S 6 AS 701/14

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Kassel (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 6 AS 701/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 257/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 177/16 B
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
ZVW, neues Az.: L 6 AS 295/17 ZVW
Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Berufung wird nicht zugelassen.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Höhe der vorläufig bewilligten Leistungen nach dem SGB II für die Zeit von Juli bis Dezember 2014.

Die 1981 geborene Klägerin stellte erstmalig im Jahr 2012 beim Beklagten einen SGB II-Leistungsantrag. Die Klägerin wohnt gemeinsam mit ihrer noch minderjährigen Tochter in einem Eigenheim, welches ihr und ihrer Mutter jeweils zur Hälfte gehört. Aus einer Scheidungsfolgenvereinbarung geht hervor, dass die Ehe der Klägerin im November 2010 geschieden wurde. Der Ehemann habe der Tochter der Klägerin einen monatlichen Kindesunterhalt von 309 EUR und für die Klägerin einen nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 377,57 EUR bis Oktober 2015 zu zahlen, wobei die Klägerin anlässlich der ersten Vorsprache am 26.03.2012 angab, vom ehemaligen Ehemann für sich selbst keinen Unterhalt zu erhalten (Bl. 1 Verwaltungsakte). In der Gerichtsakte S 7 AS 584/13 befindet sich eine "Bestätigung Zahlungseingänge" der C. Bank gerichtet an die Klägerin, aus welcher entnommen werden kann, dass im Zeitraum von Januar bis März 2013 Unterhalt in Höhe von jeweils 626,38 EUR und am 19.04.2013 Unterhalt in Höhe von 356 EUR und am 15.05.2013 Unterhalt in Höhe von 377 EUR auf dem Konto der Klägerin einging (Bl. 6 Gerichtsakte S 7 AS 584/13).

In der "Anlage KDU" (Bl. 16 Verwaltungsakte) gab die Klägerin an, dass sie in dem Eigenheim mit einer Gesamtwohnfläche von 284 m² und drei Wohneinheiten eine Wohnung mit vier Zimmern, Küche und Bad bewohne. Eine andere Wohnung mit 84 m² sei vermietet (Bl. 16 Verwaltungsakte). Aus dem Mietvertrag über die vermietete Wohnung geht eine Grundmiete von 350 EUR hervor (Bl. 38 Verwaltungsakte). Eine weitere Wohnung mit einer Fläche von 100 m² wird von der Mutter der Klägerin bewohnt.

Die Tochter der Klägerin verfügte zudem zumindest bis April 2014 über ein Guthaben auf einem Sparbuch, welches nach Einschätzung des Beklagten oberhalb des Vermögensfreibetrags lag.

Die Klägerin und ihrer Mutter hatten zur Finanzierung der Immobilie zwei Kredite aufgenommen, für welche im streitigen Zeitraum sowohl Schuldzinsen als auch Tilgungsleistungen zu erbringen waren.

Problematisch bei der Ermittlung des Leistungsanspruchs der Klägerin war in der Vergangenheit insbesondere die Frage der Berechnung des Bedarfs der Klägerin für die Kosten der Unterkunft und die Berechnung der Höhe der Mieteinnahmen.
a) Ursprünglich war der Beklagte beim Bedarf der Kosten der Unterkunft für das Eigenheim davon ausgegangen, dass hinsichtlich der Schuldzinsen, Betriebskosten und Heizkosten auf das Jahr gerechnete Durchschnittswerte zu bilden und beim monatlichen Bedarf zu berücksichtigen seien. Dies hat der Beklagte inzwischen dahingehend modifiziert, dass er die jeweils anfallenden Bedarfe (z.B. nicht monatlich anfallende Abschläge) in den jeweiligen Monaten ihres Anfalls bei der Leistungsbewilligung berücksichtigt hat.
b) Ursprünglich war der Beklagte beim Unterkunftskostenbedarf weiterhin davon ausgegangen, dass es ausreichend sei, die jährlichen Gesamtschuldzinsen durch die beiden Eigentümerinnen zu teilen und diese auf eine monatliche Belastung herunterzurechnen. Auch dies hat der Beklagte inzwischen revidiert, da eine solche Vorgehensweise nicht berücksichtige, dass ein Teil der Schuldzinsen für die vermietete Wohnung aufzubringen und dementsprechend nicht beim Bedarf der Klägerin hinsichtlich der Kosten der Unterkunft zu berücksichtigen war. Dementsprechend hat der Beklagte inzwischen die Schuldzinsen als Unterkunftskostenbedarf auf die von der Klägerin und ihrer Tochter bewohnte Wohnfläche umgerechnet.
c) Weiterhin hatte der Beklagte ursprünglich die Grundmiete der vermieteten Wohnung durch die Zahl der Eigentümerinnen dividiert und insoweit eine Einkommensbereinigung hinsichtlich der Instandhaltung und Bewirtschaftung der Wohnung vorgenommen. Im Hinblick auf den Umstand, dass ein Teil der Schuldzinsen für die vermietete Wohnung aufgewandt wird, hat der Beklagte inzwischen insoweit einen Abzug der anteiligen Schuldzinsen von den Mieteinnahmen vorgenommen.

Mit Bescheid vom 05.02.2013 lehnte der Beklagte den Leistungsantrag der Klägerin für den Monat Januar 2013 ab, da sie nach den Berechnungen des Beklagten nicht hilfebedürftig sei (Bl. 125 Verwaltungsakte).

Mit einem weiteren Bescheid vom 05.02.2013 bewilligte der Beklagte der Klägerin für die Zeit vom 01.02.2013 bis 30.06.2013 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 88,19 EUR (Bl. 127 Verwaltungsakte).

In der Verwaltungsakte befindet sich eine Horizontalübersicht aus Februar 2013, der entnommen werden kann, dass die Tochter der Klägerin vom Leistungsbezug wegen übersteigenden Einkommens, aber auch wegen Vermögens über 3100 EUR ausgeschlossen sei (Bl. 120 Verwaltungsakte), wobei aus einem Kontoauszug der Tochter der Klägerin aus Januar 2013 ein Guthaben von 4303,92 EUR entnommen werden kann (Bl. 112 Verwaltungsakte).

Der Beklagte informierte die Klägerin sodann mit Schriftsatz vom 18.02.2013 (Bl. 137 Verwaltungsakte), dass man die Leistungsbewilligung im Hinblick auf einen neuen Arbeitsplatz vorläufig ab dem 01.03.2013 eingestellt habe. Im Februar 2013 habe man zunächst kein Einkommen berücksichtigt. Die Klägerin werde gebeten, ab Februar 2013 eine entsprechende Gehaltsabrechnung einzureichen.

Am 22.05.2013 stellte die Klägerin eine Weiterbewilligungsantrag (Bl. 143 Verwaltungsakte).

Der Beklagte ging bei der Berechnung des Anspruchs der Klägerin von einem Bedarf in Höhe von 580,13 EUR aus (Bl. 147 Verwaltungsakte) und legte Einkommen aus anteiligem Kindergeld, Unterhalt und Vermietung in Höhe von 491,94 EUR zu Grunde. Es ergebe sich ein Zahlungsbetrag in Höhe von 88,19 EUR.

Mit Bescheid vom 20.06.2013 bewilligte der Beklagte der Klägerin für die Zeit vom 01.07.2013 bis 31.12.2013 vorläufig Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 88,19 EUR. Die Leistungsbewilligung sei vorläufig. Nach Eingang der Kontoauszüge über die jeweiligen Unterhaltszahlungen werde man eine endgültige Leistungsbewilligung vornehmen (Bl. 150 Verwaltungsakte).

Mit Schriftsatz vom 23.07.2013 legte die Klägerin gegen diesen Bescheid Widerspruch ein. Einkommen wie Ehegattenunterhalt und Mieteinnahmen würden auf ein gesondertes Hauskonto gehen und dürften daher nicht bei ihrem Leistungsanspruch berücksichtigt werden (Bl. 156 Verwaltungsakte).

Mit Widerspruchsbescheid vom 31.07.2013 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Hinweise auf eine Rechtswidrigkeit der vorläufigen Leistungsbewilligung seien nicht ersichtlich (Bl. 161 Verwaltungsakte). Dem schloss sich das gerichtliche Verfahren bei der 7. Kammer des Sozialgerichts Kassel mit dem Aktenzeichen S 7 AS 584/13 an.

Mit Änderungsbescheid vom 09.09.2013 erfolgte die endgültige Leistungsfestsetzung für den Monat Juli 2013 mit einer Nachzahlung in Höhe von 203,48 EUR. Eine endgültige Leistungsbewilligung für den Zeitraum von August bis Dezember 2013 erfolge nach Eingang der Unterlagen (Bl. 210 Verwaltungsakte, vgl. auch Bl. 206 Verwaltungsakte).

Mit einem Aufhebungsbescheid vom 09.09.2013 hob der Beklagte die Leistungsbewilligung für den Zeitraum vom 01.03.2013 bis 30.06.2013 im Hinblick auf das Einkommen bei der Post auf (Bl. 49 Gerichtsakte S 7 AS 584/13 / Bl. 210 Verwaltungsakte).

Mit einem weiteren Änderungsbescheid vom 20.09.2013 erfolgte die endgültige Leistungsbewilligung für den Monat August 2013. Die Klägerin erhalte eine Nachzahlung in Höhe von 270,38 EUR. Aus dem Bescheid geht hervor, dass kein Unterhalt, sondern lediglich Einnahmen aus Kindergeld und Vermietung auf den Bedarf angerechnet wurden (Bl. 45 Gerichtsakte S 7 AS 584/13).

Mit Schriftsatz vom 24.09.2013 erklärte die Klägerin, dass sich der Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Kassel erledigt habe. Sie habe einen neuen Arbeitsplatz (Bl. 42 Gerichtsakte S 7 AS 584/13). Nach Beendigung des Klageverfahrens wandte sich die Klägerin erneut an das Sozialgericht. Sie sei der Auffassung, einen Nachzahlungsanspruch zu haben. Die Klägerin überreichte eine eigene Aufstellung über ihre Einkommensverhältnisse im Zeitraum von März 2012 bis Oktober 2013 (Bl. 70 Gerichtsakte S 7 AS 584/13).

Mit Schriftsatz vom 09.09.2013 teilte der Beklagte der Klägerin eine vorläufige Einstellung der Leistungen ab Oktober 2013 im Hinblick auf das aus der Beschäftigung zu erwartende Einkommen mit (Bl. 213 Verwaltungsakte).

Mit Schriftsatz vom 22.11.2013 erklärte der Beklagte sich bereit, die nach Klagerücknahme eingegangenen Schriftsätze der Klägerin als Überprüfungsanträge hinsichtlich des Ablehnungsbescheids vom 05.02.2013 für den Monat Januar 2013, hinsichtlich des Bewilligungsbescheids betreffend die Monate Februar 2013 bis Juni 2013, des Änderungsbescheids vom 09.09.2013 hinsichtlich des Monats Juli 2013 und hinsichtlich des Änderungsbescheids vom 20.09.2013 betreffend den Monat August 2013 zu werten (Bl. 116 Gerichtsakte S 7 AS 584/13).

Mit Bescheid vom 02.04.2014 lehnte der Beklagte die Rücknahme der Bescheide vom 05.02.2013 betreffend den Monat Januar 2013, betreffend den Zeitraum ab Februar 2013, des Bescheids vom 09.09.2013 betreffend den Monat Juli 2013 und des Bescheids vom 20.09.2013 betreffend den Monat August 2013 ab. Auf den Bescheid wird Bezug genommen (Bl. 446 ff. Verwaltungsakte).

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein.

In einer Stellungnahme vom 19.05.2014 (Bl. 594 Verwaltungsakte) weist der Mitarbeiter des Beklagten D. u.a. auf die Notwendigkeit hin, die Kosten der Unterkunft monatlich zu berechnen. Diese seien nach der anteiligen Quadratmeterzahl zu berechnen. Auch müssten die Schuldzinsen von den Mieteinnahmen abgezogen werden, was zur Folge hatte, dass die Kosten der Unterkunft von Januar 2013 bis Dezember 2013 neu zu berechnen waren (Bl. 613 Verwaltungsakte).

Nach Eingang weiterer Unterlagen erfolge sodann im August 2014 einer abermalige Neuberechnung des Anspruchs (Bl. 689 ff., 695, 696, 701, 707, 713-760 Verwaltungsakte) hinsichtlich der Kosten der Unterkunft.

Einer weiteren Stellungnahme des Beklagten durch den Mitarbeiter der Widerspruchsstelle D. vom 02.09.2014 (Bl. 793 Verwaltungsakte) kann sodann entnommen werden, dass die Berechnung der Leistungshöhe erneut im Hinblick auf die Mieteinahmen zu korrigieren sei, da hiervon die anteiligen Schuldzinsen zu ½ in Abzug zu bringen seien.

Mit Änderungsbescheid vom 23.09.2014 bewilligte der Beklagte der Klägerin für den Monat Februar 2013 weitere Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 31,27 EUR, da man die Mieteinnahmen reduziert habe (Bl. 913 Verwaltungsakte). Der Bescheid werde Gegenstand des Widerspruchsverfahrens. Im Berechnungsbogen ging der Beklagte von einem Bedarf der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 987,42 EUR aus, wobei der Beklagte die Tochter der Klägerin trotz ihres Vermögens nicht mehr aus der Berechnung herausnahm. Es sei von einem zu berücksichtigenden Einkommen von insgesamt 867,96 EUR auszugehen, wobei der Beklagte bei der Klägerin nur anteiliges Kindergeld berücksichtigte und zu einem Restanspruch in Höhe von 119,46 EUR gelangte.

Mit einem weiteren Änderungsbescheid vom 24.09.2014 verringerte der Beklagte für den Zeitraum vom 01.07.2013 bis 30.09.2013 die Höhe der Mieteinnahmen. Es ergebe sich eine Nachzahlung in Höhe von monatlich 31,27 EUR (Bl. 922 ff. Verwaltungsakte).

Mit Widerspruchsbescheid vom 29.09.2014 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 02.04.2014 nach Erteilung der Änderungsbescheide vom 23.09.2014 und vom 24.09.2014 betreffend die Zeit von Februar bis August 2013 als unbegründet zurück (Bl. 959 Verwaltungsakte). Die Bescheide in Gestalt des Widerspruchsbescheids sind Gegenstand des Klageverfahrens S 6 AS 810/14.

Zuvor hatte die Klägerin bereits am 26.06.2014 einen Weiterbewilligungsantrag gestellt (Bl. 625 Verwaltungsakte).

Mit Schriftsatz vom 27.06.2014 forderte der Beklagte von der Klägerin diverse Unterlagen an und bat um verschiedene Informationen (Bl. 637 Verwaltungsakte).

Mit Bescheid vom 27.06.2014 bewilligte der Beklagte der Klägerin vorläufig Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.07.2014 bis 31.12.2014 und wies die Klägerin darauf hin, dass die Vorläufigkeit erfolge wegen der Kosten der Unterkunft und Einnahmen aus Vermietung. Die Klägerin werde gebeten, die in dem Schreiben vom 27.06.2014 angesprochenen Unterlagen einzureichen, damit der Anspruch nachberechnet werden könne. Die Klägerin erhalte einen neuen Bescheid, sobald der Anspruch berechnet werden könne (Bl. 632 Verwaltungsakte).

Gegen den Bescheid über die vorläufige Leistungsbewilligung vom 27.06.2014 legte die Klägerin am 08.07.2014 Widerspruch ein (Bl. 639 Verwaltungsakte). Eine Begründung des Widerspruchs erfolgte nicht.

Mit Schriftsatz vom 09.07.2014 bat der Beklagte um Widerspruchsbegründung (Bl. 697 Verwaltungsakte).

Die Klägerin überreichte sodann eine Heizkostenabrechnung vom 14.04.2014 mit einem Betrag in Höhe von 1613,29 EUR gerichtet an die Hausgemeinschaft der Klägerin und ihrer Mutter (Bl. 650 Verwaltungsakte). Der Beklagte errechnete anteilige Heizkosten von 568,06 EUR und bewilligte mit Bescheid vom 19.09.2014 auch entsprechende Heizkosten (Bl. 890 Verwaltungsakte).

Eine überreichte Hausratversicherung an die Klägerin und ihre Mutter stammt vom 12.06.2014 (Bl. 654 Verwaltungsakte).

Die Klägerin überreichte weitere Kontoauszüge ihrer Mutter (Bl. 656 Verwaltungsakte).

Mit Änderungsbescheid vom 22.09.2014 bewilligte der Beklagte der Klägerin sodann für die Zeit vom 01.07.2014 bis 31.12.2014 erneut vorläufig Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung angehobener Kosten der Unterkunft und dabei unter Berücksichtigung der Werte aus dem Vorjahr. Auch habe man verringerte Mieteinnahmen um 31,25 EUR berücksichtigt. Es ergebe sich eine Nachzahlung in Höhe von 204,05 EUR (Bl. 870 ff. Verwaltungsakte). Aus dem Berechnungsbogen zum Bescheid kann für Juli 2014 entnommen werden, dass der Beklagte nun von einem Bedarf der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 870,09 EUR ausging (Bl. 875 Verwaltungsakte), auf den Kindergeld, Unterhalt für die Tochter und Mieteinnahmen in Höhe von 124,48 EUR angerechnet wurden, wobei der Beklagte vom Einkommen sodann noch die KFZ-Versicherung und eine Versicherungspauschale in Abzug brachte. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den 20 Seiten umfassenden Bescheid Bezug genommen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26.09.2014 wies der Beklagte den Widerspruch nach Erteilung des Änderungsbescheids vom 22.09.2014 als unbegründet zurück. Auf den Widerspruchsbescheid wird Bezug genommen (Bl. 953 Verwaltungsakte).

Am 24.10.2014 hat die Klägerin gegen die Bescheide in Gestalt des Widerspruchsbescheids Klage beim Sozialgericht Kassel erhoben.

Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 27.06.2014 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 22.09.2014 und des Widerspruchsbescheids vom 26.09.2014 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, für die Zeit vom 01.07.2014 bis 31.12.2014 höhere vorläufige SGB-II-Leistungen zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte des Beklagten und auf die Gerichtsakten S 7 AS 584/13, S 6 AS 174/14, S 6 AS 701/14 und S 6 AS 810/14 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat keinen Erfolg. Die zulässige Klage ist unbegründet.

I. Streitgegenständlich sind die vorläufige Leistungsbewilligung im Zeitraum von 01.07.2014 bis 31.12.2014 und damit der Bescheid vom 27.06.2014 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 22.09.2014 und des Widerspruchsbescheids vom 26.09.2014.

II. Die Klage ist unbegründet.

Der Beklagte hat im Hinblick auf die noch nicht vollständig vorliegenden Unterlagen über die Kosten der Unterkunft und Heizung im streitigen Bewilligungsabschnitt eine vorläufige Leistungsbewilligung vorgenommen und sich dabei auf § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr 1a SGB II iVm § 328 Abs. 1 SGB III gestützt.

Über die Erbringung von Geldleistungen kann gem. § 328 Abs. 1 S.1 SGB III vorläufig entschieden werden, wenn

1. die Vereinbarkeit einer Vorschrift dieses Buches, von der die Entscheidung über den Antrag abhängt, mit höherrangigem Recht Gegenstand eines Verfahrens bei dem Bundesverfassungsgericht oder dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ist,
2. eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung Gegenstand eines Verfahrens beim Bundessozialgericht ist oder
3. zur Feststellung der Voraussetzungen des Anspruchs einer Arbeitnehmerin oder eines Arbeitnehmers auf Geldleistungen voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist, die Voraussetzungen für den Anspruch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorliegen und die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer die Umstände, die einer sofortigen abschließenden Entscheidung entgegenstehen, nicht zu vertreten hat.

Umfang und Grund der Vorläufigkeit sind gem. § 328 Abs. 1 S.2 SGB III anzugeben.

Vorliegend stand zum Zeitpunkt der Bewilligungsentscheidung noch nicht die Höhe des Bedarfs hinsichtlich der Kosten der Unterkunft und Heizung fest. Damit sind die Voraussetzungen des § 328 Abs. 1 S.1 Nr. 3 SGB III erfüllt. Der Beklagte war daher zur Deckung des Existenzminimums der Klägerin gehalten, eine vorläufige Leistungsbewilligung vorzunehmen.

Die normativen Vorgaben, die bei einer vorläufigen Leistungsbewilligung zu berücksichtigen sind, hat das Bundessozialgericht (BSG) in seinem Urteil vom 06.04.2011 (B 4 AS 119/10 R) folgendermaßen zusammengefasst:

"§ 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II iVm § 328 Abs 1 SGB III räumt der Verwaltung zwar grundsätzlich sowohl hinsichtlich des "Ob" als des "Wie" (Art, Höhe, Dauer) der Leistung Ermessen ein, also ein Entschließungs- und Auswahlermessen. Allerdings verbleibt dem Beklagten im Bereich der Leistungen nach dem SGB II nur ein sehr eng begrenzter Entscheidungsfreiraum. So ist zunächst die Höhe der Leistung ohne das zu berücksichtigende Einkommen auf Grundlage der gesetzlichen Vorgaben zu bestimmen. Dabei sind alle Leistungsbestandteile in zutreffender Höhe zu ermitteln, hier Regelleistung und Leistung für Unterkunft und Heizung. Erst im Hinblick auf die Höhe des zu berücksichtigenden Einkommens, das sodann die zuvor ermittelte Leistungshöhe senkt, ist das Vorhandensein eines Ermessensspielraums im Sinne eines Auswahlermessens denkbar (vgl dazu Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, § 328 RdNr 42 ff), der gerichtlich gemäß § 54 Abs 2 Satz 2 SGG überprüft werden kann. Zu beachten ist jedoch auch dabei, dass die Leistungen nach dem SGB II der Gewährleistung des Existenzminimums dienen, weshalb die Ermessensspielräume sich verengen, soweit es um die Sicherung der physischen Existenz (Nahrung, Kleidung, Wohnung) des Leistungsempfängers geht (vgl BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua = BVerfGE 125, 175). Eine zweckentsprechende Ermessensbetätigung hat im Rahmen des § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II iVm § 328 Abs 1 Nr 3 SGB III deshalb regelmäßig zur Folge, dass die Leistungen in derjenigen Höhe gewährt werden, die bei Bestätigung der wahrscheinlich vorliegenden Voraussetzungen voraussichtlich auch endgültig zu leisten sein wird. Ein "vorsorglicher" Abschlag aufgrund der Vorläufigkeit scheidet im Regelungskreis des SGB II wegen des existenzsichernden Charakters der Leistungen regelmäßig aus (Niesel/Brand/Düe, SGB III, 5. Aufl 2010, § 328 RdNr 18; Schmidt-De Caluwe, NZS 2001, 240 (246); Leopold, info also 2008, 104 (106); im Ergebnis ebenso Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB III, § 328 RdNr 189; Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, § 328 RdNr 44; vgl auch BT-Drucks 13/2440, S 32 zu Art 4 Nr 3 (zu § 147 AFG), wonach die vorläufige Bewilligung gerade den Zweck habe, den Bezug von Sozialhilfe zu vermeiden."

An diese Vorgaben der obergerichtlichen Rechtsprechung, welche die Kammer ihrer Entscheidung zugrunde legt, hat sich der Beklagte gehalten. Eine vorläufige Leistungsbewilligung erfolgt, wie bereits ausgeführt wurde, wenn über den Leistungsanspruch noch nicht abschließend entschieden werden kann, da zum Beispiel Belege über den Bedarf noch nicht vorliegen. Der Grundsicherungsträger ist hierbei gehalten, auf Grund der verfügbaren Angaben eine realistische Schätzung für die Zukunft zu machen.

Dies hat der Beklagte getan. Vorliegend stand die Höhe der Aufwendungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung noch nicht fest. Dieses Problem hat der Beklagte im Rahmen der vorläufigen Leistungsbewilligung dahingehend gelöst, dass er die Bedarfe im Änderungsbescheid vom 22.09.2014 nachvollziehbar und ermessensfehlerfrei auf der Grundlage der verfügbaren Informationen aus der Vergangenheit, namentlich aus dem Vorjahr, ermittelt hat und auch die Mieteinnahmen zutreffend berechnet und bereinigt hat. Dabei hat der Beklagte seine ursprüngliche Praxis, wie auch für das Jahr 2013 (vgl. insoweit das Klageverfahren S 6 AS 810/14), revidiert, bei den Unterkunftskosten bloße Durchschnittswerte zu bilden. Dies steht im Einklang mit der Entscheidung des BSG vom 29.11.2012 (B 14 AS 36/12 R). Auch hat der Beklagte den Bedarf hinsichtlich der Kosten der Unterkunft und Heizung auf der Grundlage der bewohnten Wohnfläche berechnet. Es liegt ein schlüssiges Vorgehen des Beklagten vor, welches im Einklang mit der obergerichtlichen Rechtsprechung steht. Das Gericht hat keine Anhaltspunkte für Denkfehler oder Rechenfehler.

Sollte sich zeigen, dass die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung im Verhältnis zum Vorjahr gestiegen sind, kann die Klägerin die entsprechenden Belege über ihre Aufwendungen vorlegen, damit der Beklagte eine endgültige Leistungsbewilligung vornehmen und einem etwaigen Nachzahlungsanspruch Rechnung tragen kann. Bis dahin waren vom Beklagten die Werte aus dem Vorjahr zugrunde zu legen.

Die Klage hatte daher keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war abzulehnen, da die Rechtsverfolgung von Anfang an keine Erfolgsaussichten hatte. Anwaltskosten sind im Übrigen aber auch nicht entstanden.
Rechtskraft
Aus
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