie in persönlicher Abhängigkeit verrichtet wird. Diese äußert sich regelmäßig in der Eingliederung des Beschäftigten in den fremden Betrieb, sei es, dass er umfassend einem Zeit, Dauer und Ort der Arbeit betreffenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt, sei es auch nur, insbesondere bei Diensten höherer Art, dass er funktionsgerecht dienend am Arbeitsprozess des Arbeitgebers teil hat. Demgegenüber kennzeichnen eine selbständige Tätigkeit das eigene Unternehmensrisiko, die Verfügungsfreiheit über die eigene Arbeitskraft sowie die im Wesentlichen freigestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit. Weist im Einzelfall eine Tätigkeit sowohl Merkmale der Abhängigkeit wie der Selbständigkeit auf, kommt es bei der Beurteilung des Gesamtbildes darauf an, welche Merkmale überwiegen (vgl. Bundessozialgericht, SozR 2400 § 2 Nr 16; SozR 2200 § 165 Nr 45; SozR 2200 § 166 Nr 5; SozR 2200 § 1227 Nr 8 und 19). Dies richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, wobei die vertragliche Ausgestaltung im Vordergrund steht, die allerdings zurücktritt, wenn die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend davon abweichen (vgl. Bundessozialgericht, SozR 3-2400 § 7 Nr 13).

Die Kammer ist aufgrund der von ihr anzustellenden wertenden Betrachtung der Gesamtumstände des Falles zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beigeladene seine Tätigkeit als Stromableser für die Klägerin im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt hat. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass es durchaus Umstände gibt, die auf eine selbständige Tätigkeit des Beigeladenen hindeuten. Es überwiegen jedoch die für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Aspekte.

Der Beigeladene ist in die Betriebsorganisation der Klägerin eingegliedert und verrichtet weitgehend fremdbestimmte Arbeit. Hierfür spricht bereits, dass ihm lediglich untergeordnete Arbeiten obliegen, denn bei derartigen Arbeiten ist eher eine Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers anzunehmen, als bei gehobenen Tätigkeiten (vgl. Bundesfinanzhof, Urteil vom 24.07.1992, Az.: VI R 126/88, BFHE 169, 154 ff.). Der Beigeladene selbst hat seine Tätigkeit als einfach bezeichnet. Eine Schulung oder auch nur eine Einweisung benötigte er nicht. Aufgrund der geringen Anforderungen an seine Tätigkeit besaß der Beigeladene auch keine inhaltliche Gestaltungsfreiheit. Vielmehr gab ihm die Klägerin durch die ihm zur Verfügung gestellten Listen im einzelnen vor, was er zu tun hatte.

Auch hinsichtlich seines Arbeitsortes unterliegt er den Weisungen der Klägerin. Ein einseitiges Bestimmungsrecht der Klägerin hinsichtlich der Ablesebezirke ergibt sich bereits aus der vertraglichen Vereinbarung vom 10.11.1989. Darin behielt sich die Klägerin ausdrücklich vor, die Ablesebezirke von Ablesung zu Ablesung neu zu verteilen und damit einseitig zu verändern. Der Beigeladene hat in seiner Anhörung vor der Kammer ebenfalls die Einschätzung vertreten, dass er kein Mitspracherecht hinsichtlich des Ablesebezirks, in dem er tätig werden sollte, hat. Seine Äußerung, "Der Bezirk wird mir zugeteilt und damit fertig. Es liegt quasi in deren Ermessen, wo ich ablesen soll.", belegt plastisch das aus der Sicht des Beigeladenen bestehende einseitige Bestimmungsrecht der Klägerin.

Der Beigeladene ist auch in einer für Arbeitnehmer typischen Regelmäßigkeit in einem Zeitraum von 16 Jahren für die Klägerin tätig (vgl. zu diesem Aspekt Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 21.12.2004, Az.: L 5 KR 210/03). Diese Regelmäßigkeit ist bereits in der vertraglichen Vereinbarung vom 10.11.1989 angelegt, wonach der Beigeladene "bis auf weiteres" für die Klägerin als Ableser tätig werden sollte. Dies belegt, dass die Klägerin den Beigeladenen langfristig in ihre Planungen aufnehmen wollte. Zwar bedurfte die Beauftragung des Beigeladenen jedes Jahr einer erneuten Bestätigung. So hat der Beigeladene in seiner Anhörung ausgeführt, es habe jährlich gegen Ende des Jahres ein Telefongespräch stattgefunden, in dem geklärt wurde, ob der Beigeladene in dem betreffenden Jahr erneut als Ableser für die Klägerin tätig werden sollte. Es ist nach den Ausführungen des Beigeladenen und der Klägerin auch zutreffend, dass der Beigeladene die erneute Beauftragung hätte ablehnen können und die Klägerin auf eine erneute Beauftragung des Beigeladenen hätte verzichten können. Nicht zuletzt aus dem Umstand, dass die jährliche Erneuerung der Beauftragung des Beigeladenen nach dessen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung nicht nur auf seine, sondern auch auf die Initiative der Klägerin hin erfolgte, lässt sich jedoch schließen, dass die Klägerin grundsätzlich auf den Beigeladenen tatsächlich bis auf Weiteres zurückgreifen wollte. Für den Beigeladenen bestand zudem faktisch kein Anlass, eine Beauftragung durch die Klägerin abzulehnen.

Nach außen hin ist der Beigeladene auch wie ein Mitarbeiter der Klägerin aufgetreten. Den Kunden der Klägerin hat er sich nach seiner Einlassung in der mündlichen Verhandlung stets als Ortsbeauftragter der Klägerin zu erkennen gegeben. Als selbständiger Unternehmer oder Gewerbetreibender trat er den Kunden gegenüber nicht in Erscheinung. So hinterließ er, wenn er einen Kunden nicht antraf, nicht etwa seine Telefonnummer, damit sich der Kunde wegen evtl. Ausweichtermine an ihn wendete (vgl. demgegenüber den Sachverhalt im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 25.08.2005, Az.: L 5 KR 17/04). Vielmehr suchte er den Kunden ein zweites Mal auf und warf dann, wenn er ihn erneut nicht antraf, eine sog. Zählerkarte in den Briefkasten. Die Karten hatten die Kunden jedoch nicht an ihn, sondern direkt an die Klägerin zu schicken. Für diese Kunden entstand daher der Eindruck, als habe ein Angestellter der Klägerin die Ablesung vornehmen wollen und die Zählerkarte hinterlassen.

Kennzeichnend für die Eingliederung des Beigeladenen in dem Betrieb der Klägerin ist schließlich die Art und Weise der Abrechnung der Provision des Beigeladenen. So schrieb nicht etwa der Beigeladene der Klägerin eine Rechnung. Vielmehr nahm die Klägerin die Abrechnung anhand der vom Beigeladenen ausgefüllten Listen selbst vor. Auskunft darüber, wie sich seine Provision im Einzelnen berechnete, erhielt der Beigeladene von der Klägerin nur dann, wenn er ausdrücklich eine Aufschlüsselung verlangte. Der Beigeladene hat sich damit letztlich wie ein Arbeitnehmer hinsichtlich der Lohnabrechnung in die Hand der Klägerin gegeben.

Der Eingliederung des Beigeladenen in den Betrieb der Klägerin steht nicht entgegen, dass der Beigeladene hinsichtlich der Organisation des Ablesevorgangs und auch hinsichtlich seiner Zeiteinteilung keinen Weisungen durch die Klägerin unterlag. Angesichts der Einfachheit der von dem Beigeladenen zu erbringenden Arbeiten ergibt sich, was Ort, Zeit und Art seiner Tätigkeit anbetrifft, seine hinlängliche Weisungsgebundenheit dadurch, dass ihm ein Ablesebezirk zugewiesen und der zeitliche Rahmen, innerhalb dessen das Ablesen zu erfolgen hat, vorgegeben wurde (vgl. Bundesfinanzhof, Urteil vom 24.07.1992, Az.: VI R 126/88). Auch der Umstand, dass der Beigeladene seine Tätigkeit nicht persönlich erbringen musste, sondern nach seinem Belieben auch Dritte mit der Ablesung hätte beauftragen können, führt zu keiner anderen Bewertung. Faktisch hat der Beigeladene von dieser Delegationsbefugnis nach seinen eigenen Angaben nie Gebrauch gemacht. Angesichts der niedrigen Vergütung durch die Klägerin ist die Beschäftigung von dritten Personen gegen Entgelt durch den Beigeladenen zudem kaum denkbar, wenn noch ein Zwischengewinn verbleiben soll. Die danach bloß theoretisch bestehende Delegationsbefugnis hat daher keine gewichtige Bedeutung (vgl. dazu Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 21.12.2004, Az.: L 5 KR 210/03; Finanzgericht München, Urteil vom 18.02.2004, Az.: 10 K 4566/02).

Der Beigeladene trug in seiner Tätigkeit für die Klägerin auch kein nennenswertes unternehmerisches Risiko. Typischerweise besteht ein Unternehmerrisiko dann, wenn der Betreffende eigenes Kapital einsetzt, um einen im Zeitpunkt dieses Einsatzes ungewissen Unternehmensgewinn zu erzielen (vgl. BSG, SozR 2200 § 1227 Nr. 8). Ein Unternehmerrisiko wird aber auch dann getragen, wenn der Erfolg des Einsatzes der persönlichen Arbeitskraft ungewiss ist (vgl. BSG, SozR 2200 § 165 Nr. 45, 51, 63). Beides ist bei dem Beigeladenen nicht der Fall.

Eigenes Kapital hat er nicht in nennenswertem Umfange eingesetzt. Die von ihm selbst angeschafften Materialien, wie etwa eine Taschenlampe oder Stifte, sind günstig in jedem Supermarkt zu erwerben und erforderten, wie der Beigeladene in seiner Anhörung vor der Kammer selbst eingeräumt hat, keinen nennenswerten Kapitaleinsatz. Zudem handelt es sich um Gegenstände des täglichen Gebrauchs, die der Beigeladene auch privat nutzen konnte und dies sicherlich auch getan hat. Die Benutzung des eigenen PKW s stellt keinen risikobehafteten Kapitaleinsatz dar, denn die Klägerin erstattete dem Beigeladenen durch die Gewährung eines Kilometergelds von ... Euro pro Entfernungskilometer in der Sache sämtliche Aufwendungen, einschließlich einer etwaigen Abnutzung des Kfz, die dem Beigeladenen durch die Benutzung seines PKW entstanden.

Der Beigeladene setzte auch seine Arbeitskraft letztlich nicht mit ungewissem Erfolg ein. Der Umstand, dass dem Beigeladenen nicht die aufgewandte Arbeitszeit vergütet wurde, sondern ihm eine vom Bearbeitungsaufwand unabhängige Stückvergütung in Gestalt von Provisionen gezahlt wurde, führt nicht dazu, dass der Beigeladene Gefahr lief, dass seine Tätigkeit und aufgewendete Arbeitszeit unentlohnt blieben. Auch wenn dem Beigeladenen eine Provision nur pro abgelesenem Zähler bzw. gemeldeter Unregelmäßigkeit zustand, erhielt er faktisch für seine Tätigkeit eine garantierte Mindestvergütung in Höhe der Ableseprovision für die von ihm abzulesenden Zähler in seinem Bezirk. Der von ihm nicht zu beeinflussende Umstand, dass er einen Kunden nicht antraf, konnte nicht zu einem Ausfall der Ableseprovision führen. Der Beigeladene hatte nach zweimaligem Nichtantreffen eines Kunden eine Zählerkarte in den Briefkasten zu werfen und dann auf der Liste "siehe Karte" zu vermerken. Dieser Eintrag hatte jedoch nicht zur Folge, dass er für den damit nicht abgelesenen Zähler keine Provision erhielt. Wie der Personalleiter der Klägerin, Herr P., in seiner Anhörung vor der Kammer eingeräumt hat, zahlte die Klägerin dem Beigeladenen auch dann, wenn er lediglich eine Zählerkarte in den Briefkasten geworfen hatte, die entsprechende Ableseprovision. Die Ableseprovision als solche war dem Beigeladenen deshalb sicher.

Dass der Beigeladene einen Kunden, den er einmal nicht angetroffen hatte, ein zweites Mal aufsuchen musste, begründet kein nennenswertes unternehmerisches Risiko. Die Kosten, die dem Beigeladenen durch das zweite Aufsuchen des Kunden etwa durch die Benutzung seines PKW entstanden, wurden ihm von der Klägerin vergütet. So hat der Beigeladene in seiner Anhörung vor der Kammer ausgeführt, dass er der Klägerin seine Fahrstrecke auch dann in Rechnung stellte, wenn er einen Kunden nicht angetroffen hatte. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, dass dieses Vorgehen den vertraglichen Vereinbarungen zuwider läuft, und hat in der Vergangenheit auch stets das Kilometergeld für die gesamte von dem Beigeladenen angegebene Fahrstrecke gezahlt. Ob der Beigeladene weiterhin durch das notwendig werdende zweite Aufsuchen eines Kunden einen erhöhten Zeitaufwand und damit unter Umständen einen niedrigeren Stundenlohn hatte, lässt sich kaum feststellen. Zum einen ist zu berücksichtigen, dass mit dem Nichtantreffen eines Kunden auch eine Zeitersparnis einherging, da der Ablesevorgang bei dem Kunden ebenfalls eine gewisse Zeit in Anspruch genommen hätte. Zum anderen bestand das Risiko, einen Kunden nicht anzutreffen und deshalb die Ablesung nicht vornehmen zu können, faktisch nur bei wenigen Kunden (z. B. Kunden, die in Einfamilienhäusern wohnten). Bei Häusern mit mehreren Mietparteien genügte es, wenn dem Beigeladenen ein Bewohner die Tür aufmachte, damit der Beigeladene an der zentralen Ablesestelle des Hauses die Stromablesung vornehmen konnte.

Der Beigeladene trug bei seiner Tätigkeit auch kein Haftungsrisiko. Herr P. von der Klägerin hat in seiner Anhörung vor der Kammer ausgeführt, dass es seines Wissens bislang nicht dazu gekommen ist, dass die Klägerin von den einzelnen Ablesern Schadensersatz verlangt hätte. Der Beigeladene selbst hat vorgetragen, er könne gar nicht sagen, ob er einmal etwas falsch gemacht habe, denn darüber erfahre er ja nichts. Dies zeigt, dass der Beigeladene ein Risiko der Schlechterfüllung oder der nicht rechtzeitigen Erfüllung seiner Ablesetätigkeit faktisch nicht trägt. Er läuft nach den Ausführungen von Herrn P. lediglich Gefahr, dass er im nächsten Jahr keinen Auftrag mehr erhält. Dieser Umstand genügt jedoch für die Annahme eines Unternehmerrisikos nicht, denn insoweit trägt der Beigeladene kein anderes Risiko als andere unständig Beschäftigte oder Aushilfskräfte, die sich stets kurzfristig neue Arbeitsgelegenheiten suchen.

Auch im Übrigen sind Elemente unternehmerischer Tätigkeit nicht zu erkennen. Ein Gewerbe hat der Beigeladene nicht angemeldet. Die zu zahlende Provision wurde einseitig von der Klägerin festgesetzt und war letztlich nicht verhandelbar, was sich auch daran zeigt, dass sich die Ableseprovision, wenn man die Festsetzungen in der vertraglichen Vereinbarung vom 10.11.1989 ( ... DM) mit dem Inhalt der Ausgabeanweisung vom 16.01.2004 ( ... Euro) vergleicht, innerhalb von 16 Jahren praktisch nicht verändert hat.

Die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 26.10.1962, Az.: 3 RK 63/58, SozR Nr. 36 zu § 165 RVO, zwingt zu keiner anderen Bewertung. Der hier zu beurteilende Sachverhalt unterscheidet sich dadurch in erheblicher Weise von dem von dem Bundessozialgericht entschiedenen Fall, dass die dort beurteilten Ortsbeauftragten eines Elektrizitätswerks nicht nur die Stromzähler abzulesen hatten, sondern auch bei den Stromabnehmern Geldbeträge zu kassieren hatten. Ihre Aufgabe stellt sich daher als verantwortungsvoller dar, als die Tätigkeit des Beigeladenen. Auch die Rechtsprechung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen und des Bayerischen Landessozialgerichts zum sozialversicherungsrechtlichen Status von Wärmedienstablesern (Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 21. Dezember 2004, Az.: L 5 KR 210/03, und Urteil vom 05.04.2005, Az.: L 5 KR 257/03; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25.08.2005, Az.: L 5 KR 17/04) ist auf den vorliegenden Fall nicht ohne weiteres übertragbar. Den als selbständig beurteilten Wärmedienstablesern war kein fester Ablesebezirk zugeordnet, sie bekamen nach zweimaligem Nichtantreffen eines Kunden unter Umständen keine Provision, betrieben eigene Werbung, trugen das Risiko von Minderungen oder Schadensersatzansprüchen infolge Schlechtleistung und das Haftungsrisiko für Schäden bei einem Kunden und sie konnten unter Umständen für aufwändige Aufträge eine höhere Provision aushandeln. Diese vom Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen und vom Bayerischen Landessozialgericht herausgearbeiteten Indizien für eine selbständige Tätigkeit liegen hier, wie bereits ausgeführt, nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO. Der Beigeladene kann die Erstattung außergerichtlicher Kosten nicht nach § 162 VwGO beanspruchen, da er keinen Antrag gestellt hat (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 8. Aufl. 2005, § 197a Rn. 29).

Der Streitwert ist nach § 52 Abs. 2 GKG in der ab dem 01.07.2004 geltenden Fassung festgesetzt worden, weil der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwertes keine genügenden Anhaltspunkte bietet. Die Festsetzung des Streitwerts auf den Regelstreitwert erscheint trotz des Umstandes, dass der Beigeladene offensichtlich lediglich kurzfristig nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV beschäftigt war, als angemessen, weil die Klägerin dieses Verfahren als Musterverfahren für eine Vielzahl gleichgelagerter Fälle betreibt.
Rechtskraft
Aus
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