L 16 R 1139/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 9 R 689/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 R 1139/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. Mai 2005 geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 29. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07. Januar 2005 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers im gesamten Verfahren. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit ab 01. Februar 2004 in Anspruch.

Der Kläger, geboren am 1947, war zuletzt bis zum 31. Mai 1994 als Kaufmann der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Nachdem er im März 1999 bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung gestellt hatte, schloss er mit der Beklagten in dem Verfahren vor dem Sozialgericht (SG) Berlin – S 11 RA 1167/00 – am 13. Juni 2003 einen das Verfahren beendenden Vergleich. In diesem Vergleich verpflichtete sich die Beklagte, dem Kläger aufgrund eines Leistungsfalls vom 27. Oktober 2000 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01. Mai 2001, befristet bis zum Ende einer von ihr anzubietenden medizinischen Leistung zur Rehabilitation, zu gewähren. Der Kläger verpflichtete sich seinerseits zur ordnungsgemäßen Mitwirkung an dieser Leistung.

Mit Bescheid vom 04. August 2003 bewilligte die Beklagte dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit ab 01. Mai 2001 als befristete Rente, die mit Ablauf des Kalendermonats wegfallen sollte, in dem die Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben beendet würde. Nach Bewilligung einer Kur in der HKlinik ab 07. November 2003 verließ der Kläger noch am Tag der Aufnahme diese Klinik.

Nachdem die Beklagte zunächst die Rente bis zum 31. März 2004 weiter gezahlt und dann für die Monate Februar und März 2004 die Rentenzahlungen vom Kläger zurückgefordert hatte, lehnte sie mit Bescheid vom 29. Juni 2004 den "Antrag des Klägers vom 29. März 2004 auf Weiterzahlung über den 31. Januar 2004" hinaus ab. Zur Begründung ist ausgeführt: Sie habe den Sachverhalt, der zu einer Rentengewährung führen könne, klarzustellen. Dies sei nur möglich, wenn der Antragsteller seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62 und 65 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB I) nachkomme. Der Kläger habe trotz der Aufforderung vom 13. Mai 2004 die Antragsvordrucke nicht eingesandt. Aus diesem Grund müsse der Antrag abgelehnt werden. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 07. Januar 2005).

Das SG Berlin hat mit Urteil vom 10. Mai 2005 die auf Aufhebung der angefochtenen Bescheide und auf Verurteilung der Beklagten zur Rentengewährung über den 31. Januar 2004

hinaus gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung über den Monat Januar 2004 hinaus. Ein derartiger Anspruch folge zunächst nicht aus dem in dem Verfahren – S 11 RA 1167/00 – geschlossenen Vergleich. Auch aufgrund des Weitergewährungsantrages vom 20. November 2003 ergebe sich kein derartiger Anspruch. Die Beklagte habe die Rentenzahlung zu Recht gemäß § 66 Abs. 2 SGB I abgelehnt. Auch die Voraussetzungen des § 66 Abs. 3 SGB I für die Ablehnung einer Leistung wegen mangelnder Mitwirkung seien erfüllt.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Er beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. Mai 2005 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07. Januar 2005 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01. Februar 2004 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zum Verfahren eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Die Akten der Beklagten (2 Bände) und die Gerichtsakte haben vorgelegen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren durch die Vorsitzende einverstanden erklärt (§§ 124 Abs. 2, 155 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist teilweise begründet.

Der mit der – zulässigen – Anfechtungsklage angefochtene Bescheid der Beklagten vom 29. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07. Januar 2005 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Ausweislich des Verfügungssatzes des Bescheides vom 29. Juni 2004 hat die Beklagte zwar den Antrag des Klägers auf Weiterzahlung der Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit ab 01. Februar 2004 abgelehnt. Eine Begründung dafür, welche der in der maßgebenden Vorschrift des § 43 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) enthaltenen Anspruchsvoraussetzungen nach Auffassung der Beklagten nicht vorliegen, ist in diesem Bescheid allerdings nicht enthalten. Vielmehr stellt sich die getroffene Entscheidung der Sache nach als Versagungsentscheidung nach § 66 SGB I dar. Denn die Beklagte hat darin ausschließlich darauf abgestellt, dass der Kläger trotz der Aufforderung vom 13. Mai 2004 die Antragsvordrucke nicht eingesandt habe. Eine derartige Versagungsentscheidung ist indes nach den in § 66 Abs. 3 SGB I geregelten Voraussetzungen nur zulässig, wenn der Leistungsberechtigte zuvor auf die Folgen fehlender Mitwirkung schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist. In dem Aufforderungsschreiben der Beklagten vom 13. Mai 2004 fehlt jedoch jedweder Hinweis darauf, dass die beantragte Rente wegen fehlender Mitwirkung gemäß § 66 SGB I versagt werden kann und es fehlt überdies auch an der nach § 66 Abs. 3 SGB I erforderlichen Fristsetzung. Allein aus diesem Grunde sind die angefochtenen Entscheidungen der Beklagten fehlerhaft.

Die Beklagte wird nunmehr über den Weitergewährungsantrag des Klägers nochmals zu befinden haben (vgl. dazu im Einzelnen, BSG, Urteil vom 26. August 1994 – 13 RJ 17/94 = SozR 3-1500 § 88 Nr. 2).

Soweit der Kläger mit dem in der Berufungsinstanz weiter verfolgten Begehren eine Verurteilung der Beklagten zur Rentengewährung erstrebt, ist die Berufung nicht begründet; sie war daher zurückzuweisen. Für eine zulässige – unechte – Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs. 4 SGG fehlt es an einer – ablehnenden – Entscheidung der Beklagten, die sich mit den Voraussetzungen des in § 43 SGB VI normierten Rentenanspruchs befasst.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie berücksichtigt, dass die Beklagte mit den von ihr fehlerhaft getroffenen Entscheidungen Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hat.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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