Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Landshut (FSB)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 16 AL 186/15
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Zahlung von Arbeitslosengeld für die Zeit ab dem 30.09.2015. Streitig ist dabei die Erfüllung der Anwartschaftszeit und das Erlöschen des ursprünglich bestehenden Stammrechts gemäß § 161 Abs. 2 SGB III.
Dem am ...1958 geborenen Kläger wurde mit Bescheid der Beklagten vom 09.04.2009 Arbeitslosengeld ab dem 01.04.2009 in Höhe eines täglichen Leistungsbetrags von 48,02 Euro für 450 Kalendertage bewilligt.
Zum 29.03.2010 meldete sich der Kläger bei der Beklagten aus der Arbeitsvermittlung ab, um eine selbständige Tätigkeit aufzunehmen und die Voraussetzungen für die Gewährung eines Gründungszuschusses zu schaffen. Der Antrag des Klägers auf Gewährung des Gründungszuschusses wurde mit Bescheid vom 15.09.2010 abgelehnt.
Seitdem übte der Kläger eine selbständige Tätigkeit als freiberuflicher Dozent aus, ohne weiter Arbeitslosengeld zu beziehen. Hinzu kamen - so das Vorbringen des Klägers - gelegentliche geringfügige Beschäftigungsverhältnisse auf 450 Euro-Basis. Zudem absolvierte er Weiterbildungsmaßnahmen an der Universität A-Stadt in Bezug auf seine selbständige Tätigkeit. Ein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag bestand nicht.
Am 02.09.2015 informierte sich der Kläger bei der Beklagten, ob sein Restanspruch auf Arbeitslosengeld für drei Monate noch bestehe. Mit Schreiben vom 03.09.2015 teilte ihm die Beklagte mit, dass der Restanspruch bereits erloschen sei.
Am 30.09.2015 meldete sich der Kläger bei der Beklagten mit Wirkung zum selben Tag erneut arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld.
Mit Bescheid vom 05.10.2015 lehnte die Beklagte den Antrag ab, da der Kläger die Anwartschaftszeit nicht erfüllt habe.
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 08.10.2015 Widerspruch ein. Da die Selbständigkeit in den vergangenen fünf Jahren keine wesentlichen Einnahmen zur Sicherung des Lebensunterhalts gebracht hätten, habe er diese beendet und sich wieder arbeitslos gemeldet. Er mache seinen Restanspruch auf Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 01.04.2010 bis 30.06.2010 aus dem Bewilligungsbescheid vom 09.04.2009 geltend.
Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 12.10.2015 als unbegründet zurückgewiesen. Die Anwartschaftszeit sei nicht erfüllt, und der am 01.04.2009 erworbene Anspruch auf Arbeitslosengeld könne nicht mehr geltend gemacht werden, weil seither vier Jahre verstrichen seien. Über das Erlöschen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld wegen Zeitablaufs sei der Kläger mit dem ihm anlässlich seiner Arbeitslosmeldung im Jahre 2009 ausgehändigten Merkblatt für Arbeitslose, dessen Erhalt und Kenntnisnahme er im Antrag auch unterschriftlich bestätigt habe, ausdrücklich hingewiesen worden.
Hiergegen hat der Kläger am 19.10.2015 Klage beim Sozialgericht Landshut erhoben. Es werde der Restanspruch auf Arbeitslosengeld für den bereits ursprünglich bewilligten Zeitraum vom 01.04.2010 bis 30.06.2010 geltend gemacht. Bei der Beantragung des Gründungszuschusses im März 2010 habe die Beraterin der Agentur für Arbeit in W. ausgeführt, dass der Arbeitslosengeldanspruch ausgesetzt werde und bestehen bleibe. Dass dabei Fristen zu berücksichtigen sind, sei nicht gesagt worden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 05.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.10.2015 zu verurteilen, dem Kläger ab dem 30.09.2015 Arbeitslosengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Darauf, ob der Kläger um das Erlöschen des Leistungsanspruchs gewusst habe, komme es rechtlich nicht an, auch nicht darauf, welche mündlichen Auskünfte ihm im Jahre 2010 dazu von Mitarbeitern der Agentur für Arbeit nach seinen Angaben gemacht worden seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Akte des Gerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, aber nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 05.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.10.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Streitgegenstand ist die Zahlung von Arbeitslosengeld ab dem 30.09.2015, die die Beklagte mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 05.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.10.2015 abgelehnt hat.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld ab dem 30.09.2015. Ein solcher Anspruch setzt nach § 137 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) Arbeitslosigkeit (Nr. 1), eine Arbeitslosmeldung (Nr. 2) und die Erfüllung der Anwartschaftszeit (Nr. 3) voraus. Der Kläger hat die für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld ab 30.09.2015 notwendige Anwartschaftszeit i.S.v. § 137 Abs. 1 Nr. 3 SGB III nicht erfüllt.
Nach § 142 Abs. 1 Satz 1 SGB III hat die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die Rahmenfrist beträgt gemäß § 143 Abs. 1 SGB III zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld.
Der Kläger hat sich am 30.09.2015 arbeitslos gemeldet und sich zu diesem Zeitpunkt den Vermittlungsbemühungen der Beklagten zur Verfügung gestellt. Damit ergibt sich hieraus eine Rahmenfrist vom 30.09.2013 bis 29.09.2015.
Innerhalb der genannten Rahmenfrist hat der Kläger nicht mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis i.S.d. §§ 24, 25, 26 SGB III gestanden. Auch wurde kein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag gemäß § 28a SGB III begründet.
Auch hat der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld aus einem am 30.09.2015 noch bestehenden, früher entstandenen Stammrecht. Die Geltendmachung eines Restanspruchs aus dem am 01.04.2009 entstandenen Anspruch auf Arbeitslosengeld von ursprünglich 450 Tagen (Bescheid vom 09.04.2009) kommt nicht mehr in Betracht. Nach § 161 Abs. 2 SGB III kann der Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht mehr geltend gemacht werden, wenn nach seiner Entstehung vier Jahre verstrichen sind. Hierbei handelt es sich um eine Ausschlussfrist, die ohne jede Hemmungs- und Unterbrechungsmöglichkeit rein kalendermäßig abläuft, und auch nicht bei Vorliegen von Härten verlängert werden kann (vgl. Bundessozialgericht, Urteile vom 21.10.2003, Az. B 7 AL 28/03 R, und vom 19.01.2005, Az. B 11a/11 AL 35/04 R; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 21. September 2016, Az. L 10 AL 305/15, juris Rn. 21; Karmanski in: Brand, SGB III, 7. Auflage, § 161 Rn. 20). Diese Ausschlussfrist soll im Interesse der Versichertengemeinschaft das in der Arbeitslosenversicherung versicherte Risiko dadurch begrenzen, dass lediglich bei einem zeitlichen Zusammenhang mit dem Versicherungsfall Leistungen zu erbringen sind. Die Fristberechnung richtet sich nach § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. § 26 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Sie beginnt mit der Entstehung des Anspruchs (hier am 09.04.2009) und endet infolge ihres kalendermäßigen Ablaufs vier Jahre später mit dem Tag, der seiner Benennung nach dem Tag entspricht, an dem er entstanden ist (vgl. Karmanski in: Brand SGB III, 7. Auflage, § 161 Rn. 29; Gagel/Striebinger, 66. EL Juni 2017, SGB III § 161 Rn. 26 - 29). Sowohl im Zeitpunkt der Nachfrage des Klägers bei der Beklagten am 02.09.2015 (wollte man hierauf abstellen) als auch im Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld am 30.09.2015 war die Vier-Jahres-Frist kalendermäßig bereits abgelaufen.
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist gemäß § 27 Abs. 5 SGB X ausgeschlossen. § 161 Abs. 2 enthält eine gesetzliche Bestimmung, welche die Wiedereinsetzung ausschließt. Das ergibt sich aus dem Umstand, dass bereits auf den Ablauf der Frist keinerlei tatsächliche oder rechtliche Hindernisse Einfluss haben unabhängig davon, ob der Arbeitslose sie beeinflussen kann oder ob sie eine Härte bedeuten (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 29.10.1992, Az. 10 RAr 14/91 m.w.N.; Gagel/Striebinger, 66. EL Juni 2017, SGB III § 161 Rn. 29).
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld nach den Bestimmungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Der von der Rechtsprechung entwickelte sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist auf Vornahme einer Amtshandlung gerichtet, um den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der Sozialleistungsträger eine Nebenpflicht aus dem Sozialrechtsverhältnis ordnungsgemäß erfüllt hätte (ständige Rechtsprechung; vgl. z. B. Bundessozialgericht, Urteil vom 12.11.1980, Az. 1 RA 45/79; Karmanski in: Brand, SGB III, 7. Auflage, § 161 Rn. 24). Fehlende Tatbestandsmerkmale oder anspruchsschädliche Tatsachen, die außerhalb des Sozialrechtsverhältnisses liegen, können im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs jedoch nicht fingiert bzw. beseitigt werden.
Hier besteht nach Auffassung der Kammer grundsätzlich schon keine allgemeine Pflicht der Beklagten, Leistungsbezieher über den Ablauf der Verfallsfrist des § 161 Abs. 2 SGB III aufzuklären (vgl. hierzu Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 06.08.2009, Az. L 9 AL 121/06, juris-Rn. 32). Auch trägt die Beklagte vor, der Kläger sei über das Erlöschen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld wegen Zeitablaufs mit dem ihm anlässlich seiner Arbeitslosmeldung im Jahre 2009 ausgehändigten Merkblatt für Arbeitslose, dessen Erhalt und Kenntnisnahme er im Antrag unterschriftlich bestätigt habe, ausdrücklich hingewiesen worden. Doch selbst wenn man im vorliegenden Fall eine Aufklärungspflicht der Beklagten annehmen würde und der Kläger nicht durch ein Merkblatt auf die Ausschlussfrist des § 161 Abs. 2 SGB III hingewiesen worden wäre, würde daraus kein Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld nach den Bestimmungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs erwachsen. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass sich der Kläger erst mit der Arbeitslosmeldung am 30.09.2015 den Vermittlungsbemühungen der Beklagten zur Verfügung gestellt hat und damit erst ab diesem Zeitpunkt (subjektiv und wohl auch objektiv) verfügbar i.S.d. § 138 Abs. 1 Nr. 3 SGB III war. Das Vorliegen von Verfügbarkeit als Voraussetzung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld kann jedoch nicht nachträglich im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs fingiert werden (vgl. BSG, Urteile vom 19.03.1986, Az. 7 Rar 48/84 und 7 Rar 17/84, sowie vom 31.01.2006, Az. B 11 a AL 15/05 R; BSG, Beschluss vom 07.05.2009, Az. B 11 AL 72/08 B; vgl. hierzu auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12.07.2016, Az. L 14 AL 184/15 und Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 06. August 2009, Az. L 9 AL 121/06 juris-Rn. 39).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtsmittelbelehrung:
Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden. Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Bayer. Landessozialgericht, Ludwigstraße 15, 80539 München, oder bei der Zweigstelle des Bayer. Landessozialgerichts, Rusterberg 2, 97421 Schweinfurt, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder beim Bayer. Landessozialgericht in elektronischer Form einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist beim Sozialgericht Landshut, Seligenthaler Straße 10, 84034 Landshut, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder beim Sozialgericht Landshut in elektronischer Form eingelegt wird. Die elektronische Form wird nur durch eine qualifiziert signierte Datei gewahrt, die nach den Maßgaben der "Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr in der Sozialgerichtsbarkeit - ERVV SG" an die elektronische Gerichtspoststelle des Bayer. Landessozialgerichts oder des Sozialgerichts Landshut zu übermitteln ist. Über das Internetportal des elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs (www.egvp.de) können weitere Informationen über die Rechtsgrundlagen, Bearbeitungsvoraussetzungen und das Verfahren des elektronischen Rechtsverkehrs abgerufen werden. Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben. Der Berufungsschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden; dies gilt nicht im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Zahlung von Arbeitslosengeld für die Zeit ab dem 30.09.2015. Streitig ist dabei die Erfüllung der Anwartschaftszeit und das Erlöschen des ursprünglich bestehenden Stammrechts gemäß § 161 Abs. 2 SGB III.
Dem am ...1958 geborenen Kläger wurde mit Bescheid der Beklagten vom 09.04.2009 Arbeitslosengeld ab dem 01.04.2009 in Höhe eines täglichen Leistungsbetrags von 48,02 Euro für 450 Kalendertage bewilligt.
Zum 29.03.2010 meldete sich der Kläger bei der Beklagten aus der Arbeitsvermittlung ab, um eine selbständige Tätigkeit aufzunehmen und die Voraussetzungen für die Gewährung eines Gründungszuschusses zu schaffen. Der Antrag des Klägers auf Gewährung des Gründungszuschusses wurde mit Bescheid vom 15.09.2010 abgelehnt.
Seitdem übte der Kläger eine selbständige Tätigkeit als freiberuflicher Dozent aus, ohne weiter Arbeitslosengeld zu beziehen. Hinzu kamen - so das Vorbringen des Klägers - gelegentliche geringfügige Beschäftigungsverhältnisse auf 450 Euro-Basis. Zudem absolvierte er Weiterbildungsmaßnahmen an der Universität A-Stadt in Bezug auf seine selbständige Tätigkeit. Ein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag bestand nicht.
Am 02.09.2015 informierte sich der Kläger bei der Beklagten, ob sein Restanspruch auf Arbeitslosengeld für drei Monate noch bestehe. Mit Schreiben vom 03.09.2015 teilte ihm die Beklagte mit, dass der Restanspruch bereits erloschen sei.
Am 30.09.2015 meldete sich der Kläger bei der Beklagten mit Wirkung zum selben Tag erneut arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld.
Mit Bescheid vom 05.10.2015 lehnte die Beklagte den Antrag ab, da der Kläger die Anwartschaftszeit nicht erfüllt habe.
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 08.10.2015 Widerspruch ein. Da die Selbständigkeit in den vergangenen fünf Jahren keine wesentlichen Einnahmen zur Sicherung des Lebensunterhalts gebracht hätten, habe er diese beendet und sich wieder arbeitslos gemeldet. Er mache seinen Restanspruch auf Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 01.04.2010 bis 30.06.2010 aus dem Bewilligungsbescheid vom 09.04.2009 geltend.
Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 12.10.2015 als unbegründet zurückgewiesen. Die Anwartschaftszeit sei nicht erfüllt, und der am 01.04.2009 erworbene Anspruch auf Arbeitslosengeld könne nicht mehr geltend gemacht werden, weil seither vier Jahre verstrichen seien. Über das Erlöschen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld wegen Zeitablaufs sei der Kläger mit dem ihm anlässlich seiner Arbeitslosmeldung im Jahre 2009 ausgehändigten Merkblatt für Arbeitslose, dessen Erhalt und Kenntnisnahme er im Antrag auch unterschriftlich bestätigt habe, ausdrücklich hingewiesen worden.
Hiergegen hat der Kläger am 19.10.2015 Klage beim Sozialgericht Landshut erhoben. Es werde der Restanspruch auf Arbeitslosengeld für den bereits ursprünglich bewilligten Zeitraum vom 01.04.2010 bis 30.06.2010 geltend gemacht. Bei der Beantragung des Gründungszuschusses im März 2010 habe die Beraterin der Agentur für Arbeit in W. ausgeführt, dass der Arbeitslosengeldanspruch ausgesetzt werde und bestehen bleibe. Dass dabei Fristen zu berücksichtigen sind, sei nicht gesagt worden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 05.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.10.2015 zu verurteilen, dem Kläger ab dem 30.09.2015 Arbeitslosengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Darauf, ob der Kläger um das Erlöschen des Leistungsanspruchs gewusst habe, komme es rechtlich nicht an, auch nicht darauf, welche mündlichen Auskünfte ihm im Jahre 2010 dazu von Mitarbeitern der Agentur für Arbeit nach seinen Angaben gemacht worden seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Akte des Gerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, aber nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 05.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.10.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Streitgegenstand ist die Zahlung von Arbeitslosengeld ab dem 30.09.2015, die die Beklagte mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 05.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.10.2015 abgelehnt hat.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld ab dem 30.09.2015. Ein solcher Anspruch setzt nach § 137 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) Arbeitslosigkeit (Nr. 1), eine Arbeitslosmeldung (Nr. 2) und die Erfüllung der Anwartschaftszeit (Nr. 3) voraus. Der Kläger hat die für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld ab 30.09.2015 notwendige Anwartschaftszeit i.S.v. § 137 Abs. 1 Nr. 3 SGB III nicht erfüllt.
Nach § 142 Abs. 1 Satz 1 SGB III hat die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die Rahmenfrist beträgt gemäß § 143 Abs. 1 SGB III zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld.
Der Kläger hat sich am 30.09.2015 arbeitslos gemeldet und sich zu diesem Zeitpunkt den Vermittlungsbemühungen der Beklagten zur Verfügung gestellt. Damit ergibt sich hieraus eine Rahmenfrist vom 30.09.2013 bis 29.09.2015.
Innerhalb der genannten Rahmenfrist hat der Kläger nicht mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis i.S.d. §§ 24, 25, 26 SGB III gestanden. Auch wurde kein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag gemäß § 28a SGB III begründet.
Auch hat der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld aus einem am 30.09.2015 noch bestehenden, früher entstandenen Stammrecht. Die Geltendmachung eines Restanspruchs aus dem am 01.04.2009 entstandenen Anspruch auf Arbeitslosengeld von ursprünglich 450 Tagen (Bescheid vom 09.04.2009) kommt nicht mehr in Betracht. Nach § 161 Abs. 2 SGB III kann der Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht mehr geltend gemacht werden, wenn nach seiner Entstehung vier Jahre verstrichen sind. Hierbei handelt es sich um eine Ausschlussfrist, die ohne jede Hemmungs- und Unterbrechungsmöglichkeit rein kalendermäßig abläuft, und auch nicht bei Vorliegen von Härten verlängert werden kann (vgl. Bundessozialgericht, Urteile vom 21.10.2003, Az. B 7 AL 28/03 R, und vom 19.01.2005, Az. B 11a/11 AL 35/04 R; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 21. September 2016, Az. L 10 AL 305/15, juris Rn. 21; Karmanski in: Brand, SGB III, 7. Auflage, § 161 Rn. 20). Diese Ausschlussfrist soll im Interesse der Versichertengemeinschaft das in der Arbeitslosenversicherung versicherte Risiko dadurch begrenzen, dass lediglich bei einem zeitlichen Zusammenhang mit dem Versicherungsfall Leistungen zu erbringen sind. Die Fristberechnung richtet sich nach § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. § 26 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Sie beginnt mit der Entstehung des Anspruchs (hier am 09.04.2009) und endet infolge ihres kalendermäßigen Ablaufs vier Jahre später mit dem Tag, der seiner Benennung nach dem Tag entspricht, an dem er entstanden ist (vgl. Karmanski in: Brand SGB III, 7. Auflage, § 161 Rn. 29; Gagel/Striebinger, 66. EL Juni 2017, SGB III § 161 Rn. 26 - 29). Sowohl im Zeitpunkt der Nachfrage des Klägers bei der Beklagten am 02.09.2015 (wollte man hierauf abstellen) als auch im Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld am 30.09.2015 war die Vier-Jahres-Frist kalendermäßig bereits abgelaufen.
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist gemäß § 27 Abs. 5 SGB X ausgeschlossen. § 161 Abs. 2 enthält eine gesetzliche Bestimmung, welche die Wiedereinsetzung ausschließt. Das ergibt sich aus dem Umstand, dass bereits auf den Ablauf der Frist keinerlei tatsächliche oder rechtliche Hindernisse Einfluss haben unabhängig davon, ob der Arbeitslose sie beeinflussen kann oder ob sie eine Härte bedeuten (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 29.10.1992, Az. 10 RAr 14/91 m.w.N.; Gagel/Striebinger, 66. EL Juni 2017, SGB III § 161 Rn. 29).
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld nach den Bestimmungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Der von der Rechtsprechung entwickelte sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist auf Vornahme einer Amtshandlung gerichtet, um den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der Sozialleistungsträger eine Nebenpflicht aus dem Sozialrechtsverhältnis ordnungsgemäß erfüllt hätte (ständige Rechtsprechung; vgl. z. B. Bundessozialgericht, Urteil vom 12.11.1980, Az. 1 RA 45/79; Karmanski in: Brand, SGB III, 7. Auflage, § 161 Rn. 24). Fehlende Tatbestandsmerkmale oder anspruchsschädliche Tatsachen, die außerhalb des Sozialrechtsverhältnisses liegen, können im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs jedoch nicht fingiert bzw. beseitigt werden.
Hier besteht nach Auffassung der Kammer grundsätzlich schon keine allgemeine Pflicht der Beklagten, Leistungsbezieher über den Ablauf der Verfallsfrist des § 161 Abs. 2 SGB III aufzuklären (vgl. hierzu Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 06.08.2009, Az. L 9 AL 121/06, juris-Rn. 32). Auch trägt die Beklagte vor, der Kläger sei über das Erlöschen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld wegen Zeitablaufs mit dem ihm anlässlich seiner Arbeitslosmeldung im Jahre 2009 ausgehändigten Merkblatt für Arbeitslose, dessen Erhalt und Kenntnisnahme er im Antrag unterschriftlich bestätigt habe, ausdrücklich hingewiesen worden. Doch selbst wenn man im vorliegenden Fall eine Aufklärungspflicht der Beklagten annehmen würde und der Kläger nicht durch ein Merkblatt auf die Ausschlussfrist des § 161 Abs. 2 SGB III hingewiesen worden wäre, würde daraus kein Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld nach den Bestimmungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs erwachsen. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass sich der Kläger erst mit der Arbeitslosmeldung am 30.09.2015 den Vermittlungsbemühungen der Beklagten zur Verfügung gestellt hat und damit erst ab diesem Zeitpunkt (subjektiv und wohl auch objektiv) verfügbar i.S.d. § 138 Abs. 1 Nr. 3 SGB III war. Das Vorliegen von Verfügbarkeit als Voraussetzung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld kann jedoch nicht nachträglich im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs fingiert werden (vgl. BSG, Urteile vom 19.03.1986, Az. 7 Rar 48/84 und 7 Rar 17/84, sowie vom 31.01.2006, Az. B 11 a AL 15/05 R; BSG, Beschluss vom 07.05.2009, Az. B 11 AL 72/08 B; vgl. hierzu auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12.07.2016, Az. L 14 AL 184/15 und Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 06. August 2009, Az. L 9 AL 121/06 juris-Rn. 39).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtsmittelbelehrung:
Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden. Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Bayer. Landessozialgericht, Ludwigstraße 15, 80539 München, oder bei der Zweigstelle des Bayer. Landessozialgerichts, Rusterberg 2, 97421 Schweinfurt, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder beim Bayer. Landessozialgericht in elektronischer Form einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist beim Sozialgericht Landshut, Seligenthaler Straße 10, 84034 Landshut, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder beim Sozialgericht Landshut in elektronischer Form eingelegt wird. Die elektronische Form wird nur durch eine qualifiziert signierte Datei gewahrt, die nach den Maßgaben der "Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr in der Sozialgerichtsbarkeit - ERVV SG" an die elektronische Gerichtspoststelle des Bayer. Landessozialgerichts oder des Sozialgerichts Landshut zu übermitteln ist. Über das Internetportal des elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs (www.egvp.de) können weitere Informationen über die Rechtsgrundlagen, Bearbeitungsvoraussetzungen und das Verfahren des elektronischen Rechtsverkehrs abgerufen werden. Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben. Der Berufungsschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden; dies gilt nicht im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs.
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