S 13 U 243/16

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Landshut (FSB)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 13 U 243/16
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Arbeitsunfalls.

Der Kläger erlitt am 08. April 2016 einen Unfall. Er kam von der Spätschicht nach Hause und parkte seinen Pkw im Carport. Von dort ging er nicht auf dem gepflasterten Weg zur Haustür, sondern betrat stattdessen den Rasen, um seine Katze zu rufen. Der Kläger lief ca. 1 Meter neben dem Weg in Richtung seiner Haustür als er auf dem nassen Rasen ausrutschte und auf die rechte Schulter fiel.

Der Kläger stellte sich am 09. April 2016 im Klinikum P. vor. Dort gab er zum Unfallhergang an, dass er am Vortag am Abend beim Suchen nach der Katze im Gras des eigenen Gartens ausgerutscht und auf den ausgestreckten Arm gefallen sei. Röntgenologisch konnte eine Fraktur ausgeschlossen werden.

Am 11. April 2016 stellte sich der Kläger dem Durchgangsarzt vor und gab an, dass es sich um einen Arbeitswegeunfall gehandelt habe, da er sich auf dem Heimweg von der Arbeit befunden habe, als er den Rasen betreten und nach seiner Katze gerufen habe. Ein MRT vom 11. April 2016 ergab eine Ruptur der Rotatorenmanschette.

Mit Bescheid vom 25. April 2016 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 08. April 2016 als Wegeunfall ab. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass der Kläger den Arbeitsweg im Unfallzeitpunkt unterbrochen hatte, weil er zu diesem Zeitpunkt seine Katze gesucht und hierfür die Rasenfläche betreten habe. Der Kläger habe sich zum Unfallzeitpunkt somit auf einem Abweg befunden. Dies seien alle Wege, die über das Ziel des versicherten Weges hinaus oder von diesem in entgegengesetzter Richtung führen und aus privaten Gründen gewählt werden. Hierbei handele sich um grundsätzlich unversicherte Wegestrecken, unabhängig von deren Länge.

Mit Schreiben vom 18. Mai 2016 legte der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid ein.

Mit Widerspruchsbescheid vom 31. August 2016 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend aus, bei dem Betreten des Rasens habe es sich nicht um eine lediglich geringfügige, unbeachtliche Unterbrechung gehandelt. Nach der Rechtsprechung des BSG sei eine Unterbrechung als geringfügig zu bezeichnen, wenn sie auf einer Verrichtung beruht, die bei natürlicher Betrachtungsweise zeitlich und räumlich noch als Teil des Weges nach oder von dem Ort der Tätigkeit in seiner Gesamtheit anzusehen ist. Dies sei dann der Fall, wenn sie nicht zu einer erheblichen Zäsur in der Fortbewegung in Richtung des ursprünglich aufgenommenen Ziels führe, weil sie ohne nennenswerte Verzögerung "im Vorbeigehen" oder "ganz nebenher" erledigt werden könne. Eine Richtungsänderung mit einem Pkw weg vom versicherten Weg bedeute vor diesem Hintergrund eine Zäsur.

Mit seiner am 16. September 2016 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Zur Begründung führt er aus, es habe sich buchstäblich um eine Tätigkeit im Vorbeigehen gehandelt.

Der Kläger beantragt,

1. den Bescheid der Beklagten vom 25. April 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. August 2016 aufzuheben.
2. Festzustellen, dass er am 08. April 2016 einen Arbeitsunfall erlitten hat.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist sie im Wesentlichen auf ihre Ausführungen im vorangegan-genen Widerspruchsverfahren.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgelegen und sind Gegenstand der Erörterung geworden. Wegen der Einzelheiten wird auf sie ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und § 55 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) kann ein Versicherter, dem gegenüber ein Träger der gesetzlichen Unfallversicherung durch Verwaltungsakt die Anerkennung eines Arbeitsunfalls abgelehnt hat, im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage klären lassen, ob die Voraussetzungen des streitgegenständlichen Arbeitsunfalls vorliegen (vgl. BSG v. 02.12.2008 - B 2 U 15/07 R - zitiert nach juris).

Die Klage ist jedoch unbegründet.

Der Kläger hat am 08. April 2016 keinen Arbeitsunfall erlitten.

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Zu den versicherten Tätigkeiten zählt gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Wegs nach und von dem Ort der Tätigkeit. Unfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb "Versicherter" ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität; vgl. BSG vom 15.05.2012 - B 2 U 16/11 R).

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) mit Urteil vom 09. Dezember 2003 (B 2 U 23/03 - zitiert nach juris) kommt es für die Frage, ob der unmittelbare Weg zwischen der Arbeit und der Wohnung des Versicherten dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung unterfällt, wesentlich auf die Handlungstendenz des Versicherten im Zeitpunkt des Unfalls an.

Nach dieser Rechtsprechung besteht Versicherungsschutz, so lange die Fortbewegung nach ihrer Handlungstendenz der Zurücklegung des Weges von oder zum Ort der Tätigkeit zu dienen bestimmt ist.

Wird der Weg zu oder von der Arbeit demgegenüber durch eine private Besorgung mehr als nur geringfügig unterbrochen, besteht während der Unterbrechung kein Versicherungsschutz. Dieser setzt erst wieder ein, wenn die eigenwirtschaftliche Tätigkeit beendet ist und die Handlungstendenz auch nach außen erkennbar wieder darauf gerichtet ist, den ursprünglichen versicherten Weg wieder aufzunehmen (vgl. BSG, Urt. v. 04.07.2013 - B 2 U 3/13 R - zitiert nach juris).

Die Unterbrechung des Versicherungsschutzes setzt nach der Rechtsprechung in dem Moment ein, wo der Versicherte seine eigenwirtschaftliche Handlungstendenz nach außen dokumentiert (vgl. BSG Urt. v. 04.07.2013 - B 2 U 3/13 R - zitiert nach juris).

Ausgehend von diesen Grundsätzen kommt die Anerkennung eines Arbeitsunfalls nicht in Betracht.

Der Weg über den Rasen stellt einen Umweg im Verhältnis zu dem direkten Heimweg über den gepflasterten Weg zur Haustür dar. Zwar steht nach der Rechtsprechung des BSG vom 09. Dezember 2003 (B 2 U 23/03 - zitiert nach juris) nicht nur der kürzeste, sondern auch der "unmittelbare" Weg zum oder vom Ort der Tätigkeit unter Unfallversicherungsschutz. Der Versicherte besitzt damit ein gewisses Maß an Bewegungsfreiheit welchen Weg er nutzt. Versicherungsschutz besteht jedoch nur dann, wenn der Versicherte sich einen bestimmten Weg wählt, weil er ihn für den schnellsten, sichersten oder kostengünstigsten Weg zwischen dem Versicherungsort und der Wohnung hält.

Sowohl nach den Erstangaben des Klägers als auch nach den Ausführungen des Klägers im Rahmen der mündlichen Verhandlung, wäre er, wenn er die Katze nicht hätte rufen müssen, jedoch nicht über den Rasen gelaufen, sondern hätte den direkten, gepflasterten Weg vom Carport in Richtung seiner Haustür genommen. Nur der gepflasterte Weg ist damit als versicherter "unmittelbarer" Weg anzunehmen. Das Betreten des Rasens stellt demgegenüber einen Umweg dar, der nicht mehr dem Ziel des "Nachhause-Kommens", sondern dem eigenwirtschaftlichem Ziel des Klägers, sich um seine Katze zu kümmern, diente.

Vor diesem Hintergrund war der Versicherungsschutz des Klägers somit aber ab dem Moment unterbrochen, wo er den Rasen betreten hat.

Da in dem Betreten des Rasens ein Umweg im Verhältnis zum "unmittelbaren" Arbeitsweg zu sehen ist, kann sich der Kläger auch nicht darauf berufen, dass keine erhebliche Zäsur eingetreten sei und er eine privatwirtschaftliche Tätigkeit lediglich "im Vorbeigehen" erledigt hat. Die Annahme einer Tätigkeit "im Vorbeigehen" scheitert aus Sicht der Kammer bereits daran, dass der Kläger mit dem Betreten des Rasens eine Richtungsänderung weg von dem versicherten Weg eingeleitet hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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Rechtsmittelbelehrung:

Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden. Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Bayer. Landessozialgericht, Ludwigstraße 15, 80539 München, oder bei der Zweigstelle des Bayer. Landessozialgerichts, Rusterberg 2, 97421 Schweinfurt, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder beim Bayer. Landessozialgericht in elektronischer Form einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist beim Sozialgericht Landshut, Seligenthaler Straße 10, B-Stadt, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder beim Sozialgericht Landshut in elektronischer Form eingelegt wird. Die elektronische Form wird nur durch eine qualifiziert signierte Datei gewahrt, die nach den Maßgaben der "Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr in der Sozialgerichtsbarkeit - ERVV SG" an die elektronische Gerichtspoststelle des Bayer. Landessozialgerichts oder des Sozialgerichts Landshut zu übermitteln ist. Über das Internetportal des elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs (www.egvp.de) können weitere Informationen über die Rechtsgrundlagen, Bearbeitungsvoraussetzungen und das Verfahren des elektronischen Rechtsverkehrs abgerufen werden. Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben. Der Berufungsschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden; dies gilt nicht im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs.
Rechtskraft
Aus
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