Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Leipzig (FSS)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 8 KR 646/04
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die CHIVA-Methode zur Venensanierung löst keine Kostentragungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung aus.
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Kostenübernahme für eine Krampfaderbehandlung.
Die ...Klägerin leidet an Varicosis. Sie war deswegen in Krampfader-Behandlung bei Dr. R ...in B ... Laut dessen Arztbericht vom 02.08.2004 stehen zwei Therapiemethoden zur Auswahl: zum einen die kassenärztliche Methode des stadienrelati-ven Strippings der VSM rechts und VSP links mit Perforansdissektion, sowie als IGEL-Leistung, d.h. als individuelle Gesundheitsleistung, Chiva (ultraschallgezielte Ligaturtech-nik) oder Laser (EVLT, ILVO). Bei der Chiva-Methode handelt es sich um die Behandlung von Krampfadern mit einem Verfahren, das in Frankreich entwickelt wurde. "Chiva" ist die Abkürzung von "Conservatrice et Hémodynamique de l`Insuffisance Veineuse en Ambulatoire".
Für diese Behandlungsmethode mit Laser, beim linken Bein zusätzlich mit Mikroschaum, beantragte die Klägerin mit Schriftsatz vom 09.08.2004 bei der Beklagten die Kostenübernahme. Laut Kostenvoranschlag von Dr. R ... für eine Venensanierung beidseits liegen die Kosten für eine Operation beider Beine bei insgesamt 1522,70 EUR.
Laut Dr ... vom Medizinischen Dienst der Beklagten werde der Antrag nicht befürwortet, weil die Maßnahmen auch andernorts erbracht werden könnten.
Durch Bescheid vom 03.09.2004 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme ab. Es gebe zu dieser Methode keine Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses. Sie finde sich auch nicht auf der Prioritätenliste für Methoden, die zur aktuellen Beratung beim Bundes-ausschuss anstünden. Da weder eine lebensbedrohliche noch eine schwerwiegende Erkran-kung vorliege, für die nichtmedikamentösen Verfahren nicht zur Verfügung stünden oder die den Patienten unzugänglich seien, dürften die Kosten nicht übernommen werden.
Hiergegen legte die Klägerin am 07.09.2004 Widerspruch ein. Das "Stripping" stelle für sie keine Alternative dar, weil diese Methode schmerzhafter und mit einem Thromboseri-siko versehen sei. Sie ginge einher mit einem längeren Krankenhausaufenthalt, was die Gefahr eines Arbeitsplatzverlustes in sich berge. Von anderen Krankenkassen würden die Kosten nach der "Chiva-Methode" übernommen. Zudem habe die Beklagte eine Kosten-übernahme für "minimalinvasive" operative Behandlungen angeboten.
Durch Widerspruchsbescheid vom 14.10.2004, zur Post aufgegeben am 20.10.2004, wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden könnten nur dann eine Kostenpflicht der gesetzlichen Krankenkassen begründen, wenn eine Anerkennung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss in Richtlinien erfolgt sei. Daran fehle es hier, so dass sie auch nicht im Rahmen einer Einzelfallentscheidung die Kosten übernehmen könne; ein Ermessensspielraum sei ihr insoweit nicht eingeräumt. Als kassenärztliche Versorgung werde weiterhin das "Stripping" angeboten.
Die Klägerin hat deswegen am 15.11.2004 Klage zum Sozialgericht Leipzig erhoben. Die "Chiva-Methode" habe weder eine Krankschreibung noch einen Krankenhausaufenthalt zur Folge, so dass sie dem "Stripping" vorzuziehen sei.
Das Gericht hat zur Frage der ambulanten Behandlung von Krampfadern durch die "Chiva-Methode" eine Auskunft beim Gemeinsamen Bundesausschuss eingeholt, dem weitere Unterlagen beigefügt worden waren. Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 03.09.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.10.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für eine kombi-nierte Chiva/Lasertherapie, linksseitig zusätzlich mit Mikroschaum, zu überneh-men.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Aktenin-halt, eine Gerichtsakte sowie ein Verwaltungsvorgang der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid vom 03.09.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.10.2004 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin wird hierdurch nicht in eigenen Rechten ver-letzt, weil sie keinen Rechtsanspruch auf Kostenübernahme für eine kombinierte "Chiva-Methode" mit Lasertherapie, linksseitig zusätzlich mit Mikroschaum, hat.
Nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Leistungen zur Behand-lung einer Krankheit (§§ 27 bis 52 SGB V). Ein Anspruch auf Krankenbehandlung nach Maßgabe des § 27 Abs. 1 SGB V liegt vor, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Hierbei ist grundsätzlich der Anspruch der Versicherten auf eine Sachleistung be-grenzt (Sachleistungsprinzip, vgl. § 2 SGB V).
Vorliegend hat die Beklagte die beantragte Leistung jedoch nicht zu Unrecht abgelehnt. Die "Chiva"-Methode stellt keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung dar, weil es sich um keine ausdrücklich anerkannte Behandlungsmethode handelt.
Gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V soll der Gemeinsame Bundesausschuss Richtlinien über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden beschließen, die einerseits die ärztliche Versorgung sicherstellen und andererseits eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten gewährleisten. Dadurch wird zugleich der Umfang der den Versicherten geschuldeten ambulanten Leistungen ver-bindlich festgelegt (wie hier: BSGE 86, 54 (56)). Im Hinblick auf die "Chiva"-Methode liegt jedoch kein entsprechender Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vor. Ausweislich der eingeholten Auskunft vom 05.01.2005 ist eine derartige Anerkennung der bereits seit 1988 vorgestellten Methode weder beantragt, geschweige denn erfolgt. Sie ge-hört deshalb nicht zu den von den gesetzlichen Krankenkassen geschuldeten Leistungen. Dies folgt aus § 135 SGB V i.V.m. den Richtlinien. Gemäß § 135 Abs. 1 SGB V dürfen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen und vertrags-zahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag einer kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer kassenärztlichen Vereinigung oder eines Spitzenverbandes der Krankenkassen in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Empfehlungen abgegeben haben über die Aner-kennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinischen Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit – auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachten Methoden – nach dem jeweiligen Stand der wissen-schaftlichen Erkenntnisse der jeweiligen Therapierichtung (Nr. 1). Der Bundesausschuss überprüft die zu Lasten der Krankenkasse erbrachten vertragsärztlichen und vertragszahn-ärztlichen Leistungen darauf hin, ob sie den Kriterien nach Satz 1 Nr. 1 entsprechen. Falls die Überprüfung ergibt, dass diese Kriterien nicht erfüllt werden, dürfen die Leistungen nicht mehr als vertragsärztliche oder vertragszahnärztliche Leistungen zu Lasten der Kran-kenkassen erbracht werden (Abs. 1 Satz 2 und 3 der Vorschrift).
Der Bundesausschuss soll mithin darüber wachen, dass die Leistungspflicht der gesetzli-chen Krankenversicherung nicht auf unwirksame oder unwirtschaftliche Untersuchungs- und Behandlungsverfahren ausgedehnt wird. Als "neu" im Sinne des § 135 Abs. 1 SGB V, also als noch nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugehörig, gilt eine Untersuchungs- und Behandlungsmethode dann, wenn sie noch nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leis-tung im einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM-Ä) enthalten oder die dort zwar aufge-führt sind, deren Indikationen aber eine wesentliche Änderung oder Erweiterung erfahren haben (vgl. Ziffer 5 der NUB-RL). Bei der "Chiva"-Methode handelt es sich um eine neue Behandlungsmethode. Darunter versteht die Rechtsprechung ein medizinisches Vorgehen, dem ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zu Grunde liegt, das es von ande-ren Therapieverfahren unterscheidet und seine systematische Anwendung in der Behand-lung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll (BSGE 88, 51 (60)).
Nach der Konzeption des Gesetzes hat das Gericht somit nicht darüber zu entscheiden, ob eine medizinische Behandlungsmethode anerkennungswürdig und im Einzelfall auch er-folgversprechend ist (wie hier: BSGE 76, 149 ff.). Vielmehr ist allein entscheidend, wel-cher medizinische Standard allgemein anerkannt ist und ob die zu beurteilende Methode diesem medizinischen Standard entspricht. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialge-richts, der sich die erkennende Kammer in ständiger Rechtsprechung anschließt, ist den Gerichten damit eine Zurückhaltung im Hinblick auf medizinisch-wissenschaftliche Aus-einandersetzungen um die "richtige" Heilmethode auferlegt. Dies geht auch aus § 2 Abs. 1 Satz 2 SGB V hervor. Es ist Ausdruck der Neutralität des Staates, Methoden der besonde-ren Therapierichtungen nicht auszuschließen. Der Schwerpunkt der Prüfung wird damit auf den tatsächlichen Verbreitungsgrad verlagert, weil es nicht Sinn eines Gerichtsverfahrens sein kann, die Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft voranzutreiben oder in wis-senschaftlichen Auseinandersetzungen Position zu beziehen (wie hier: BSG, Urteil vom 16.09.1997, Az: 1 RK 28/95). Da eine entsprechende positive Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses in den einschlägigen Richtlinien fehlt, ist ein entsprechender Sachleistungsanspruch der Klägerin nicht begründet. Das Fehlen einer positiven Entscheidung des Gemeinsamen Bundesaus-schusses über den therapeutischen Nutzen sowie die medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit der für die Klägerin beantragten Behandlungsmethode schließt eine Kostenerstattung – bzw. wie hier: eine Kostenübernahme – mithin aus (vgl. auch bspw.: BSG, in: NZS 2003, 206 ff.).
Entgegen dem Vorbringen der Klägerin bestehen unter Zugrundelegung des gegenwärtigen Sachstandes keine gesicherten Erkenntnisse über die Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit der durchgeführten Behandlung und ihrer theoretischen Grundlage. Dies geht auch aus den den Beteiligten vorliegenden medizinischen Stellungnahmen hervor. Dass die "Chiva"-Methode in der Praxis möglicherweise Erfolge zeitigen konnte, begründet noch keinen wissenschaftlich gesicherten Nachweis von Qualität, Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit der eingesetzten Methode. Nicht ausschlaggebend kann damit sein, dass sie nach Angaben der Klägerin schonender und im Unterschied zum "Stripping" ambulant durchführbar sein soll. Sie stellt demzufolge keine vertragsärztliche Leistung dar, die zu Lasten der gesetzli-chen Krankenversicherung erbracht werden darf. Der behandelnde Arzt Dr. R ...hat zu Recht selbst darauf hingewiesen, dass es sich insoweit um eine individuelle und keine Kas-senleistung handelt.
Dass eine Abrechenbarkeit der Leistungen nach den EBM 2860, 6861 und 2862 gegeben sein könnte, bedurfte keiner näheren Erörterung; weder ist von Dr. R ... eine derartige Ab-rechnung erstellt oder beantragt worden, noch verfügt dieser als Facharzt für Radiologische Diagnostik über eine entsprechende chirurgische Qualifikation, die beantragte Leistung unter den vorgenannten EBM abrechnen zu können.
Im Übrigen war darauf hinzuweisen, dass bei ambulanten Krampfaderoperationen nach der "Chiva"-Methode als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode insgesamt eine Ü-berprüfung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss bedarf. Die Möglichkeit, einzelne ärztliche Leistungen nach EBM-Ä abrechnen zu können, genügt insofern nicht (wie hier: LSG Thüringen, Urteil vom 06.06.2005, Az: L 6 KR 132/03). Die "Chiva"-Methode ist damit nicht in allen Fällen nach den EBM-Ä abrechenbar, sondern allenfalls dann, wenn diese so durchgeführt wird, das einzelne Leistungskennziffern erfüllt werden (ebenso: LSG Thüringen, wie vor). Insgesamt ist sie demzufolge nicht nach den EBM-Ä abrechenbar.
Fehl geht auch der Hinweis der Klägerin, wonach die Beklagte in ihrer Internet-Werbung die Kostenübernahme für "minimalinvasive operative Behandlungen" zugesagt habe; denn ein Hinweis auf eine Kostenübernahme für eine Krampfaderbehandlung nach der "Chiva"-Methode fehlt insoweit.
Es ließ sich auch kein Systemmangel feststellen. Ein Systemmangel (vgl. dazu: BSGE 86, 54 (60 f.)) läge nur dann vor, wenn die Entscheidung des Bundesausschusses trotz Erfül-lung der für die Überprüfung einer neuen Behandlungsmethode notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen willkürlich oder aus sachfremden Erwägungen unterblieben oder verzögert worden wäre (vgl. dazu: BSG, NZS 2003, 206 (208)). Hier lag indes – wie aufgezeigt – mangels Antrag noch kein Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses zur "Chiva"-Methode vor. Weder Ausmaß der Verbreitung, noch statistisch nicht näher belegte positive Erfahrungen mit dieser Therapiemethode können Kriterien dafür sein, dass das Anerkennungsverfahren von den antragsberechtigten Stellen oder dem Bundesaus-schuss selbst nicht ordnungsgemäß betrieben worden wäre. Im Übrigen käme es im Gegensatz zum vorliegenden Fall auf eine Verbreitung nur dann an, wenn eine rechtswidrige Untätigkeit zu bejahen oder zu unterstellen wäre (BSGE 81, 54 (66 f.)). Die gesetzlichen Krankenkassen sind jedoch für Heilverfahren, deren generelle Wirksamkeit statistisch nicht nachgewiesen ist, grundsätzlich nicht leistungspflichtig (BSGE 76, 194 (199)).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Kostenübernahme für eine Krampfaderbehandlung.
Die ...Klägerin leidet an Varicosis. Sie war deswegen in Krampfader-Behandlung bei Dr. R ...in B ... Laut dessen Arztbericht vom 02.08.2004 stehen zwei Therapiemethoden zur Auswahl: zum einen die kassenärztliche Methode des stadienrelati-ven Strippings der VSM rechts und VSP links mit Perforansdissektion, sowie als IGEL-Leistung, d.h. als individuelle Gesundheitsleistung, Chiva (ultraschallgezielte Ligaturtech-nik) oder Laser (EVLT, ILVO). Bei der Chiva-Methode handelt es sich um die Behandlung von Krampfadern mit einem Verfahren, das in Frankreich entwickelt wurde. "Chiva" ist die Abkürzung von "Conservatrice et Hémodynamique de l`Insuffisance Veineuse en Ambulatoire".
Für diese Behandlungsmethode mit Laser, beim linken Bein zusätzlich mit Mikroschaum, beantragte die Klägerin mit Schriftsatz vom 09.08.2004 bei der Beklagten die Kostenübernahme. Laut Kostenvoranschlag von Dr. R ... für eine Venensanierung beidseits liegen die Kosten für eine Operation beider Beine bei insgesamt 1522,70 EUR.
Laut Dr ... vom Medizinischen Dienst der Beklagten werde der Antrag nicht befürwortet, weil die Maßnahmen auch andernorts erbracht werden könnten.
Durch Bescheid vom 03.09.2004 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme ab. Es gebe zu dieser Methode keine Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses. Sie finde sich auch nicht auf der Prioritätenliste für Methoden, die zur aktuellen Beratung beim Bundes-ausschuss anstünden. Da weder eine lebensbedrohliche noch eine schwerwiegende Erkran-kung vorliege, für die nichtmedikamentösen Verfahren nicht zur Verfügung stünden oder die den Patienten unzugänglich seien, dürften die Kosten nicht übernommen werden.
Hiergegen legte die Klägerin am 07.09.2004 Widerspruch ein. Das "Stripping" stelle für sie keine Alternative dar, weil diese Methode schmerzhafter und mit einem Thromboseri-siko versehen sei. Sie ginge einher mit einem längeren Krankenhausaufenthalt, was die Gefahr eines Arbeitsplatzverlustes in sich berge. Von anderen Krankenkassen würden die Kosten nach der "Chiva-Methode" übernommen. Zudem habe die Beklagte eine Kosten-übernahme für "minimalinvasive" operative Behandlungen angeboten.
Durch Widerspruchsbescheid vom 14.10.2004, zur Post aufgegeben am 20.10.2004, wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden könnten nur dann eine Kostenpflicht der gesetzlichen Krankenkassen begründen, wenn eine Anerkennung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss in Richtlinien erfolgt sei. Daran fehle es hier, so dass sie auch nicht im Rahmen einer Einzelfallentscheidung die Kosten übernehmen könne; ein Ermessensspielraum sei ihr insoweit nicht eingeräumt. Als kassenärztliche Versorgung werde weiterhin das "Stripping" angeboten.
Die Klägerin hat deswegen am 15.11.2004 Klage zum Sozialgericht Leipzig erhoben. Die "Chiva-Methode" habe weder eine Krankschreibung noch einen Krankenhausaufenthalt zur Folge, so dass sie dem "Stripping" vorzuziehen sei.
Das Gericht hat zur Frage der ambulanten Behandlung von Krampfadern durch die "Chiva-Methode" eine Auskunft beim Gemeinsamen Bundesausschuss eingeholt, dem weitere Unterlagen beigefügt worden waren. Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 03.09.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.10.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für eine kombi-nierte Chiva/Lasertherapie, linksseitig zusätzlich mit Mikroschaum, zu überneh-men.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Aktenin-halt, eine Gerichtsakte sowie ein Verwaltungsvorgang der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid vom 03.09.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.10.2004 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin wird hierdurch nicht in eigenen Rechten ver-letzt, weil sie keinen Rechtsanspruch auf Kostenübernahme für eine kombinierte "Chiva-Methode" mit Lasertherapie, linksseitig zusätzlich mit Mikroschaum, hat.
Nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Leistungen zur Behand-lung einer Krankheit (§§ 27 bis 52 SGB V). Ein Anspruch auf Krankenbehandlung nach Maßgabe des § 27 Abs. 1 SGB V liegt vor, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Hierbei ist grundsätzlich der Anspruch der Versicherten auf eine Sachleistung be-grenzt (Sachleistungsprinzip, vgl. § 2 SGB V).
Vorliegend hat die Beklagte die beantragte Leistung jedoch nicht zu Unrecht abgelehnt. Die "Chiva"-Methode stellt keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung dar, weil es sich um keine ausdrücklich anerkannte Behandlungsmethode handelt.
Gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V soll der Gemeinsame Bundesausschuss Richtlinien über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden beschließen, die einerseits die ärztliche Versorgung sicherstellen und andererseits eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten gewährleisten. Dadurch wird zugleich der Umfang der den Versicherten geschuldeten ambulanten Leistungen ver-bindlich festgelegt (wie hier: BSGE 86, 54 (56)). Im Hinblick auf die "Chiva"-Methode liegt jedoch kein entsprechender Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vor. Ausweislich der eingeholten Auskunft vom 05.01.2005 ist eine derartige Anerkennung der bereits seit 1988 vorgestellten Methode weder beantragt, geschweige denn erfolgt. Sie ge-hört deshalb nicht zu den von den gesetzlichen Krankenkassen geschuldeten Leistungen. Dies folgt aus § 135 SGB V i.V.m. den Richtlinien. Gemäß § 135 Abs. 1 SGB V dürfen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen und vertrags-zahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag einer kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer kassenärztlichen Vereinigung oder eines Spitzenverbandes der Krankenkassen in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Empfehlungen abgegeben haben über die Aner-kennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinischen Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit – auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachten Methoden – nach dem jeweiligen Stand der wissen-schaftlichen Erkenntnisse der jeweiligen Therapierichtung (Nr. 1). Der Bundesausschuss überprüft die zu Lasten der Krankenkasse erbrachten vertragsärztlichen und vertragszahn-ärztlichen Leistungen darauf hin, ob sie den Kriterien nach Satz 1 Nr. 1 entsprechen. Falls die Überprüfung ergibt, dass diese Kriterien nicht erfüllt werden, dürfen die Leistungen nicht mehr als vertragsärztliche oder vertragszahnärztliche Leistungen zu Lasten der Kran-kenkassen erbracht werden (Abs. 1 Satz 2 und 3 der Vorschrift).
Der Bundesausschuss soll mithin darüber wachen, dass die Leistungspflicht der gesetzli-chen Krankenversicherung nicht auf unwirksame oder unwirtschaftliche Untersuchungs- und Behandlungsverfahren ausgedehnt wird. Als "neu" im Sinne des § 135 Abs. 1 SGB V, also als noch nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugehörig, gilt eine Untersuchungs- und Behandlungsmethode dann, wenn sie noch nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leis-tung im einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM-Ä) enthalten oder die dort zwar aufge-führt sind, deren Indikationen aber eine wesentliche Änderung oder Erweiterung erfahren haben (vgl. Ziffer 5 der NUB-RL). Bei der "Chiva"-Methode handelt es sich um eine neue Behandlungsmethode. Darunter versteht die Rechtsprechung ein medizinisches Vorgehen, dem ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zu Grunde liegt, das es von ande-ren Therapieverfahren unterscheidet und seine systematische Anwendung in der Behand-lung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll (BSGE 88, 51 (60)).
Nach der Konzeption des Gesetzes hat das Gericht somit nicht darüber zu entscheiden, ob eine medizinische Behandlungsmethode anerkennungswürdig und im Einzelfall auch er-folgversprechend ist (wie hier: BSGE 76, 149 ff.). Vielmehr ist allein entscheidend, wel-cher medizinische Standard allgemein anerkannt ist und ob die zu beurteilende Methode diesem medizinischen Standard entspricht. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialge-richts, der sich die erkennende Kammer in ständiger Rechtsprechung anschließt, ist den Gerichten damit eine Zurückhaltung im Hinblick auf medizinisch-wissenschaftliche Aus-einandersetzungen um die "richtige" Heilmethode auferlegt. Dies geht auch aus § 2 Abs. 1 Satz 2 SGB V hervor. Es ist Ausdruck der Neutralität des Staates, Methoden der besonde-ren Therapierichtungen nicht auszuschließen. Der Schwerpunkt der Prüfung wird damit auf den tatsächlichen Verbreitungsgrad verlagert, weil es nicht Sinn eines Gerichtsverfahrens sein kann, die Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft voranzutreiben oder in wis-senschaftlichen Auseinandersetzungen Position zu beziehen (wie hier: BSG, Urteil vom 16.09.1997, Az: 1 RK 28/95). Da eine entsprechende positive Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses in den einschlägigen Richtlinien fehlt, ist ein entsprechender Sachleistungsanspruch der Klägerin nicht begründet. Das Fehlen einer positiven Entscheidung des Gemeinsamen Bundesaus-schusses über den therapeutischen Nutzen sowie die medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit der für die Klägerin beantragten Behandlungsmethode schließt eine Kostenerstattung – bzw. wie hier: eine Kostenübernahme – mithin aus (vgl. auch bspw.: BSG, in: NZS 2003, 206 ff.).
Entgegen dem Vorbringen der Klägerin bestehen unter Zugrundelegung des gegenwärtigen Sachstandes keine gesicherten Erkenntnisse über die Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit der durchgeführten Behandlung und ihrer theoretischen Grundlage. Dies geht auch aus den den Beteiligten vorliegenden medizinischen Stellungnahmen hervor. Dass die "Chiva"-Methode in der Praxis möglicherweise Erfolge zeitigen konnte, begründet noch keinen wissenschaftlich gesicherten Nachweis von Qualität, Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit der eingesetzten Methode. Nicht ausschlaggebend kann damit sein, dass sie nach Angaben der Klägerin schonender und im Unterschied zum "Stripping" ambulant durchführbar sein soll. Sie stellt demzufolge keine vertragsärztliche Leistung dar, die zu Lasten der gesetzli-chen Krankenversicherung erbracht werden darf. Der behandelnde Arzt Dr. R ...hat zu Recht selbst darauf hingewiesen, dass es sich insoweit um eine individuelle und keine Kas-senleistung handelt.
Dass eine Abrechenbarkeit der Leistungen nach den EBM 2860, 6861 und 2862 gegeben sein könnte, bedurfte keiner näheren Erörterung; weder ist von Dr. R ... eine derartige Ab-rechnung erstellt oder beantragt worden, noch verfügt dieser als Facharzt für Radiologische Diagnostik über eine entsprechende chirurgische Qualifikation, die beantragte Leistung unter den vorgenannten EBM abrechnen zu können.
Im Übrigen war darauf hinzuweisen, dass bei ambulanten Krampfaderoperationen nach der "Chiva"-Methode als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode insgesamt eine Ü-berprüfung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss bedarf. Die Möglichkeit, einzelne ärztliche Leistungen nach EBM-Ä abrechnen zu können, genügt insofern nicht (wie hier: LSG Thüringen, Urteil vom 06.06.2005, Az: L 6 KR 132/03). Die "Chiva"-Methode ist damit nicht in allen Fällen nach den EBM-Ä abrechenbar, sondern allenfalls dann, wenn diese so durchgeführt wird, das einzelne Leistungskennziffern erfüllt werden (ebenso: LSG Thüringen, wie vor). Insgesamt ist sie demzufolge nicht nach den EBM-Ä abrechenbar.
Fehl geht auch der Hinweis der Klägerin, wonach die Beklagte in ihrer Internet-Werbung die Kostenübernahme für "minimalinvasive operative Behandlungen" zugesagt habe; denn ein Hinweis auf eine Kostenübernahme für eine Krampfaderbehandlung nach der "Chiva"-Methode fehlt insoweit.
Es ließ sich auch kein Systemmangel feststellen. Ein Systemmangel (vgl. dazu: BSGE 86, 54 (60 f.)) läge nur dann vor, wenn die Entscheidung des Bundesausschusses trotz Erfül-lung der für die Überprüfung einer neuen Behandlungsmethode notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen willkürlich oder aus sachfremden Erwägungen unterblieben oder verzögert worden wäre (vgl. dazu: BSG, NZS 2003, 206 (208)). Hier lag indes – wie aufgezeigt – mangels Antrag noch kein Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses zur "Chiva"-Methode vor. Weder Ausmaß der Verbreitung, noch statistisch nicht näher belegte positive Erfahrungen mit dieser Therapiemethode können Kriterien dafür sein, dass das Anerkennungsverfahren von den antragsberechtigten Stellen oder dem Bundesaus-schuss selbst nicht ordnungsgemäß betrieben worden wäre. Im Übrigen käme es im Gegensatz zum vorliegenden Fall auf eine Verbreitung nur dann an, wenn eine rechtswidrige Untätigkeit zu bejahen oder zu unterstellen wäre (BSGE 81, 54 (66 f.)). Die gesetzlichen Krankenkassen sind jedoch für Heilverfahren, deren generelle Wirksamkeit statistisch nicht nachgewiesen ist, grundsätzlich nicht leistungspflichtig (BSGE 76, 194 (199)).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
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