S 12 SO 98/14

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Kassel (HES)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
12
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 12 SO 98/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 SO 88/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Der Bescheid vom 1. Oktober 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2014 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin über die bisherige alleinige vorläufige Leistungsgewährung hinaus Grundsicherung im Alter rückwirkend und laufend seit 1. Oktober 2014 in gesetzlichem Umfang auch endgültig zu gewähren.

3. Der Beklagte hat der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Grundsicherungsleistungen im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des Sozialgesetzbuches – Sozialhilfe (SGB XII) im Streit.

Die Klägerin ist 1939 geboren. Sie besitzt die bosnisch-herzegowinische Staatsangehörigkeit und lebt seit Anfang der 90er-Jahre in der Bundesrepublik Deutschland. Sie besitzt aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Ihre Wohnsitznahme ist dabei jedoch nur im Landkreis A-Stadt, also im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beklagten als örtlichem Sozialhilfeträger gestattet, wobei die Klägerin zuletzt bei ihrem Schwiegersohn in C. im Landkreis A-Stadt lebte und nach einem Krankenhausaufenthalt aufgrund familiärer Spannungen dann jedoch in das im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen liegende A-Stadt Frauenhaus einzog.

Ein hierauf von dort bei der Beigeladenen seitens der Klägerin am 3. September 2014 gestellter Antrag auf Gewährung von Grundsicherungsleistungen nach § 41 SGB XII war schließlich mit Bescheid vom 16. September 2014 bestandskräftig abgelehnt worden. Dies mit der Begründung, dass für die beantragte Leistungsgewährung der beklagte Landkreis örtlich zuständig sei, worauf die Klägerin am 30. September/1. Oktober 2014 beim Beklagten einen entsprechenden Antrag stellte.

Auch der Beklagte lehnte dann jedoch diesen Antrag seinerseits mit Bescheid vom 1. Oktober 2014 wiederum ab. Dies mit der Begründung, dass die Voraussetzungen für eine entsprechende Leistungsgewährung durch den Beklagten nicht vorliegen würden, nachdem sich der Schwiegersohn der Klägerin bereits unter dem 1. Oktober 2007 verpflichtet habe, während des Aufenthaltes der Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland die Kosten des Lebensunterhaltes der Klägerin zu tragen und ggf. auch die Kosten ihrer Ausreise. Hiervon ausgenommen seien lediglich die Kosten der Krankenversorgung, die der Beklagte der Klägerin dann im Weiteren auch in Form von Krankenhilfe bewilligte, wobei der Beklagte dem ausweislich eines entsprechenden Aktenvermerkes vom 2. Oktober 2014 seinerzeit noch zugrunde legte, dass der Aufenthalt der Klägerin im Frauenhaus A-Stadt keinen gewöhnlichen Aufenthalt dort begründe, die Klägerin zur Wohnsitznahme im Landkreis A-Stadt verpflichtet sei und die Krankenhilfe nicht von der vorgenannten Verpflichtungserklärung umfasst werde, so dass der Beklagte für die Gewährung der Krankenhilfe zuständig sei.

Gegen den Bescheid vom 1. Oktober 2014 legte die Klägerin am 13. Oktober 2014 Widerspruch ein, wobei sie sinngemäß geltend machte wurde, dass, selbst wenn ihr Grundsicherungsleistungen nicht zustünden, ihr zumindest Lebensunterhaltsleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) zu gewähren seien. Insoweit sei nach dem Meistbegünstigungsprinzip der gestellte Antrag als Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG zu werten. Der Antrag sei zu bewilligen, da die Klägerin Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG sei. Sie habe einen anerkannten Flüchtlingsstatus nach § 23 Abs. 1 AufenthG. Ausgehend vom "Status Quo" habe sie danach zumindest einen Anspruch auf diese Leistungen. Die abgegebene Verpflichtungserklärung ihres Schwiegersohnes könne dem nicht entgegengehalten werden. Nach § 8 Abs. 1 AsylbLG seien Leistungen nur dann ausgeschlossen, wenn der erforderliche Lebensunterhalt gedeckt sei. Die Klägerin sei in einem Frauenhaus untergekommen. In die bisherige Wohnung könne sie nicht mehr zurück. Sie erhalte keine Leistungen mehr von ihrem Schwiegersohn und auch sonst nicht. Daher sei ihr Lebensunterhalt nicht mehr gedeckt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Oktober 2014 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 1. Oktober 2014 als unbegründet zurück. Der Beklagte führte aus, der Antrag der Klägerin auf Gewährung von Grundsicherungsleistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII sei mit Bescheid vom 1. Oktober 2014 mit der Begründung abgelehnt worden, dass auf Seiten der Klägerin kein Leistungsanspruch bestünde, weil der Schwiegersohn der Klägerin sich aufgrund der abgegebenen o.a. Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG verpflichtet habe, den Lebensunterhalt der Klägerin sicherzustellen. Zwar sei insoweit in der Widerspruchsbegründung zutreffend ausgeführt, dass die Leistungsversagung aufgrund des Vorliegens der Verpflichtungserklärung zu beanstanden sei und der Klägerin wegen der tatsächlichen Mittelosigkeit Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren seien, allerdings scheitere die Gewährung von Leistungen an der örtlichen Zuständigkeit des Beklagten. Für die Klägerin sei eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG erteilt worden. Da das Herkunftsland der Klägerin kein Kriegsgebiet sei, bestehe insoweit auch kein Anspruch auf die Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG, sondern allenfalls nach dem 4. Kapitel des SGB XII. Bis zu ihrer Aufnahme im im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen liegenden Frauenhauses habe die Klägerin in C. und insoweit im örtlichen Zuständigkeitsbereich des beklagten Landkreises gewohnt. Sie habe mithin ihren gewöhnlichen Aufenthalt bisher im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beklagten gehabt, so dass der Beklagte auch grundsätzlich der zuständige Sozialleistungsträger für die Gewährung der beantragten Grundsicherungsleistungen sei. Bei Aufnahme des Frauenhauses sei insoweit kein gewöhnlicher Aufenthalt am Ort des Frauenhauses begründet worden. Allerdings gewähre dann der zuständige örtliche Sozialhilfeträger, in dessen Zuständigkeitsbereich das Frauenhaus liege, auf Antrag die Leistungen zur Sicherstellung des Lebensunterhaltes, wobei anschließend eine gegenseitige Kostenerstattung zwischen den Sozialhilfeträgern erfolge, ohne dass der Beklagte die hierfür seiner Auffassung nach einschlägigen Rechtsgrundlagen aufzeigte. Er verwies schlussendlich allein darauf, dass, da sich die Klägerin derzeit in einem im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen liegenden Frauenhaus aufhalte, die Zuständigkeit der Beigeladenen als örtlicher Sozialhilfeträger für Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII gegeben sei.

Die Klägerin hat am 21. Oktober 2014 unter dem vorliegenden Aktenzeichen S 12 SO 98/14 hierauf Klage vor dem Sozialgericht in Kassel erhoben. Gleichzeitig hat sie unter dem Aktenzeichen S 12 SO 35/14 ER am selben Tag im einstweiligen Rechtsschutz zumindest eine vorläufige Leistungsverpflichtung des Beklagten geltend gemacht. Entgegen dem Beklagten sei trotz des Umzugs in das A-Stadt Frauenhaus weiterhin die örtliche Zuständigkeit des beklagten Landkreises gegeben. Dies bereits auf der Grundlage der Regelungen der §§ 98 Abs. 1 Satz 2, Abs. 5 SGB XII. Dies umso mehr, als sich aus dem Aufenthaltstitel der Klägerin ergebe, dass deren Wohnsitznahme nur im Zuständigkeitsbereich des Beklagten zulässig sei. Insoweit begründe der Aufenthalt der Klägerin im A-Stadt Frauenhaus selbst nach den Ausführungen des Beklagten in den angefochtenen Bescheiden und im Übrigen auch nach gängiger Rechtsprechung keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so dass es trotz des Umzuges der Klägerin bei der Zuständigkeit des Beklagten verbleibe.

Nachdem der Beklagte im einstweiligen Rechtsschutz an seiner ablehnenden Haltung ohne weitere Begründung festgehalten hat, ist schließlich seitens des Gerichts darauf hingewiesen worden, dass die Rechtsauffassung des Beklagten nicht nachvollziehbar sei. Sie lasse sich jedenfalls aus dem SGB XII nicht herleiten. Rechtsgrundlagen würden insoweit, die vermeintliche Zuständigkeit der Beigeladenen betreffend, auch erst gar nicht benannt. Zumindest dürfte der Beklagte dann aber auch zur vorläufigen Leistungsgewährung verpflichtet sein. Der Beklagte hat im einstweiligen Rechtsschutz hierzu dann zunächst weiter ausgeführt, dass die Verpflichtungserklärung des Schwiegersohnes der Klägerin bereits im Rahmen des Widerspruchsbescheides dem von der Klägerin geltend gemachten Anspruch nicht mehr entgegengehalten worden sei. Dazu, dass entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin keine örtliche Zuständigkeit des Beklagten bestehe, hat der Beklagte schließlich eine nach wie vor fortgeltende Vereinbarung der hessischen Kreise und kreisfreien Städte über die Zuständigkeit und Kostenerstattung bei der Hilfegewährung an Frauen und deren minderjährige, unverheiratete Kinder in Frauenhäusern in Bezug genommen und insoweit auf § 2 dieser Vereinbarung hingewiesen, wonach für die Gewährung der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach Sozialgesetzbuch II oder für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII und dem AsylbLG der Träger zuständig sei, in dessen Bereich das Frauenhaus liege. Danach ergebe sich unabhängig von der Kostenerstattungsregelung in § 3 der Vereinbarung, wonach kostenerstattungspflichtig der örtliche Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende oder der örtliche Träger der Sozialhilfe ist, in dessen Bereich die Hilfebedürftigen ihren gewöhnlichen Aufenthalt vor Aufnahme in das Frauenhaus gehabt hätten, wobei die Kostenerstattungspflicht während der Dauer des Aufenthaltes im Frauenhaus bestehe, eine örtliche und sachliche Zuständigkeit der Beigeladenen, in deren Zuständigkeit das Frauenhaus liege, in dem die Klägerin Unterkunft gefunden habe. Zum weiteren Vorbringen des Beklagten hat das Gericht dann u.a. darauf hingewiesen, dass die insoweit vorgelegte Vereinbarung hier Bindungswirkung allenfalls zwischen den Trägern dieser Vereinbarung entfalten dürfte, nicht aber gegenüber der Klägerin. Dies umso mehr, als vorliegend der Beklagte selbst nach dem dortigen Vortrag auch nach der vorgenannten Vereinbarung unstreitig der zuständige Leistungsträger bleibe, gegenüber dem der gesetzliche Leistungsanspruch bestehe. Wenn sich die - später im vorliegenden Hauptsacheverfahren - Beigeladene ggf. unter dem Eindruck der Schuldenbremse nicht an die getroffene Vereinbarung halte, könne dies nicht zu Lasten der Klägerin gehen. Ein entsprechender Streit sei ggf. politisch zwischen den Trägern der Vereinbarung zu klären, könne aber nicht auf den Rücken der Klägerin ausgetragen werden. Erst Recht nicht, nachdem die Beigeladene eine Leistungsgewährung bestandskräftig gegenüber der Klägerin abgelehnt habe. Die Klägerin hat sich im einstweiligen Rechtsschutz die entsprechenden Hinweise des Gerichts schließlich zu Eigen gemacht. Wenn die getroffene Vereinbarung zwischen den hessischen Landkreisen und Kommunen in der Praxis nicht eingehalten werde, sich am Ende gar beide Leistungsträger für unzuständig erklärten, würde das Sozialhilferecht ausgehöhlt. Dies könne nicht richtig sein. Mit Eingang bei Gericht am 6. November 2014 hat der Beklagte sodann unter Bezugnahme auf den letztgenannten gerichtlichen Hinweis vom 3. November 2014 im Rahmen des einstweiligen Rechtschutz den von der Klägerin gegen den Beklagten geltend gemachten Anspruch vorerst bis zur Klärung in der Hauptsache, jedoch längstens bis zum Ablauf der Aufenthaltserlaubnis am 30. Juli 2015 anerkannt. Die Klägerin hat dieses Anerkenntnis mit Eingang am 7. November 2014 im einstweiligen Rechtsschutz angenommen, womit das Antragsverfahren S 12 SO 35/14 ER erledigt war. Gleichzeitig sind der Klägerin dann die beantragten Leistungen als vorläufige Leistungen entsprechend bis laufend gewährt worden.

In der vorliegenden Hauptsache S 12 SO 98/14 hat der Beklagte an ihrer fehlenden Leistungszuständigkeit festgehalten. Dies zum einen unter Bezugnahme auf die vorgenannte Vereinbarung. Zum anderen ergebe sich die örtliche Zuständigkeit der Beigeladenen aber auch aufgrund des tatsächlichen und gewöhnlichen Aufenthalts der Klägerin im Bereich der Stadt A. Der Vortrag, dass in einem Frauenhaus kein gewöhnlicher Aufenthalt begründet werden könne, sei nämlich mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) unzutreffend. Mithin komme es für die Frage, ob die Klägerin in der Stadt A. ihren gewöhnlichen Aufenthalt begründet habe, auf die konkreten Umstände des Einzelfalles an. Tatsächlich sei die Situation nämlich so, dass der Grund, warum sich die Klägerin früher in C. aufgehalten habe, ihre Tochter gewesen sei, mit der sie zusammengelebt habe. Diese lebe aber ebenfalls seit August 2014 nicht mehr im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beklagten, sondern habe ihren Wohnsitz ebenfalls im Bereich der Stadt A. genommen. Hier wolle dann offensichtlich auch die Klägerin bleiben. Insoweit befinde sich die Klägerin nach aktuellem Kenntnisstand nicht im Frauenhaus, weil ihre Sicherheit gefährdet wäre, sondern weil sie ihren Wohnsitz in A-Stadt in der Nähe ihrer Tochter habe nehmen wollen und zur Verwirklichung dieses Wunsches keine andere Option gesehen habe. Darüber hinaus sei aber auch nicht bekannt, ob die Klägerin bisher versucht habe, die Wohnsitzauflage abändern zu lassen. Jedenfalls habe nach Auffassung des Beklagten die Wohnsitzauflage für den vorliegenden Rechtsstreit keinerlei Bedeutung, da es sich um eine ausländerrechtliche Frage handele. Stattdessen komme es hier allein darauf an, wo die Klägerin ihren gewöhnlichen Aufenthalt begründet habe, was im Rahmen des § 30 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil (SGB I) zu ermitteln sei, indem nachgefragt werde, wo sich eine Person unter Umständen aufhalte, die erkennen ließen, dass sie sich dort nicht nur vorübergehend aufhalten wolle. Ohne Rückkehrperspektive liege der Lebensmittelpunkt der Klägerin nun im Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen und nicht im Zuständigkeitsbereich des Beklagten. Nicht der Beklagte sei danach leistungspflichtig, sondern die Beigeladene.

Mit Beschluss vom 10. Juni 2015 hat das Gericht anschließend die Stadt A. dem Rechtsstreit notwendig beigeladen. Dies einerseits, weil die Entscheidung auch ihr gegenüber nur einheitlich ergehen könne und andererseits, weil die Beigeladene als leistungspflichtig in Betracht komme.

Letzterem ist die Beigeladene anschließend mit Eingang bei Gericht am 2. Juli 2015 ausdrücklich entgegengetreten. Zwar dürfte es seit der Änderung des § 98 Abs. 1 SGB XII zum 1. Januar 2013 vorliegend nicht unmittelbar auf den gewöhnlichen Aufenthaltsort der Klägerin, der unstreitig im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beklagten gelegen habe, ankommen, sondern auf den tatsächlichen Aufenthaltsort. Zumindest aufgrund der Einheit der Rechtsordnung sei allerdings als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal zu fordern, dass der tatsächliche Aufenthalt am konkreten Ort rechtmäßig sei. Da die Klägerin aber nur über eine auf den örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beklagten beschränkte Aufenthaltserlaubnis verfüge, sei eine Leistungszuständigkeit der Beigeladenen nicht gegeben.

Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 1. Oktober 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2014 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin über die seitherige vorläufige Leistungsgewährung hinaus Grundsicherungsleistungen im Alter in gesetzlichem Umfang rückwirkend und laufend seit 1. Oktober 2014 zu gewähren,
hilfsweise,
die Beigeladene entsprechend zu verurteilen.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hält im Anschluss an seine o.a. Ausführungen an den angefochtenen Bescheiden fest. Dies auch im Hinblick auf das weitere Vorbringen der Beigeladenen. Für Empfänger von Sozialhilfeleistungen nach dem SGB XII komme es nach § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII für die örtliche Zuständigkeit auf den tatsächlichen Aufenthaltsort des Leistungsberechtigten an. Eine Wohnsitzauflage vermöge daran nichts zu ändern. Im Übrigen bleibe dann seitens der Beigeladenen aber auch nach wie vor und weiterhin die o.a. Vereinbarung unbeachtet.

Die Beigeladene hat in der mündlichen Verhandlung auf eine eigene Antragstellung ausdrücklich verzichtet, zuvor schriftsätzlich aber auch weiter ausgeführt, nach wie vor der Auffassung zu sein, dass ihre Leistungszuständigkeit gemäß § 98 Abs. 1 SGB XII ausnahmsweise nicht vorliege. Um den gesetzgeberischen Anliegen einer möglichst effektiven Existenzsicherung gerecht zu werden, solle der sozialhilferechtliche Hilfebedarf zwar schnell und unkompliziert an dem Ort behoben werden, wo er entstehe. Die Auslegungsgrenze des Begriffs "tatsächlicher Aufenthaltsort" im Sinne von § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII werde aber dort überschritten, wo aus nicht mehr zu rechtfertigenden Gründen ein Verstoß gegen kollidierendes Recht vorliege. Die der Beigeladenen unterstellte Abteilung für Zuwanderung und Integration Stadt und Landkreis A. könne keine lokale Aufenthaltsbeschränkung aussprechen und gleichzeitig durch eine andere Stelle bei ihr einen Verstoß hiergegen finanzieren. Daran vermöge auch die vom Beklagten angeführte Vereinbarung aus dem Jahr 2005 nichts zu ändern, weil die Vereinbarung nur vorrangige Regelungen zur Kostenerstattung treffe und die bundesgesetzliche Zuständigkeitsverteilung unberührt lasse. Insoweit sei kein sachlicher Grund ersichtlich, warum sich die Klägerin nicht in das Frauenhaus in D., das im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beklagten liege, begeben solle. Im Übrigen sei der Aufenthaltstitel mittlerweile vom 30. Juli 2015 bis zum 22. Juni 2017 verlängert worden, wobei dieser abermals auf den örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beklagten beschränkt worden sei.

Wegen des weiteren Inhaltes, insbesondere wegen des jeweiligen weiteren Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte insgesamt; ebenso wird Bezug genommen auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten, dessen wesentlicher, den vorliegenden Rechtsstreit betreffender Inhalt gleichfalls Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht vor dem zuständigen Gericht erhoben worden (§§ 87, 90 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die Klage ist auch begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig. Der Beklagte hat gegenüber der Klägerin die Gewährung von Grundsicherungsleistungen im Alter nach § 41 SGB XII aus den Gründen des Vorbringens der Klägerin und der Beigeladenen zu Unrecht abgelehnt, so dass der Beklagte im Anschluss an sein Anerkenntnis im vorläufigen Rechtsschutz im vorliegenden Hauptsacheverfahren wie geschehen zur endgültigen Leistungsgewährung seit dem 1. Oktober 2014 zu verpflichten war, nachdem nach Überprüfung der Kammer die vom Beklagten letztlich auch selbst bejahten Leistungsvoraussetzungen für eine entsprechende Leistungsgewährung vorlagen und weiterhin vorliegen. Insoweit ist mit der Beigeladenen auch nach Auffassung der Kammer allein auf die nach wie vor fortbestehende ausländerrechtliche Wohnsitzauflage im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beklagten abzustellen. Dass die Beigeladene bei alledem unter Missachtung der o.a. Vereinbarung, letztlich auch im Zusammenwirken mit dem Beklagten, diesen örtlichen Zuständigkeitsstreit auf die Klägerin verlagert hat, bleibt unbeachtlich. Der gesetzliche, gegen den Beklagten bestehende Leistungsanspruch der Klägerin wird von der o.a. Vereinbarung selbst nicht berührt, lediglich die mit der Vereinbarung verfolgte Zielsetzung jedoch eindeutig kontrakariert. Dies auf dem Rücken eines unstreitig hilfebedürftigen Leistungsempfängers, dem mit der Vereinbarung "unbürokratisch" zu einem unstreitig bestehenden Leistungsanspruch verholfen werden sollte, ohne in ermüdende Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen Leistungsträgern zu geraten.

Zwar ist dem Beklagten hier zuzugeben, dass für die Gewährung von Sozialhilfe nach § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII örtlich zuständig ist der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich sich die Leistungsberechtigten tatsächlich aufhalten, der sozialhilferechtliche Bedarf also regelmäßig dort gedeckt werden soll, wo er entsteht, so dass entscheidend für die Begründung der örtlichen Zuständigkeit nach Abs. 1 Satz 1 allein die rein physische Anwesenheit der Leistungsberechtigten im Bereich eines Sozialhilfeträgers entscheidend ist; hinsichtlich der Frage des Bestehens eines Leistungsanspruchs enthält § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII jedoch unmittelbar keine Regelungen. Dies zumindest in der vorliegenden besonderen Fallkonstellation und insoweit in hier zu beurteilenden Einzelfall dann mit der Folge, dass für die örtliche Zuständigkeit hier die nach wie vor fortbestehende ausländerrechtliche Wohnsitzauflage, die die Duldung der Klägerin auf den örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beklagten beschränkt, nicht unbeachtet bleiben kann. Dies u.a. deshalb, weil die ausländerrechtliche Wohnsitzauflage dazu verpflichtet, an einem bestimmten Ort seinen gewöhnlichen Aufenthalt zu nehmen, wobei die Wohnsitzaufnahme unmittelbarer Bestandteil der erteilten Aufenthaltserlaubnis ist und dies ausländerrechtlich auch so lange bleibt, wie sie nicht aufgehoben oder zumindest abgeändert wird.

Anders als in § 10 a Abs. 1 AsylbLG sowohl nach der bis 23. Oktober 2015 als auch der seit 24. Oktober 2015 geltenden Fassung fehlt insoweit im SGB XII insoweit zwar eine entsprechende ausdrückliche Regelung, von Sinn und Zweck der ausländerrechtlichen Wohnsitzauflage her, an die sich die Kammer gebunden sieht, solange sie ausländerrechtlich fortbesteht, vermag die Kammer in der Anwendung einen Unterschied jedoch nicht zu erkennen. Dies zumindest dann, wenn es sich um eine wohnsitzbeschränkende Auflage subsidiär Schutzbedürftiger handelt und die Wohnsitzauflage – wie hier – einem nach dem SGB XII dem Grunde nach bestehenden Leistungsanspruch bei anderer bzw. abweichender Wohnsitzaufnahme auch weder tatsächlich noch rechtlich selbst entgegensteht, was vorliegend gerade nicht der Fall ist (vgl. hierzu zwischenzeitlich ähnlich EuGH, Urteil vom 1. März 2016, C-443/14).

Der Klage war nach alledem im vorliegenden Einzelfall im ausgeurteilten Umfang im Hauptantrag stattzugeben.

Die Kostenscheidung folgt aus § 193 SGG.

Der gesonderten Entscheidung über eine Zulassung der Berufung bedurfte es nicht; Berufungsausschließungsgründe, die eine solche Entscheidung erforderlich gemacht hätten, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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