L 23 B 106/06 SO PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
23
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 18 SO 122/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 23 B 106/06 SO PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 10. April 2006 abgeändert. Der Klägerin wird für ihre Klage vor dem Sozialgericht Berlin, soweit diese auf die Leistungsgewährung durch den Beklagten unter Berücksichtigung ihrer Unterkunftskosten in voller Höhe gerichtet ist, Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt P L B, M, B, beigeordnet. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt im Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe für das von ihr vor dem Sozialgericht Berlin unter dem Aktenzeichen S 18 SO 122/06 geführte Hauptsacheverfahren. In diesem begehrt sie sinngemäß die Verurteilung des Beklagten zur Leistungsgewährung unter Berücksichtigung ihrer vollen Wohnungsmiete in Höhe von 428,65 EUR brutto/warm sowie zur Zahlung einer Kaution in Höhe von 891,99 EUR.

Die Klägerin, die mit einem Grad der Behinderung von 50 als schwerbehindert anerkannt ist, bezieht eine zeitlich befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung und von dem Beklagten ergänzende laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII).

Mit Schreiben vom 01. Juni 2005 teilte sie dem Beklagten unter Bezugnahme auf ein Telefonat vom selben Tage mit, dass sie zum 01. September 2005 die Wohnung im O Weg in B anmieten werde. Diese Wohnung hat eine Wohnfläche von 54,06 m², die Nettokaltmiete beträgt 297,33 EUR. Der Beklagte teilte ihr daraufhin mit Schreiben vom 08. Juni 2005 die aus sozialhilferechtlicher Sicht gegenwärtig geltenden Höchstgrenzen der Mietkosten und Wohnungsgrößen für einen Einpersonenhaushalt mit. Die Klägerin übermittelte dem Beklagten mit Schreiben vom 18. August 2005 "wie mit Ihnen am 10.6.05 tel. besprochen" ihre neue Anschrift sowie die Änderung eines Dauerauftrages mit und schloss am 24. August 2005 einen Mietvertrag über die Wohnung O Weg zum 01. September 2005 ab.

Mit Bescheid vom 07. September 2005 gewährte der Beklagte der Klägerin ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt und legte seiner Bedarfsberechnung als Kosten der Unterkunft nicht die tatsächlichen Mietkosten, sondern lediglich die Kosten für eine sozialhilferechtlich angemessene Miete zugrunde.

Hiergegen erhob die Klägerin am 23. September 2005 Widerspruch, mit dem sie geltend machte, der Wohnungswechsel sei in Abstimmung mit dem zuständigen Sachbearbeiter der Beklagten erfolgt. Sie habe diesem versichern müssen, dass sie alle anfallenden Kosten (Endrenovierung, Mieten, Kaution und Umzug) selbst übernehme. Dies habe sie getan. Daraufhin habe sie nur ein Informationsschreiben, also keine Zu- oder Absage, erhalten. Sie sei auch nicht darüber informiert worden, dass sie einen Antrag auf "Umzug aus gesundheitlichen Gründen" stellen könne. Bei jedem Telefonat bzw. Schreiben habe sie erwähnt, dass sie aus gesundheitlichen Gründen umziehen müsse. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23. Dezember 2005 zurück. Eine Zustimmung zur Übernahme der über die angemessenen Aufwendungen hinausgehenden Mietzahlungen liege nicht vor. Anzusetzen seien im Fall der Klägerin eine Wohnfläche bis 50 m² und eine Mietobergrenze von 225,00 EUR kalt.

Zur Begründung ihrer am 11. Januar 2006 erhobenen Klage vor dem Sozialgericht, mit der sie zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten beantragt hat, hat die Klägerin im Wesentlichen ausgeführt, dass der Wohnungswechsel mit dem Sachbearbeiter der Beklagten, Herrn O, besprochen worden sei und dieser sein Einverständnis erklärt habe. Herr O habe in einem Telefonat am 10. Juni 2005 erklärt, das Schreiben der Behörde vom 08. Juni 2005 sei überholt und es sei nur noch erforderlich, dass sie, die Klägerin, ihre neue Anschrift und die Einrichtung eines Dauerauftrages für die Miete dieser neuen Wohnung mitteile. Als Beweis für den Inhalt dieses Telefonats hat die Klägerin Zeugnis der Frau J S angeboten.

Mit Beschluss vom 10. April 2006 hat das Sozialgericht Berlin das Prozesskostenhilfegesuch zurückgewiesen, weil die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Die Klägerin sei ohne vorherige Zustimmung des Beklagten eine neue Mietverbindlichkeit mit einer höheren Miete eingegangen, obwohl die Beklagte sie vor Abschluss des Mietvertrages mit Schreiben vom 08. Juni 2005 auf die sozialhilferechtlichen Miet- und Wohnflächenobergrenzen hingewiesen habe.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Entscheidung vom 22. Mai 2006). Unter Vertiefung ihres Vorbringens im Klageverfahren beantragt sie sinngemäß,

ihr, der Klägerin, unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Berlin vom 10. April 2006 für den Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Berlin Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt P L B zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Klägerin beziehe sich auf eine mündliche Zusicherung eines Mitarbeiters des Beklagten. Eine Zusicherung bedürfe aber der Schriftform. Die fehlende Schriftform könne nicht durch den Beweis einer entsprechenden mündlichen Erklärung ersetzt werden. Die Klage biete daher keine Aussicht auf Erfolg.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes zum Zeitpunkt der Entscheidung wird auf die Gerichtsakte des Prozesskostenhilfeverfahrens sowie auf die Gerichtsakte des Sozialgerichts Berlin S 18 SO 122/06 sowie auf den Verwaltungsvorgang des Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung und Entscheidung gewesen sind.

II.

Die statthafte, form- und fristgemäß eingelegte Beschwerde ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet.

Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts Berlin kann der Klage, soweit sie auf die Anerkennung der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung ab September 2005 gerichtet ist, eine hinreichende Aussicht auf Erfolg nicht von vornherein abgesprochen werden.

Das Sozialgericht wird vielmehr - durch Vernehmung des Mitarbeiters der Beklagten und der von der Klägerin benannten Zeugin - Beweis darüber zu erheben haben, ob der Mitarbeiter der Beklagten der Anmietung der Wohnung im O Weg durch die Klägerin, wie diese vorträgt, zugestimmt hat. Nach dem Wortlaut des § 29 Abs. 1 Satz 5 SGB XII ist der Träger der Sozialhilfe zur Übernahme von unangemessenen Aufwendungen für die Unterkunft dann verpflichtet, wenn er den über die angemessenen Aufwendungen hinausgehenden Aufwendungen vorher zugestimmt hat.

Ein Anspruch der Klägerin scheitert nicht schon an der fehlenden Schriftform der behaupteten Zustimmung des Mitarbeiters der Beklagten. Eine Zustimmung nach § 29 Abs. 1 Satz 5 SGB XII stellt rechtstechnisch keine Zusicherung im Sinne des § 34 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) dar, weil sie mit den berücksichtigungsfähigen Unterkunftskosten lediglich eine unselbständige Bedarfsgröße für die Leistungsgewährung betrifft, nicht aber eine Zusage darstellt, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen (Berlit in LPK - SGB XII § 29 Rdnr. 55). Dass es sich bei der Zustimmung im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 5 SGB XII nicht um eine Zusicherung nach § 34 SGB X handelt, die zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Form bedarf, folgt im Übrigen auch aus dem Wortlaut der Vorschrift. Denn anders als in der vergleichbaren Bestimmung des § 22 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) verwendet der Gesetzgeber in § 29 SGB XII statt des festgelegten Rechtsterminus der "Zusicherung" nur den Begriff "Zustimmung"; wobei selbst für den Begriff der "Zusicherung" im Rahmen des § 22 SGB II bezweifelt wird, ob mit diesem eine Zusicherung i. S. d. § 34 SGB X gemeint sei (vgl. Grube in Grube/Warendorf, SGB XII, SGB II § 22 Rdnr. 6). Das Sozialgericht wird daher durch Vernehmung des Mitarbeiters der Beklagten sowie der von der Klägerin benannten Zeugin aufzuklären haben, ob eine vorherige Zustimmung zur Anmietung der Wohnung der Klägerin im O Weg und somit zur Übernahme bzw. Berücksichtigung der hiermit verbundenen sozialhilferechtlich unangemessenen Kosten vorlag.

Die Klägerin ist als Bezieherin von ergänzenden Leistungen der Sozialhilfe nach ihren wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung aufzubringen. Der Klägerin war daher für ihre auf Berücksichtigung der vollen Unterkunftskosten gerichtete Klage Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung zu bewilligen. Die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erscheint erforderlich (§ 121 Abs. 2 ZPO).

Soweit die Klägerin daneben mit der Klage auch die Zahlung einer Mietkaution geltend macht, fehlt ihrem Klagebegehren jedoch bereits nach dem eigenen Vorbringen eine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Gemäß § 29 Abs. 1 Satz 7 SGB XII können Mietkautionen (nur) bei vorheriger Zustimmung des Sozialhilfeträgers übernommen werden. Die Klägerin behauptet selbst nicht, dass eine derartige Zustimmung erteilt worden sei. Vielmehr hat sie in ihrem Widerspruchsschreiben vom 21. September 2005 angegeben, dass sie dem Sachbearbeiter der Beklagten habe versichern müssen, dass sie u. a. die Kaution selbst übernehme. Anhaltspunkte dafür, dass eine Zustimmung nach § 29 Abs. 1 Satz 8 SGB XII hätte erteilt werden müssen, weil der Umzug notwendig war und ohne die Zustimmung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht hätte gefunden werden können, sind vor dem Hintergrund des entspannten Berliner Wohnungsmarktes nicht ersichtlich. Die Beschwerde war insoweit zurückzuweisen.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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