S 12 (17,32) AL 216/03

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 12 (17,32) AL 216/03
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 05.06.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.06.2003 verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld ab 01.06.2003 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen. Die Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld in Anschluss an Ableistung des gesetzlichen Zivildienstes.

Der 1982 geborene Kläger meldete sich am 15.05. zum 01.06.2003 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Ausweislich der Dienstzeitbescheinigung gemäß § 46 Abs. 1 des Zivildienstgesetzes hatte er vom 01.08.2002 bis 31.05.2003 Zivildienst geleistet.

Vor dem Zivildienst hatte der Kläger vom 20.08. bis 10.12.2001 als Schüler des K e.V., Katholisches Berufskolleg, die Klasse FOS 11 besucht und den Schulbesuch sodann abgebrochen. Diesen Abbruch hatte er bei einer persönlichen Vorsprache bei der Beklagten am 27.11.2001 angekündigt und sich arbeitssuchend gemeldet. Am 14.12.2001 hatte er den Abbruch mitgeteilt. Zugleich teilte er mit, dass er eine Ausbildung suche und bis Ausbildungsbeginn eine Überbrückungstätigkeit. Am 17.04.2002 teilte er der Beklagten mit, dass er bisher nur Absagen bekommen habe. Er möchte nun zunächst ab August den Zivildienst machen und jetzt anfangen, sich für 2003 zu bewerben. Zu einem Termin am 20.05.2002 erschien er nicht. Statt dessen erschien am 22.05.2002. In dem zugehörigen Beratungsvermerk heißt es: "Erstmals kein Beratungsbedarf. Erneute Anfrage zu späterem Zeitpunkt."

In der Zeit zwischen März und Juni 2002 erhielt der Kläger mindestens sieben Absagen auf Bewerbungen. Am 12.11.2002 unterbreitete die Beklagte ihm insgesamt 19 Angebote für Ausbildungsverhältnisse. Am 01.10.2003 erhielt der Kläger von der Beklagten eine Bescheinigung von Zeiten der Ausbildungssuche gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 a SGB VI, in der ihm bescheinigt wird, dass er in der Zeit vom 18.01.1999 bis 30.09.2002 als Ausbildungssuchender beim Arbeitsamt gemeldet gewesen war.

Mit Bescheid vom 05.06.2003 und Widerspruchsbescheid vom 27.06.2003 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld im wesentlichen mit der Begründung ab, der Kläger habe die Anwartschaftszeit nicht erfüllt. Der von ihm in der Zeit vom 01.08.2002 bis 31.05.2003 geleistete Zivildienst genüge nicht, um die Anwartschaftszeit zu erfüllen. Die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Nr. 2 SGB III seinen nicht erfüllt. Vor dem Zivildienst sei er weder versicherungspflichtig beschäftigt gewesen, noch habe er eine Entgeltersatzleistung nach dem SGB III bezogen. Er habe auch keine Beschäftigung im Sinne von § 119 SGB III gesucht. In der Zeit vom 20.08. bis 10.12.2001 sei er Schüler gewesen. Am 06.12.2001 habe er sich nach Abbruch der Schulausbildung beim Arbeitsamt gemeldet. Obwohl er auf die Notwendigkeit der Erneuerung der Arbeitslosmeldung innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten hingewiesen worden sei, habe er sein Arbeitsgesuch bis zum 06.03.2003 nicht erneuert. Am 21.03.2002 sei eine erneute Vorsprache in der Arbeitsvermittlung erfolgt. Nach den damaligen Angaben habe er auf einen Ausbildungsplatz gewartet. Obwohl er erneut über die Notwendigkeit der persönlichen Arbeitslosmeldung innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten informiert worden sei, sei das Arbeitsgesuch von ihm nicht erneuert worden. Eine erneute Arbeitslosmeldung sei erst am 15.05.2003 erfolgt.

Zur Begründung seiner am 11.07.2003 erhobenen Klage vertritt der Kläger die Auffassung, dass er die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Nr. 2 SGB III erfülle, denn er habe vor der Ableistung seines Zivildienstes eine Beschäftigung im Sinne von § 119 SGB III besucht. Er habe sich am 06.12.2001 ausdrücklich als arbeitssuchend gemeldet. Außerdem sei am 14.12.2001 sowie am 04.03., 21.03., 17.04. und 22.05.2002 zu Gesprächskontakten zwischen ihm und der Beklagten gekommen. Diese Kontakte seien bei verständiger Auslegung als Bemühungen im Rahmen seiner Beschäftigungssuche zu bewerten. Er habe auch selbst Bewerbungen geschrieben. Auf die Erneuerung der Arbeitslosmeldung nach §§ 122 SGB III und/oder 38 SGB III komme es nicht an. Dies werde im Gesetz nicht gefordert.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 05.06.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.06.2003 zu verurteilen, ihm ab 01.06.2003 Arbeitslosengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Bescheide aus den im Widerspruchsbescheid genannten Gründen für rechtmäßig. Der Kläger habe vor Beginn des Zivildienstes keine Beschäftigung mehr gesucht. Am 22.05.2002 habe er mitgeteilt, keinen Beratungsbedarf mehr zu haben. Die alleinige Ausübung des Zivildienstes führe noch nicht zur Erfüllung der Anwartschaftszeit. Er sei auch nicht bis unmittelbar vor Antritt des Zivildienstes beschäftigungssuchend im Sinne vom § 119 SGB III gewesen, denn er habe die hierfür erforderliche Aufrechterhaltung seines Arbeitsgesuchs im Sinne von § 38 Abs. 4 SGB III (Dreimonatsmeldung) nicht durchgeführt. Die letztmals anzuerkennende Vorsprache sei am 21.03.2002 erfolgt. Zwischen der Vorsprache und der Aufnahme des Zivildienstes lägen mehr als vier Monate.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Prozessakten und der den Kläger betreffenden Leistungsakte der Beklagten. Diese Akten haben vorgelegen und sind ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der Beratung und Entscheidung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Kläger hat ab 01.06.2003 Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Der Kläger erfüllt alle in § 117 Abs. 1 SGB III genannten Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Unstreitig war er ab 01.06.2003 arbeitslos und hatte sich mit Wirkung zu diesem Zeitpunkt beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet. Er hat auch die Anwartschaftszeit erfüllt. Die Anwartschaftszeit hat nach § 121 Satz 1 Ziffer 3 SGB III in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung (a.F.) erfüllt, wer als Wehrdienstleistender oder Zivildienstleistender in der Rahmenfrist mindestens sechs Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis

gestanden hat. § 123 Satz 1 Ziffer 2 SGB III a.F. verweist auf §§ 25 Abs. 2 Satz 2 und 26 Abs. 1 Nr. 2 und 3 und Abs. 4 SGB III a.F. Für den Kläger allein einschlägig ist § 26 Abs. 1 Ziffer 2 b SGB III a.F. Danach sind versicherungspflichtig Personen, die aufgrund gesetzlicher Frist länger als drei Tage Zivildienst leisten und während dieser Zeit nicht als Beschäftigte versicherungspflichtig sind, wenn sie eine Beschäftigung im Sinne von § 119 SGB III gesucht haben. Anders als § 26 Abs. 1 Ziffer 2 a SGB III a.F. knüpft Ziffer b nicht an das Erfordernis der Unmittelbarkeit vor Dienstantritt an. Dies wird daran deutlich, dass dieses Erfordernis lediglich in Ziffer 2 a, nicht aber in Ziffer 2 b genannt wird. Sollte dieses Erfordernis für beide Varianten des § 26 Abs. 1 Ziffer 2 SGB III a.F. gelten, hätte es vor der Untergliederung in Ziffern 2 a und 2 b als allgemeiner Obersatz genannt werden müssen. In § 26 Abs. 1 Ziffer 2 SGB III hätte es dann lauten müssen: "Personen, ..., wenn sie unmittelbar vor Dienstantritt a) versicherungspflichtig waren ..., oder b) eine Beschäftigung gesucht haben ...".

Das Gericht hat keinen Zweifel daran, dass der Kläger eine Beschäftigung im Sinne von § 119 SGB III gesucht hat. Die von der Beklagten selbst übersandten Beratungsvermerke der Berufsberatung weisen Kontakte zum Kläger am 17.04.2002 und 22.05.2002 aus. Die Beratungsvermerke der Arbeitsvermittlung weisen vor Beginn des Zivildienstes eine letzte Vorsprache am 21.03.2002 aus. Ohne Vorsprache des Klägers ist unter dem 21.05.2002 vermerkt, das Arbeitsgesuch sei nicht erneut worden. Tatsächlich hat sich der Kläger am 22.05.2002 in der Berufsberatung gemeldet. Dort ist vermerkt, dass erst Mal kein Bera-tungsbedarf bestehe. Die Schlussfolgerung der Beklagten, dass er damit sein Arbeitsgesuch zurückgezogen hat, trifft nicht zu. Diese Äußerung steht erkennbar im Zusammenhang mit dem zu diesem Zeitpunkt bereits feststehenden Beginn des Zivildienstes am 01.08.2002, so dass für den Kläger sinnvoll war, eine Beratung über eine Ausbildung im August oder September 2002 nicht weiter durchzuführen. Dies hat aber keinen Erklä-rungswert dergestalt, dass er nicht mehr arbeitssuchend sei. Welches Kriterium der in § 119 Abs. 1 bis 4 SGB III in der 2002 geltenden Fassung nicht erfüllt sein soll, wird von der Beklagten trotz entsprechenden Hinweises des Klägers nicht konkretisiert. Sein Arbeitsgesuch hat der Kläger nicht zurückgezogen. Der Hinweis auf § 38 Abs. 4 SGB III liegt neben der Sache. Zu Unrecht knüpft die Beklagte bei der Berechnung der in § 38 Abs. 4 Satz 2 genannten Frist von drei Monaten, nach der ein Arbeitsgesuch einzustellen ist, an den 21.03.2002 an. Durch jede Vorsprache eines Arbeitssuchenden vor Ablauf dieser 3-Monatsfrist verschiebt sich der Dreimonatsturnus, wenn der Arbeitslose bei einer solchen Vorsprache oder anderweitig das Arbeitsgesuch nicht zurückzieht. Hier hat der Kläger sich ausweislich der Beratungsvermerke der Berufsberatung am 17.04.2002 gemeldet und mitgeteilt, dass er bisher nur Absagen bekommen habe. Er möchte nun zunächst ab August den Zivildienst machen und jetzt anfangen, sich für 2003 zu bewer-ben. Damit hat der Kläger zum Ausdruck gebracht, dass er an der Beendigung seiner Arbeitslosigkeit nach wie vor interessiert war. Dein am 14.12.2001 geäußertes Interesse an einer Überbrückungstätigkeit blieb unberührt, denn anderenfalls hätte für ihn keine Anlass bestanden, am 22.05.2002 vorstellig zu werden. Dagegen hat er nicht zum Ausdruck gebracht, dass er ab Mitte April bis zum Beginn des Zivildienstes nicht mehr arbeitssuchend sei. Ausgehend vom 17.04.2002 wäre das Arbeitsgesuch erst Mitte Juli 2002 zu erneuern gewesen. In der Zwischenzeit ist der Kläger jedoch am 22.05.2002 bei der Beklagten vorstellig geworden. Dass er hier angegeben hat, dass erst Mal kein Beratungsbedarf bestehe, bedeutet keine Rücknahme seines Arbeitsgesuches, sondern bezieht sich erkennbar lediglich auf Beratung im Zusammenhang mit einer möglichen Berufsausbildung. Damit begann eine neue Dreimonatsfrist am 22.05.2002, die erst nach August 2002 ablief, so dass unabhängig von der Frage, ob § 26 Abs. 1 Ziffer 2 b SGB III auf eine Beschäftigungssuche unmittelbar vor Dienstantritt abstellt, jedenfalls Unmittelbarkeit gewahrt ist. Im übrigen ergibt sich aus der Bescheinigung der Beklagten vom 01.10.2003 über Zeiten der Ausbildungssuche gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 a SGB IV, dass der Kläger in der Zeit vom 18.01.1999 bis 30.09.2002 als Ausbildungssuchender beim Arbeitsamt gemeldet war. Dies bedeutet, dass auch aus Sicht der Berufsberatung das Ausbildungsgesuch des Klägers durch die Vorsprache am 22.05.2002 nicht zurückgezogen war. Ausbildungssuche ist ein Unterfall der Beschäftigungssuche und genügt den Voraussetzungen, die in § 119 SGB III a.F. aufgestellt werden.

Über Anspruchshöhe und Anspruchsdauer wird die Beklagte im Ausführungsbescheid zu diesem Urteil zu entscheiden haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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