S 17 AS 2487/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
17
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 17 AS 2487/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 26.11.2014 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 21.04.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.07.2015 verurteilt, dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 01.12.2014 bis zum 31.05.2015 in gesetzlicher Höhe als Zuschuss zu bewilligen. 2. Der Beklagte hat die außergerichtlicher Kosten des Klägers zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozi-algesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 01.12.2014 bis 31.05.2015 in Form eines Zuschusses zu erhalten, statt wie bewilligt als Darlehen.

Der am XX.XX.1965 geborene Kläger bezieht seit etwa zehn Jahren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II.

Aufgrund des Weiterbewilligungsantrages des Klägers vom 15.10.2014 bewilligte der Beklagte Leistungen für die Zeit vom 01.12.2014 bis 31.05.2015 als zinsloses Darle-hen (Bescheid vom 26.11.2014). Mit Änderungsbescheid vom 21.04.2015 gewährte der Beklagte für den gleichen Zeitraum darlehensweise höhere Leistungen. Der Be-klagte begründete die darlehensweise Gewährung damit, der Kläger verfüge über Vermögen in Form eines Erbteilsanspruchs zu 1/3 über ein Hausgrundstück in O., welches die Vermögensfreibeträge übersteige.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 03.07.2015 als unbegründet zurück.

Mit der am 06.08.2015 zum Sozialgericht Karlsruhe erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, das Hausanwesen sei gemäß § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II nicht als Vermögen zu berück-sichtigen. Es müsse auf die tatsächlich genutzte Wohnfläche abgestellt werden. Die-se betrage weniger als 110 qm. Er bewohne die im Kellergeschoss gelegene Woh-nung mit einer Wohnfläche von 49,72 qm, seine Kinder jeweils lediglich ein Zimmer im Dachgeschoss. Der Gebrauch des Hausanwesens sei aufgrund der Willensbil-dung der weiteren Mitglieder der Erbengemeinschaft eingeschränkt. Die Berücksich-tigung der Grundstücksgröße müsse hier unterbleiben, da Haus und Grundstück eine solche Einheit bildeten, dass sie lediglich als einheitlicher Vermögensgegenstand betrachtet werden könnten.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 26.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.07.2015 zu verurteilen, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II als Zuschuss zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Wohnung sei nicht angemessen. Der Kläger nutze das Hausgrundstück selbst. Er sei jedoch derzeit keinen rechtlichen Grenzen einer uneingeschränkten tatsächli-chen Nutzung der gesamten Wohnfläche unterlegen. Jedenfalls bestünden keine eigentumsrechtlichen Einschränkungen. Solange eine Teilung des Eigentums nicht vorläge, sei das Hausgrundstück in seiner Gesamtheit zu bewerten. Damit sei der Angemessenheitswert um ein erhebliches überschritten. Selbst ohne die Wohnung der Mutter ergebe sich eine genutzte Wohnfläche von 120 qm, die den Angemes-senheitswert des BSG von 110 qm für drei Personen übersteige. Aus dem Verkehrs-wertermittlungsgutachten vom 03.04.2015 ergebe sich eine Wohnfläche von 68 qm für die Wohnung im Untergeschoss und eine Wohnfläche von 62 qm für die Woh-nung im Dachgeschoss. Auch aus der geringeren Wohnfläche im Untergeschoss er-gebe sich eine Gesamtwohnfläche von insgesamt 115,55 qm, welche immer noch unangemessen wäre. Im Dachgeschoss könnten faktisch alle Zimmer mitbenutzt werden, eine Verfügungsbeschränkung der übrigen Miterben sei weder mündlich noch schriftlich vereinbart.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozess-akte sowie die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 26.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.07.2015 ist rechtswidrig, soweit Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II als Darlehen und nicht als Zuschuss bewilligt worden sind. Der Kläger ist hierdurch beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.

1. Der Kläger ist Leistungsberechtigter im Sinne von § 7 Abs. 1 SGG II. Insbesondere ist er auch hilfebedürftig im Sinne von § 9 SGB II. Er verfügt im streitgegenständli-chen Zeitraum unstreitig nicht über Einkommen im Sinne von § 11 SGB II, welches seinen Bedarf aus den §§ 20 und 22 SGB II zu decken vermag.

2. Weiterhin verfügt der Kläger auch über kein verwertbares Vermögen im Sinne von § 12 SGB II, welches seiner Hilfebedürftigkeit entgegensteht.

Der Miterbenanteil des Klägers am Hausgrundstück stellt zwar Vermögen dar. Aller-dings ist nach § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II ein selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe als Vermögen nicht zu berücksichtigen.

a. Der Kläger bewohnt ein eigenes Hausgrundstück.

b. Die Wohnfläche ist angemessen.

Angemessen für ein Familienheim ist eine Größe bei einem Vier-Personen-Haushalt von 130 qm (vgl. BSG, U.v. 22.3.2012 - B 4 AS 99/11 R - juris, m.w.N.). Bei geringe-rer Familiengröße ist je Person weniger ein Abschlag von 20 qm zulässig. Bei einer Bedarfsgemeinschaft - wie hier - von drei Personen ergibt sich folglich eine ange-messene Größe von etwa 110 qm.

Bei der Beurteilung der Angemessenheit des Hausgrundstückes ist vorliegend nicht die gesamte Wohnfläche des Hauses zu berücksichtigen, sondern lediglich die vom Kläger tatsächlich genutzte Wohnfläche. Nach der Rechtsprechung des BSG ist bei der Beurteilung der Angemessenheit grundsätzlich die Gesamtwohnfläche entschei-dend, wenn ein Kläger kraft seines Eigentums, dessen Verwertbarkeit als Vermögen im Streit steht und keinen Beschränkungen hinsichtlich dieser Nutzung unterliegt. Etwas anderes gelte im Falle eines Miteigentumsanteils, da in einem solchen Fall jeder Miteigentümer durch die Rechte der anderen Miteigentümer in seinem Nut-zungsrecht, auch dem Wohnnutzungsrecht, eingeschränkt sei (vgl. BSG, U.v. 22.3.2012 - B 4 AS 99/11 R; BSG, U.v. B 14 AS 90/12 R - juris).

Diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall übertragen führen zur Überzeugung der Kammer zu folgendem Ergebnis: Durch den Tod der Mutter ist der Kläger neben sei-nen beiden Brüdern Miterbe am Hausgrundstück geworden. Die Rechtsverbindung der Miterben ist als Gemeinschaft zur gesamten Hand ausgestattet. Die Erbschaft geht mit dem Erbfall ungeteilt als Ganzes auf die Miterben über (Palandt, 71. Aufl., Einführung vor § 2032, Rn. 1; Palandt, a.a.O., § 2032, Rn. 1). Die einzelnen Miterben haben eine Gesamtberechtigung am Nachlass und einen Anspruch auf dessen Auseinandersetzung, bis dahin aber keine unmittelbar dingliche Berechtigung an einzelnen Nachlassgegenständen, selbst wenn der Nachlass nur noch aus einer Sache besteht (Palandt, a.a.O., § 2032, Rn. 1). Nachlasssachen stehen also in Gesamthandeigentum. Die Miterben sind folglich in ihrer Verfügung beschränkt (vgl. auch § 2033 BGB). Der Kläger hat demnach - wie auch die beiden Miterben - kein Recht aus der Erbschaft, die Wohnung ohne Zustimmung der Miterben zu nutzen. Die Nutzung des Klägers erfolgt vielmehr aus dem Mietvertrag mit der Erblasserin. Eine über den Mietvertrag hinausgehende Wohnnutzung ist hingegen eingeschränkt, da dies gerade der Zustimmung der Mitglieder der Erbengemeinschaft bedürfe. Daher erscheint es der Kammer sachgerecht, in diesem Fall auf das Nutzungsrecht des Klägers, also dem Mietvertrag, abzustellen.

Nach den Angaben des Klägers hat er die Wohnung im streitigen Zeitraum zur Über-zeugung der Kammer auch entsprechend der Vereinbarung im Mietvertrag genutzt: Er nutzte die Wohnung im UG sowie zwei Zimmer im Dachgeschoss. Diese Wohnflä-che beträgt weniger als 110 qm. Zwar enthält der Mietvertrag selbst keine Angabe zu dem Nutzungsumfang im Sinne einer Quadratmeterangabe. Jedoch hat die Erblasserin am 19.06.2006 eine Mietbescheinigung beim Landratsamt Karlsruhe vorgelegt, aus welcher hervorgeht, die Gesamtfläche der vermieteten Wohnung betrage ca. 100 qm. Dies deckt sich in etwa mit den Angaben des Gutachtens zu Verkehrswertermittlung aus dem Jahr 2015 (Wohnfläche UG: 68 qm; Wohnfläche DG gesamt: 62 qm) sowie der Unterlage des Planfertigers aus dem Jahr 1973 (Wohnfläche KG: 49,72 qm; Wohnfläche DG gesamt: 65,83 qm).

c. Das Hausgrundstück selbst findet keine weitere Berücksichtigung.

Bei einer Immobilie von nicht mehr angemessener Größe, die im städtischen Bereich bis 500 qm und im ländlichen Bereich bis 800 qm als noch gegeben angesehen wird, ist die Verwertung von eigentumsrechtlich abtrennbaren Gebäuden oder Grund-stücksbestandteilen vorrangig durch Verkauf oder Beleihung zu verlangen, sofern die Teilung nicht zu wirtschaftlich unverwertbaren Vermögensgegenständen führt oder offensichtlich unwirtschaftlich ist. Vorliegend ist das Grundstück nicht aufteilbar bzw. abtrennbar, da das Grundstück nur von Seiten des Wohnhauses zur Straße hin er-schlossen ist. Der nicht erschlossene (Garten-)Bereich des Hausgrundstücks befin-det sich überdies in Hanglage (Geiger, in: Münder, 5. Aufl., § 12 Rn. 57).

d. Mangels verwertbarem Vermögen steht dem Kläger nach alledem für den Zeitraum vom 01.12.2014 bis 31.05.2015 Arbeitslosengeld II in gesetzlicher Höhe als Zu-schuss zu.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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