S 12 R 2116/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 2116/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Wird eine medizinische ambulante Rehabilitation von einer Arbeitsunfähigkeit unterbrochen, geht dadurch der Anspruch auf Übergangsgeld für die Wochenenden vor der Arbeitsunfähigkeit und nach der Arbeitsunfähigkeit nicht unter.
2. Für eine Unterbrechung des Übergangsgeldes bei Arbeitsunfähigkeit gibt es keine Ermächtigungsgrundlage.
3. § 45 Abs. 8 SGB IX ordnet die kalendertäglich vorzunehmende Zahlungsweise des Übergangsgeldes an. Dabei wird eine Unterscheidung nach Arbeits- und Werktagen, Sonn- und Feiertagen nicht vorgenommen.
4. Die Verbindliche Entscheidung des Vorstandes der Deutschen Rentenversicherung Bund hat keine Gesetzesqualität.
1. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids vom 11.03.2015 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheids vom 02.06.2015 verurteilt, dem Kläger auch für die Kalendertage Samstag, den 14.02.2015, Sonntag, den 15.02.2015, Samstag, den 21.02.2015 und Sonntag, den 22.02.2015 Über-gangsgeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren. 2. Die Beklagte erstattet dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger einen Anspruch auf Überbrückungsgeld während einer ambulanten medizinischen Rehabilitation auch für Samstag, den 14.02.2015, Sonntag, den 15.02.2015, Samstag, den 21.02.2015 und Sonn-tag, den 22.02.2015 hat.

Dem am 22.09.1966 geborenen Kläger hat die Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See (DRV) auf seinen Antrag vom 10.10.2014 mit Bescheid vom 30.10.2014 eine ganztätige ambulante medizinische Rehabilitation in der XXX Klinik Bad Herrenalb für eine Dauer von 5 Wochen bewilligt. Die Aufnahme in die Klinik erfolgte zum 12.02.2015. Für die Zeit vom 16.02.2015 bis einschließlich 20.02.2015 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Deswegen war er in diesem Zeitraum nicht in der Lage, am Rehabilitationsprogramm teilzunehmen. Ab dem 23.02.2015 nahm er wieder regelmäßig an der Rehabilitation teil.

Mit Bescheid vom 11.03.2015 bewilligte die DRV dem Kläger Übergangsgeld für die Dauer der ambulanten medizinischen Rehabilitation. Kalendertäglich wurden ihm ab dem 12.02.2015 Euro 51,85 bewilligt. Hiervon ausgenommen wurde der Zeitraum vom 14.02.2015 bis zum 22.02.2015. Zur Begründung wurde ausgeführt, Über-gangsgeld stehe für diesen Zeitraum wegen einer krankheitsbedingten Unterbre-chung der Rehabilitation nicht zu. Übergangsgeld stehe für jeden Behandlungstag zu. Für von Behandlungstagen eingeschlossene behandlungsfreie Tage (z.B. Wo-chenende) sowie für nachgewiesene Zeiten der Behandlungsunfähigkeit von bis zu 3 Kalendertagen bestehe dieser Anspruch ebenfalls.

Gegen den Bescheid vom 11.03.2015 erhob der Kläger am 31.03.2015 Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, er sei lediglich vom 16.02. bis zum 20.02.2015 er-krankt gewesen, weswegen er um umgehende Nachzahlung des Übergangsgeldes für den 14.02.2015, den 15.02.2015, den 21.02.2015 und 22.02.2015 bitte.

Am 15.04.2015 holte die DRV eine telefonische Auskunft bei der Techniker Kranken-kasse dahingehend ein, als dass ihm für die Zeit vom 16.02.2015 bis zum 20.02.2015 Krankengeld gewährt wurde.

Mit Widerspruchsbescheid vom 02.06.2015 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung wurde vorgetragen, gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX sei bei ganztätig ambulanten Leistungen das Überbrückungsgeld für die Tage der Teilnahme zu zahlen. Wenn diese von Montag bis Freitag durchgeführt würden, ste-he das Übergangsgeld auch für die Wochentage/Feiertage zu. Werde die ambulante Leistung jedoch aus gesundheitlichen Gründen unterbrochen, werde das Über-gangsgeld bis zu 3 Tage weitergezahlt, wenn die Behandlungsunfähigkeit durch eine ärztliche Bescheinigung nachgewiesen wurde. Bei einer krankheitsbedingten Unter-brechung von mehr als 3 Tagen ende die Übergangsgeldzahlung mit dem letzten Behandlungstag und beginne ggf. wieder mit der Wiederaufnahme der ganztätigen ambulanten Rehabilitation. Dies bedeute, dass bei einer Unterbrechung von mehr als drei Tagen vom ersten Tag der Unterbrechung an kein Anspruch auf Übergangsgeld bestehe. Nach der vorliegenden ärztlichen Bescheinigung vom 23.03.2015 sei er im Zeitraum 16.02.2015 bis 20.02.2015 arbeitsunfähig krank gewesen. In seinem Fall sei der letzte Behandlungstag am Freitag, den 13.02.2015 gewesen. Gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX hätte somit der Anspruch auf Übergangsgeld bis Montag, den 16.02.2015 (=3. Tag) bestanden. Die ambulante Rehabilitationsmaßnahme sei je-doch mehr als 3 Tage aus gesundheitlichen Gründen unterbrochen worden. Die Ar-beitsunfähigkeit sei bis zum 20.02.2015 verlaufen. Die Wiederaufnahme der ganztä-tig ambulanten Maßnahme sei am 23.02.2015 erfolgt. Ab diesem Tag bestehe somit wieder ein Anspruch auf Übergangsgeld. Mit Bewilligungsbescheid vom 30.10.2014 sei ihm das Merkblatt V 823.01 (Allgemeine Hinweise, Blatt 5) übersandt worden, mit welchem er darauf hingewiesen worden sei, dass für Unterbrechungen von mehr als 3 Tagen ein Anspruch auf Übergangsgeld nicht bestehe.

Deswegen hat der Kläger am 03.07.2015 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erho-ben. Zu Begründung trägt er vor, seiner Auffassung nach bestehe während des ge-samten Zeitraumes der Durchführung der medizinischen Reha ein Anspruch auf Übergangsgeld. Wegen der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit und im Hinblick auf die Gewährung von Krankengeld in der Zeit vom 16.02.2015 bis zum 20.02.2015 sei das Übergangsgeld zum Ruhen gekommen. Die Nichtgewährung von Übergangsgeld für die Kalendertage 14.02., 15.02., 21.02. und 22.02.2015 entbehre einer rechtlichen Grundlage.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids vom 11.03.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.06.2015 verurteilt, dem Kläger auch für die Kalendertage Samstag, den 14.02.2015, Sonntag, den 15.02.2015, Samstag, den 21.02.2015 und Sonntag, den 22.02.2015 Über-gangsgeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung weiterhin für zutreffend und verweist insoweit auf den Inhalt des Widerspruchsbescheids vom 02.06.2015.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakte und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Übergangsgeld auch für Samstag, den 14.02.2015, Sonntag, den 15.02.2015, Samstag, den 21.02.2015 und Sonntag den 22.02.2015.

1. Anspruchsgrundlage ist § 20 SGB VI in Verbindung mit § 45 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX.

Gemäß § 20 SGB VI haben Anspruch auf Übergangsgeld Versicherte, die

(1) von einem Träger der Rentenversicherung Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder sonstige Leistungen zur Teilhabe erhalten,

(3) bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder sonstigen Leistungen zur Teilhabe unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder, wenn sie nicht arbeits-unfähig sind, unmittelbar vor Beginn der Leistungen

a) Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt und im Bemessungszeitraum Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt haben oder

b) Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergansgeld, Kurzarbeitergeld, Arbeitslosengeld, Arbeitslosengeld II oder Mutterschaftsgeld bezogen haben und für die von dem der Sozialleistung zugrunde liegenden Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen oder im Falle des Bezugs von Arbeitslosengeld II zuvor aus Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt worden sind.

Gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX leisten im Zusammenhang mit Leistungen zur medizinischen Rehabilitation die Träger der Rentenversicherung Übergangsgeld nach Maßgabe dieses Buches und der §§ 20 und 21 des Sechsten Buches. Das Übergangsgeld wird für Kalendertage gezahlt; wird die Leistung für einen ganzen Kalen-dermonat gezahlt, so wird dieser mit 30 Tagen angesetzt (§ 45 Abs. 8 SGB IX).

2. Nach diesen gesetzlichen Maßgaben hat der Kläger auch für die zwei Tage vor dem Beginn seiner Arbeitsunfähigkeit und für die zwei Tage nach seiner Arbeitsunfähigkeit, mithin für den 14.02.2015, den 15.02.2015, den 21.02.2015 und den 22.02.2015, Anspruch auf Übergangsgeld. § 45 Abs. 8 SGB IX ordnet die einheitlich kalendertäglich vorzunehmende Zahlungsweise der in § 45 Abs. 1 bis 3 SGB IX genannten unterhaltssichernden Leistungen an. Dabei wird eine Unterscheidung nach Arbeits- bzw. Werktagen und Sonn- oder Feiertagen nicht vorgenommen. Der Anspruch auf Übergangsgeld besteht deshalb grundsätzlich auch während der Ausführung entsprechender Rehabilitationsmaßnahmen für arbeitsfreie Tage (vgl. Reyels in jurisPK-SGB IX, 2. Auflage, § 45 Rdnr. 83). Damit steht dem Kläger grundsätzlich auch Übergansgeld für die behandlungs-freien Samstage und Sonntage während der Dauer seiner ambulanten medizinischen Rehabilitation zu.

Dieser Anspruch ist auch nicht durch die die Rehabilitation unterbrechende Arbeits-unfähigkeit erloschen. Die Arbeitsunfähigkeit begann am 16.02.2015 und dauerte bis zum 20.02.2015. Für diese Zeit hat der Kläger von seiner Krankenkasse Krankengeld gemäß § 44 SGB V bezogen. Für diesen Zeitraum ruht unstreitig der Anspruch auf Übergangsgeld. Dies gilt jedoch nicht für den Samstag und Sonntag vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit und den Samstag und Sonntag nach Beendigung der Arbeitsunfähigkeit. Für die von der Beklagten angenommene Unterbrechung des Übergangsgeldes an diesen Tagen gibt es keine gesetzliche Grundlage. Soweit sie sich auf die Verbindliche Entscheidung des Vorstandes der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 01.02.2006 beruft (veröffentlicht in RVaktuell 2006, S. 409), wonach das Übergangsgeld weiterzuzahlen ist, wenn die krankheitsbedingte Unterbrechung nicht länger als drei Kalendertage angedauert hat, kann dies zu keiner anderen Entscheidung führen. Die Verbindliche Entscheidung des Vorstandes der Deutschen Rentenversicherung Bund hat keine Gesetzesqualität. Deswegen kann sie auch nicht Grundlage für krankheitsbedingte Unterbrechung des Übergangsgeldes sein. Es verbleibt mithin bei dem grundsätzlichen Anspruch des Klägers auf Übergangsgeld auch für die im Tenor genannten Tage.

II. Die Entscheidung hinsichtlich der Kosten beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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