S 3 AS 3231/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Konstanz (BWB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AS 3231/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für die Zeit von Dezember 2005 bis April 2006 Arbeitslosengeld II unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft (einschließlich Heizkosten) von 304,56 EUR monatlich zu gewähren.
Der Bescheid der Beklagten vom 4. Oktober 2005 und deren Widerspruchsbescheid vom 10. November 2005 werden aufgehoben, soweit sie dieser Verurteilung entgegenstehen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches.

Der 1948 geborene erwerbsfähige Kläger lebte nach Scheidung seiner Ehe im Mai 2004 auch im Streitzeitraum weiterhin in dem beiden früheren Ehegatten jeweils zur Hälfte gehörenden Wohngebäude B.-Straße 39 in S. (Landkreis S.). Dieses weist eine Wohnfläche von 178 m² in zwei Wohnungen mit insgesamt 7,5 Zimmern auf (vgl. Verwaltungsakten Bl. 8/11). Außerdem wohnte dort damals mindestens noch seine geschiedene Ehefrau.

Am 28. April 2005 beantragte der Kläger Arbeitslosengeld II, wobei er als Kosten der Unterkunft Schuldzinsen in Höhe von 510,19 EUR (Verwaltungsakten Bl. 7, 15), Heizkosten von 181,83 EUR (Verwaltungsakten Bl. 7 R, 16, 21) sowie Nebenkosten von 119,80 EUR monatlich (Verwaltungsakten Bl. 7 R, 16, 22 ff.) geltend machte. Mit aus den Akten nicht ersichtlichem Bescheid bewilligte die Agentur für Arbeit B. dem Kläger ab Mai 2005 Leistungen unter Berücksichtigung eines Bedarfs hinsichtlich der Kosten der Unterkunft von 480,15 EUR monatlich. Mit Schreiben vom 31. Mai 2005 (Verwaltungsakten Bl. 44/45) wurde der Kläger darüber unterrichtet, dass bei einem Haushaltsmitglied eine Wohnungsgröße von 45 m² zu einem Preis von 215 EUR einschließlich sämtlicher Nebenkosten, jedoch ohne Heizkosten angemessen sei. Für letztere seien vorliegend entsprechend der Heizungsart und der Personenzahl 32,40 EUR angemessen. Die vom Kläger innegehabte Wohnung sei nach diesen Kriterien hinsichtlich Größe, Kaltmiete mit Nebenkosten sowie Heizkosten unangemessen. Der Kläger wurde aufgefordert, die Aufwendungen für die Wohnung durch einen Wohnungswechsel, durch Untervermietung oder auf andere Weise zu reduzieren. Falls er hierzu bereit sei, würden die tatsächlichen Kosten der Unterkunft bis längstens 30. November 2005 übernommen.

Am 27. September 2005 stellte der Kläger einen Fortzahlungsantrag, wobei er in allen Punkten "keine Änderungen" ankreuzte.

Die Beklagte bewilligte ihm daraufhin mit Bescheid vom 4. Oktober 2005 (Verwaltungsakten Bl. 53 ff.) für den Monat November 2005 Leistungen in Höhe von 942,15 EUR und für die Monate Dezember 2005 bis April 2006 in Höhe von 709,40 EUR. Im November 2005 berücksichtige die Beklagte dabei Kosten der Unterkunft von 480, 15 EUR (Verwaltungsakten Bl. 56 f.), ab Dezember 2005 nur noch in Höhe von 247,40 EUR (Verwaltungsakten Bl. 58 f.).

Hiergegen legte der Kläger am 28. Oktober 2005 Widerspruch ein (Verwaltungsakten Bl. 52), welchen die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. November 2005 (AA-Akten Bl. 60/62) zurückwies.

Zur Begründung der hiergegen am 9. Dezember 2005 beim Sozialgericht K. erhobenen Klage wird geltend gemacht, die Entscheidung, die Unterkunftskosten zu kürzen, entspreche nicht der Situation auf dem Wohnungsmarkt. Der Kläger habe eine Menge Zeitungsanzeigen studiert, die den Raum S. beträfen. Sogar die kleinsten Wohnungen in der Region seien nicht unter 330 EUR vermietet worden. An Nebenkosten ergäben sich bei ihm monatlich 119,89 EUR, an Heizkosten monatlich 193,61 EUR. Des Weiteren bestehe eine monatliche Belastung an Zins und Tilgung von 735,74 EUR. Monatlich fielen daher ohne Instandhaltungs- und Stromkosten insgesamt 1.049,24 EUR an, welche er sich mit seiner geschiedenen Frau teile, die ebenfalls im Haus wohne.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich - zweckdienlich ausgelegt -,

die Beklagte unter Aufhebung entgegenstehender Bescheide zu verurteilen, ihm ab Dezember 2005 Arbeitslosengeld II unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft in Höhe von mindestens 480,15 EUR zu gewähren.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen,

und hält die bewilligten Kosten der Unterkunft unter Berücksichtigung einer der Kläger nur zustehenden Wohnung von 45 m² für angemessen.

Die Beteiligten haben mit Schreiben vom 29. Mai bzw. 3. Juli 2007 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Dem Gericht liegt die Leistungsakte der Beklagten vor, auf welche ebenso wie auf die Gerichtsakte wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht kann mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).

Streitgegenstand ist im vorliegenden Verfahren nur der Zeitraum vom 1. Dezember 2005 bis zum Ende des Bewilligungsabschnitts am 30. April 2006. Spätere Bewilligungen sind insbesondere nicht nach § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Klagegegenstand geworden, weil sie die hier angefochtenen Bescheide weder ändern noch ersetzen (vgl. hierzu z. B. BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7 b AS 14/06 R -, SozR 4-4200 § 20 Nr. 1).

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene Klage ist nur teilweise begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 4. Oktober 2005 und deren Widerspruchsbescheid vom 10. November 2005 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinem Rechten, soweit ihm dadurch für die Zeit von 1. Dezember 2005 bis 30. April 2006 Arbeitslosengeld II unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft einschließlich der Heizkosten von weniger als 304,56 EUR monatlich gewährt wurde. Im übrigen sind die Bescheide jedoch nicht zu beanstanden, denn der Kläger hat keinen weitergehenden Anspruch auf Arbeitslosengeld II, insbesondere nicht in Form der Übernahme von höheren Kosten der Unterkunft.

Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch ist § 7 Abs. 1 Satz 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) - in der vom 1. Januar 2005 bis 31. März 2006 geltenden Fassung - in Verbindung mit § 19 Satz 1 SGB II. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig sowie hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die zitierten Anspruchsvoraussetzungen vorliegen und es bestehen auch keine Anzeichen dafür, dass es sich anders verhalten könnte.

Die Beteiligten streiten hier allein über die Höhe der von der Beklagten zu übernehmenden Kosten der Unterkunft.

Nach § 22 Abs. 1 SGB II in der für Dezember 2005 maßgebenden Fassung (im folgenden: a. F.) wurden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen waren (Satz 1). Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang überstiegen, waren sie als Bedarf der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es dieser nicht möglich oder zumutbar war, die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (Satz 2).

Nachdem der Kläger ein Eigenheim bewohnt, entsprechen seine Unterkunftskosten grundsätzlich den Aufwendungen, die der Leistungsberechtigte als mit dem Eigentum unmittelbar verbundene Lasten zu tragen hat (BVerwG, Urteil vom 7. Mai 1987 - 5 C 36.85 -, BVerwGE 77, 232) und zu deren näherer Bestimmung regelmäßig auf § 7 Abs. 2 Verordnung zur Durchführung von § 76 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) - nunmehr zu § 82 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch - zurückgegriffen wird (vgl. Lang in: Eicher / Spellbrink, SGB II, Kommentar, § 22 Rdnr. 26). Allerdings darf der Kläger dadurch nicht besser gestellt werden als der Mieter einer Mietwohnung. Dies bedeutet, dass die für sein Eigenheim als angemessen anzusehenden Aufwendungen keinesfalls eine seinen Familienverhältnissen entsprechende angemessene Wohnungsmiete übersteigen dürfen. Das Bundessozialgericht hat nämlich in seinem Urteil vom 7. November 2006 (Az.: B 7 b AS 2/05 R; SozR 4-4200 § 12 Nr. 3) ausgeführt, Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) sei tangiert, wenn es um die Übernahme der Unterkunftskosten von Mietern einerseits und Haus- bzw. Wohnungseigentümern andererseits etwa im Hinblick auf die Höhe der Kaltmiete einerseits und der Darlehenskosten andererseits sowie in Bezug auf Heizungs- und sonstige Nebenkosten differenziert werde. Im Rahmen der Angemessenheitsprüfung bei § 22 Abs. 1 SGB II werde eine Privilegierung von Eigentümern gegenüber Mietern nicht zu rechtfertigen sein.

Das erkennende Gericht teilt - wie auch das Landessozialgericht Baden-Württemberg (Beschluss vom 26. Juli 2006 - L 13 AS 1620/06 ER-B -) und das Bayerische Landessozialgericht (vgl. Urteil vom 13. April 2007 - L 7 AS 182/06 -) - diese Auffassung des Bundessozialgerichts. Für Bewohner von Eigenheimen ist damit keine gesonderte, höhere Grenze der Angemessenheit heranzuziehen, denn eine solche gäbe zu erheblichen Bedenken Anlass, ob damit nicht Mieter unter Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG benachteiligt würden. Bewohner von Eigenheimen genössen einen erheblichen Vorteil, denn ihnen würde letztendlich von staatlicher Seite ermöglicht, Immobilienvermögen zu erwerben, während eine entsprechende Unterstützung Mietern vorenthalten bliebe.

Somit können Schuldzinsen und sonstige notwendigen Ausgaben gemäß § 7 Abs. 2 der Verordnung zur Durchführung von § 76 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) höchstens in dem Umfang angemessene Unterkunftskosten darstellen, als sie die angemessene Miete einer dem Kläger vergleichsweise zustehenden Wohnung nicht übersteigen. Folglich sind zunächst hypothetisch die angemessenen Kosten einer Mietwohnung zu ermitteln.

Maßgeblich für die Beurteilung der Angemessenheit von Mietaufwendungen ist die Wohnungsgröße, der Wohnstandard sowie das örtliche Mietniveau (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7 b AS 10/06 R -, SozR 4-4200 § 22 Nr. 2 Rdnrn. 24 ff.). Hinsichtlich der Angemessenheit der Wohnungsgröße ist typisierend auf die Kriterien der Förderungswürdigkeit im sozialen Wohnungsbau nach den hierfür geltenden Vorschriften zurückzugreifen. Bezüglich des Wohnungsstandards als weiterem Faktor im Rahmen der Angemessenheitsprüfung ist darauf abzustellen, ob die Wohnung nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist; die Wohnung muss daher im unteren Segment der nach der Größe in Betracht kommenden Wohnungen liegen. Bei der Angemessenheitsprüfung ist zudem nicht isoliert auf die einzelnen Faktoren Wohnungsgröße, Ausstattungsstandards und Quadratmeterpreis abzustellen; die angemessene Höhe der Unterkunftskosten bestimmt sich vielmehr aus dem Produkt der - abstrakt zu ermittelnden - personenzahlabhängigen Wohnungsgröße und dem nach den örtlichen Verhältnissen angemessenen Mietzins pro Quadratmeter (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 2005 - 5 C 15.04 -, NVwZ 2005, 1197).

Als aussagekräftige Erkenntnisquellen kommen insoweit örtliche Mietspiegel oder Mietdatenbanken (vgl. §§ 558 c ff. Bürgerliches Gesetzbuch) in Betracht. Die für die Bemessung des Wohngeldes bestimmten tabellarischen pauschalierten Höchstbeträge des § 8 Wohngeldgesetz (WoGG) stellen dagegen keine valide Grundlage für die Prüfung der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft dar; sie können allenfalls als ein gewisser Richtwert Berücksichtigung finden, wenn alle anderen Erkenntnismöglichkeiten erschöpft sind (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7 b AS 10/06 R -, a.a.O., Rdnr. 24).

Unter Beachtung der soeben dargestellten Grundsätze ist bei dem allein lebenden Kläger Wohnraum im Rahmen der in Baden-Württemberg bei alleinstehenden Personen zu beachtenden Wohnraum- und Wohnflächenbegrenzung von bis zu 45 m² angemessen (vgl. Nr. 5.7.1 der Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums zur Sicherung von Bindungen in der sozialen Wohnraumförderung vom 12. Februar 2002 [GABl. 240] in der Fassung der Verwaltungsvorschrift vom 22. Januar 2004 [GABl. S. 248]).

Die nach dem örtlichen Mietenniveau zu berechnende Angemessenheitsgrenze beträgt für eine solche Wohnung in Sigmaringendorf 216 EUR Kaltmiete (ohne Betriebs- und Nebenkosten und ohne Heizkosten) monatlich und ergibt sich als Produkt aus der Wohnungsgröße und einem angemessenen Quadratmeterpreis von 4,80 EUR.

Das Gericht wendet auf den vorliegenden Fall jedenfalls hinsichtlich der Kaltmiete ohne Betriebskosten die gerichtsbekannten aktuellen Berechnungsgrundsätze der Beklagten an. Da diese auf dem "Mietpreisspiegel 2006 für Ravensburg, Weingarten, Leutkirch Wangen und Umgebung" beruhen und der vorliegende Streitzeitraum jedenfalls überwiegend im Jahr 2006 liegt, hat das Gericht keine Bedenken, die von der Beklagten erst ab einem Zeitpunkt im Jahre 2007 verwendete Berechnung bereits auf den vorliegenden Sachverhalt anzuwenden, zumal für den hier zu beurteilenden Zeitraum keine realitätsnähere Quelle besteht als eben dieser Mietpreisspiegel, welcher zudem - aus welchen Gründen auch immer - die zum Landkreis S. gehörende Stadt Bad S. umfasst.

Nachdem für den übrigen Landkreis S. weder ein eigener Mietpreisspiegel als aussagekräftigste Erkenntnisquelle existiert noch sonstige differenzierte Erkenntnisse zum Mietniveau vorliegen, ist die Bezugnahme auf den Mietpreisspiegel für den Landkreis R. rechtsfehlerfrei. Eine realitätsnähere und belastbarere Erkenntnisquelle zur Mietpreissituation im Landkreis S. existiert nicht.

Bei den hier in Betracht kommenden Wohnungen bis 50 m² geht die Beklagte dabei zunächst von einer mittleren Wohnlage sowie Ausstattung mit Bad / Dusche aus (Mietpreisspiegel Tabelle 1, Gruppe III). Um der Vorgabe zu entsprechen, dass es sich um eine Wohnung im unteren Segment zu handeln hat, nimmt die Beklagte jeweils die untersten Werte der Gruppe III für die Baujahre 1961 bis 1969 und 1970 bis 1979 (4,70 EUR bzw. 5,10 EUR) und mittelt diese auf 4,90 EUR. Diese Auswahl der Referenzwohnung ist nach der Vorgabe, dass sie sich im unteren Segment zu befinden hat, nicht zu beanstanden. Indem die Beklagte jeweils auf die Mindestwerte der besten Ausstattungsgruppe zurückgreift, stellt sie dem Hilfeempfänger in jedem Falle eine "Wohnung mit bescheidenem Zuschnitt" (BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7 b AS 10/06 R -, a. a. O.) sicher. Zu diesem Ausgangswert von 4,90 EUR kommt entsprechend Tabelle 3 des Mietpreisspiegels ein Zuschlag von 14 Prozent für die hier in Rede stehende Wohnungsgröße von weniger als 50 m². Analog Tabelle 4 des Mietpreisspiegel erfolgt dann allerdings ein Ortsabschlag von 16 Prozent für S., der die dort für Gemeinden im Landkreis R. vorgesehenen maximalen Abschläge von 12 Prozent übertrifft. Dies gibt nach Auffassung des Gerichts zutreffend wider, dass Wirtschaftskraft und Wohnattraktivität des Landkreis S. signifikant niedriger sind als die des als Maßstab herangezogenen Landkreises R. (vgl. z. B. Karte zum Bruttoinlandsprodukt in: Kröhnert / Medicus / Klingholz, Die demografische Lage der Nation, München [dtv] 2006, S. 164). Auch war die Bevölkerungsentwicklung im Landkreis S. von 2000 (133.500) bis 2006 (133.259) leicht rückläufig, während sich die Wohnbevölkerung im Landkreis R. im gleichen Zeitraum von 268.770 auf 276.022 erhöht hat (Quelle: Wikipedia). Dies spricht für einen höhere Wohnungsnachfrage im Landkreis R. mit der Folge eines höheren Preisniveaus.

Schließlich spiegelt sich die Differenz zwischen dem Ortsabschlag für Bad S. von sieben Prozent nach Tabelle 4 des Mietpreisspiegels und dem von der Beklagten vorgenommenen Abschlag von 16 Prozent für die Gemeinde S. auch in der unterschiedlichen Anspruchshöhe nach dem Wohngeldrecht wider. In der nach der Anlage zu § 1 Abs. 4 Wohngeldverordnung zur Mietstufe 2 gehörenden Stadt Bad S. steht einem Ein-Personen-Haushalt bei Bezugsfertigkeit des Wohnraums zwischen 1966 und 1991 Wohngeld nach einem Höchstbetrag von 230 EUR zu, während diese Leistung in der unter die Mietstufe 1 fallenden Gemeinde S. nur maximal 215 EUR beträgt. Zwar darf die absolute Höhe dieser Beträge - wie dargelegt - in aller Regel nicht in das Leistungsrechtsrecht nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches übernommen werden, doch kann die hier annähernd parallele Relation zwischen den Leistungsstufen nach dem Wohngeldgesetz und den von der Beklagten vorgenommenen Ortsabschlägen durchaus als Indiz für Angemessenheit der ermittelten Kosten der Unterkunft im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitssuchende dienen.

Die Richtigkeit der gewonnenen Ergebnisse bestätigt ein zur Kontrolle durchgeführter Vergleich mit dem "IVD Preisspiegel für Immobilien in Baden Württemberg 2006" (Quelle: www.ivd-sued.net/files/IVD-Preisspiegel 2006.pdf). Diese - allerdings weniger differenzierte - Tabelle weist für die Kreisstadt S. einen mittleren Kaltmietpreis bei 60 bis 100 m² großen Wohnungen von 4,60 EUR pro Quadratmeter aus. Geht man nun davon aus, dass einerseits die Mietpreise in der Stadt S. höher sind als in der hier zu beurteilenden kreisangehörigen Gemeinde S., andererseits aber ein Aufschlag für die hier vorliegende Kleinwohnung zu machen ist, so bestätigt dieser Preisspiegel im Ergebnis den hier für S. angenommenen Kaltmietpreis von 4,80 EUR pro Quadratmeter.

Zur Beurteilung der mit dem Eigentum unmittelbar verbundenen Lasten des Klägers ist also zunächst eine vergleichsweise Kaltmiete von 216 EUR heranzuziehen.

Zu den Kosten der Unterkunft im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II gehören auch die sogenannten Wohnungsnebenkosten, welche - entgegen der früheren Berechnungsweise der Beklagten, auf der auch die angefochtenen Entscheidungen noch basieren - nicht von einer unzulässigerweise aus § 8 WoGG entnommenen Gesamtmiete umfasst sind.

Wie dargelegt können auch die Nebenkosten im Falle der Bewohnung eines Eigenheims nur im demjenigen Umfang anerkannt werden, wie diese auch bei einer den Familienverhältnissen entsprechenden Mietwohnung berücksichtigungsfähig wären.

Die zu vergleichenden Nebenkosten (ohne Heizkosten) eines Mieters setzt das Gericht vorliegend mit 42,66 EUR an.

Zunächst sind Wasser- und Abwasserkosten von monatlich 17,50 EUR zu berücksichtigen. Dieser Wert folgt aus der vorgelegten Abrechnung für das gesamte Wohngebäude (vgl. Verwaltungsakten Bl. 23), welche in einem Zeitraum von 11 Monaten und 5 Tagen einen Verbrauch von 207 m³ zu einem Preis von 770,16 EUR ausweist. Die Kammer war der Auffassung, dass man aus der Abfallgebührenveranlagung (vgl. Verwaltungsakten Bl. 22) auf vier Hausbewohner schließen müsse und daher auch die Wassermenge auf vier Personen in elf Monaten zu verteilen habe, so dass auf den Kläger ein Anteil von 17,50 EUR entfällt. Für die erwähnten Abfallgebühren ergibt sich bei der durch den Bescheid nachgewiesener Zahl von vier veranlagten Personen bei einer Jahresgebühr von 129,16 EUR für das Jahr 2005 ein auf den Kläger entfallender Anteil von 2,69 EUR monatlich. Die Grundsteuer von 252,08 EUR pro Jahr (vgl. Verwaltungsakten Bl. 24) teilt sich auf zwei Miteigentümer auf, so dass für den Kläger monatlich 10,50 EUR zu zahlen sind. Die geltend gemachten Kaminfegerkosten von 50,89 EUR (Verwaltungsakten Bl. 25) betreffen ebenfalls beide Miteigentümer; auf den Kläger entfallen daher nur monatlich 2,12 EUR. Gleiches gilt für die Kosten der Gebäudeversicherung (Verwaltungsakten Bl. 26); insoweit verbleiben für den Kläger monatlich 5,38 EUR. Weiter geht das Gericht zu Gunsten des Klägers davon aus, dass die Beiträge zur Haftpflichtversicherung von 107,32 EUR (vgl. Verwaltungsakten Bl. 27) nur die Haftpflicht für das Gebäude betreffen und erkennt den Betrag daher grundsätzlich als notwendige Aufwendungen an; allerdings entfällt auch insoweit nur die Hälfte auf den Kläger (4,47 EUR pro Monat). Nachdem keine weiteren Kostenarten geltend gemacht wurden, ergeben sich somit als "kalte" Nebenkosten 42,66 EUR.

Leistungen für Heizung werden nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Als tatsächliche Aufwendungen werden hier unter Vorlage einer entsprechenden Heizölrechnung (Verwaltungsakten Bl. 21) monatliche Kosten von 181,83 EUR geltend gemacht (vgl. Berechnung des Klägers Verwaltungsakten Bl. 16). Für diese laufenden Kosten der Heizung spricht eine Vermutung der Angemessenheit, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte für ein unwirtschaftliches und damit unangemessenes Heizverhalten vorliegen (vgl. z. B. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. Dezember 2005 – L 8 AS 427/05 ER –; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 1. August 2005 – L 19 B 68/05 AS ER –; LSG Thüringen, Beschluss vom 7. Juli 2005 – L 7 AS 334/05 ER – ; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 22. Januar 2002 – 4 PA 2747/01 –). Die Höhe der Heizkosten hängt nämlich von zahlreichen Faktoren ab wie beispielsweise Lage und Bauzustand der Wohnung, Geschosshöhe, Wärmeisolierung des Gebäudes und der Fenster, Wirkungsgrad und Wartungszustand der Heizungsanlage, ferner von meteorologische Daten (Zahl der Heiztage, absolute Außentemperaturen) und gegebenenfalls von einem erhöhten Heizbedarf für bestimmte Personenkreise (Alter, Behinderung, Kleinkinder). Die von der Beklagten angewandten quadratmeterbezogenen Richtwerte nach einzelnen Heizungsarten können daher höchstens einen Anhaltspunkt für die Überprüfung der Angemessenheit von Heizkosten in dem Sinne bilden, dass bei erheblichen ungeklärten Abweichungen die Vermutung der Angemessenheit zunächst entfällt und sich mit weiter zunehmender Diskrepanz eventuell sogar in eine Vermutung der Unangemessenheit umkehrt.

Da Anhaltspunkte für ein unwirtschaftliches Verhalten des Klägers oder anderer Bewohner des Gebäudes, auf welches sich die zugrunde liegende Heizölrechnung bezieht, nicht erkennbar sind, sind vorliegend die geltend gemacht Kosten als angemessen der weiteren Berechnung zugrunde zu legen.

Nachdem der Kläger nur einen Anspruch auf Bewilligung der angemessenen Unterkunftskosten hat, besteht ein Anspruch auf Heizkosten nur anteilig im Hinblick auf die angemessene Wohnfläche von 45 m² (vgl. HessLSG, Beschluss vom 21. März 2006 - L 9 AS 124/05 ER -, EuG 2007, 233). Dies gilt nicht nur bei Mietwohnungen, sondern auch für Eigenheime und Eigentumswohnungen, welche die oben erläuterten landesrechtlichen Größenvorgaben für die Angemessenheit überschreiten (SG Lüneburg, Beschluss vom 16. Mai 2007 - S 24 AS 1450/06 ER ). Da sich die nachgewiesenen Heizkosten auf das gesamte Wohngebäude mit einer Wohnfläche von insgesamt 178 m² beziehen, steht dem Kläger nur ein auf 45 m² bezogener Anteil zu. Bei Kosten von 181,83 EUR monatlich entfallen auf den Kläger somit 45,90 EUR.

Nach alldem stehen dem Kläger angemessene Kosten der Unterkunft von monatlich 304,56 EUR zu.

Ein Anspruch auf Zugrundelegung der tatsächlichen Unterkunftskosten folgt auch nicht aus § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II (a. F.). Der Kläger kann nicht verlangen, dass ihm Schuldzinsen in tatsächlicher Höhe gewährt werden, obwohl diese mit (mindestens) 248,03 EUR (vgl. Verwaltungsakten Bl. 18 ff.) den angemessenen Umfang der zu vergleichenden Kaltmietkosten mit 216 EUR deutlich übersteigen.

Die Voraussetzungen von § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II sind, sofern diese Bestimmung bei der begehrten Übernahme der vollen Schuldzinsen als Aufwendungen für die Unterkunft überhaupt Anwendung finden kann (offen gelassen auch von LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 26. Juli 2006 - L 13 AS 1620/06 ER-B -), jedenfalls nicht erfüllt.

§ 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II a. F. macht von den Grundsatz, dass nur angemessene Unterkunftskosten zu erstatten sind, eine Ausnahme, solange eine Reduzierung der tatsächlichen Kosten auf das angemessene Maß nicht möglich oder nicht zumutbar war; diese "Schonfrist" sollte in der Regel sechs Monate nicht übersteigen, wobei die sechs Monate von Gesetzes wegen keineswegs als Regeldauer anzusehen sind. § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II a. F. stellt eine Billigkeitsregel dar, damit der Leistungsberechtigte nicht sofort (bei Eintritt der Hilfebedürftigkeit) gezwungen ist, seine bisherige Wohnung aufzugeben. Die Frist gewährte dem Hilfesuchenden also Aufschub, damit dieser innerhalb vertretbarer Zeit seine Unterkunftskosten auf das angemessene Maß senken kann.

Die Frist beginnt hier mit dem Zugang der Kostensenkungsaufforderung von 31. Mai 2005 (Verwaltungsakten Bl. 44) und endet mit dem darin genannten 30. November 2005. Es ist unschädlich, dass die Frist unter Berücksichtigung des Postlaufes keine vollen sechs Monate gedauert hat, denn nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II a. F. sollte sie "längstens" sechs Monate dauern. Wenn die Beklagte sie aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität (monatsweise Bewilligung) um wenige Tage verkürzt, so ist dies nicht zu beanstanden.

Weiterhin macht der Umstand, dass die Miete fälschlicherweise mit 215 EUR einschließlich sämtlicher Nebenkosten außer Heizkosten zu niedrig beziffert wurde, die Unterrichtung nicht hinfällig. Der Hinweis soll den Hilfeempfänger in die Lage versetzen, sich effizient am Wohnungsmarkt zu betätigen. Für diesen Zweck erscheint die Mitteilung wichtiger, dass die gegenwärtigen Kosten der Unterkunft unangemessen sind; denn diese veranlasst den Hilfeempfänger erst, sich überhaupt nach einer anderen Wohnung umzusehen. Die Mitteilung der angemessenen Höhe soll lediglich bewirken, dass er seine Nachfrage auf die richtigen Wohnungen lenkt. Im vorliegenden Fall liegen keine substantiierten Darlegungen vor, dass der Kläger nennenswerte Anstrengungen unternommen hätte, um eine angemessene Wohnung zu finden. Wer sich aber ausreichender Bemühungen enthält, kann sich nicht darauf berufen, er sei durch unzureichende Information am Wohnungsmarkt fehlgeleitet worden (vgl. BayLSG, Urteil vom 13. April 2007 - L 7 AS 182/06 ).

Schließlich kann nicht davon ausgegangen werden, es sei in der fraglichen Zeit keine adäquate Wohnung konkret verfügbar gewesen. Da der Hilfebedürftige einen Anspruch auf Deckung seines Unterkunftsbedarfes hat, hat sich die Prüfung auch auf die Frage zu erstrecken, ob dem Hilfeempfänger eine andere kostengünstigere Wohnung konkret verfügbar und zugänglich war (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7 b AS 10/06 R -, a. a. O., Rdnr. 25). Es ist durch eine Vielzahl bearbeiteter Verfahren sowie aufgrund von der Beklagten vorgelegter Wohnungsannoncen gerichtsbekannt, dass im Landkreis S. Wohnungen des in Betracht kommenden Preissegments als konkrete Unterkunftsalternative existieren und verfügbar sind. Ein konkreter Nachweis einer in Betracht kommenden Alternativwohnung ist jedenfalls so lange nicht zu erbringen, als der Kläger nicht durch hinreichend zahlreiche und umfassende Bemühungen nachweist, dass gerade in seinem Falle trotz aller Bemühungen eine Wohnung zu einem angemessenen Mietpreis nicht zu finden war.

Daher hat es dabei zu verbleiben, dass dem Kläger vom 1. Dezember 2005 bis 30. April 2006 nur die angemessenen Unterkunftskosten von 304,56 EUR monatlich zustehen. Nachdem keine sonstigen Mängel vorgetragen oder ersichtlich sind, ist die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger im Streitzeitraum Arbeitslosengeld II unter Berücksichtigung dieser Kosten der Unterkunft zu gewähren. Die weitergehende Klage ist abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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