S 7 AS 100/17 ER

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Kassel (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 7 AS 100/17 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 340/17 B ER
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Eine rein vergönnungsweise durchgeführte Beschäftigung führt mangels Arbeitnehmereigenschaft nicht zu einem Freizügigkeitsrecht.
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II.

Die 1994 geborene Antragstellerin zu 1) ist die Mutter der Antragstellerinnen zu 2) und 3). Über die Sorgerechtsverhältnisse ist nichts bekannt. Nach eigenen Angaben ist die Antragstellerin zu 1) mit dem Kindesvater nicht verheiratet. Im Zuge ihrer Antragstellung bei dem Antragsgegner am 23. März 2017 mit den ausgefüllten Formularanträgen des Antragsgegners gab die Antragstellerin zu 1) an, rumänische Staatsbürgerin und in der D-Straße in E-Stadt wohnhaft zu sein. Als Bevollmächtigte gab sie die vom Gericht als Zeugin vernommene I. an. Dem Antrag legte die Zeugin als damalige Bevollmächtigte mit Schreiben vom 30. März 2017 Lohnabrechnungen für die Antragstellerin zu 1) für Januar, Februar und März 2017 mit einem Gesamteinkommen von brutto 1049,90 EUR vor. Sie gab an, das Nettogehalt werde in Zukunft bei 409,05 EUR monatlich liegen. Die Lohn-Gehaltsabrechnungen für die Zeit Januar bis März 2017 weisen Nettobeträge von 231,80 EUR, 640,85 EUR und 409,05 EUR aus. Nach der vorgelegten amtlichen Meldebestätigung des Gemeindevorstandes der Gemeinde E-Stadt sind die Antragstellerinnen seit dem 15.1.2017 unter der angegebenen Adresse gemeldet. In einem Zusatzblatt zum Antrag gab die Antragstellerin zu 1) ein, ihr Einkommen sei nicht ausreichen, sie beziehe Arbeitslohn von der Firma I. Damenmoden. Vorgelegt wurde eine Antrags-, Auskunfts-und Verfahrensvollmacht, ausgestellt auf die Zeugin I., für die Antragstellerin und ihre Familienmitglieder. An Kosten der Unterkunft und Heizung gab die Antragstellerin zu 1) monatliche Beträge von 290,00 EUR als Grundmiete, 120,00 EUR an Nebenkosten, 100,00 EUR an Heizkosten und 40,00 EUR Möblierungskosten als sonstige Wohnkosten an (insgesamt 550.00 Euro monatlich). Hierzu legte sie den Mietvertrag, geschlossen mit ihrer Bevollmächtigten und Arbeitgeberin I. vom 1.3.2017 vor, wonach sie im Hause D-Straße in E-Stadt-X eine Wohnung im zweiten Obergeschoss, möbliert, ca. 63 m², zwei Zimmer, Küche, Bad, WC angemietet hat; der Vertrag ist auf zwölf Monate befristet und soll dann in ein unbefristetes Mietverhältnis übergehen, wenn nicht einer der Vertragspartner einen Monat vor Ablauf der Mietzeit kündigt. Die Gesamtmiete sei monatlich im Voraus zum Ersten des Monats auf ein Konto der Zeugin I. zu überweisen. Ferner legte die Antragstellerin zu 1) ihre formularmäßig abgefasste Abtretungserklärung vom 1.3.2017 vor, womit sie ihren Anteil an "Sozialhilfe/Arbeitslosengeld II, Hartz vier, Wohngeld" in Höhe der Forderungen ihres Vermieterin I. für die Wohnung in der D-Straße in E-Stadt unwiderruflich für die Dauer ihres Aufenthaltes bzw. ihres Mietvertrages abtrete, verbunden mit dem Antrag an den Antragsgegner, dieses Geld für die offenen Forderungen direkt auf ein Konto bei der Sparkasse F-Stadt (IBAN DE 12345) zu überweisen. Die Antragstellerin zu 1) liegt eine Mietbescheinigung ihrer Vermieterin I. vom 26. März 2017 vor. In der Anlage zu ihren Einkommensverhältnissen gab die Antragstellerin zu 1) an, sie beziehe Arbeitseinkommen aus einer Erwerbstätigkeit für die Firma I. Damenmoden in G-Stadt. Die Anzahl der Arbeitstage im Monat betrage sieben. Aus dem beigefügten Arbeitsvertrag, geschlossen mit der Zeugin I. am 15. Januar 2017, ergibt sich, dass die Antragstellerin zu 1) als Lager- und Verkaufskraft für 52 Stunden im Monat, flexibel nach Arbeitsaufkommen, zu 8,84 EUR pro Stunde, somit 459,68 EUR brutto monatlich beschäftigt sei. Die Einstellung erfolge zum 15. Januar 2017, das Gehalt werde bar ausbezahlt. Bei Wegfall der Kinderbetreuung könne dieser Vertrag ohne Verursachung einer Schuld zu Gunsten der Betreuung der Kinder einvernehmlich aufgehoben werden. Ansonsten hätten die gesetzlichen Kündigungsfristen Geltung. Vorgelegt wurde eine Meldebescheinigung zur Sozialversicherung seit dem 15.1.2017. Aktenkundig sind Internetausdrucke der I. Damenmoden in H-Stadt, K-Stadt, L-Stadt, M-Stadt, N-Stadt-O und F-Stadt. In der Anlage zu ihren Vermögensverhältnissen machte die Antragstellerin zu 1) geltend, über Bargeld von 36,00 EUR, ansonsten über keine Vermögensgegenstände zu verfügen. In der Anlage zu Unterhaltsansprüchen von Kindern wird der Kindsvater (Anerkennung der Vaterschaft am 2. September 2014) genannt. Aktenkundig ist ein Vermerk des Antragsgegners ohne Datum, wonach die Antragstellerin zu 1) in Begleitung der Zeugin I. zur Antragsabgabe erschienen sei. Hiernach habe die Zeugin erklärt, sie habe wegen sprachlicher Hürden die Betreuung der Familie übernommen. Zum Beschäftigungsverhältnis wird vermerkt, die Antragstellerin zu 1) arbeite im Unternehmen der Zeugin in der Versandabteilung in P-Stadt-Q. Die vereinbarte Arbeitszeit von max. 7 Tagen im Monat und max. 52,00 Stunden/Woche werde in einer Woche abgearbeitet. Die Zeugin bringe die Antragstellerin zu 1), für die jeweilige Arbeitswoche nach P-Stadt und hole sie wieder ab. Sie übernachte während dieser Zeit in der L-Straße in G-Stadt. Dieses Haus gehöre ebenfalls der Zeugin I. Unterkunftskosten für diese Unterbringung würden nicht verlangt. Die Betreuung der Kinder übernehme während dieser Zeit die Familie von Frau A. (Familie N), die ebenfalls im gleichen Haus wohne.

Mit Bescheid vom 28. April 2017 lehnte der Antragsgegner die Leistungsgewährung nach dem Sozialgesetzbuch II ab. Die Antragstellerinnen hätten keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes, weil der Vollzug der im Arbeitsvertrag vom 15. Januar 2017 genannten Vereinbarung seitens des Antragsgegners angezweifelt werde. Zur Begründung führte der Antragsgegner aus, es sei nicht schlüssig, dass die Antragstellerin zu 1) ca. 7 km zur Arbeitsstätte in G-Stadt täglich zu Fuß zurückzulegen habe. Zweifelhaft sei, ob der zwischen ihr und der Zeugin am 15. Januar 2017 geschlossene Arbeitsvertrag tatsächlich vollzogen werde. Ein Arbeitnehmerstatus werde seitens des Antragsgegners angezweifelt. Der Aufenthalt in Deutschland ergebe sich somit alleine aus dem Zweck der Arbeitssuche, so dass die Leistungen nach dem SGB II gemäß § 7 Absatz 1 S. 2 Nr. 2 b SGB zwei abgelehnt würden.

Mit Schreiben vom 5.5.2017 vom 5. Mai 2017 legte die Zeugin I. für die Antragstellerinnen Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid des Antragsgegners vom 28. April 2017 ein. Sie warf die Frage auf, warum der Arbeitnehmerstatus der Antragstellerin zu 1) bezweifelt werde, in anderen Fällen rumänischer Arbeitnehmer sei das Verhalten des Antragsgegners ähnlich gewesen. Die Antragstellerin müsse nicht 7 km nach P-Stadt-Q zu Fuß gehen, sie sei jedes Mal von den kaufmännischen Mitarbeitern der Zeugin mitgenommen worden. In der Zentrale lernten Auszubildende und neue Mitarbeiter ohne ausreichende Sprachkenntnisse am schnellsten die Antragstellerin werde aber jetzt und in Zukunft auch in den Geschäften im Schwalm-Eder-Kreis eingesetzt werden. Sie wünsche sich, der Antragsgegner sähe ihre Bemühungen zur Integration nicht immer so negativ. Sie überreichte den Sozialversicherungsausweis der Antragstellerin zu 1) vom 12. April 2017. Im Widerspruchsverfahren verlangte der Antragsgegner mit Schreiben vom 16. Juni 2017 die Nennung (Name und Anschrift) des Mitarbeiters, welcher die Antragstellerin zu 1) regelmäßig zur Arbeit gefahren habe. Ferner bat er um Nennung von Mitarbeitern, welche bestätigen könnten, wann die Antragstellerin zu 1) tatsächlich in P-Stadt-Q gearbeitet habe. Ferner werde um Nennung von Zeugen gebeten, welche bestätigen könnten, ob und wann die Antragstellerin zu 1) sich in G-Stadt und P-Stadt-R aufgehalten habe. Als Frist wurde der 30. Juni 2017 gesetzt.

Mit ihrem bei dem Sozialgericht Kassel am 15.6.2017 gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt die Antragstellerinnen - zunächst vertreten durch die Zeugin I. - mit Schreiben vom 15. Juni 2017 Leistungen nach dem SGB II.

Nach Anhörung hat das Gericht die benannte Bevollmächtigte I. mit Beschluss vom zweiten 20. Juni 2017 als nicht vertretungsbefugt gemäß § 63 Abs. 2 und 3 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückgewiesen.

Zuvor ist von der Zeugin schriftsätzlich vorgetragen worden (Schriftsatz vom 18. Juni 2017), in den ersten zwei Monaten, in denen die Kinder durch die Familie N. während der Arbeitswochen beaufsichtigt worden seien, habe noch nicht ganz festgestanden, wo die junge Familie letztlich auf Dauer bleiben würde, ob in G-Stadt oder in der Gemeinde E-Stadt. In G-Stadt hätte sie ihr mit den Kindern die Wohnung ihrer im Vorjahr verstorbenen Mutter anbieten können. Die Kinderbetreuung wäre jedoch eher schwierig geworden. Daher hätten sie Mitte Februar beschlossen, die endgültige Anmeldung in E-Stadt vorzunehmen, damit die Antragstellerin zu 2) in die Schule gehen könne. Hierbei ergab sich durch Zufall auch das Freiwerden einer Zweizimmerwohnung, so dass die provisorische Unterbringung kein Dauerzustand habe werden müssen. Der Kindesvater habe 600 EUR an Kaution gezahlt, damit sie den Antragstellerinnen die Wohnung geben würde. Am 1. März habe die Antragstellerin zu 1) die Schlüssel der Wohnung erhalten. Sie habe für die Antragstellerin zu 1) ein Konto eröffnet, sich Kontovollmacht hierüber erteilen lassen, um ihr später helfen zu können, und am 6.4.2017 erstmalig einen Betrag von 10,00 EUR auf das Konto eingezahlt, um die Kontoführungsgebühren zu decken. Wenn der Antragsgegner Zweifel an der Beschäftigung habe, könne er gerne Zeugen befragen. Auch schöne Fotos von Zigeunerfrauen in Hose bei der Arbeit könne sie gerne einmal zeigen. Im Moment sei die Antragstellerin zu 1) krank. Sie sei dem ganzen psychischen Druck aus allen Ecken nicht mehr gewachsen. Darum werde sie in den nächsten zwei Wochen auch nicht bei der Arbeit anzutreffen sein. Der aus dem Verfahren S 6 AS 65/17 ER dem Sozialgericht bekannte OA. sei der leibliche Vater der Antragstellerin zu 1). Von Mitte Januar bis Ende April habe die Antragstellerin zu 1) von ihr wöchentlich 100 EUR von ihrem Lohn bar auf die Hand erhalten, um sich und die Kinder notdürftig versorgen zu können. Im Mai habe sie die Nachzahlung von Kindergeld erhalten. Hiervon habe sie - die Zeugin - insgesamt 880,00 EUR gesichert, um notwendige Anschaffungen wie Waschmaschine und Trampolin zu kaufen und die Mietschulden aufrechnen zu können. Das bedeute, von der 1650,00 EUR Mietschulden seien von 880,00 EUR Barauszahlung am Bankautomaten 299,00 EUR für die Waschmaschine und 300,00 EUR für das Trampolin reserviert gewesen. Die Schulden für die Schulmaterialien aus dem Personalkauf in der S-Firma in S-Stadt hätten ca. 81,00 EUR betragen. Somit halte sie zurzeit noch 200,00 EUR von dem gesicherten Betrag zur Anrechnung auf die Miete in der Hand. Die Zeugin legt erstellte Entgeltabrechnungen der I.-Damenmoden für die Zeit von Januar bis Juni 2017 und Stunden-Abrechnungsbögen in Kopie vor. Zudem hat sie Kontoauszüge der Antragstellerin zu 1) vorgelegt, wonach im Monat Mai 2017 Beträge von zweimal 500 EUR und einmal 380 EUR jeweils von Geldautomaten in E-Stadt und in G-Stadt abgehoben worden sind. Die Antragstellerin zu 1) ist nach eigenen Angaben im sechsten Monat schwanger.

Die Antragstellerinnen beantragen (sinngemäß),
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen vorläufig Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.

Er ist der Auffassung, dass ein Arbeitsverhältnis zwischen der Antragstellerin zu 1) und der Zeugin nicht begründet worden sei. Vielmehr sei das Arbeitsverhältnis lediglich vorgeschoben, um der Antragstellerin zu 1) zu einem Freizügigkeitsrecht zu verhelfen. Der Arbeitsvertrag werde voraussichtlich nicht gelebt.

Wegen der weiteren Einzelheiten und Unterlagen und wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidung gewesen sind. Das Gericht hat in einem Erörterungstermin am 28. Juni 2017 die Zeugin I. uneidlich vernommen; wegen des Inhaltes Ihrer Zeugenaussage wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift des Erörterungstermins des Sozialgerichts Kassel vom 28. Juni 2017.

II.

Der statthafte Antrag auf Erlass einer einstweilen Anordnung gemäß § 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist nicht begründet. Es ist von den Antragstellerinnen nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass sie über ein Freizügigkeitsrecht nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU verfügen. Damit ergibt sich - wie vom Antragsgegner zutreffend geltend gemacht - ein Leistungsausschluss für die Antragstellerinnen von Leistungen nach dem SGB II gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 b SGB II.

Leistungen nach dem SGB XII sind ausdrücklich nicht beabsichtigt, wie von der Antragstellerin zu 1) im Erörterungstermin am 28.6.2017 erklärt, da eine Ausreise nicht in Betracht komme.

Soweit - wie hier - ein Fall des § 86 b Abs. 1 SGG nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind dabei nach Satz 2 auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Nach § 86 b Abs. 4 SGG entscheidet das Gericht durch Beschluss; ein Antrag ist auch schon vor Klageerhebung zulässig (§ 86 b Abs. 3 SGG). Im vorliegenden Falle ist der Antrag nach § 86 b Abs. 2 SGG statthaft, da nicht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Verwaltungsaktes begehrt, sondern ein Anspruch auf Gewährung von Leistungen verfolgt wird, für den in der Hauptsache eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gem. § 54 Abs. 1 und 4 SGG zu erheben ist. Sowohl bei der Sicherungs- als auch bei der Regelungsanordnung muss der Antragsteller ein Recht geltend machen, dass ihm zusteht (Anordnungsanspruch) und das durch eine Veränderung gefährdet ist (Anordnungsgrund). Hierbei ist der Anordnungsgrund der Grund für den vorläufigen Rechtsschutz selbst, also die Gefahr vollendeter Tatsachen, die Eilbedürftigkeit etc. Der Anordnungsanspruch ist das zu sichernde Recht hinter der einstweiligen Anordnung, also der materielle Anspruch. Begründet ist der Antrag auf einstweilige Anordnung, wenn der Antragsteller beides - Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch - glaubhaft gemacht hat. Demnach ergeht eine einstweilige Anordnung dann, wenn die Klage nach summarischer Prüfung des Gerichtes offensichtlich begründet ist. Sie darf hingegen nicht ergehen, wenn die Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist. Ist weder das eine noch das andere der Fall, muss abgewogen werden zwischen der entstehenden Situation ohne Erlass einer einstweiligen Anordnung bei letztlich erfolgreicher Klage und derjenigen Situation bei Erlass einer einstweiligen Anordnung und letztlich erfolgloser Klage. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes müssen die Gerichte bei der Auslegung der anzuwendenden Vorschriften die besondere Bedeutung der betroffenen Grundrechte und den Anforderungen eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung tragen und die Folgen der Versagung des vorläufigen Rechtsschutzes berücksichtigen. Je schwerer die Belastungen hieraus wiegen und je geringer die Wahrscheinlichkeit ist, dass diese im Falle des Obsiegens in der Hauptsache rückgängig gemacht werden können, desto weniger darf das Interesse an einer vorläufigen Regelung zurückgestellt werden. Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG glaubhaft zu machen. Dabei sind, soweit im Zusammenhang mit dem Anordnungsanspruch auf die Erfolgsaussichten abgestellt wird, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen (BVerfG, a.a.O.). Die Glaubhaftmachung bezieht sich im Übrigen lediglich auf die reduzierte Prüfungsdichte und die nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde Überzeugungsgewissheit für die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., Rdnr. 16 d, 16 c und 40; zu allem Hess. LSG, 26.10.2005 – L 7 AS 65/05 ER -).

Die Voraussetzungen für die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches auf Leistungen nach dem SGB II, Arbeitslosengeld II für die Antragstellerin zu 1) und Sozialgeld für die Antragstellerinnen zu 2) und 3), gemäß § 19 Abs. 1 S. 1, S. 2 SGB II, sind nicht erfüllt.

Hierbei lässt die Kammer dahinstehen, ob die Eingangsvoraussetzungen auf einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II für die Kläger Antragstellerin zu 1) gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II erfüllt sind. Denn mangels Aufenthaltsrechtes hat die Antragstellerin zu 1) keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II, weil sie gemäß § 7 Absatz 1 S. 2 Nr. 2 b SGB II von den Leistungen ausgeschlossen ist. Für die Familienangehörigen der Antragstellerin zu 1), den Antragstellerinnen zu 2) und 3) gilt dies entsprechend.

Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 b SGB II sind von den Leistungen ausgenommen 1. Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts, 2. Ausländerinnen und Ausländer, a) die kein Aufenthaltsrecht haben, b) deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt oder c) die ihr Aufenthaltsrecht allein oder neben einem Aufenthaltsrecht nach Buchstabe b aus Artikel 10 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (ABl. L 141 vom 27.5.2011, S. 1), die durch die Verordnung (EU) 2016/589 (ABl. L 107 vom 22.4.2016, S. 1) geändert worden ist, ableiten, und ihre Familienangehörigen, 3. Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.

Die Antragstellerin zu 1) hat ihren Antrag im März 2017 gestellt, somit im dritten Monat ihres Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland, korrespondierend mit dem dreimonatigen Leistungsausschluss nach § 7 Absatz 1 S. 2 Nr. 1 SGB II. Sie verfügt jedoch entgegen ihrer eigenen Ansicht nicht über ein Aufenthaltsrecht mit Ausnahme desjenigen zur Arbeitssuche. Bei ihr als rumänische Staatsangehörige, die die deutsche Staatsangehörigkeit nicht innehat, handelt es sich um eine Ausländerin. Ein Aufenthaltsrecht mit Ausnahme eines solchen zur Arbeitssuche ist für die Antragstellerin zu 1) nicht ersichtlich. Denn unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt sind gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU Unionsbürger, die sich als Arbeitnehmer oder zur Berufsausbildung aufhalten wollen. Zur Überzeugung der Kammer ist die Antragstellerin zu 1) jedoch nicht Arbeitnehmerin im Sinne dieser Vorschrift. Sie hält sich vielmehr gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 Art SGB II - nach Ihrer eigenen Erklärung im Erörterungstermin am 28.6.2017 - lediglich zur Arbeitssuche in der Bundesrepublik Deutschland auf. Sie ist auch nicht im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 Freizügigkeitsgesetz/EU selbstständig erwerbstätig. Gleichermaßen ist sie nicht als Unionsbürgerin Empfängerin von Dienstleistungen (§ 2 Abs. 2 Nr. 4 Freizügigkeitsgesetz EU). Als nichterwerbstätige Unionsbürgerin oder als Familienangehörige im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 5 und Nr. 6 Freizügigkeitsgesetz/EU kommt gleichermaßen ein Freizügigkeitsrecht nicht in Betracht, da Familienangehörige nach § 3 Abs. 1 S. 1, S. 2 Freizügigkeitsgesetz/EU nur nach Maßgabe des § 4 dieses Gesetzes ein Freizügigkeitsrecht erwerben. Hiernach haben nichterwerbstätige Unionsbürger und ihre Familienangehörigen, die den Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen, das Recht nach § 2 Abs. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU, wenn sie über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel verfügen. Den Krankenversicherungsschutz der Antragstellerinnen dahinstehen lassend, verfügen sie jedenfalls nicht über ausreichende Existenzmittel, wie der vorliegende Antrag auf Leistungen der Existenzsicherung zeigt.

Maßgebend für ein Aufenthaltsrecht der Antragstellerin zu 1) und ihrer Kinder (§ 3 Abs. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU) ist somit ein Recht auf Freizügigkeit nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU für die die Antragstellerin zu 1). Sie hält sich in der Bundesrepublik Deutschland jedoch nicht wie die Vorschrift es verlangt – als Arbeitnehmerin oder zur Berufsausbildung auf. Eine Berufsausbildung kommt bei der Antragstellerin zu 1) nicht in Betracht, ist auch nicht vorgetragen. Maßgebend ist die damit allein die Frage, ob das Vertragsverhältnis mit der Zeugin I. eine Arbeitnehmereigenschaft im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU begründet. Dies ist nach Auffassung der Kammer nach intensiver und Befragung der Antragstellerin zu 1) und Vernehmung der Zeugin I., jeweils im Erörterungstermin vom 28.6.2017, nicht der Fall. Von eine Arbeitnehmereigenschaft der Antragstellerin zu 1) vermochte sich die Kammer angesichts der Aussagen der Antragstellerin und der Zeugin nicht zu überzeugen; sie kann auch mit einem minderen Maß an Überzeugung nicht von einer Glaubhaftmachung ausgehen.

Diese Einschätzung ergibt sich zwar noch nicht aus den formellen Gesichtspunkten des Falles. Denn die Zeugin I. hat mit der Antragstellerin zu 1) einen formellen, schriftlichen Arbeitsvertrag über eine monatliche Arbeitszeit von 52 Stunden zu einem Stundenlohn von 8,84 EUR abgeschlossen. Auch liegen schriftliche Entgeltabrechnungen als Belege vor. Darüber hinaus sind ausgefüllte Stundenzettel vorgelegt. Auch die Kriterien für das Vorliegen einer nichtselbstständigen Arbeitnehmertätigkeit, wie die Eingebundenheit nach Ort, Art und Weise der Arbeitsausführung, Weisungsabhängigkeit gegenüber dem Dienstherrn, Entlohnung, Eingliederung in den Betrieb sind formal gegeben. Denn die Antragstellerin zu 1) hat vorgetragen, sowohl in Filialen in G-Stadt, als auch in E-Stadt und S-Stadt für die Zeugin I. tätig geworden zu sein, indem sie Kleider sortiert habe. Zudem ist die Antragstellerin zu 1) sozialversicherungspflichtig gemeldet.

Diese formalen Kriterien reichen jedoch im vorliegenden Falle nicht aus, eine Arbeitnehmereigenschaft der Antragstellerin zu 1) - und damit ein Freizügigkeitsrecht und damit wiederum einen Leistungsanspruch nach dem SGB II - annehmen zu können.

Denn die informatorische Befragung der Antragstellerin zu 1) im Erörterungstermin am 28. Juni 2017 hat ergeben, dass die Antragstellerin nicht schlüssig, lebendig und nachvollziehbar die Ausübung ihre Arbeitsleistung, zunächst bis März 2017 in G-Stadt, sodann seit April in S-Stadt bzw. E-Stadt in den dortigen Filialen der Zeugin schildern konnte. Zwar hat sie zusammengefasst bestätigt, was die Zeugin I. vor ihrer Zurückweisung als Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin bereits schriftsätzlich vorgetragen hat. Bereits bei ihrer Unterbringung in G-Stadt tritt bereits eine Diskrepanz insoweit auf, als die Antragstellerin zu 1) mitgeteilt hat, sie sei in einem kleineren Haus, nicht in einem Mehrfamilienhaus untergebracht gewesen und habe keine gemeinsamen Mahlzeiten mit der Zeugin eingenommen; die Zeugen sowohl hinsichtlich der Größe des Hauses (im Erdgeschoss Ladengeschäft im oberen Stockwerk ihre eigene Wohnung) nicht bestätigen konnte, auch hat sie im Widerspruch zur Antragstellerin zu 1) mitgeteilt, mit der Antragstellerin zu 1) gemeinsame Mahlzeiten eingenommen zu haben. Dieser Widerspruch allein mag noch nicht ausreichend sein, den Vortrag insgesamt in Zweifel zu ziehen. Allerdings handelt sich es dabei um eine Schilderung von Lebensumstände, die noch nicht lange zurückliegen, und die für die in G-Stadt von Familie und Kindern getrennte, des Deutschen nicht mächtige, gerade erst im fremden Land angekommene Antragstellerin zu 1) einprägsam gewesen sein müssen. Damit wecken die unterschiedlichen Darstellungen Zweifel an der Durchführung der Unterbringung in G-Stadt. Hinzu kommt, dass die Zeugin zunächst in ihren Schriftsätzen vorgetragen hat, kaufmännische Mitarbeiter ihres Unternehmens hätten die Antragstellerin zu 1) von der Unterkunft in G-Stadt zur Zentrale des Unternehmens in P-Stadt-Q (angegebener Arbeitsort) gefahren. Im Erörterungstermin war es jedoch der Ehemann der Zeugin, so dass nun andere Zeugen, mit Ausnahme des Ehemannes nicht mehr ermittelbar sein dürften.

Die Beschreibung der Arbeitsleistung an sich durch die Antragstellerin zu 1) war selbst unter besonderer Berücksichtigung der sprachlichen Barriere wenig anschaulich und zeichnete sich nicht dadurch aus, dass eine anschauliche und ausreichen detaillierte Schilderung der Arbeits- und Lebensumstände gelungen wäre. Hierbei ist das Gericht der Auffassung, dass die Antragstellerin durchaus in der Lage gewesen ist, Einzelheiten ihrer Beschäftigung zu schildern. Sie musste jedoch zu jedem Umstand im Einzelnen genau befragt werden, so dass sich auch unter Ausklammerung der sprachlichen Grenze ihre Schilderung als schwerfällig bezeichnen lässt. Die Antragstellerin zu 1) vermittelte den Eindruck, selbst kein genaues eigenes Bild von ihrer Arbeitsleistung zu haben. Dies hat die Glaubhaftigkeit der Aussage der Antragstellerin zu 1) erheblich in Zweifel gezogen. Darüber hinaus war die Antragstellerin zu 1) nicht in der Lage, die Höhe ihres Lohnes anzugeben – eine Kenntnis, die für einen Arbeitnehmer, der am Rande der Existenz zu leben gezwungen ist, existenziell und essenziell notwendig sein dürfte. Auch dies hat ihre Einlassung erschüttert. Diese Kenntnis scheint jedoch nicht notwendig gewesen zu sein, da sie von der Zeugin I. auf Nachfrage Geldmittel erhalten haben will, seien es 100 Euro für eine Woche, oder gelegentlich 20 oder 30 Euro. Aber auch hier spricht die tatsächliche Durchführung gegen arbeitsvertragliche Regeln. So wurde der Antragstellerin zu 1) Geld nur dann gezahlt, wenn sie tatsächlich gearbeitet hat, also offenbar nicht der gesamte Betrag nach dem Arbeitsvertrag; die genaue Höhe dürfte bei 100 Euro bei tatsächlicher Arbeit pro Woche gelegen haben. Eine Aufklärung dürfte bei der erfolgten Barzahlung kaum mehr möglich sein; Quittungen dürften keine existieren. Schließlich erweckte die Einlassung der Antragstellerin zu 1), jeweils auf Nachfrage seinen ihr nochmals 20 oder 30 Euro gegeben worden, den Eindruck, dass die Entgeltzahlung mehr im Sinne eines "Zusteckens" auf nachfragende Bitte erfolgte, denn auf einen auf rechtlichen Ansprüchen gründenden arbeitsvertraglichen Verhältnis. Der letzte Lohn wurde nach Aussage der Zeugin im April gezahlt, so dass sich die Frage stellt, wovon die derzeitig arbeitsunfähige Antragstellerin zu 1) seitdem ihren Lebensunterhalt für sich und die Kinder bestritten hat.

Bereits wegen dieser Umstände ist von einem Arbeitsvertragsschluss, wie unter fremden Dritten üblich, nicht auszugehen.

In objektiver Hinsicht ist zu ferner berücksichtigen, dass die Antragstellerin zu 1) letztlich - gemessen an einer rational-wirtschaftlichen Tätigkeit - keine Erwerbstätigkeiten von wirtschaftlichem Wert erbringen kann. Sie spricht - wie sich das Gericht selbst überzeugen konnte - nahezu kein Deutsch. Darüber hinaus ist sie des Lesens und Schreibens auch in ihrer Muttersprache nicht mächtig. Sie ist allenfalls - wie sie selbst angab - in der Lage, Ziffern zu erkennen. Natürlich mag es sich bei den von der Zeugin angebotenen Kleidungssortier- und Reinigungsarbeiten um Tätigkeiten einfachster Art handeln, die nach entsprechender Anleitung bei Überwachung von der Antragstellerin zu 1) vollzogen werden können. Die Kammer ist jedoch davon überzeugt, dass ein objektiver Dritter die Antragstellerin zu 1) angesichts ihrer Leistungsdefizite in tatsächlicher und wirtschaftlicher Hinsicht als Arbeitnehmerin nicht in Betracht gezogen hätte, gleich für welche einfache Tätigkeit. Angesichts der geringen bis nicht vorhanden zu bezeichnenden Kenntnisse und Fähigkeiten der Antragstellerin zu 1) im Erwerbsleben ergibt sich auch nach der Aussage der Zeugin kein wirtschaftlicher Sinn der Beschäftigung der Antragstellerin zu 1), da ein Arbeitgeber bei von ihm zu erwartender wirtschaftlicher Betrachtungsweise von einem Arbeitsverhältnis Abstand nehmen würde. Die Zeugin selbst hat erklärt, dass der zeitliche Aufwand zur Betreuung der Antragstellenrinnen in keinem wirtschaftlich vernünftigen Verhältnis stünde, sondern weit darüber hinausginge. Die - wenn überhaupt in nennenswertem Umfang ausgeübte Tätigkeit – ist damit nicht wie unter fremden Dritten üblich, sondern nur vergönnungsweise entstanden. Dies wird dadurch gestützt, dass die Zeugin ihre Ladengeschäfte in E-Stadt und S-Stadt nur unregelmäßig öffnet, ihr nach eigener Aussage das Geschäft in E-Stadt nicht so wichtig ist, diese Filialen nicht ertragsreich und nur im Sinne eines Versuches geführt werden.

Doch selbst wenn es solche einfachen Tätigkeiten geben mag, die weder Sprache, noch Verständnis in Wort oder Schrift voraussetzen (wovon das Gericht nicht ausgeht), so gibt es weitere Anhaltspunkte, welche die Kammer vom Vorliegen einer Arbeitnehmereigenschaft nicht überzeugen konnten.

So drängte sich für das Gericht auf, dass die von der Zeugin nach ihrer Aussage und derjenigen der Antragstellerin zu 1) zu erbringenden Leistungen nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis stehen, so dass ein synallagmatischer Austauschvertrag im Sinne eines arbeitsrechtlichen Vertrages unter Anlegung eines tatsächlichen Maßstabes nicht als geschlossen angesehen werden kann. Vielmehr handelt es sich nach Einschätzung der Kammer allenfalls um einen Vertragstypus sui generis, der eigenen Art, weil er nicht nur von der Ausführung einer Arbeitsleistung und auf der anderen Seite von Entlohnung abhängig ist, sondern umfangreich darüber hinausgeht und überlagert ist, von sachfremden Erwägungen einer allgemeinen Lebens- und Integrationshilfe für die Antragstellerin zu 1), wobei wirtschaftliche Gesichtspunkte zu ihren eigenen Gunsten durchaus für die Zeugin von Bedeutung sind. Zusammengefasst betrachtet stellt sich die Lebenssituation der Antragstellerin zu 1) im Verhältnis zur Zeugin so dar: Die Zeugin tritt zum einen als Arbeitgeberin auf und zahlt der Antragstellerin zu 1) einen unterhalb des Existenzminimums bleibenden Gesamtlohn, zum anderen verlangt sie nach dem geschlossenen Mietvertrag als Vermieterin Bruttokosten der Unterkunft von den Antragstellerinnen, die bereits ihren geringen Lohn monatlich um mehr als 50 EUR übersteigen; zudem lässt sie sich eine formularmäßig abgefasste (Lückentext) Abtretungserklärung der Antragstellerin zu 1) vom 1. März 2017 über die gemeinsam mit ihr beantragten Sozialleistungen zur Deckung der möglicherweise anfallenden Mietverbindlichkeiten ihr gegenüber ausstellen, wobei die Antragstellerin zu 1) der deutschen Sprache in Wort und Schrift nicht mächtig und in wirtschaftlichen Angelegenheiten als unerfahren anzusehen ist. Sie lässt sich Vertretungsvollmachten ausstellen. Und schließlich wird mit ihrer Hilfe ein Bankkonto eingerichtet, an dem sich die Arbeitgeberin, Vermieterin, Abtretungsgläubigerin und Vertreterin die volle Verfügungsgewalt sichert und sich eine eigene Bankkarte ausstellen lässt, mit der nachweislich im Mai 2017 - von der Zeugen bestätigt - Abhebungen vom Bankkonto der Antragstellerin (880,00 Euro) vorgenommen werden. Diese Abhebungen erfolgen zum Teil, um Mietschulden zu bezahlen, die aufgrund der Vermietung der eigenen Wohnung eingetreten sind, zum anderen aber auch, um mit Gewinn weiterverkaufte Gebrauchsgegenstände wie eine Waschmaschine und ein Kindertrampolin zu bezahlen. Hierbei ist bemerkenswert, dass die Zeugin die Antragstellerin zu 1) (die mit zwei kleinen Kindern unterhalb des nach dem SGB II oder XII einem Menschen zustehenden Existenzminimum lebt) bei eigenen Einkaufspreisen von ca. 150 EUR mit dem doppelten Verkaufspreis belastet. Hierbei hat die Zeugin zwar ausgeführt, sie müsse die Geräte aufstellen lassen, was einen hohen Zeitaufwand bedeute, dies vermochte jedoch den eigennützigen Eindruck nicht zu zerstreuen, den die Verdoppelung des Einstandspreises zulasten der Antragstellerin zu 1) auslöst. Damit gehen die vertraglichen und außervertraglichen Beziehungen weit über das Maß einer arbeitsvertraglichen Bindung hinaus.

Die Kammer ist nicht in der Lage zu unterscheiden und maßt sich dies auch nicht an, ob bei der Zeugin altruistische oder egoistische Motive einerseits überwiegen oder sich andererseits die Waage halten. Sie muss dies auch nicht beurteilen, da ganz offensichtlich jedenfalls sachfremde Erwägungen die Arbeitnehmereigenschaft überlagern, wie sie sich in dem Mietverhältnis, der Zession, der Vertretungsvollmacht und der Bankvollmacht widerspiegeln und zudem das Arbeitsverhältnis nicht wie unter fremden Dritten bei überwiegend ausgeglichenen Machtverhältnissen üblich ausgestaltet ist. Das zwischen der Zeugin und der Antragstellerin zu 1) aufgebaute rechtliche Geflecht an Vertragsbeziehungen mag zwar für sich betrachtet, bezogen auf die einzelnen Rechtsgeschäfte, rechtlich nicht zwingend zu beanstanden sein. Allerdings ergeben sich für die Kammer angesichts der Verflechtung der Lebenswirklichkeit der Antragstellerin zu 1) in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht mit der tatsächlich und rechtlich überlegenen Zeugin Erwägungen zu einem Verstoß gegen Treu und Glauben nach § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wegen des Missbrauchs rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten, womöglich auch wegen der Sittenwidrigkeit in entsprechender Anwendung des als allgemeinem Rechtsgrundsatz in Betracht kommenden § 138 BGB, ohne dass es derzeit einer abschließenden Entscheidung hierüber bedürfte. Sittenwidrigkeit ist gemeinhin definiert als ein Handeln oder Verhalten, das gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt (Palandt-Heinrichs, BGB-Kommentar, § 138, R. 2); § 138 BGB spricht seinem Wortlaut nach von der Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen. Bei Licht betrachtet stellt sich die Lebenssituation der Antragstellerin zu 1) so dar, dass ihr das rechtlich erforderliche Freizügigkeitsrecht auf der einen Seite durch Ausnutzung arbeitsvertraglicher Gestaltungsmöglichkeiten offeriert wird, sie andererseits aber hierfür im umfassendsten Sinne sowohl hinsichtlich ihrer Bankgeschäfte als auch hinsichtlich ihrer Unterkunft gegenüber der Zeugin in eine Position der Abhängigkeit gerät. Die Antragstellerin zu 1) verfügt offenkundig über eine nur als unwesentlich zu bezeichnende Bildung, spricht die deutsche Sprache ebenso wenig, wie sie überhaupt des Lesens und Schreibens mächtig ist, muss sich bei Verkaufsgeschäften nach eigenen Angaben von ihrer besser deutschsprechenden neunjährigen Schwester helfen lassen, ist schwanger und wird vom Kindesvater offenbar nur gering unterstützt (wenige, unregelmäßige Besuche) und befindet sich erst seit kurzem in einem fremden Land, dessen Sprache sie nicht kennt. Zudem kann nicht unerwähnt bleiben, dass die Zeugin mit dem rechtlichen Geflecht zwischen ihr und der Antragstellerin zu 1) sich die Kosten der Unterkunft von jemandem hat versprechen lassen, dem sie Arbeitsentgelt zahlt, welches im Nettobereich unterhalb der Kosten dieser Unterkunft liegt: Sie musste von vornherein wissen, dass die Kosten der Unterkunft - ihre eigenen Mietforderungen - nicht realisiert werden können, es sei denn, dass die Gemeinschaft der Steuerzahler über die Leistungen des SGB II für die mittellose Antragstellerin zu 1) einspringt. Die Kammer ist der Auffassung, dass dies durchaus gegen das definitionsgemäß erforderliche Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden zu verstoßen im Stande ist. Letztlich bedarf diese Frage keiner Entscheidung in diesem Eilverfahren, da schon die übrigen, oben bereits erwähnten Kriterien den Arbeitsvertrag als zweifelhaft erscheinen lassen.

Eine Arbeitnehmereigenschaft der Antragstellerin zu 1) im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU vermochte das Gericht nach den o.a. Erwägungen nicht anzunehmen. Die Gewährung von Leistungen zur Existenzsicherung nach dem SGB II hängt allein von den Voraussetzungen, wie sie der Gesetzgeber geschaffen hat, ab, so dass mangels Freizügigkeitsrecht der Antragstellerinnen der Leistungsausschluss nach § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Buchst. b SGB II hier als gesetzgeberische Entscheidung zu achten und durchzusetzen ist. Hierbei ist nach der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und des europäischen Gerichtshofes weder von einer Verfassungswidrigkeit der Regelung noch von einer Europarechtswidrigkeit auszugeben (vgl. hierzu eingehend Bundessozialgericht, Urteil vom 3.12.2015, B 4 AS 44 / 15 R, juris).

Sind die Antragstellerinnen von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen, weil ihnen kein Aufenthaltsrecht zukommt, so besteht darüber hinaus im vorliegenden Fall auch kein Anspruch auf übergangsweise Leistungen nach dem SGB XII in der Fassung des Gesetzes vom 28. Dezember 2016, mit welcher der Gesetzgeber auf die entgegenstehende Rechtsprechung des Bundessozialgerichts reagiert hat. Hiernach ergibt sich lediglich ein kurzzeitiger Anspruch auf Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt gemäß § 23 SGB XII. Diese Leistungen sind jedoch zur Überzeugung des Gerichtes nicht beantragt, worauf in dem Erörterungstermin am 28.6.2014 bereits hingewiesen worden ist, weil die Antragstellerin zu 1) sich nicht mit dem Gedanken an Ausreise trägt, sondern vielmehr in der Bundesrepublik Deutschland mit ihren Kindern bleiben will. Ein Leistungsanspruch gegenüber dem beigeladenen Schwalm-Eder-Kreis nach § 23 Abs. 1 SGB XII kommt daher nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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