Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 3506/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
Ein „Unfall“ ist typischerweise dadurch gekennzeichnet, dass ein normaler Geschehensablauf plötzlich durch einen ungewollten Vorfall unterbrochen wird (BSGE 61, 113, 115 und BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 42).
Ein vom Versicherten in Ausübung seiner versicherten Tätigkeit willentlich gesteuerter und voll kontrollierter Hergang ohne Fehlgängigkeit erfüllt nicht das Merkmal einer Einwirkung von außen i.S.d. § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII.
Ein vom Versicherten in Ausübung seiner versicherten Tätigkeit willentlich gesteuerter und voll kontrollierter Hergang ohne Fehlgängigkeit erfüllt nicht das Merkmal einer Einwirkung von außen i.S.d. § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII.
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob der Kläger am 11.09.2015 einen Arbeitsunfall erlitten hat.
Der 1989 geborene, seit September 2014 als Kfz-Mechaniker beschäftigte Kläger suchte am 11.09.2015 den Chirurgen Prof. Dr. L. auf und klagte über Schmerzen im rechten Kniegelenk, auch in Ruhe und ausstrahlend in die Rückseite des Oberschenkels. Er sei an diesem Tag während der Verrichtung seiner Arbeit aus einem Lkw ausgestiegen. Nach wenigen Metern Gehen habe er plötzlich einschießende Schmerzen im rechten Kniegelenk verspürt. Prof. Dr. L. erhob ein humpelndes Gangbild, einen geringen Gelenkserguss sowie einen Druckschmerz über dem medialen und (stärker) dem lateralen Gelenkspalt des rechten Kniegelenks. Röntgenologisch zeigten sich die knöchernen Konturen und Strukturen in beiden Ebenen regelrecht bei regelrechter Gelenkstellung. Hinweise für eine Fraktur, Luxation oder Subluxationsstellung konnte Prof. Dr. L. nicht objektivieren. Er diagnostizierte als Gesundheitsstörung eine Knieprellung rechts mit Verdacht auf eine Außenmeniskusläsion (vgl. Durchgangsarztbericht vom 15.09.2015). In der Unfallanzeige seines Arbeitgebers vom 14.09.2015 gab der Kläger als Ursache seiner Kniegelenksbeschwerden an, er habe nach dem Aussteigen aus einem Lkw einen stechenden Schmerz im rechten Knie verspürt.
Mit Schriftsatz seines damaligen Bevollmächtigten vom 18.04.2017 beantragte der Kläger die Erteilung eines rechtsmittelfähigen Bescheides hinsichtlich des Ereignisses vom 11.09.2015. Die Beklagte lehnte daraufhin die Gewährung einer Entschädigung aufgrund des vorgenannten Ereignisses mit der Begründung ab, der vom Kläger geschilderte Hergang "beim Gehen" sei eine willentlich gesteuerte, kontrollierte Körperbewegung gewesen. Das Ereignis stelle daher rechtlich kein äußeres Ereignis im Sinne des gesetzlichen Begriffs eines Arbeitsunfalls dar. Auch seien die von Prof. Dr. L. diagnostizierten Gesundheitsstörungen nicht Folge dieses Ereignisses, nachdem weder der Durchgangsarztbericht noch die Unfallanzeige des Arbeitgebers Hinweise für ein Anstoßen oder Verdrehen des rechten Kniegelenks enthielten (Bescheid vom 10.05.2017, Widerspruchsbescheid vom 07.09.2017).
Deswegen hat der Kläger am 13.11.2017 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben.
Er beantragt – teilweise sinngemäß -,
den Bescheid vom 10. Mai 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07. September 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das Ereignis vom 11. September 2015 als Arbeitsunfall anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie erachtet die angefochtenen Bescheide für zutreffend.
Mit Schreiben vom 27.02.2018 hat das Gericht den Beteiligten mitgeteilt, es erwäge eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Gerichtsbescheid, und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. An dieser Absicht hat die Kammer im Schreiben vom 21.03.2018 festgehalten.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte der Beklagten sowie den der Prozessakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG); zum Wahlrecht des Versicherten zwischen einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage oder einer Kombination aus Anfechtungs- und Feststellungsklage bezüglich der Feststellung eines Ereignisses als Arbeitsunfall: vgl. BSG vom 15.05.2012 – B 2 U 8/11 R -, Rdnr. 13 m. w. N. und BSG vom 05.07.2016 – B 2 U 5/15 R -, Rdnr. 11 (jeweils juris)) zulässig, aber unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Auch zur Überzeugung des erkennenden Gerichts ist nicht erwiesen (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG), dass der Kläger am 11.09.2015 einen Arbeitsunfall erlitten hat. Hierüber konnte die Kammer ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil sie der Auffassung ist, dass die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 105 Abs. 1 Satz 1 SGG).
1. Der Kläger stand zwar am 11.09.2015 während der Ausübung seiner versicherten Tätigkeit als Kfz-Mechaniker dem Grunde nach unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII)). Er hat an diesem Tag indes keinen Arbeitsunfall i.S.d. § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII erlitten.
Nach § 8 Abs. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; Satz 1). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Satz 2). Ein Arbeitsunfall eines Versicherten setzt danach voraus, dass seine Verrichtung zur Zeit des Unfalls einen gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden unmittelbaren oder mittelbaren Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitsschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Tatbestandsvoraussetzung eines Arbeitsunfalls (vgl. BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 24, Rdnr. 9 m.w.N.).
2. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Denn während der Verrichtung seiner versicherten Tätigkeit als Kfz-Mechaniker am 11.09.2015 hat sich kein Unfall ereignet.
a) Der Begriff des Unfallereignisses erstreckt sich auch auf Geschehnisse, die im Rahmen der versicherten Tätigkeit "üblich" sind. Die gesetzliche Unfallversicherung schützt gerade, aber auch nur diejenigen Verrichtungen, die in einem inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen. Der Begriff des Unfallereignisses setzt auch kein außergewöhnliches Geschehen voraus. Vielmehr genügt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch ein alltäglicher Vorgang wie z.B. das Stolpern über die eigenen Füße oder das Aufschlagen auf den Boden, weil auch dadurch ein Teil der Außenwelt auf den Körper einwirkt (vgl. u.a. BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 31, Rdnr. 10 und BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 42, Rdnr. 14). Auch durch die versicherte Tätigkeit bedingte Unfälle des täglichen Lebens sind versichert (so bereits BSGE 9, 222, 224). Ebenfalls stehen der Bewertung eines Vorgangs als "Unfall" auch körpereigene Bewegungen wie Heben, Laufen, Schieben, Tragen usw. nicht entgegen, weil es sich auch dabei um äußere Vorgänge handelt (vgl. LSG Baden-Württemberg, HV-Info 12/1996, Seite 905 und vom 19.05.1999 - L 2 U 752/99 - (unveröffentlicht); LSG Rheinland-Pfalz vom 24.06.2003 - L 3 U 4/03 - (Juris) und Sächs. LSG, HVBG-Info 2001, 1960). Solange jedoch der Versicherte in seiner von ihm willentlich herbeigeführten und von ihm kontrollierten Einwirkung und damit in seiner Eigenbewegung nicht beeinträchtigt ist, wirkt kein äußeres Ereignis auf seinen Körper (vgl. BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 42, Rdnr. 16; BGH, NJW-RR 1989, 217 und LSG Baden-Württemberg vom 26.01.2009 - L 1 U 3612/08 -, Rdnr. 32 (Juris)). Denn ein "Unfall" ist typischerweise dadurch gekennzeichnet, dass ein normaler Geschehensablauf plötzlich durch einen ungewollten Vorfall unterbrochen wird (vgl. BSGE 61, 113, 115 und BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 42, Rdnr. 14). Deshalb genügt für die Bejahung des Tatbestandsmerkmals "Unfall" im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII bei einem willentlich gesteuerten Handeln des Versicherten eine dabei aufgetretene ungewollte Einwirkung infolge einer Fehlbelastung oder eines sonstigen überraschenden Moments (vgl. BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 15, Rdnr. 12; LSG Sachsen-Anhalt vom 12.04.2013 - L 6 U 80/10 -, Rdnr. 27 und LSG Baden-Württemberg vom 26.01.2009 - L 1 U 3612/08 -, Rdnr. 32 (jeweils Juris)).
b) Gemessen daran hat der Kläger am 11.09.2015 einen Unfall deswegen nicht erlitten, weil sich sowohl beim Aussteigen aus dem LKW als auch dem anschließenden Zurücklegen der Gehstrecke kein Vorgang ereignet hat, durch dessen Ablauf zeitlich begrenzt von außen auf seinen Körper eingewirkt worden wäre. Aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens, insbesondere seiner anamnestischen Angaben sowohl gegenüber dem erstbehandelnden Arzt, Prof. Dr. L., als auch seiner Hergangsschilderung in der Unfallanzeige seines Arbeitgebers, steht fest, dass der Kläger am 11.09.2015 nach dem Aussteigen aus einem Lkw und dem Zurücklegen weniger Meter Gehstrecke plötzlich einschießende Schmerzen im rechten Kniegelenk verspürte. Das Erfordernis der Einwirkung von außen dient der Abgrenzung von unfallbedingten Gesundheitsschäden zu Gesundheitsbeeinträchtigungen aus inneren Ursachen sowie zu Selbstschädigungen (vgl. BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 15, Rdnr. 12). Nicht geschützt sollen Unfälle sein, die auf aus dem Menschen selbst kommenden Ereignissen beruhen (vgl. BSG vom 29.02.1984 - 2 RU 24/83 -, Rdnr. 15 und BSG vom 18.03.1997 - 2 RU 8/96 -, Rdnr. 22, jeweils m.w.N. (jeweils Juris)). Das ist hier der Fall. Denn das Aussteigen aus dem LKW wie auch das anschließende Gehen waren vom Willen des Klägers getragene und gesteuerte Eigenbewegungen. Dieses innere und durch seine Willensbildung und Kraftanstrengung von ihm gesteuerte und kontrollierte Geschehen schloss eine Auswirkung von außen gerade aus. Eine irgendwie geartete Einwirkung von außen, eine plötzliche Ablenkung, eine Fehlgängigkeit, z. B. Stolpern, Umknicken, Fallen oder Anstoßen, oder sonstige überraschende Momente sind dabei ersichtlich nicht aufgetreten. Die völlig vom Willen des Klägers gesteuerte Handlung wies mithin – abgesehen vom Auftreten von Schmerzen am rechten Kniegelenk – kein Überraschungsmoment auf. Dem entsprechend hat Prof. Dr. L. bei der Erstuntersuchung auch keine äußeren Verletzungszeichen erhoben und neben einem suprapatellaren Gelenkerguss bei der radiologischen Untersuchung auch keine Hinweise für eine Fraktur, Luxation oder Subluxationsstellung im rechten Kniegelenk objektiviert.
Zwar muss die Einwirkung auf den Körper des Versicherten nicht äußerlich sichtbar sein, z. B. bei radioaktiven Strahlen oder elektromagnetischen Wellen (vgl. BSG SozR 2200 § 548 Nr. 56). Ggf. genügt auch eine starke Sonneneinstrahlung, die von außen mittelbar zu einem Kreislaufkollaps führt, der dann als Arbeitsunfall anzuerkennen ist (vgl. BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 13, Rdnr. 13). Auch eine geistig-seelische Einwirkung kann genügen (vgl. BSGE 18, 173, 175). Ganz verzichtet werden kann auf eine Einwirkung aus den oben unter 2. a) genannten Gründen jedoch nicht.
c) Damit lag bis zum Auftreten der Schmerzen im Bereich des rechten Kniegelenks des Klägers kein Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung vor, weil es an einem plötzlichen und von außen wirkenden Ereignis fehlte (vgl. hierzu auch LSG Baden-Württemberg vom 26.01.2009 – L 1 U 3612/08 -, Rdnr. 27; LSG Sachsen-Anhalt vom 26.08.2010 – L 6 U 69/09 -, Rdnr. 22 und LSG Berlin-Brandenburg vom 22.06.2012 – L 3 U 259/09 -, Rdnr. 21 (jeweils juris); ferner zuletzt Gerichtsbescheid des erkennenden Gerichts vom 18.04.2017 – S 1 U 3794/16 - (nicht veröffentlicht)).
3. Zu Recht hat deshalb die Beklagte durch die angefochtenen Bescheide die Anerkennung des Ereignisses vom 11.09.2015 als Arbeitsunfall abgelehnt. Das Klagebegehren musste daher erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 Abs. 1 und 4 SGG.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob der Kläger am 11.09.2015 einen Arbeitsunfall erlitten hat.
Der 1989 geborene, seit September 2014 als Kfz-Mechaniker beschäftigte Kläger suchte am 11.09.2015 den Chirurgen Prof. Dr. L. auf und klagte über Schmerzen im rechten Kniegelenk, auch in Ruhe und ausstrahlend in die Rückseite des Oberschenkels. Er sei an diesem Tag während der Verrichtung seiner Arbeit aus einem Lkw ausgestiegen. Nach wenigen Metern Gehen habe er plötzlich einschießende Schmerzen im rechten Kniegelenk verspürt. Prof. Dr. L. erhob ein humpelndes Gangbild, einen geringen Gelenkserguss sowie einen Druckschmerz über dem medialen und (stärker) dem lateralen Gelenkspalt des rechten Kniegelenks. Röntgenologisch zeigten sich die knöchernen Konturen und Strukturen in beiden Ebenen regelrecht bei regelrechter Gelenkstellung. Hinweise für eine Fraktur, Luxation oder Subluxationsstellung konnte Prof. Dr. L. nicht objektivieren. Er diagnostizierte als Gesundheitsstörung eine Knieprellung rechts mit Verdacht auf eine Außenmeniskusläsion (vgl. Durchgangsarztbericht vom 15.09.2015). In der Unfallanzeige seines Arbeitgebers vom 14.09.2015 gab der Kläger als Ursache seiner Kniegelenksbeschwerden an, er habe nach dem Aussteigen aus einem Lkw einen stechenden Schmerz im rechten Knie verspürt.
Mit Schriftsatz seines damaligen Bevollmächtigten vom 18.04.2017 beantragte der Kläger die Erteilung eines rechtsmittelfähigen Bescheides hinsichtlich des Ereignisses vom 11.09.2015. Die Beklagte lehnte daraufhin die Gewährung einer Entschädigung aufgrund des vorgenannten Ereignisses mit der Begründung ab, der vom Kläger geschilderte Hergang "beim Gehen" sei eine willentlich gesteuerte, kontrollierte Körperbewegung gewesen. Das Ereignis stelle daher rechtlich kein äußeres Ereignis im Sinne des gesetzlichen Begriffs eines Arbeitsunfalls dar. Auch seien die von Prof. Dr. L. diagnostizierten Gesundheitsstörungen nicht Folge dieses Ereignisses, nachdem weder der Durchgangsarztbericht noch die Unfallanzeige des Arbeitgebers Hinweise für ein Anstoßen oder Verdrehen des rechten Kniegelenks enthielten (Bescheid vom 10.05.2017, Widerspruchsbescheid vom 07.09.2017).
Deswegen hat der Kläger am 13.11.2017 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben.
Er beantragt – teilweise sinngemäß -,
den Bescheid vom 10. Mai 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07. September 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das Ereignis vom 11. September 2015 als Arbeitsunfall anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie erachtet die angefochtenen Bescheide für zutreffend.
Mit Schreiben vom 27.02.2018 hat das Gericht den Beteiligten mitgeteilt, es erwäge eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Gerichtsbescheid, und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. An dieser Absicht hat die Kammer im Schreiben vom 21.03.2018 festgehalten.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte der Beklagten sowie den der Prozessakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG); zum Wahlrecht des Versicherten zwischen einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage oder einer Kombination aus Anfechtungs- und Feststellungsklage bezüglich der Feststellung eines Ereignisses als Arbeitsunfall: vgl. BSG vom 15.05.2012 – B 2 U 8/11 R -, Rdnr. 13 m. w. N. und BSG vom 05.07.2016 – B 2 U 5/15 R -, Rdnr. 11 (jeweils juris)) zulässig, aber unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Auch zur Überzeugung des erkennenden Gerichts ist nicht erwiesen (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG), dass der Kläger am 11.09.2015 einen Arbeitsunfall erlitten hat. Hierüber konnte die Kammer ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil sie der Auffassung ist, dass die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 105 Abs. 1 Satz 1 SGG).
1. Der Kläger stand zwar am 11.09.2015 während der Ausübung seiner versicherten Tätigkeit als Kfz-Mechaniker dem Grunde nach unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII)). Er hat an diesem Tag indes keinen Arbeitsunfall i.S.d. § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII erlitten.
Nach § 8 Abs. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; Satz 1). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Satz 2). Ein Arbeitsunfall eines Versicherten setzt danach voraus, dass seine Verrichtung zur Zeit des Unfalls einen gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden unmittelbaren oder mittelbaren Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitsschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Tatbestandsvoraussetzung eines Arbeitsunfalls (vgl. BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 24, Rdnr. 9 m.w.N.).
2. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Denn während der Verrichtung seiner versicherten Tätigkeit als Kfz-Mechaniker am 11.09.2015 hat sich kein Unfall ereignet.
a) Der Begriff des Unfallereignisses erstreckt sich auch auf Geschehnisse, die im Rahmen der versicherten Tätigkeit "üblich" sind. Die gesetzliche Unfallversicherung schützt gerade, aber auch nur diejenigen Verrichtungen, die in einem inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen. Der Begriff des Unfallereignisses setzt auch kein außergewöhnliches Geschehen voraus. Vielmehr genügt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch ein alltäglicher Vorgang wie z.B. das Stolpern über die eigenen Füße oder das Aufschlagen auf den Boden, weil auch dadurch ein Teil der Außenwelt auf den Körper einwirkt (vgl. u.a. BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 31, Rdnr. 10 und BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 42, Rdnr. 14). Auch durch die versicherte Tätigkeit bedingte Unfälle des täglichen Lebens sind versichert (so bereits BSGE 9, 222, 224). Ebenfalls stehen der Bewertung eines Vorgangs als "Unfall" auch körpereigene Bewegungen wie Heben, Laufen, Schieben, Tragen usw. nicht entgegen, weil es sich auch dabei um äußere Vorgänge handelt (vgl. LSG Baden-Württemberg, HV-Info 12/1996, Seite 905 und vom 19.05.1999 - L 2 U 752/99 - (unveröffentlicht); LSG Rheinland-Pfalz vom 24.06.2003 - L 3 U 4/03 - (Juris) und Sächs. LSG, HVBG-Info 2001, 1960). Solange jedoch der Versicherte in seiner von ihm willentlich herbeigeführten und von ihm kontrollierten Einwirkung und damit in seiner Eigenbewegung nicht beeinträchtigt ist, wirkt kein äußeres Ereignis auf seinen Körper (vgl. BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 42, Rdnr. 16; BGH, NJW-RR 1989, 217 und LSG Baden-Württemberg vom 26.01.2009 - L 1 U 3612/08 -, Rdnr. 32 (Juris)). Denn ein "Unfall" ist typischerweise dadurch gekennzeichnet, dass ein normaler Geschehensablauf plötzlich durch einen ungewollten Vorfall unterbrochen wird (vgl. BSGE 61, 113, 115 und BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 42, Rdnr. 14). Deshalb genügt für die Bejahung des Tatbestandsmerkmals "Unfall" im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII bei einem willentlich gesteuerten Handeln des Versicherten eine dabei aufgetretene ungewollte Einwirkung infolge einer Fehlbelastung oder eines sonstigen überraschenden Moments (vgl. BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 15, Rdnr. 12; LSG Sachsen-Anhalt vom 12.04.2013 - L 6 U 80/10 -, Rdnr. 27 und LSG Baden-Württemberg vom 26.01.2009 - L 1 U 3612/08 -, Rdnr. 32 (jeweils Juris)).
b) Gemessen daran hat der Kläger am 11.09.2015 einen Unfall deswegen nicht erlitten, weil sich sowohl beim Aussteigen aus dem LKW als auch dem anschließenden Zurücklegen der Gehstrecke kein Vorgang ereignet hat, durch dessen Ablauf zeitlich begrenzt von außen auf seinen Körper eingewirkt worden wäre. Aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens, insbesondere seiner anamnestischen Angaben sowohl gegenüber dem erstbehandelnden Arzt, Prof. Dr. L., als auch seiner Hergangsschilderung in der Unfallanzeige seines Arbeitgebers, steht fest, dass der Kläger am 11.09.2015 nach dem Aussteigen aus einem Lkw und dem Zurücklegen weniger Meter Gehstrecke plötzlich einschießende Schmerzen im rechten Kniegelenk verspürte. Das Erfordernis der Einwirkung von außen dient der Abgrenzung von unfallbedingten Gesundheitsschäden zu Gesundheitsbeeinträchtigungen aus inneren Ursachen sowie zu Selbstschädigungen (vgl. BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 15, Rdnr. 12). Nicht geschützt sollen Unfälle sein, die auf aus dem Menschen selbst kommenden Ereignissen beruhen (vgl. BSG vom 29.02.1984 - 2 RU 24/83 -, Rdnr. 15 und BSG vom 18.03.1997 - 2 RU 8/96 -, Rdnr. 22, jeweils m.w.N. (jeweils Juris)). Das ist hier der Fall. Denn das Aussteigen aus dem LKW wie auch das anschließende Gehen waren vom Willen des Klägers getragene und gesteuerte Eigenbewegungen. Dieses innere und durch seine Willensbildung und Kraftanstrengung von ihm gesteuerte und kontrollierte Geschehen schloss eine Auswirkung von außen gerade aus. Eine irgendwie geartete Einwirkung von außen, eine plötzliche Ablenkung, eine Fehlgängigkeit, z. B. Stolpern, Umknicken, Fallen oder Anstoßen, oder sonstige überraschende Momente sind dabei ersichtlich nicht aufgetreten. Die völlig vom Willen des Klägers gesteuerte Handlung wies mithin – abgesehen vom Auftreten von Schmerzen am rechten Kniegelenk – kein Überraschungsmoment auf. Dem entsprechend hat Prof. Dr. L. bei der Erstuntersuchung auch keine äußeren Verletzungszeichen erhoben und neben einem suprapatellaren Gelenkerguss bei der radiologischen Untersuchung auch keine Hinweise für eine Fraktur, Luxation oder Subluxationsstellung im rechten Kniegelenk objektiviert.
Zwar muss die Einwirkung auf den Körper des Versicherten nicht äußerlich sichtbar sein, z. B. bei radioaktiven Strahlen oder elektromagnetischen Wellen (vgl. BSG SozR 2200 § 548 Nr. 56). Ggf. genügt auch eine starke Sonneneinstrahlung, die von außen mittelbar zu einem Kreislaufkollaps führt, der dann als Arbeitsunfall anzuerkennen ist (vgl. BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 13, Rdnr. 13). Auch eine geistig-seelische Einwirkung kann genügen (vgl. BSGE 18, 173, 175). Ganz verzichtet werden kann auf eine Einwirkung aus den oben unter 2. a) genannten Gründen jedoch nicht.
c) Damit lag bis zum Auftreten der Schmerzen im Bereich des rechten Kniegelenks des Klägers kein Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung vor, weil es an einem plötzlichen und von außen wirkenden Ereignis fehlte (vgl. hierzu auch LSG Baden-Württemberg vom 26.01.2009 – L 1 U 3612/08 -, Rdnr. 27; LSG Sachsen-Anhalt vom 26.08.2010 – L 6 U 69/09 -, Rdnr. 22 und LSG Berlin-Brandenburg vom 22.06.2012 – L 3 U 259/09 -, Rdnr. 21 (jeweils juris); ferner zuletzt Gerichtsbescheid des erkennenden Gerichts vom 18.04.2017 – S 1 U 3794/16 - (nicht veröffentlicht)).
3. Zu Recht hat deshalb die Beklagte durch die angefochtenen Bescheide die Anerkennung des Ereignisses vom 11.09.2015 als Arbeitsunfall abgelehnt. Das Klagebegehren musste daher erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 Abs. 1 und 4 SGG.
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