L 6 RJ 28/01

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 22 RJ 906/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 6 RJ 28/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 8. März 2001 sowie der Bescheid der Beklagten vom 26. November 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. März 2000 geändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ab dem 1. Februar 1999 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten, die seit dem 1. Oktober 2005 Deutsche Rentenversicherung Berlin heißt, die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU) für Bezugszeiten ab dem 1. Februar 1999 bzw ab einem späteren Zeitpunkt.

Er ist 1954 geboren, erlernte den Beruf des Konditors (Gesellenbrief vom 23. März 1972) und legte am 8. April 1981 erfolgreich die Meisterprüfung in diesem Handwerk ab. Im Anschluss war er bis einschließlich September 1983 entsprechend versicherungspflichtig beschäftigt. Danach machte er sich als Konditormeister selbständig, wobei er - eigenen Angaben zufolge - bis zum 31. März 1987 mehrere Ladengeschäfte mit einer Vielzahl von Beschäftigten, darunter auch zwei auszubildenden Konditoren, betrieb. Durch notariellen Gesellschaftsvertrag vom 16. September 1992 gründete der Kläger mit seiner Ehefrau, einer Konditorin, die seit dem 1. Januar 1999 wegen Allergien berufsunfähig ist, als weiterem Gesellschafter die B & J Bäckereibetriebsgesellschaft mbH, deren Geschäftszweck die Herstellung und der Verkauf von Bäckerei- und Konditorenerzeugnissen war. Alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer dieser Gesellschaft, die am 7. April 1993 ins Handelsregister eingetragen wurde, waren der Kläger und seine Ehefrau. Nachdem der Kläger Ende des Jahres 1995 das letzte Ladengeschäft geschlossen hatte, arbeitete er als Konditormeister in dem verbliebenen reinen Produktionsbetrieb weiter. Am 11. April 1996 schied er durch Abtretung seines Geschäftsanteils an seine Ehefrau unter Beibehaltung seines Geschäftsführerstatus aus der Gesellschaft aus; zu diesem Zeitpunkt beschäftigte die Gesellschaft bereits keinen Lehrling mehr. Am 12. Dezember 2003 verkaufte die Gesellschaft das Inventar des Produktionsbetriebs.

Der Kläger, der bis zum 31. September 1983 weit mehr als 60 Monate Pflichtbeitragszeiten aus abhängiger Beschäftigung zurückgelegt hatte, entrichtete vom 1. Oktober 1983 bis zum 31. März 1987 (42 Monate) Beiträge zur Handwerkerpflichtversicherung, seit dem 1. April 1987 ist er bei der Beklagten durchgehend (ausschließlich) freiwillig versichert.

Im Oktober 1998 stellte er bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bzw BU, den er auf eine seit Mai 1998 bestehende Diabeteserkrankung stützte, wobei er zum Beweis dieser Erkrankung ein Attest des Allgemeinarztes Dr S vom 6. Oktober 1998 vorlegte. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26. November 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. März 2000 mit der Begründung ab, der Kläger könne zwar in seinem bisherigen Beruf als Konditormeister nicht mehr erwerbstätig sein, er sei aber mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen noch in der Lage, die Tätigkeit eines Facheinkäufers, Verkaufssachbearbeiters oder Lagermeisters im Fachgroßhandel oder in Herstellungsbetrieben für Backmittel, -hilfsmittel und -zubehör zu verrichten. Da er aufgrund seines bisherigen Berufs der Gruppe mit dem Leitberuf des "Facharbeiters" zuzuordnen sei, sei er auf diese Tätigkeiten zumutbar verweisbar. Trotz der festgestellten Gesundheitsstörungen (tablettenpflichtiger Diabetes mellitus, Adipositas, Belastungsinsuffizienz des linken Kniegelenks bei Zustand nach Meniskusoperation und Gallenblasenkongremente) seien ihm noch körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten im Wechsel zwischen Sitzen und Stehen bzw Gehen (unter Vermeidung von häufigem Knien und Hocken, häufigem Heben, Tragen und Bewegen von Lasten, wobei die Leistungsfähigkeit bei Nachtschichtarbeiten und Arbeiten unter besonderem Zeitdruck gefährdet sei) und damit die Ausübung der genannten Verweisungstätigkeiten möglich. Grundlage der medizinischen Leistungsbeurteilung war ein Gutachten der Ärztin für Innere Medizin Dr W-H vom 18. November 1998 nach Untersuchung des Klägers am 29. Oktober 1998.

Durch Gerichtsbescheid vom 8. März 2001 hat das Sozialgericht (SG) Berlin die Klage abgewiesen, die es, obwohl auf eine Rente wegen BU beschränkt, auch als eine Klage auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit angesehen hatte. Dabei hat es sich der von der Beklagten im Widerspruchsbescheid gegebenen Begründung angeschlossen.

Zur Begründung der Berufung, mit der der Kläger seinen Anspruch auf Rente wegen BU weiterverfolgt, trägt er vor: Bis Ende 1997 hätten er und seine Ehefrau noch gemeinsam in der Produktion gearbeitet. Bis dahin habe er noch als angestellter (Mit-)Geschäftsführer ein monatliches Brutto-Gehalt iHv 3500 DM erhalten. Anfang 1998 hätten seine gesundheitlichen Probleme begonnen, wobei die entscheidenden gesundheitlichen Einschränkungen im August /September 1998 aufgetreten seien. Während seine Frau unter Verwendung von unzureichenden Schutzvorrichtungen (zB Staubmaske) weiterhin voll in der Produktion gearbeitet und – vereinzelt unter Hinzuziehung einer betriebsfremden Aushilfe - Brötchen und verschiedenes süßes Gebäck hergestellt habe, habe er die Backwaren an Hotels, Cafés und Gaststätten ausgefahren. Für diese Tätigkeit, für die er - ausgehend von einer Sechstagewoche - eine tägliche Arbeitszeit von ca 2 ½ Stunden aufgewandt habe, und für seine Tätigkeit als Geschäftsführer mit monatlichem Arbeitsaufwand von ungefähr 3 Stunden, habe er ein Gehalt von 610 DM bezogen. An genaue Daten könne er sich nicht mehr so genau erinnern. Sicher sei aber, dass er nach Rücksprache mit seinen Ärzten mit Rücksicht auf seine Gesundheit ab Anfang 1999 nicht mehr in der Produktion gearbeitet habe. Seine Ehefrau habe aufgrund ihrer gesundheitlichen Probleme immer weniger selbst backen können, so dass im Laufe der Zeit immer mehr Fertig- bzw Halbfertigprodukte hätten hinzugekauft werden müssen, an denen nur noch kleinere Verrichtungen notwendig gewesen seien, bevor sie an den Endverbraucher hätten abgegeben werden können. Insgesamt sei es mit dem Betrieb immer weiter bergab gegangen.

Der Kläger bringt ein im Rechtsstreit wegen seiner privaten Berufsunfähigkeitsversicherung eingeholtes internistisches Gutachten (Prof Dr K/Dr K, leitende Ärzte der Inneren Klinik - Gastroenterologie des HELIOS- Klinikums Berlin-Buch) vom 21. Januar 2003 bei.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 8. März 2001 und den Bescheid vom 26. November 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. März 2000 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 1. Februar 1999 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren, im Übrigen stellt er einen schriftlichen Hilfsbeweisantrag nach § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG), hilfsweise nach § 109 SGG, der als Anlage zum Sitzungsprotokoll genommen wird und auf den wegen seines Inhaltes Bezug genommen wird.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den geltend gemachten Anspruch für nicht gegeben. Zwar halte sie an den noch im Widerspruchsbescheid genannten Verweisungstätigkeiten nicht mehr fest, dies gelte auch – nach den vom Senat durchgeführten Ermittlungen - insbesondere für die während des Gerichtsverfahrens als Verweisungstätigkeit auf Facharbeiterniveau eingeführte Tätigkeit eines Verkaufssachbearbeiters im Fachgroßhandel oder in Herstellungsbetrieben für Backmittel, Backhilfsmittel und Backzubehör. Es sei aber davon auszugehen, dass der Kläger nach 1998 nicht nur als Auslieferungsfahrer, sondern zumindest auch als Bäcker gearbeitet habe, weil sonst nicht verständlich sei, wer die Brötchen gebacken habe, zumal seine Ehefrau ab Januar 1999 berufsunfähig gewesen sei.

Der Senat hat berufskundliche Ermittlungen zum Tätigkeits- und Anforderungsprofil eines Verkaufssachbearbeiters im Fachgroßhandel oder in Herstellungsbetrieben für Backmittel, Backhilfsmittel und Backzubehör sowie deren tarifvertragliche Einordnung bei der BakeMark Deutschland GmbH, der Gebr Jung GmbH und der IREKS GmbH angestellt; auf das Ergebnis dieser Ermittlungen wird Bezug genommen.

Außerdem hat der Senat in der mündlichen Verhandlung vom 29. März 2006 Beweis erhoben durch die Vernehmung der Ehefrau des Klägers als Zeugin. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Anlage 1 zum Sitzungsprotokoll vom 29. März 2006 Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, die die Zeugin betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten, die den Kläger betreffende Verwaltungsakte (Bd I und II) der Beklagten sowie die Registerakten der Gesellschaft (HRB 46760 B) des Amtsgerichts Charlottenburg, Handelsregister – Abteilung B, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist lediglich noch ein Rentenanspruch des Klägers wegen BU für Bezugszeitzeiträume ab dem 1. Februar 1999 oder ab einem späteren Zeitpunkt; denn der Kläger wendet sich zuletzt mit seinem Rechtsmittel nicht mehr gegen die Zurückweisung des entsprechenden Anspruches für Zeiträume vor dem 1. Februar 1999. Soweit das SG - in Verkennung des Streitgegenstandes (iSv § 123 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) - auch einen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit abgewiesen hat, ist der Kläger hierdurch zwar beschwert; da der Kläger den Gerichtsbescheid insoweit aber ersichtlich nicht angefochten hat, ist der Senat an einer diesbezüglichen Aufhebung der Entscheidung des SG gehindert.

Der Kläger hat ab dem 1. Februar 1999 dem Grunde nach einen Anspruch auf eine Rente wegen BU gegen die Beklagte. Damit steht ihm dieser Anspruch bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres zu, solange die Voraussetzungen vorliegen, die für die Bewilligung der Leistung maßgeblich waren (§ 302 b Abs 1 Satz 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung; im Folgenden ohne Zusatz zitiert). In diesem Falle entsteht aus Anlass der Rechtsänderung ab dem 1. Januar 2001 kein Anspruch auf eine der drei neuen Erwerbsminderungsrenten (§ 302 b Abs 1 Satz 3 SGB VI).

Der erhobene BU-Rentenanspruch bestimmt sich nach § 43 SGB VI, weil der Kläger den Rentenantrag weit vor dem 31. März 2001 gestellt hat und einen Anspruch (auch) für Zeiträume vor dem 1. Januar 2001 geltend macht. Ausgehend von dem im Oktober 1998 gestellten Rentenantrag kann er die Zahlung einer Rente wegen BU ab dem 1. Februar 1999 verlangen, wenn spätestens im Januar 1999 der Versicherungsfall der BU eingetreten ist (§ 300 Abs 1 und 2 iVm § 99 Abs 1 Satz 2 SGB VI); dies ist hier der Fall.

Gemäß § 43 Abs 1 SGB VI haben Versicherte, die das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, "Anspruch" auf Rente wegen BU, wenn sie die allgemeine Wartezeit (§ 50 Abs 1 Nr 2 iVm § 51 Abs 1 SGB VI) von fünf Kalenderjahren mit Beitragszeiten (oder Ersatzzeiten) vor Eintritt der BU erfüllt haben (§ 43 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB VI), berufsunfähig sind (§ 43 Abs 1 Satz 1 Nr 1, Abs 2 SGB VI) und in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der BU drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (so genannte 3/5- Belegung; § 43 Abs 1 Nr 2, Abs 3 und 4 SGB VI). Das zuletzt genannte Erfordernis ist jedoch nach § 240 Abs 2 Satz 1 SGB VI bei Versicherten verzichtbar, die vor dem 1. Januar 1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt haben, wenn jeder Kalendermonat vom 1. Januar 1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der BU mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt ist oder wenn die BU vor dem 1. Januar 1984 eingetreten ist; für Kalendermonate, für die eine Beitragszahlung noch zulässig ist, ist eine Belegung mit Anwartschaftserhaltungszeiten nicht erforderlich (§ 240 Abs 2 Satz 2 SGB VI ). Ausgehend von einem jedenfalls am 1. Januar 1999 eingetretenen Versicherungsfall der BU - worauf noch einzugehen sein wird - sind die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen am 1. Februar 1999 beginnenden BU-Rentenanspruch erfüllt. Denn der Kläger hat sowohl vor dem 1. Januar 1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt als auch seit diesem Zeitpunkt jeden Monat (bis heute) mit Anwartschaftserhaltungszeiten gemäß § 240 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI (Beiträge zur Handwerkerpflichtversicherung bzw freiwillige Beiträge) belegt. Es steht fest, dass am 1. Januar 1999 der Versicherungsfall der BU eingetreten war. Nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI ist ein Versicherter berufsunfähig, wenn seine Erwerbsfähigkeit infolge von Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Die "Erwerbsfähigkeit" (nicht: Erwerbsmöglichkeit) des Versicherten (genauer: seine Berufsfähigkeit) muss also allein wesentlich wegen Krankheit oder Behinderung für die Dauer von mehr als 26 Wochen auf weniger als die Hälfte derjenigen eines gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken sein, die verbliebene Berufsfähigkeit darf somit nur noch für weniger als die Hälfte der entsprechenden Arbeit eines gleich qualifizierten gesunden Versicherten ausreichen. Gemäß § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI umfasst der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Berufsfähigkeit des Versicherten zu beurteilen ist, alle Tätigkeiten, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsfähigkeit iS der sozialen (gesetzlichen) BU-Versicherung ist also das Vermögen des Versicherten, dh die ihm zu Gebote stehende Fähigkeit, seine durch Ausbildung oder bisherige Berufstätigkeit erworbene berufliche Qualifikation (Berufskompetenz) im (inländischen) Arbeitsleben zur Erzielung von Einkommen einsetzen zu können. Der Versicherungsfall der BU (vgl dazu BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 13) ist eingetreten, sobald krankheits- oder gebrechensbedingte Einschränkungen der körperlichen, seelischen oder geistigen Leistungsfähigkeit die Fähigkeit des Versicherten, seine bislang auf einer bestimmten Qualifikationshöhe betätigte Berufsfähigkeit weiter einzusetzen, auf weniger als die Hälfte herabgesetzt haben. Rechtsbegründende Voraussetzungen des Versicherungsfalls der BU sind, dass das Leistungsvermögen des Versicherten allein wesentlich bedingt durch Krankheit oder Behinderung ab einem bestimmten Zeitpunkt dauerhaft, dh für mehr als 26 Wochen, derart herabgesunken ist, dass er seinen rentenversicherten "bisherigen Beruf (sog Hauptberuf)" nicht mehr hälftig und vollwertig (und bei der richterrechtlich entwickelten Arbeitsmarktrente wegen BU: vollschichtig) ausüben kann. Ist festgestellt, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind, muss geprüft werden, ob ein zumutbarer Vergleichsberuf (Verweisungsberuf) existiert, also festgestellt werden, ob der Versicherte gesundheitlich fähig ist, einen Beruf, der seinem bisherigen Beruf qualitativ gleichwertig ist, noch vollwertig und wenigstens hälftig (bei der Arbeitsmarktrente wegen BU: vollschichtig) zu verrichten. Kann der Versicherte den typischen Aufgaben eines zumutbaren Verweisungsberufs (fachliches Anforderungsprofil) und den mit diesen fachlichen Anforderungen üblicherweise verbundenen gesundheitlichen Belastungen (gesundheitliches Belastungsprofil) genügen, ist er grundsätzlich nicht berufsunfähig. Der Hauptberuf ist regelmäßig die der Versicherungspflicht zugrundeliegende Berufstätigkeit, die der Versicherte zuletzt auf Dauer, dh mit dem Ziel verrichtet hat, sie bis zum Erreichen der Altersgrenze oder bis zum Eintritt der auf Krankheit oder Behinderung beruhenden Unfähigkeit auszuüben. Wurde zuvor im Laufe des Erwerbslebens eine höherqualifizierte Tätigkeit im Wesentlichen krankheits- oder gebrechensbedingt aufgegeben, so ist zu prüfen, ob diese Tätigkeit maßgeblicher Hauptberuf geblieben ist oder ob der Versicherte ihn dennoch "freiwillig" aufgegeben bzw sich mit seinem Verlust dauerhaft abgefunden hat. Nach diesen Grundsätzen ist als Hauptberuf des Klägers der Beruf des Konditormeisters (ausgeübt in einem Betrieb, in dem Lehrlingsausbildung stattfand) der rentenrechtlichen Beurteilung zu Grunde zu legen, weil es sich dabei um die im März 1987 zuletzt (letzter Monat für den ein Beitrag zur Handwerkerpflichtpflichtversicherung entrichtet worden ist), dh vor dem behaupteten Zeitpunkt des Eintritts der BU, auf Dauer ausgeübte, der Versicherungspflicht unterliegende Berufstätigkeit gehandelt hat. Diesen Beruf kann der Kläger nicht mehr ausüben, da die Tätigkeit eines Konditormeisters als regelmäßige und unverzichtbare Verrichtung die Verkostung zuckerhaltiger Zutaten und Produkte erfordert. Dies kann der Kläger, nachdem der Diabetes mellitus aufgetreten ist, nur noch auf Kosten der Gesundheit, dh unter der Erwartung leisten, dass sich sein Gesundheitszustand verschlechtert. Konkret gesundheitsgefährdende Tätigkeiten nicht ausüben zu müssen, ist Teil des versicherten Risikos. Dass sich Verkostungstätigkeiten sehr ungünstig auf die Diabteserkrankung auswirken bzw dass die Aufnahme von reinem Zucker strikt zu vermeiden ist (sogar "der Kontakt mit Zucker nicht tolerabel scheint" – Seite 10 des Klinikgutachtens) entnimmt der Senat den nachvollziehbaren und überzeugenden gutachtlichen Ausführungen von Dr W-H bzw Dres Kund K. Dass die Befunde, die die diese Beurteilung rechtfertigen, bereits im Januar 1999 vorgelegen haben, wird aus den Feststellungen von Dr W-H deutlich und wird – wie die gesamte medizinische Beurteilung – von der Beklagten nicht in Frage gestellt. Für den Kläger ist auch keine sozial zumutbare Erwerbstätigkeit im Sinne des § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI vorhanden, die der Kläger mit dem ihm seit Januar 1999 verbliebenen Leistungsvermögen noch ausführen kann. Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich dabei nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Zur Vornahme dieser Bewertung hat die höchstrichterliche Rechtsprechung das so genannte Mehrstufenschema entwickelt; dieses Schema untergliedert die Arbeiterberufe in verschiedene Berufsgruppen. Diese Berufsgruppen werden durch die Leitberufe des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert (vgl zB BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 132, 138, 140; BSG, Urteil vom 11. Mai 2000 - B 13 RJ 43/99 R). Der Kläger ist aufgrund seines Hauptberufes, jedenfalls weil er auch Lehrlinge ausgebildet hat (vgl BSG, Urteil vom 21. Februar 1985- 4 RJ 25/84), innerhalb des Mehrstufenschemas der höchsten Stufe zuzuordnen, was inzwischen auch nicht mehr von der Beklagten in Zweifel gezogen wird und deshalb keiner weiteren Vertiefung bedarf. Damit kann er sozial zumutbar nur auf Berufstätigkeiten verwiesen werden, die derselben Stufe oder der nächst niedrigeren Stufe, also der des Facharbeiters, zuzuordnen sind, also eine allgemein anerkannte Ausbildung von mindestens 2 Jahre erfordern. Hierbei ist das Überforderungsgebot (Einarbeitung innerhalb von drei Monaten) zu beachten. Eine Tätigkeit, die dem Kläger sozial zumutbar ist und von ihm sowohl fachlich als auch gesundheitlich noch bewältigt werden kann, ist weder von der Beklagten (zuletzt noch) benannt worden noch für den Senat ersichtlich; insbesondere erfüllt die Tätigkeit eines Verkaufssachbearbeiters im Fachgroßhandel oder in Herstellungsbetrieben für Backmittel, Backhilfsmittel und Backzubehör die Voraussetzungen nicht. Dies entspricht nach eigener Auswertung der Ermittlungsergebnisse auch der Auffassung der Beklagten. Soweit die Beklagte dem Rentenanspruch des Klägers mit dem Einwand entgegentritt, der Kläger habe auch noch in der Zeit von Januar 1999 bis zur Aufgabe des Betriebs im Dezember 2003 in der Produktion mitgearbeitet, könnte dieser Einwand - seine Richtigkeit unterstellt - unter zwei rechtlichen Gesichtspunkten den Eintritt des Versicherungsfalls hindern. Zum einen könnte er geeignet sein, schon bei der Frage des Beweises einer Gesundheitsbeeinträchtigung Zweifel an der Richtigkeit der Einschätzung des medizinischen Restleistungsvermögens des Klägers zu wecken, weil - abgesehen von bestimmten Ausnahmen - die tatsächliche Arbeitsleistung ein Beweismittel sein kann, der ein höherer Beweiswert zukommen kann als einem medizinischen Sachverständigengutachten (vgl BSG SozR 2200 § 1247 Nr 24). Zum anderen könnte er in die Richtung weisen, dass der Kläger noch in der Lage ist, die gesetzliche Lohnhälfte zu erzielen (vgl Niesel in Kasseler Komm, Bd 1, Stand Juni 1998, RdNr 126 f zu § 43 mwN). Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens steht jedoch zur Überzeugung des Senats fest, die er insbesondere auch unter Berücksichtigung der Aussage der Zeugin gewonnen hat, dass der Kläger ab Januar 1999 nicht mehr in der Produktion mitgearbeitet hat. Die Zeugin hat bekundet, dass der Kläger seit dem Auftreten seiner Zuckererkrankung nicht mehr in der Produktion tätig gewesen sei. Diese Aussage ist für den Senat glaubhaft. Sie deckt sich - jedenfalls, was den hier interessierenden Zeitpunkt ab Januar 1999 anlangt - mit den Angaben des Klägers. Sie ist auch schlüssig vor dem Hintergrund des Umfangs der Geschäftstätigkeit der Lieferbäckerei, die zu diesem Zeitpunkt - nach den übereinstimmenden Angaben des Klägers und der Zeugin, die insoweit auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellt werden - bereits aus wirtschaftlichen Gründen derartig abgenommen hatte, dass es der ständigen Mitarbeit einer zweiten Arbeitskraft in der Produktion nicht mehr bedurfte, so dass die Arbeit allein von der Zeugin unter gelegentlicher Inanspruchnahme einer betriebsfremden Aushilfskraft bewältigt werden konnte. Dass die Zeugin diese Arbeitslast angesichts ihrer zu diesem Zeitpunkt bereits bestehenden BU unter Gefährdung ihrer Gesundheit bewältigt hat, steht dem nicht entgegen. Der Senat hält die Zeugin auch für glaubwürdig. Trotz ihrer persönlichen Nähe zum Kläger haftete ihrer Aussage nichts Tendenzhaftes an, was geeignet gewesen wäre, Zweifel an ihrer Redlichkeit aufkommen zu lassen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG)
Rechtskraft
Aus
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