S 17 R 4536/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 17 R 4536/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein Verwaltungsakt ist ausnahmsweise unbestimmt, wenn der Verfügungssatz zu der Begründung in Widerspruch steht und dadurch unklar wird.
TENOR I. Der Bescheid vom 10.08.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.11.2016 wird aufgehoben, soweit von der Klägerin ein Betrag in Höhe von 769,24 EUR gefordert wird. II. Die Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosen zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Rückforderung einer Altersrente für besonders lang-jährige Versicherte im Streit.

Auf Antrag der 1953 geborenen Klägerin bewilligte die Beklagte Altersrente für besonders langjährige Versicherte ab 01.04.2016 (Bescheid vom 26.02.2016). Am 18.05.2016 wurde der Beklagten über das DEÜV-Meldeverfahren eine Beschäftigung der Klägerin bei der K. GmbH & Co.KG bekannt. Auf Nachfrage der Beklagten bei der Klägerin teilte diese mit, sie habe in der Zeit vom 06.05.2016 bis 18.05.2016 als Bildredakteurin gearbeitet und ein monatliches Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 600,- EUR erzielt.

Mit Rentenbescheid vom 10.08.2016 bewilligte die Beklagte der Klägerin Altersrente für besonders langjährige Versicherte. Sie werde für die Zeit ab 01.08.2016 laufend monatlich gezahlt. Für die Zeit vom 01.05.2016 bis zum 31.07.2016 ergebe sich eine Überzahlung in Höhe von 769,24.EUR. Der überzahlte Betrag sei zu erstatten. Auf Seite 2 des Bescheids führte die Beklagte aus, unter Berücksichtigung der individuellen Hinzuverdienstgrenze stehe die Rente für die Zeit vom 01.05.2016 bis zum 31.05.2016 in Höhe von zwei Dritteln und ab dem 01.06.2016 in voller Höhe zu. Die Beklagte habe die Rentenangelegenheit geprüft und festgestellt, der Anspruch auf Altersrente sei kraft Gesetzes zu kürzen, weil die zulässigen Hinzuverdienstgrenzen überschritten seien. Es sei beabsichtigt, den Bescheid vom 26.02.2016 bereits ab Änderung der Verhältnisse, also mit Wirkung ab 01.05.2016 nach § 48 SGB X und die danach erteilten Bescheide nach § 45 SGB X aufzuheben und die Überzahlung für die Zeit vom 01.05.2016 bis 31.05.2016 in Höhe von 769,24 EUR nach § 50 Abs. 1 SGB X zurückzufordern. Für die beabsichtigte Entscheidung sei in diesem Zusammenhang u.a. von Bedeutung, ob aufgrund der bisherige Rentenzahlung Dispositionen getroffen worden seien, die nur unter erheblichen finanziellen Nachteilen rückgängig gemacht werden könnten. Es werde hiermit Gelegenheit gegeben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern und es werde gebeten, alle Gründe mitzuteilen und Nachweise darüber einzusenden, die einer beabsichtigten Entscheidung entgegenstünden (§ 24 SGB X). Die Frist zur Stellungnahme betrage drei Wochen. Sofern sich die Klägerin bis zu diesem Zeitpunkt nicht äußere, werde eine Entscheidung der Lage der Akten getroffen.

In einer persönlichen Vorsprache am 18.08.2016 erhob die Klägerin gegen den Bescheid Widerspruch. Sie sei nicht damit einverstanden, dass aufgrund einer einmaligen Überzahlung des Entgelts nur eine Zwei-Drittel-Rente ausgezahlt werde. Es gehe nur um einen Betrag in Höhe von 150,- EUR mehr, deswegen sollten 769,24 EUR zu-rückgezahlt werden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28.11.2016 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die monatliche Hinzuverdienstgrenze betrage 450,- EUR. Die jeweils eingehaltene Hinzuverdienstgrenze dürfe im Laufe eines jeden Kalenderjahres in zwei Kalendermonaten überschritten werden. Ein Überschreiten sei z.B. auch aufgrund von Mehrarbeit zulässig. Dies setze allerdings voraus, dass bereits im Vormonat ein Hinzuverdienst erzielt worden sei. Die Rente treffe im Monat Mai 2016 erst- und einmalig mit Hinzuverdienst zusammen. Daher könne ein zulässiges Überschreiten nicht vorliegen.

Mit der hiergegen am 27.12.2016 zum Sozialgericht Karlsruhe erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, es lasse sich dem Gesetzeswortlaut des § 34 SGB VI nicht entnehmen, dass die Privilegierung nur denjenigen zugutekomme, die neben ihrer Rente einen regelmäßigen Hinzuverdienst hätten. Vielmehr liege ein privilegiertes rentenunschädliches Überschreiten.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 10.08.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.11.2016 aufzuheben, soweit von der Klägerin ein Betrag in Höhe von 769,24 EUR zurückgefordert wird.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchs-bescheid. Im Monat des Rentenbeginns bzw. beim erstmaligen oder erneuten Zusammentreffen von Rente und Hinzuverdienst sei die erste Voraussetzung des Vormonatsprinzips, nämlich das Einhalten der Hinzuverdienstgrenze des Vormonats, nicht erfüllt.

Die Klägerin hat sich mit Schriftsatz vom 15.02.2017, die Beklagte mit Schriftsatz vom 14.02.2017 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte der Beklagten sowie den der Prozessakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die Anfechtungsklage ist zulässig und begründet. Der Rentenbescheid vom 10.08.2016 ist formell (dazu a.) und materiell (dazu b.) rechtswidrig, soweit die Beklagte einen Betrag in Höhe von 769,24 EUR von der Klägerin zurückfordert, und verletzt die Klägerin dadurch in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).

Die Kammer konnte über die Klage aufgrund des zuvor von den Beteiligten jeweils erklärten Einverständnis hierzu ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 SGG.

a. Der Bescheid ist insoweit formell rechtswidrig. Er ist nicht hinreichend bestimmt.

Nach § 33 Abs. 1 SGB X muss der Verwaltungsakt hinreichend bestimmt sein. Er muss also klar erkennen lassen, wer (erlassende Behörde) gegenüber wem (Adressat) was (Inhalt der Regelung) regelt. Da es auf die im Verwaltungsakt getroffene Regelung ankommt (vgl. die Definition des Verwaltungsakts in § 31 SGB X), muss grundsätzlich nur diese Regelung, also der Verfügungssatz des Verwaltungsakts, hinreichend bestimmt sein. Ist der Verfügungssatz hinreichend bestimmt, nicht aber die Begründung des Verwaltungsakts, stellt sich allerdings die Frage, ob der aus § 35 SGB X folgenden Begründungspflicht Genüge getan worden ist. Ausnahmsweise kann jedoch in besonderen Fällen eine widersprüchliche Begründung einen Verfügungssatz in Frage stellen (Pattar, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 33 SGB X, Rn. 10). Die Begründung macht den Verwaltungsakt etwa dann ausnahmsweise unbestimmt, wenn durch sie die über den zugrundeliegenden Sachverhalt getroffene Regelung unklar wird (KassKomm/Mutschler SGB X § 33 Rn. 4-8, beck-online).

So liegen die Dinge hier. Aus dem Rentenbescheid ist nicht hinreichend klar erkenn-bar, ob die Klägerin einer Erstattungspflicht ausgesetzt ist. Zwar ist der Verfügungssatz für sich genommen hinreichend bestimmt: "Der überzahlte Betrag ist zu erstatten". Die Verfügung steht jedoch im Widerspruch zu der Begründung zu dem Bescheid, der eine Anhörung zu einer beabsichtigten Aufhebung und Erstattungsforderung enthält: So beschreibt die Beklagte auf Seite 2 ihres Bescheid mehrfach die bloße Absicht, "den Bescheid vom 26.02.2016 [ ] und die danach erteilten Bescheide" aufzuheben und "die Überzahlung für die Zeit vom 01.05.2016 bis 31.05.2016" zurückzufordern. Ferner gibt die Beklagte der Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme zu "der beabsichtigten Entscheidung" und setzte hierzu eine Frist von drei Wochen. Erst danach – so die Ankündigung der Beklagten – wird sie eine Entscheidung treffen. Der Wortlaut der Begründung stellt für sich eine Anhörung i.S.v. § 24 SGB X dar, mit welcher der Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme zu einer beabsichtigten Verfügung gegeben wird. Dies steht jedoch im denklogischen Widerspruch zur Verfügung, die Klägerin sei (bereits jetzt) zur Erstattung verpflichtet.

Ergänzend sei folgendes angemerkt: Für die Kammer ist nicht nachvollziehbar, welche "danach erteilten Bescheide" die Beklagte beabsichtigt aufzuheben, da nach Lage der Akten neben dem Bewilligungsbescheid vom 26.02.2016 und dem streitgegenständlichen Bescheid vom 10.08.2016 keine weiteren Rentenbescheide existieren.

b. Der Bescheid ist auch materiell rechtswidrig.

Die Erstattungspflicht ergibt sich aus § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Demnach gilt: So-weit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten.

Es fehlt bereits an der Aufhebung der Rentenbewilligung für den streitgegenständlichen Zeitraum. Vorliegend hat die Beklagte die Erstattung von Rentenzahlungen für die Zeit vom 01.05.2016 bis zum 31.07.2016 gefordert. Der Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Geldleistungen ergibt sich aus dem Rentenbewilligungsbescheid vom 26.02.2016. Diese Bewilligungsentscheidung hat die Beklagte bislang nicht auf-gehoben. Insbesondere enthält der Bescheid vom 10.08.2016 keinen Verfügungssatz, der die Bewilligung (vom 26.02.2016) aufhebt.

Nach alldem war der Klage statt zu geben.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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