S 1 KR 11/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Landshut (FSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 1 KR 11/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
versicherungspflichtige Beschäftigung
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Kläger zu 1) und 2) im fleischverarbeitenden Betrieb ihres Vaters F. S. versicherungspflichtig beschäftigt sind.

S. S., geb. 1968, stellte mit Schreiben vom 21.11.2005, eingegangen bei der Beklagten am 14.03.2006, "Antrag auf sozialversicherungsrechtliche Beurteilung" für die Zeit ab 01.07.1992. Hierbei gab er an, er sei seit dem 01.08.1988 bis heute als mitarbeitender Sohn im Familienbetrieb der Metzgerei, Groß- und Einzelhandel, F. S. in M.-P. tätig. Als Metzgermeister sei er seit Mitte 1992 auf Grund seiner Fachkompetenz für große Teile der Fleischverarbeitung und –bearbeitung sowie Veredelung verantwortlich. Er sei nicht an Ort, Zeit und Art seiner weisungsfreien Tätigkeit gebunden. Entscheidungen würden gleichberechtigt und gemeinsam im Zusammenwirken mit seinem Vater F. und seinem Bruder F. getroffen. Von dem zustehenden 6-wöchigen Urlaub habe er im Laufe der letzten ca. 15 Jahre nur maximal 2 bis 3 Wochen pro Jahr genommen. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag existiere nicht, weil innerhalb der Familie bestes Einvernehmen und volles Vertrauen bestehe.

Im beigefügten "Feststellungsbogen" zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen (Ehegatten, Lebenspartner) wurde das monatliche Arbeitsentgelt mit 2.025 Euro brutto beziffert; außerdem habe er dem Betrieb ein Darlehen in Höhe von 8.500 Euro zur Verfügung gestellt.

Mit Bescheid vom 15.03.2006 (Widerspruchsbescheid vom 14.12.2006) stellte die Beklagte das Vorliegen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses fest: Es liege weder eine Mitunternehmerschaft vor noch werde ein Unternehmerrisiko getragen. Hieran ändere auch die Darlehensgewährung in Höhe von 8.500 Euro nichts. Auch das Fehlen eines Arbeitsvertrages oder der Verzicht von Urlaubsansprüchen begründe keine Selbstständigkeit im Rechtssinne. Eine familienhafte Mithilfe scheide im Hinblick auf das ortsübliche Gehalt aus. Der vom Arbeitgeber im Jahre 1999 im Zusammenhang mit der Meldung durchgeführten versicherungsrechtlichen Beurteilung werde ein höheres Gewicht beigemessen als der nunmehr vorgetragenen Schilderung von abweichenden Verhältnissen.

F. S., geb. 1980, stellte mit Schreiben vom 29.11.2005 für den Zeitraum ab 01.01.2004 "Antrag auf sozialversicherungsrechtliche Beurteilung". Zur Begründung gab er an, als Metzger sei er seit Januar 2004 auf Grund seiner Ausbildung und Fachkompetenz für größere Teile der Fleischverarbeitung und –bearbeitung sowie Veredelung verantwortlich, insbesondere aber auch für die Zusammensetzung und Überwachung der Würzmischungen. Er sei nicht an Ort, Zeit und Art seiner weisungsfreien Tätigkeit gebunden. Es sei geplant, dass er in 3 bis 5 Jahren den Betrieb seines Vaters übernehme, eventuell zusammen mit seinem Bruder. Ferner habe er an den Betrieb seines Vaters Darlehen in Höhe von 20.000 Euro gegeben. Mit Bescheid vom 18.01.2006 (Widerspruchsbescheid vom 12.07.2006) bestätigte die Beklagte das Vorliegen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses. Auf die Begründung der Entscheidung in Sachen S. S. wird insoweit Bezug genommen.

Sowohl S. S. als auch F. S. erhoben gegen die Widerspruchsentscheidung jeweils Klage zum Sozialgericht Landshut. Die Klagen wurden von der Kammer zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Zur Klagebegründung wurde u.a. darauf hingewiesen, dass die Unterscheidung zwischen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und sozialversicherungsfrei Tätigen, die beide nach arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten gleichwohl Arbeitnehmer seien, Kenntnisse des Sozialversicherungsrechts voraussetze, die bei den beteiligten Arbeitgebern regelmäßig nicht vorhanden seien. Die Anmeldung zur Sozialversicherung und die Beitragsentrichtung stelle somit kein Indiz für das tatsächliche Vorliegen einer versicherungspflichtigen Beschäftigung dar. Gleiches gelte für die Entrichtung von Lohnsteuer und die Verbuchung des Entgelts als Betriebsausgabe.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung stellte der Prozessbevollmächtigte des Klägers zu 1) (S. S.) den Antrag, den Bescheid der Beklagten vom 15.03.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.12.2006 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit im Betrieb F. S., Metzgerei, in der Zeit vom 01.01.1999 bis 31.05.1999 sowie seit dem 15.10.1999 keine abhängige Beschäftigung im Sinne des § 7 SGB IV ausgeübt hat und damit nicht der gesetzlichen Sozialversicherung angehört.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers zu 2) (F. S.) stellte den Antrag, den Bescheid vom 18.01.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2006 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit bei F. S., Metzgerei, M.-P., seit dem 01.01.2004 keine abhängige Beschäftigung im Sinne des § 7 SGB IV ausgeübt hat und damit nicht der gesetzlichen Sozialversicherung angehört.

Der Beklagtenvertreter stellte den Antrag, die Klagen abzuweisen.

Der Vertreter der Beigeladenen zu 3) (DAK –Pflegekasse-) beantragte ebenfalls, die Klagen abzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Beklagtenakten, auf die zwischen den Beteiligten im Klageverfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat zutreffend festgestellt, dass die Kläger zu 1) und 2) im Unternehmen des Beigeladenen zu 4) versicherungspflichtig beschäftigt sind. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 18.01.2006 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2006) sowie vom 15.03.2006 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.12.2006) sind rechtlich nicht zu beanstanden.

Beschäftigung ist nach der Legaldefinition des § 7 Abs.1 SGB IV die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Betroffene in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Art und Ort der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Vornehmlich bei Diensten höherer Art kann das Weisungsrecht des Arbeitgebers auch eingeschränkt und zur "dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Es darf aber nicht vollständig entfallen. Zu den typischen Merkmalen abhängiger Beschäftigung gehört überdies in der Regel die Verpflichtung, seine Arbeitsleistung persönlich zu erbringen. Kennzeichnend für eine selbstständige Tätigkeit ist demgegenüber das eigene Unternehmerrisiko, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die Möglichkeit, frei über Arbeitsort und Arbeitszeit zu verfügen. Selbstständig Erwerbstätige unterscheiden sich von den Beschäftigten insbesondere dadurch, dass sie ein unternehmerisches Risiko tragen, indem sie eigenes Kapital mit der Gefahr des Verlustes einsetzen und der Erfolg des Einsatzes ihrer Kapitalien oder sonstiger sächlicher oder persönlicher Mittel ungewiss ist und dadurch, dass sie in der Regel über eigene Betriebsstätten verfügen, wo sie über den Einsatz der eigenen Arbeitskraft und sonstiger Produktionsmittel frei entscheiden, also ihre Tätigkeit nach ihren Bedürfnissen gestalten können. In Zweifelsfällen kommt es darauf an, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, so sind letztere maßgebend (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 14.12.1999, B 2 U 38/98 R, m.w.N.; ständige Rechtsprechung). Der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses steht dabei grundsätzlich nicht entgegen, dass die Abhängigkeit unter engen Familienangehörigen im Allgemeinen weniger stark ausgeprägt ist und deshalb das Weisungsrecht möglicherweise nur mit gewissen Einschränkungen ausgeübt wird (BSG, Urteil vom 23.06.1994, B 12 RK 50/93, m.w.N.).

In Anwendung der von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entwickelten Kriterien hat die Kammer keine Zweifel, dass die Kläger zu 1) und 2) versicherungspflichtig beschäftigt sind. Für die Tätigkeit des Klägers zu 2) (F. S.) steht dies schon auf Grund seines Alters, seiner beruflichen Qualifikation und der im Feststellungsbogen niedergelegten Beschreibung der ausgeübten Tätigkeit außer Zweifel. Die bloße Behauptung, es sei geplant, dass er in einigen Jahren, eventuell zusammen mit seinem Bruder, den Betrieb seines Vaters übernehme, mache ihn ebenso wenig rechtlich zum Mitunternehmer wie der Umstand, dass er 10.000 Euro (laut Angabe in der mündlichen Verhandlung) bzw. 20.000 Euro (Schreiben vom 29.11.2005) dem Betrieb darlehensweise zur Verfügung gestellt hat. Aber auch der Kläger zu 1), S. S., der bereits 1992 die Meisterprüfung im Metzger-/Fleischerhandwerk abgelegt hat, ist nicht Mitinhaber oder Mitunternehmer, sondern leitender Angestellter im Betrieb seines Vaters. Er ist, ebenso wie sein Bruder, in die vorgegebene Ordnung des Betriebes eingegliedert; Arbeitszeit und Urlaub richten sich nach den betrieblichen Erfordernissen. Dass seine Arbeitszeit "ausgedehnter" ist als die der übrigen Mitarbeiter, macht den Kläger zu 1) nicht zum Mitunternehmer. Auch von familienfremden Meistern wird erwartet, dass sie länger im Betrieb anwesend sind als die Lehrlinge, Gesellen oder "normalen" Produktionsmitarbeiter. Dies ergibt sich schon aus der Verantwortung für einen effektiven und ökonomischen Personal- und Materialeinsatz. Das Gehalt von 2.025 Euro brutto monatlich entspricht zwar sicher nicht dem, was ein familienfremder Meister bei gleichem Aufgabenzuschnitt verdienen würde. Andererseits ist bei der Gehaltshöhe zu berücksichtigen, dass der Kläger zu 1) von seinem Vater freie "Kost und Logis" erhält und das Gehalt über bloße Unterhaltsleistungen und Taschengeld deutlich hinausgeht. Ein leistungsentsprechendes Entgelt bei Beschäftigungsverhältnissen innerhalb der Familie kann auch bei Zahlung der Hälfte des sonst üblichen Tariflohnes gegeben sein (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26.02.2004, L 1 AL 57/07). Dass der Kläger zu 1) - ebenso wie der Kläger zu 2) - nicht im gleichen Maße wie fremde Arbeitnehmer lediglich auf Weisung arbeitet, sondern tatsächlich, wie angegeben, bei wichtigen Entscheidungen in irgendeiner Form eingebunden ist, kann unterstellt werden. In Familienbetrieben haben die mitarbeitenden Söhne des Betriebsinhabers naturgemäß eine besondere Stellung. Ihre konkrete Tätigkeit ergibt sich aus dem übernommenen Aufgabenbereich und den betrieblichen Erfordernissen; detaillierte Einzelanweisungen des Betriebsinhabers sind dazu nicht notwendig. Entscheidend ist in diesen Fällen, ob der Familienangehörige in die Ordnung des Betriebes eingegliedert ist (was sich insbesondere an der Einhaltung der betrieblichen Arbeitszeiten festmachen lässt) oder ob er von den zeitlichen und örtlichen Zwängen des "normalen" Arbeitnehmers befreit ist. Dies war bei den Klägern offensichtlich nicht der Fall.

Gegen das gefundene Ergebnis spricht auch nicht der Umstand, dass der Kläger zu 1) finanziell im Betrieb engagiert ist, nach Angabe im Feststellungsbogen vom 22.11.2005 mit einem Darlehen in Höhe von 8.500 Euro, ferner sei eine Lebensversicherung in Höhe von 70.000 Euro "direkt in den Betrieb geflossen" (Angabe in der mündlichen Verhandlung). Auch ein Darlehen in dieser Größenordnung ist bei Beschäftigten in Familienbetrieben nicht unüblich und widerspricht nicht der sozialversicherungsrechtlichen Einordnung als Arbeitnehmer.

Leitende Mitarbeiter, noch dazu, wenn sie Familienangehörige sind, haben oftmals wesentlichen Anteil an der wirtschaftlichen Entwicklung und Ausrichtung eines Unternehmens. Es liegt an den Beteiligten, ob sie hieraus arbeitsvertragliche, eigentumsrechtliche oder gesellschaftsrechtliche Konsequenzen ziehen. Im vorliegenden Fall ist dies nicht geschehen. Der Kläger zu 1) ist ebenso wie der Kläger zu 2) Angestellter in dem seinem Vater gehörenden Betrieb.

Nach alledem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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