Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Leipzig (FSS)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 8 KR 258/06 ER
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Übernimmt der Arbeitgeber für die bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer die Zahlung des gegen diese verhängten Bußgeldes, handelt es sich insoweit um beitragspflichtiges Arbeitsentgelt. Dies gilt auch dann, wenn die rechtswidrigen Verstöße im überwiegenden eigenbetrieblichen Interesse des Unternehmens liegen sollten, bspw. Geschwindigkeitsübertretungen zur termingerechten Vertragserfüllung (hier u.a.: Straßenverkehrsverstöße in einem Speditionsunternehmen).
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
I.
Im Hauptsacheverfahren ist eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen streitig.
Der Antragsteller (Ast) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des Gemeinschuldners ... B ...als Inhaber des Unternehmens " ..." Dieses beschäftigte rund 70 Arbeitnehmer. Das Unternehmen war bzw. ist vorrangig im Bereich des Trans-portgewerbes tätig.
Vom 01.09. bis 23.11.2004 nahm die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin (Ag), die Landesversicherungsanstalt Thüringen, eine Betriebsprüfung des Unternehmens für den Zeitraum 01.01.2000 bis 31.12.2003 vor.
Das Ergebnis ergab eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 13.229,32 EUR. Diese beruhte, neben einem vom tatsächlichen abweichenden gemeldeten Beschäftigungsbeginn, einem Bargeschenk und einem Darlehenserlass gegenüber einem Arbeitnehmer, die beitragspflichtiges Arbeitsentgelt seien, vorrangig auf Bußgeldern im Zusammenhang mit straßen- bzw. güterverkehrsrechtlichen Verstößen. Die gegenüber den Arbeitnehmern verhängten Bußgelder hatte der Ast übernommen, und zwar insgesamt in Höhe von 12.831,19 EUR.
Durch Bescheid vom 30.11.2004 verlangte die Ag die Nachzahlung der 13.229,32 EUR. Aus-weislich des Summenblattes zum Beitragsbescheid macht die Antragsgegnerin aus Buß-geldzahlungen im Einzelnen folgende Beiträge geltend: - AOK Thüringen 7.040,76 EUR - IKK Thüringen 478,11 EUR - BKK für Heilberufe 430,88 EUR - mhplus BKK 425,56 EUR - DAK 2.474,29 EUR - KKH 1.579,31 EUR - BEK 402,28 EUR Summe: 12.831,19 EUR
Hiergegen legte der Ast am 20.12.2004 Widerspruch ein. Hinsichtlich übernommener Bußgelder sei ein Verfahren beim Bundesfinanzhof anhängig. Unter Bezugnahme auf ei-nen Beschluss des Thüringer Finanzgerichtes vom 12.09.2002 solle der Bescheid ruhen.
Mit Schreiben vom 08.03.2005 lehnte die Ag die begehrte Aussetzung der Vollziehung ab.
Daraufhin hat der Ast beim Sozialgericht Meiningen am 12.04.2005 die "Aussetzung der Vollziehung" beantragt (gemeint war: die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs).
Durch Beschluss vom 20.07.2005 hat das Sozialgericht Meiningen den Antrag abgelehnt. Die Übernahme von Buß-/Verwarnungsgeldern stelle grundsätzlich Arbeitslohn dar, der beitragspflichtig sei. Anhaltspunkte für eine betriebliche Entscheidung des Arbeitgebers, wonach die durch Bußgeld geahndeten Verstöße im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse gelegen hätten, bestünden nicht.
Hiergegen hat der Ast am 29.08.2005 Beschwerde zum Thüringischen Landessozialgericht eingelegt (Az: L 2 R 671/05 ER). Über die Beschwerde ist noch nicht entschieden.
Durch Beschluss vom 02.01.2006 hat das Amtsgericht Gera über das Unternehmen das Insolvenzverfahren eröffnet und den Ast zum Insolvenzverwalter bestellt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.01.2006 wies die Ag den Widerspruch zurück. Soweit sich der Ast auf ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) berufe, beziehe sich dies aus-schließlich auf Verwarngelder, die auf Grund einer Nichtbeachtung von Halteverboten verhängt worden seien. Die Entscheidung habe - wie herausgestellt - ausdrücklich auf die Besonderheiten des Streitfalls abgestellt. Diese hätten vornehmlich darin gelegen, dass der (damaligen) Deutschen Bundespost straßenverkehrsrechtliche Sonderrechte eingeräumt gewesen seien. Die steuerrechtliche Bewertung, wonach Verwarnungsgelder kein Bestand-teil des Arbeitslohns seien, habe dazu gedient, die Konkurrenzfähigkeit im Bereich der Paketzustellung von Arbeitgebern gegenüber der Deutschen Post zu stärken.
Der Ast hat deswegen am 28.02.2006 vorläufigen Rechtsschutz zum Sozialgericht Alten-burg begehrt. Der betriebsbedingte Charakter der geleisteten Bußgeldzahlungen beruhe auf dem Charakter des Ast als Speditionsunternehmen. Wegen knapper Terminierung drohten bei Terminsüberschreitungen Vertragsstrafen und der Verlust von Kunden. Die Zahlungen erwiesen sich daher als notwendige Begleiterscheinungen betriebsfunktionaler Zielsetzun-gen, zumal die betroffenen Arbeitnehmer hierdurch nicht bereichert seien. Mithin handele es sich um keine Entlohnung, sondern um die Wahrnehmung eines eigenbetriebliches Inte-resses des Unternehmens. Nur soweit dies betrieblich veranlasst gewesen sei, habe der Ast die Geldbußen übernommen, insbesondere bei Tonnage-, Lenkzeit- oder Geschwindig-keitsüberschreitungen für sogenannte "Terminfahrten"; soweit hingegen die Verstöße auf Heimfahrten oder innerhalb geschlossener Ortschaften begangen worden seien, hätten die Arbeitnehmer die Bußgelder selbst zahlen müssen.
Durch Beschluss vom 13.06.2006 hat das Sozialgericht Altenburg den Rechtsstreit an das Sozialgericht Leipzig verwiesen.
Der Antragsteller beantragt in sachdienlicher Fassung,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 30.11.2004 in Ges-talt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2006 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Aktenin-halt, je eine Gerichtsakte zum Hauptsacheverfahren und zum Verfahren auf vorläufigen Rechtsschutz sowie ein Aktenordner der Antragsgegnerin, Bezug genommen.
II.
Der statthafte Antrag ist zulässig, aber nicht begründet.
Da sich dem Vorbringen des Ast entnehmen lässt, dass er sich gegen eine Beitragsnachfor-derung wendet, wäre im Hauptsacheverfahren eine Anfechtungsklage statthaft. Antrags-ziel ist damit die Aufhebung eines belastenden Verwaltungsaktes (Beitragsnachforderung).
Gem. § 86 a Abs. 1 Satz 1 SGG sollen zwar Widerspruch und Anfechtungsklage grund-sätzlich aufschiebende Wirkung haben; diese entfällt gleichwohl nach Maßgabe des Abs. 2 in den meisten Fällen. So auch hier nach der einschlägigen Nr. 1. Danach entfällt die auf-schiebende Wirkung bei der Entscheidung über Versicherung-, Beitrags- und Umlage-pflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Ab-gaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten.
Nach § 86 a Abs. 3 Satz 2 SGG soll in den Fällen des Abs. 2 die Aussetzung der Vollzie-hung dann erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kosten-pflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Voraussetzung für ein Obsiegen des Ast ist, dass sein Interesse an der Anordnung bzw. Aussetzung der aufschiebenden Wirkung dasjenige der Ag am sofortigen Vollzug über-wiegt. Bei dieser Interessenabwägung ist zwar grundsätzlich nicht auf die Erfolgsaussich-ten des Rechtsbehelfes abzustellen; soweit sie allerdings nach der im Rahmen dieses Ver-fahrens nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung absehbar sind, hat das Ge-richt sie bei seiner Entscheidung mit zu berücksichtigen. Erweist sich im Rahmen dieser Prüfung der angefochtene Verwaltungsakt als offensichtlich rechtmäßig, kann ein Interesse des Betroffenen an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung in der Regel nicht aner-kannt werden. Das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug rechtmäßiger Verwaltungs-akte hat insofern regelmäßig Vorrang. Umgekehrt kann kein besonderes öffentliches Inte-resse an der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsaktes bestehen, dessen Rechtmäßig-keit ernstlichen Zweifeln unterliegt (vgl. LSG Berlin, Breithaupt, 1990, 78 (80)). Hierfür reicht es aus, wenn sich die für und gegen die Rechtmäßigkeit sprechenden Gründe zumin-dest die Waage halten (streitig; wie hier: Sächs. LSG, Beschluss vom 08.11.1999, L 3 B 39/99 AL-ER; Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl., Rdnr. 152 ff.). Bloße Bedenken begrün-den noch keine ernsthaften Zweifel.
Nach der - im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen und gebotenen - sum-marischen Betrachtungsweise unterliegt der Bescheid vom 30.11.2004 in Gestalt des Wi-derspruchsbescheides vom 26.01.2006 noch keinen ernstlichen Zweifeln im vorgenannten Sinne, so dass die Klage aller Voraussicht nach erfolglos bleiben wird.
Die Arbeitnehmer, für die die Ag im Nachhinein Beiträge zur Sozialversicherung nachge-fordert hat, waren gegen Arbeitsentgelt Beschäftigte im Betrieb des Ast. Nach § 14 Abs. 1 und 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) sind Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr er-zielt werden. Daher stellen alle Einnahmen, die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhält-nis oder einem früheren Dienstverhältnis zufließen, beitragspflichtiges Arbeitsentgelt dar (BSGE 22, 162 (164)), und zwar unabhängig davon, ob hierauf ein Rechtsanspruch be-steht. Dieses ergibt sich aus den Besonderheiten des Sozialversicherungsrechts, das vor-nehmlich den Schutz des sozial schwächeren Arbeitnehmers bezweckt. Dies führt sogar dazu, dass bei Unterschreitung des tariflich festgesetzten Mindestlohns für die Beitragser-hebung zur Sozialversicherung nicht auf den tatsächlich zugeflossenen Lohn, sondern auf den fiktiv geschuldeten und für allgemein verbindlich erklärten Tarif-Mindestlohn abzu-stellen ist (vgl. dazu auch: SG Leipzig, Urteil vom 29.11.2005, Az: S 8 KR 56/03; zur ver-fassungsrechtlichen Zulässigkeit: Beschluss der 2. Kammer des 1. Senats des Bundesver-fassungsgerichts, Az: 1 BvR 948/00; zur europarechtlichen Zulässigkeit: EuGH, Urteil vom 23.11.1999, Az: C-369/96 m.w.N.).
Es kommt damit weder darauf an, ob der Lohn tatsächlich zugeflossen ist, noch darauf, ob der Arbeitgeber zu Unrecht gezahlten Lohn oder hier übernommene Bußgeldzahlungen zurückfordern oder der betroffene Arbeitnehmer die Übernahme der Bußgelder beanspru-chen kann. Entgegen der Rechtsansicht des Ast spricht damit nicht gegen den Charakter der Bußgeldzahlungen als Arbeitsentgelt, dass die vom Ast aufgewendeten Beträge zur Begleichung der Bußgelder den Arbeitnehmern selbst tatsächlich nicht zugeflossen sind. Denn der Beitragsanspruch entsteht bereits dann, wenn die im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen (§ 22 Abs. 1 SGB IV). Auf die tatsäch-lich bezogenen Einnahmen kommt es deshalb nicht an. Dem entsprechen auch die Vor-schriften über die Fälligkeit. So werden laufende Beiträge, die geschuldet werden, entspre-chend den Regelungen der Satzung der Kranken- und Pflegekasse fällig (§ 23 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Auch die Verjährungsvorschriften stellen auf die Fälligkeit und nicht auf die tatsächliche Zahlung ab (§ 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Umgekehrt können für den Fall der tatsächlichen Zahlung etwaige Zurückbehaltungsrechte und ein Anspruch auf Rückforde-rung den zunächst entstandenen Beitragsanspruch nicht mindern (vgl. dazu: SG Leipzig, a.a.O.). Es reicht somit aus, dass die Arbeitnehmer insoweit durch Übernahme von Buß-geldern aus dem Arbeitsverhältnis "etwas erspart" haben. Entgegen der Rechtsauffassung des Ast sind sie insoweit "bereichert". Das erkennende Gericht tritt der Meinung des Sozialgerichts Meiningen ausdrücklich bei, wonach auch die Übernahme von Buß-/Verwarnungsgeldern grundsätzlich Arbeitslohn darstellt (Beschluss vom 20.07.2005, Az: S 10 R 565/05 ER). Denn die Übernahme von Bußgeldern durch den Ast bzw. dessen Rechtsvorgänger befreite dessen Arbeitnehmer insoweit von einer Zahlung (Verbindlichkeit) gegenüber den entsprechenden staatlichen Stellen. Adressat dieser Bußgeldbescheide ist regelmäßig nicht der Arbeitgeber, sondern – da es sich um straßen- bzw. güterverkehrsrechtliche Verstöße handelt – der jeweilige Fah-rer bzw. Arbeitnehmer des Ast. Der Ast leistet insoweit auf eine "fremde Schuld".
Dem kann aller Voraussicht nach der Ast nicht mit Erfolg die Rechtsprechung des Bundes-finanzhofes ((BFH), Urt. V. 07.07.2004, Az.: VI R 29/00) entgegenhalten. Danach sind solche Vorteile nicht als Arbeitslohn anzusehen, die sich bei "objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung be-triebsfunktionaler Zielsetzungen" erweisen. Vorteile sollen danach keinen Arbeitslohncha-rakter besitzen, wenn sie im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitge-bers gewährt werden, etwa wenn sich aus den Begleitumständen wie Anlass, Art und Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten, freie oder nur gebundene Verfügbarkeit, Freiwil-ligkeit oder Zwang zur Annahme des Vorteils und seiner besonderen Geeignetheit für den jeweils verfolgten betrieblichen Zweck ergibt, diese Zielsetzung ganz im Vordergrund steht und ein damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen, vernachlässigt werden kann (Bezugnahme auf BFHE 195, 373, 375). In "Grenzfällen" soll eine "wertende Gesamtbeurteilung" unter Berücksichtigung aller, den jeweiligen Einzelfall prägenden Umstände vorgenommen werden.
Der Ast kann einen derartigen Grenzfall nicht mit den Besonderheiten des Transportge-werbes begründen, die beispielsweise wegen Termindrucks zu Überschreitungen von Ge-schwindigkeitsbegrenzungen und/oder Lenkzeiten im Güterfernverkehr führen und deshalb betrieblich bedingt und betrieblich gebilligt worden seien. Zum einen hat der Ast entspre-chende Unterscheidungen bei der Übernahme von Bußgeldern danach, ob es sich um Heimfahrten oder sogenannte "Terminfahrten" handelte, nicht glaubhaft zu machen ver-mocht; zum anderen wird bei vorläufiger rechtlicher Würdigung nicht unbeachtet bleiben können, dass ein derartiges Fehlverhalten einzelner Fahrer von der Rechtsordnung missbil-ligt und durch Bußgelder geahndet wird. Das Weisungsrecht des Arbeitgebers dürfte derar-tige (rechtswidrige) Handlungen nicht mit umfassen (abweichend: BFH, a.a.O.: unter steu-errechtlichen Gesichtspunkten kein zu prüfendes Kriterium). Eine beitragsrechtliche Sank-tionierung rechtswidrigen Handelns durch das Sozialversicherungsrecht dürfte somit eben-so wenig angezeigt sein wie die untertarifliche Zahlung von Mindestlohn bei vorliegender Allgemeinverbindlichkeitserklärung (SG Leipzig, a.a.O.).
Nur im Hinblick auf die "Besonderheiten" des der Entscheidung zu Grunde liegenden Streitfalles nahm der Bundesfinanzhof ein überwiegend eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers an. Ähnliche Besonderheiten liegen hier indes nicht vor. Zu Recht weist die Ag darauf hin, dass die Besonderheiten der finanzgerichtlichen Entscheidung darauf beruh-ten, dass wegen bestehender Sonderrechte der Deutschen Post im straßenverkehrsrechtli-chen Bereich gegenüber Mitbewerbern bei der Paketzustellung deren Konkurrenzfähigkeit habe gestärkt werden sollen.
Hierbei war zu berücksichtigen, dass der – für den Einzelfall – besonders hervor gehobene, steuerrechtlich besonders gewürdigte, Aspekt wettbewerbsgleicher Bedingungen vorlie-gend nicht zum Tragen kommen kann. Andernfalls würden im Gegenteil die Unternehmen rechtlich bevorzugt, die ein von der Rechtsordnung missbilligtes Verhalten durch arbeitge-berseitige Übernahme von Bußgeldern ausgleichen. Auch würden die verkehrsrechtlichen Vorschriften ihres Sanktions- und Präventionscharakters weitgehend enthoben, wenn deren Adressaten, die jeweiligen Fahrer und Arbeitnehmer, die Folgen der Verstöße auf Dritte, d.h. deren Arbeitgeber, abwälzen könnten. Dies wäre der Fall, wenn vom Arbeitgeber ü-bernommene Bußgelder als "notwendige Begleiterscheinungen betriebsfunktionaler Ziel-setzungen", also bspw. zu schnelles Fahren oder Lenkzeitüberschreitungen zur fristgesetz-ten Kundenbelieferung, nicht als Arbeitsentgelt und damit nicht als beitragspflichtig ge-wertet würden. Ist aber die behauptete betriebsfunktionale Zielsetzung rechtswidrig, bedarf es insoweit keiner beitragsrechtlichen Besserstellung. Da die Einnahmen, in Form eines Wegfalls der Zahlungspflicht, den Arbeitnehmern hier tatsächlich zugeflossen waren, un-terlagen sie der Beitragspflicht.
Wenngleich nach dem Vorbringen des Ast steuerrechtliche Gründe für einen Haftungsbe-scheid bzw. eine Beanstandung nicht vorliegen sollen, ist der Ag gleichwohl eine Beitrags-nachforderung nicht verwehrt. Zwar ist nach § 17 Abs. 1 Satz 2 SGB IV eine möglichst weitgehende Übereinstimmung mit den Regelung des Steuerrechts sicherzustellen; den-noch ist der Rentenversicherungsträger nicht an steuerrechtliche Feststellungen des Fi-nanzamtes gebunden; denn Steuern und Sozialversicherungen verfolgen unterschiedliche Zwecke. Es ist deshalb nicht notwendigerweise eine Übereinstimmung herzustellen (vgl. bereits BSGE 15, 65 ff.).
Für eine dadurch möglicherweise bewirkte unbillige Härte ist nichts vorgetragen oder sonst ersichtlich. Allein die Tatsache, dass der Ast trotz Insolvenz des Unternehmens den Betrieb (vorläufig?) weiterführt, begründet noch keine unbillige Härte. Denn nicht jede wirtschaft-liche Schlechterstellung vermag einen derartigen Anspruch zu begründen. Eine unbillige Härte ist vielmehr erst dann anzunehmen, wenn dem Betroffenen durch die sofortige Voll-ziehung Nachteile entstehen, die über die eigentliche Zahlung hinaus gehen und nicht oder nur schwer wiedergutzumachen sind (Kopp/Schenke, VwGO-Komm., 12. Aufl., § 80 Rdnr. 116). Der Ast hat indes nichts dazu vorgetragen, dass ihm auch keine abgestufte, gflls. in Form von Ratenzahlungen, vorzunehmende Vollziehung zumutbar ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Ver-waltungsgerichtsordnung (VwGO); danach trägt der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
I.
Im Hauptsacheverfahren ist eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen streitig.
Der Antragsteller (Ast) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des Gemeinschuldners ... B ...als Inhaber des Unternehmens " ..." Dieses beschäftigte rund 70 Arbeitnehmer. Das Unternehmen war bzw. ist vorrangig im Bereich des Trans-portgewerbes tätig.
Vom 01.09. bis 23.11.2004 nahm die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin (Ag), die Landesversicherungsanstalt Thüringen, eine Betriebsprüfung des Unternehmens für den Zeitraum 01.01.2000 bis 31.12.2003 vor.
Das Ergebnis ergab eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 13.229,32 EUR. Diese beruhte, neben einem vom tatsächlichen abweichenden gemeldeten Beschäftigungsbeginn, einem Bargeschenk und einem Darlehenserlass gegenüber einem Arbeitnehmer, die beitragspflichtiges Arbeitsentgelt seien, vorrangig auf Bußgeldern im Zusammenhang mit straßen- bzw. güterverkehrsrechtlichen Verstößen. Die gegenüber den Arbeitnehmern verhängten Bußgelder hatte der Ast übernommen, und zwar insgesamt in Höhe von 12.831,19 EUR.
Durch Bescheid vom 30.11.2004 verlangte die Ag die Nachzahlung der 13.229,32 EUR. Aus-weislich des Summenblattes zum Beitragsbescheid macht die Antragsgegnerin aus Buß-geldzahlungen im Einzelnen folgende Beiträge geltend: - AOK Thüringen 7.040,76 EUR - IKK Thüringen 478,11 EUR - BKK für Heilberufe 430,88 EUR - mhplus BKK 425,56 EUR - DAK 2.474,29 EUR - KKH 1.579,31 EUR - BEK 402,28 EUR Summe: 12.831,19 EUR
Hiergegen legte der Ast am 20.12.2004 Widerspruch ein. Hinsichtlich übernommener Bußgelder sei ein Verfahren beim Bundesfinanzhof anhängig. Unter Bezugnahme auf ei-nen Beschluss des Thüringer Finanzgerichtes vom 12.09.2002 solle der Bescheid ruhen.
Mit Schreiben vom 08.03.2005 lehnte die Ag die begehrte Aussetzung der Vollziehung ab.
Daraufhin hat der Ast beim Sozialgericht Meiningen am 12.04.2005 die "Aussetzung der Vollziehung" beantragt (gemeint war: die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs).
Durch Beschluss vom 20.07.2005 hat das Sozialgericht Meiningen den Antrag abgelehnt. Die Übernahme von Buß-/Verwarnungsgeldern stelle grundsätzlich Arbeitslohn dar, der beitragspflichtig sei. Anhaltspunkte für eine betriebliche Entscheidung des Arbeitgebers, wonach die durch Bußgeld geahndeten Verstöße im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse gelegen hätten, bestünden nicht.
Hiergegen hat der Ast am 29.08.2005 Beschwerde zum Thüringischen Landessozialgericht eingelegt (Az: L 2 R 671/05 ER). Über die Beschwerde ist noch nicht entschieden.
Durch Beschluss vom 02.01.2006 hat das Amtsgericht Gera über das Unternehmen das Insolvenzverfahren eröffnet und den Ast zum Insolvenzverwalter bestellt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.01.2006 wies die Ag den Widerspruch zurück. Soweit sich der Ast auf ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) berufe, beziehe sich dies aus-schließlich auf Verwarngelder, die auf Grund einer Nichtbeachtung von Halteverboten verhängt worden seien. Die Entscheidung habe - wie herausgestellt - ausdrücklich auf die Besonderheiten des Streitfalls abgestellt. Diese hätten vornehmlich darin gelegen, dass der (damaligen) Deutschen Bundespost straßenverkehrsrechtliche Sonderrechte eingeräumt gewesen seien. Die steuerrechtliche Bewertung, wonach Verwarnungsgelder kein Bestand-teil des Arbeitslohns seien, habe dazu gedient, die Konkurrenzfähigkeit im Bereich der Paketzustellung von Arbeitgebern gegenüber der Deutschen Post zu stärken.
Der Ast hat deswegen am 28.02.2006 vorläufigen Rechtsschutz zum Sozialgericht Alten-burg begehrt. Der betriebsbedingte Charakter der geleisteten Bußgeldzahlungen beruhe auf dem Charakter des Ast als Speditionsunternehmen. Wegen knapper Terminierung drohten bei Terminsüberschreitungen Vertragsstrafen und der Verlust von Kunden. Die Zahlungen erwiesen sich daher als notwendige Begleiterscheinungen betriebsfunktionaler Zielsetzun-gen, zumal die betroffenen Arbeitnehmer hierdurch nicht bereichert seien. Mithin handele es sich um keine Entlohnung, sondern um die Wahrnehmung eines eigenbetriebliches Inte-resses des Unternehmens. Nur soweit dies betrieblich veranlasst gewesen sei, habe der Ast die Geldbußen übernommen, insbesondere bei Tonnage-, Lenkzeit- oder Geschwindig-keitsüberschreitungen für sogenannte "Terminfahrten"; soweit hingegen die Verstöße auf Heimfahrten oder innerhalb geschlossener Ortschaften begangen worden seien, hätten die Arbeitnehmer die Bußgelder selbst zahlen müssen.
Durch Beschluss vom 13.06.2006 hat das Sozialgericht Altenburg den Rechtsstreit an das Sozialgericht Leipzig verwiesen.
Der Antragsteller beantragt in sachdienlicher Fassung,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 30.11.2004 in Ges-talt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2006 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Aktenin-halt, je eine Gerichtsakte zum Hauptsacheverfahren und zum Verfahren auf vorläufigen Rechtsschutz sowie ein Aktenordner der Antragsgegnerin, Bezug genommen.
II.
Der statthafte Antrag ist zulässig, aber nicht begründet.
Da sich dem Vorbringen des Ast entnehmen lässt, dass er sich gegen eine Beitragsnachfor-derung wendet, wäre im Hauptsacheverfahren eine Anfechtungsklage statthaft. Antrags-ziel ist damit die Aufhebung eines belastenden Verwaltungsaktes (Beitragsnachforderung).
Gem. § 86 a Abs. 1 Satz 1 SGG sollen zwar Widerspruch und Anfechtungsklage grund-sätzlich aufschiebende Wirkung haben; diese entfällt gleichwohl nach Maßgabe des Abs. 2 in den meisten Fällen. So auch hier nach der einschlägigen Nr. 1. Danach entfällt die auf-schiebende Wirkung bei der Entscheidung über Versicherung-, Beitrags- und Umlage-pflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Ab-gaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten.
Nach § 86 a Abs. 3 Satz 2 SGG soll in den Fällen des Abs. 2 die Aussetzung der Vollzie-hung dann erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kosten-pflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Voraussetzung für ein Obsiegen des Ast ist, dass sein Interesse an der Anordnung bzw. Aussetzung der aufschiebenden Wirkung dasjenige der Ag am sofortigen Vollzug über-wiegt. Bei dieser Interessenabwägung ist zwar grundsätzlich nicht auf die Erfolgsaussich-ten des Rechtsbehelfes abzustellen; soweit sie allerdings nach der im Rahmen dieses Ver-fahrens nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung absehbar sind, hat das Ge-richt sie bei seiner Entscheidung mit zu berücksichtigen. Erweist sich im Rahmen dieser Prüfung der angefochtene Verwaltungsakt als offensichtlich rechtmäßig, kann ein Interesse des Betroffenen an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung in der Regel nicht aner-kannt werden. Das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug rechtmäßiger Verwaltungs-akte hat insofern regelmäßig Vorrang. Umgekehrt kann kein besonderes öffentliches Inte-resse an der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsaktes bestehen, dessen Rechtmäßig-keit ernstlichen Zweifeln unterliegt (vgl. LSG Berlin, Breithaupt, 1990, 78 (80)). Hierfür reicht es aus, wenn sich die für und gegen die Rechtmäßigkeit sprechenden Gründe zumin-dest die Waage halten (streitig; wie hier: Sächs. LSG, Beschluss vom 08.11.1999, L 3 B 39/99 AL-ER; Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl., Rdnr. 152 ff.). Bloße Bedenken begrün-den noch keine ernsthaften Zweifel.
Nach der - im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen und gebotenen - sum-marischen Betrachtungsweise unterliegt der Bescheid vom 30.11.2004 in Gestalt des Wi-derspruchsbescheides vom 26.01.2006 noch keinen ernstlichen Zweifeln im vorgenannten Sinne, so dass die Klage aller Voraussicht nach erfolglos bleiben wird.
Die Arbeitnehmer, für die die Ag im Nachhinein Beiträge zur Sozialversicherung nachge-fordert hat, waren gegen Arbeitsentgelt Beschäftigte im Betrieb des Ast. Nach § 14 Abs. 1 und 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) sind Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr er-zielt werden. Daher stellen alle Einnahmen, die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhält-nis oder einem früheren Dienstverhältnis zufließen, beitragspflichtiges Arbeitsentgelt dar (BSGE 22, 162 (164)), und zwar unabhängig davon, ob hierauf ein Rechtsanspruch be-steht. Dieses ergibt sich aus den Besonderheiten des Sozialversicherungsrechts, das vor-nehmlich den Schutz des sozial schwächeren Arbeitnehmers bezweckt. Dies führt sogar dazu, dass bei Unterschreitung des tariflich festgesetzten Mindestlohns für die Beitragser-hebung zur Sozialversicherung nicht auf den tatsächlich zugeflossenen Lohn, sondern auf den fiktiv geschuldeten und für allgemein verbindlich erklärten Tarif-Mindestlohn abzu-stellen ist (vgl. dazu auch: SG Leipzig, Urteil vom 29.11.2005, Az: S 8 KR 56/03; zur ver-fassungsrechtlichen Zulässigkeit: Beschluss der 2. Kammer des 1. Senats des Bundesver-fassungsgerichts, Az: 1 BvR 948/00; zur europarechtlichen Zulässigkeit: EuGH, Urteil vom 23.11.1999, Az: C-369/96 m.w.N.).
Es kommt damit weder darauf an, ob der Lohn tatsächlich zugeflossen ist, noch darauf, ob der Arbeitgeber zu Unrecht gezahlten Lohn oder hier übernommene Bußgeldzahlungen zurückfordern oder der betroffene Arbeitnehmer die Übernahme der Bußgelder beanspru-chen kann. Entgegen der Rechtsansicht des Ast spricht damit nicht gegen den Charakter der Bußgeldzahlungen als Arbeitsentgelt, dass die vom Ast aufgewendeten Beträge zur Begleichung der Bußgelder den Arbeitnehmern selbst tatsächlich nicht zugeflossen sind. Denn der Beitragsanspruch entsteht bereits dann, wenn die im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen (§ 22 Abs. 1 SGB IV). Auf die tatsäch-lich bezogenen Einnahmen kommt es deshalb nicht an. Dem entsprechen auch die Vor-schriften über die Fälligkeit. So werden laufende Beiträge, die geschuldet werden, entspre-chend den Regelungen der Satzung der Kranken- und Pflegekasse fällig (§ 23 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Auch die Verjährungsvorschriften stellen auf die Fälligkeit und nicht auf die tatsächliche Zahlung ab (§ 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Umgekehrt können für den Fall der tatsächlichen Zahlung etwaige Zurückbehaltungsrechte und ein Anspruch auf Rückforde-rung den zunächst entstandenen Beitragsanspruch nicht mindern (vgl. dazu: SG Leipzig, a.a.O.). Es reicht somit aus, dass die Arbeitnehmer insoweit durch Übernahme von Buß-geldern aus dem Arbeitsverhältnis "etwas erspart" haben. Entgegen der Rechtsauffassung des Ast sind sie insoweit "bereichert". Das erkennende Gericht tritt der Meinung des Sozialgerichts Meiningen ausdrücklich bei, wonach auch die Übernahme von Buß-/Verwarnungsgeldern grundsätzlich Arbeitslohn darstellt (Beschluss vom 20.07.2005, Az: S 10 R 565/05 ER). Denn die Übernahme von Bußgeldern durch den Ast bzw. dessen Rechtsvorgänger befreite dessen Arbeitnehmer insoweit von einer Zahlung (Verbindlichkeit) gegenüber den entsprechenden staatlichen Stellen. Adressat dieser Bußgeldbescheide ist regelmäßig nicht der Arbeitgeber, sondern – da es sich um straßen- bzw. güterverkehrsrechtliche Verstöße handelt – der jeweilige Fah-rer bzw. Arbeitnehmer des Ast. Der Ast leistet insoweit auf eine "fremde Schuld".
Dem kann aller Voraussicht nach der Ast nicht mit Erfolg die Rechtsprechung des Bundes-finanzhofes ((BFH), Urt. V. 07.07.2004, Az.: VI R 29/00) entgegenhalten. Danach sind solche Vorteile nicht als Arbeitslohn anzusehen, die sich bei "objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung be-triebsfunktionaler Zielsetzungen" erweisen. Vorteile sollen danach keinen Arbeitslohncha-rakter besitzen, wenn sie im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitge-bers gewährt werden, etwa wenn sich aus den Begleitumständen wie Anlass, Art und Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten, freie oder nur gebundene Verfügbarkeit, Freiwil-ligkeit oder Zwang zur Annahme des Vorteils und seiner besonderen Geeignetheit für den jeweils verfolgten betrieblichen Zweck ergibt, diese Zielsetzung ganz im Vordergrund steht und ein damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen, vernachlässigt werden kann (Bezugnahme auf BFHE 195, 373, 375). In "Grenzfällen" soll eine "wertende Gesamtbeurteilung" unter Berücksichtigung aller, den jeweiligen Einzelfall prägenden Umstände vorgenommen werden.
Der Ast kann einen derartigen Grenzfall nicht mit den Besonderheiten des Transportge-werbes begründen, die beispielsweise wegen Termindrucks zu Überschreitungen von Ge-schwindigkeitsbegrenzungen und/oder Lenkzeiten im Güterfernverkehr führen und deshalb betrieblich bedingt und betrieblich gebilligt worden seien. Zum einen hat der Ast entspre-chende Unterscheidungen bei der Übernahme von Bußgeldern danach, ob es sich um Heimfahrten oder sogenannte "Terminfahrten" handelte, nicht glaubhaft zu machen ver-mocht; zum anderen wird bei vorläufiger rechtlicher Würdigung nicht unbeachtet bleiben können, dass ein derartiges Fehlverhalten einzelner Fahrer von der Rechtsordnung missbil-ligt und durch Bußgelder geahndet wird. Das Weisungsrecht des Arbeitgebers dürfte derar-tige (rechtswidrige) Handlungen nicht mit umfassen (abweichend: BFH, a.a.O.: unter steu-errechtlichen Gesichtspunkten kein zu prüfendes Kriterium). Eine beitragsrechtliche Sank-tionierung rechtswidrigen Handelns durch das Sozialversicherungsrecht dürfte somit eben-so wenig angezeigt sein wie die untertarifliche Zahlung von Mindestlohn bei vorliegender Allgemeinverbindlichkeitserklärung (SG Leipzig, a.a.O.).
Nur im Hinblick auf die "Besonderheiten" des der Entscheidung zu Grunde liegenden Streitfalles nahm der Bundesfinanzhof ein überwiegend eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers an. Ähnliche Besonderheiten liegen hier indes nicht vor. Zu Recht weist die Ag darauf hin, dass die Besonderheiten der finanzgerichtlichen Entscheidung darauf beruh-ten, dass wegen bestehender Sonderrechte der Deutschen Post im straßenverkehrsrechtli-chen Bereich gegenüber Mitbewerbern bei der Paketzustellung deren Konkurrenzfähigkeit habe gestärkt werden sollen.
Hierbei war zu berücksichtigen, dass der – für den Einzelfall – besonders hervor gehobene, steuerrechtlich besonders gewürdigte, Aspekt wettbewerbsgleicher Bedingungen vorlie-gend nicht zum Tragen kommen kann. Andernfalls würden im Gegenteil die Unternehmen rechtlich bevorzugt, die ein von der Rechtsordnung missbilligtes Verhalten durch arbeitge-berseitige Übernahme von Bußgeldern ausgleichen. Auch würden die verkehrsrechtlichen Vorschriften ihres Sanktions- und Präventionscharakters weitgehend enthoben, wenn deren Adressaten, die jeweiligen Fahrer und Arbeitnehmer, die Folgen der Verstöße auf Dritte, d.h. deren Arbeitgeber, abwälzen könnten. Dies wäre der Fall, wenn vom Arbeitgeber ü-bernommene Bußgelder als "notwendige Begleiterscheinungen betriebsfunktionaler Ziel-setzungen", also bspw. zu schnelles Fahren oder Lenkzeitüberschreitungen zur fristgesetz-ten Kundenbelieferung, nicht als Arbeitsentgelt und damit nicht als beitragspflichtig ge-wertet würden. Ist aber die behauptete betriebsfunktionale Zielsetzung rechtswidrig, bedarf es insoweit keiner beitragsrechtlichen Besserstellung. Da die Einnahmen, in Form eines Wegfalls der Zahlungspflicht, den Arbeitnehmern hier tatsächlich zugeflossen waren, un-terlagen sie der Beitragspflicht.
Wenngleich nach dem Vorbringen des Ast steuerrechtliche Gründe für einen Haftungsbe-scheid bzw. eine Beanstandung nicht vorliegen sollen, ist der Ag gleichwohl eine Beitrags-nachforderung nicht verwehrt. Zwar ist nach § 17 Abs. 1 Satz 2 SGB IV eine möglichst weitgehende Übereinstimmung mit den Regelung des Steuerrechts sicherzustellen; den-noch ist der Rentenversicherungsträger nicht an steuerrechtliche Feststellungen des Fi-nanzamtes gebunden; denn Steuern und Sozialversicherungen verfolgen unterschiedliche Zwecke. Es ist deshalb nicht notwendigerweise eine Übereinstimmung herzustellen (vgl. bereits BSGE 15, 65 ff.).
Für eine dadurch möglicherweise bewirkte unbillige Härte ist nichts vorgetragen oder sonst ersichtlich. Allein die Tatsache, dass der Ast trotz Insolvenz des Unternehmens den Betrieb (vorläufig?) weiterführt, begründet noch keine unbillige Härte. Denn nicht jede wirtschaft-liche Schlechterstellung vermag einen derartigen Anspruch zu begründen. Eine unbillige Härte ist vielmehr erst dann anzunehmen, wenn dem Betroffenen durch die sofortige Voll-ziehung Nachteile entstehen, die über die eigentliche Zahlung hinaus gehen und nicht oder nur schwer wiedergutzumachen sind (Kopp/Schenke, VwGO-Komm., 12. Aufl., § 80 Rdnr. 116). Der Ast hat indes nichts dazu vorgetragen, dass ihm auch keine abgestufte, gflls. in Form von Ratenzahlungen, vorzunehmende Vollziehung zumutbar ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Ver-waltungsgerichtsordnung (VwGO); danach trägt der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens.
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