Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 29 RJ 91/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 8 RJ 61/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. Juni 2004 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens gemäß § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) die Höhe der der Klägerin zustehenden Witwenrente insoweit, als diese ihr wegen der gleichzeitig gewährten Versichertenrente nur gekürzt gezahlt wird, weil beide Renten auf nach dem Fremdrentengesetz (FRG) zu berücksichtigenden Zeiten beruhen.
Die im November 1937 geborene Klägerin ist die Witwe des 1936 geborenen und 1977 verstorbenen P N. Die Eheleute lebten von Geburt an in der ehemaligen Sowjetunion und waren auch nur dort versicherungspflichtig beschäftigt.
Die Klägerin siedelte am 29. September 2001 nach Deutschland über und wurde hier als Spätaussiedlerin im Sinne von § 4 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) anerkannt. Die Klägerin bezieht antragsgemäß seit diesem Tage eine Versichertenrente aus eigenen, nach dem FRG anrechenbaren Zeiten (Bescheide der Beklagten vom 25. Februar und 18. März 2002); der Berechnung liegen insgesamt 23,1257 Entgeltpunkte für anrechenbare Zeiten nach dem FRG zu Grunde.
Aus der Versicherung des verstorbenen Ehemannes gewährte die Beklagte der Klägerin außerdem eine Witwenrente ab 29. September 2001 (Bescheid vom 5. März 2002). Dabei wurden zur Ermittlung der zu zahlenden Rente von insgesamt 23,3940 Entgeltpunkten für anrechenbare FRG-Zeiten lediglich 1,8743 Entgeltpunkte in Begrenzung der Entgeltpunkte nach dem FRG aus beiden Renten auf insgesamt 25 Entgeltpunkte berücksichtigt.
Im Mai 2002 beantragte die Klägerin unter Bezugnahme auf ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30. August 2001 (B 4 RA 118/00 R- in SozR 3-5050 § 22 b Nr. 2) die Neufeststellung ihrer Witwenrente. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, da die vom BSG vertretene Auffassung, dass im Falle des Zusammentreffens von Versicherten- und Hinterbliebenenrente § 22 b FRG nicht anzuwenden sei, in Übereinstimmung mit den anderen Rentenversicherungsträgern nicht geteilt werde (Bescheid vom 31. Juli 2002, Widerspruchsbescheid vom 16. Dezember 2002).
Dagegen hat sich die Klägerin mit ihrer zum Sozialgericht (SG) Berlin erhobenen Klage gewandt und die Gewährung der Witwenrente ohne die Begrenzung der auf FRG-Zeiten beruhenden Entgeltpunkte beansprucht.
Das SG ist mit Urteil vom 17. Juni 2004 der klägerischen Auffassung gefolgt und hat die Beklagte verurteilt, den Rentenbescheid vom 5. März 2002 insoweit zurückzunehmen, als darin bei der Berechnung der Rente eine Begrenzung der auf FRG-Zeiten beruhenden Entgeltpunkte auf 1,8743 Entgeltpunkte vorgenommen wurde. Zur Begründung hat es sich auf das Urteil des BSG vom 30. August 2001 bezogen, das eine Begrenzung der auf FRG-Zeiten beruhenden Entgeltpunkte bei dem gleichzeitigen Bezug von Versichertenrente und Hinterbliebenenrente entgegen der Auffassung der Beklagten nicht anordne.
Hiergegen hat sich die Beklagte mit ihrer Berufung gewandt, mit der sie ihre bisherige Auffassung wiederholt und ergänzend darauf verweist, dass der Gesetzgeber den der Entscheidung des SG noch zugrunde liegenden § 22 b Abs. 1 FRG i. d. F. des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes vom 25. September 1996 (BGBl. I S. 1461, im Folgenden § 22 b FRG a. F.) zwischenzeitlich durch Art. 9 Nr. 2 des Gesetzes zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der Rentenversicherung – RV – Nachhaltigkeitsgesetz – vom 21. Juli 2004 (BGBl. I Seite 1791, im folgenden FRG n. F.) klarstellend neu gefasst und mit Wirkung zum 7. Mai 1996 hat inkrafttreten lassen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. Juni 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die Gerichtsakte sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte (Versicherungsnummer: ), die Gegenstand der Beratung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat ohne mündliche Verhandlung entschieden, da sich die Beteiligten mit diesem Verfahren einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes –SGG-).
Die zulässige Berufung ist begründet. Die Beklagte hat mit dem angefochtenen Bescheid zu Recht eine Korrektur des Bescheides vom 5. März 2002, mit dem die Hinterbliebenenrente nur auf der Grundlage begrenzter Entgeltpunkte bewilligt worden ist, abgelehnt. Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Außer Streit steht, dass die Klägerin, die 2001 und demnach vor dem in § 14a FRG n.F. genannten Stichtag 1. Januar 2002 in die Bundesrepublik Deutschland übergesiedelt war, dem Grunde nach einen Anspruch auf Witwenrente auf der Grundlage einer so genannten "fiktiven FRG-Rente" hatte (s. dazu ausführlich BSG, Urteil vom 21. Juni 2005 – B 8 KN 9/04 R -, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Ob die Beklagte bei Erlass des Bescheides vom 5. März 2002 das Recht unrichtig angewandt hatte, was sich nach dem bei Erlass des Verwaltungsakts anwendbaren Recht beurteilt, kann dahinstehen. Selbst wenn davon ausgegangen wird, dass § 22b Abs. 1 Satz 3 FRG a.F. nicht dazu führt, dass die einer Rente für FRG-Zeiten zu Grunde zu legenden Entgeltpunkte in der Weise begrenzt werden, dass die Höchstgrenze nach § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG a.F. von 25 Entgeltpunkten auch für den Fall des Zusammentreffens einer Rente aus eigener Versicherung mit einer Hinterbliebenenrente gilt, wenn für beide Renten FRG-Zeiten berücksichtigt sind (so BSG, Urteile vom 21. Juni 2005 – B 8 KN 9/04 R und 1/05 R -, beide zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, im Anschluss an BSG SozR 4-5050 § 22b Nr. 1 und 2 und BSG SozR 3-5050 § 22b Nr. 2), begründete die sonach unrichtige Rechtsanwendung durch die Beklagte noch keinen Rücknahmeanspruch. Denn der Klägerin sind deswegen keine Sozialleistungen zu Unrecht vorenthalten worden. Ob diese Voraussetzung des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X vorliegt, beantwortet sich nach der materiellen Rechtslage, wie sie sich für den im September 2001 entstandenen Rentenanspruch der Klägerin zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Überprüfungsentscheidung ergibt (s. auch hierzu BSG, Urteil vom 21. Juni 2005 – B 8 KN 9/04 R – mit weiteren Nachweisen). Vorliegend ist deshalb zu berücksichtigen, dass § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG a.F. rückwirkend zum 7. Mai 1996 durch § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG n.F. ersetzt worden ist, der bestimmt, dass für anrechenbare Zeiten nach dem FRG für Renten aus eigener Versicherung und wegen Todes eines Berechtigten insgesamt höchstens 25 Entgeltpunkte der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten zu Grunde gelegt werden. Es gibt keine gesetzliche Bestimmung, welche die Anwendung des § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG n.F. im vorliegenden Fall ausschließen könnte, und der Gesetzgeber war auch von Verfassungs wegen nicht gehindert, den Anspruch auf Hinterbliebenenrente in die Begrenzungsregelung des § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG n.F. einzubeziehen (in diesem Sinne wiederum im Besonderen BSG, Urteil vom 21. Juni 2005 – B 8 KN 9/04 R -; s. auch BSG, Urteile vom 21. Juni 2005 – B 8 KN 1/05 R - und vom 5. Oktober 2005 – B 5 RJ 57/03 und 39/04 R -, zitiert nach Juris). Die Begrenzungsregelung in § 22b Abs. 1 FRG a.F. hatte das BSG bereits für verfassungsmäßig erachtet (BSG SozR 3-5050 § 22b Nr. 1 und 3 sowie BSG SozR 4-5050 § 22b Nr. 2 und 3). § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG n.F. führt den mit § 22b FRG bereits in der Fassung des WFG vorgenommenen Systemwechsel fort. Daher ist die Erweiterung der Begrenzungsregelung nicht anders zu beurteilen als die bisherige Regelung. Ein Eingriff in das Grundrecht auf Eigentum (Art. 14. Abs. 1 Grundgesetz [GG]) scheidet bereits deshalb aus, weil selbst der Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach einem ausschließlich in der bundesdeutschen Rentenversicherung Versicherten nicht von diesem Grundrecht geschützt wird (BVerfGE 97, 271). Aber auch der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ist nicht berührt. Die Ungleichbehandlung der Klägerin gegenüber Hinterbliebenen, deren Renten keine Entgeltpunkte für FRG-Zeiten zu Grunde liegen, beruht darauf, dass dem FRG-Anteil ihrer Renten keine Beiträge zur bundesdeutschen Rentenversicherung zugeordnet werden können. Die hieraus sich ergebenden Leistungen werden vielmehr aus sozialstaatlichen Gründen gewährt; dies ist ein sachgerechtes Unterscheidungskriterium. § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG n.F. ist schließlich auch insoweit verfassungsgemäß, als er den bereits vor Verkündung dieser Vorschrift bestehenden Anspruch der Klägerin vom Zeitpunkt seines Entstehens an erfasst. Zwar handelt es sich dabei um eine verfassungsrechtlich grundsätzlich verbotene so genannte echte Rückwirkung bzw. Rückbewirkung von Rechtsfolgen (s. dazu etwa BVerfGE 72, 200 [242, 255, 257]). Das Verbot der echten Rückwirkung kann aber dann ausnahmsweise durchbrochen werden, wenn sich bei den Betroffenen kein schutzwürdiges Vertrauen bilden konnte. Das ist etwa dann der Fall, wenn das geltende Recht unklar und verworren war, sodass eine baldige Klärung erwartet werden musste (BVerfGE 30, 367 [388]; 45, 142 [173]; 50, 177 [193] und 72, 200 [259]). Diese Voraussetzung ist nach der Rechtsprechung des BVerfG erfüllt, wenn die ursprüngliche Norm von vornherein Anlass zu Auslegungsproblemen gibt, "deren Lösung nur in einer Zusammenschau von Wortlaut, Entstehungsgeschichte, System und gesetzgeberischer Zielsetzung" möglich ist (BVerfGE 50, 177 [194]). In diesem Fall entsteht Rechtssicherheit hinsichtlich des Norminhalts erst durch die Rechtsprechung, insbesondere die des zuständigen höchsten Fachgerichts und/oder eine ständige Praxis der Gesetzesanwendung, die dann Grundlage für eine schutzwürdige Vertrauensbildung wird. Dies berücksichtigend hat das Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetz durch seine rückwirkend mit dem Tag des Inkraftretens der Ursprungsfassung des § 22b FRG in Kraft getretenen Änderung des § 22b Abs. 1 Satz FRG schutzwürdiges Vertrauen in den Norminhalt des § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG a.F. nicht verletzt. Solch ein Vertrauen konnte sich vor dem Gesetzesbeschluss des Bundestages vom 11. März 2004 nicht bilden, dem entsprechend war auch keine Übergangsregelung notwendig. Bis zum Urteil des 4. Senats des BSG vom 30. August 2001 (SozR 3-5050 § 22b Nr. 2) wurde die Vorschrift von den Trägern der Rentenversicherung durchgehend dahin verstanden, dass der Höchstwert von 25 Entgeltpunkten alle für FRG-Zeiten ermittelten Entgeltpunkte erfasse, unabhängig davon, aus welcher Versicherung sie stammten. Dieses Verständnis wurde praktisch weder von den Gerichten der ersten und zweiten Instanz noch von den Betroffenen in Frage gestellt. Auch in dem Fall, der dem Urteil des 4. Senats zu Grunde liegt, war das in den ersten beiden Instanzen zwischen den Beteiligten unstreitig (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26. Oktober 2000 - L 12 RA 2663/99 -, zitiert nach Juris); gestritten wurde darüber, ob die Begrenzung verfassungsgemäß sei. Die Auslegung des 4. Senats überraschte daher und wurde von den Rentenversicherungsträgern übereinstimmend nicht befolgt. Die erneut mit entsprechenden Streitigkeiten befassten Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit schlossen sich dem Urteil des BSG nur teilweise an. Zu abweichenden Entscheidungen kam es sogar dann noch, als weitere Fachsenate des BSG im März 2004 (13. Senat, s. in SozR 4-5050 § 22b Nr. 1) und Juli 2004 (8. Senat, in SozR 4-5050 § 22b Nr. 2) der Auffassung des 4. Senats folgten (ausführliche Darstellung wiederum im Urteil des BSG vom 21. Juni 2005 – B 8 KN 9/04 R -) Hinzu kommt, dass die Entscheidung des 4. Senats aus dem Jahr 2001 noch nicht alle Rechtsfragen im Zusammenhang mit § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG a.F. geklärt hatte. Im Hinblick auf den bedeutsamen Widerspruch gegen die Auslegung des 4. Senats und die damit verbundenen weiteren Fragen war das Ergebnis der ausstehenden Prüfung durch die anderen Rentensenate des BSG offen. Erst mit den Urteilen des 13. Senats vom März 2004 und des 8. Senats vom Juli 2004 konnte deshalb erwartet werden, dass es bei dieser Auslegung bleiben werde. Zu diesem Zeitpunkt war – am 11. März 2004 – der Gesetzesbeschluss über das Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetz aber bereits ergangen. Ein berechtigtes Vertrauen in einen ihnen günstigen Inhalt des § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG a.F. konnte sich daher bei den Betroffenen nicht bilden (vgl. zu allem bereits den Beschluss des Senats vom 2. März 2006 – L 8 R 428/05). Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis der Hauptsache. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens gemäß § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) die Höhe der der Klägerin zustehenden Witwenrente insoweit, als diese ihr wegen der gleichzeitig gewährten Versichertenrente nur gekürzt gezahlt wird, weil beide Renten auf nach dem Fremdrentengesetz (FRG) zu berücksichtigenden Zeiten beruhen.
Die im November 1937 geborene Klägerin ist die Witwe des 1936 geborenen und 1977 verstorbenen P N. Die Eheleute lebten von Geburt an in der ehemaligen Sowjetunion und waren auch nur dort versicherungspflichtig beschäftigt.
Die Klägerin siedelte am 29. September 2001 nach Deutschland über und wurde hier als Spätaussiedlerin im Sinne von § 4 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) anerkannt. Die Klägerin bezieht antragsgemäß seit diesem Tage eine Versichertenrente aus eigenen, nach dem FRG anrechenbaren Zeiten (Bescheide der Beklagten vom 25. Februar und 18. März 2002); der Berechnung liegen insgesamt 23,1257 Entgeltpunkte für anrechenbare Zeiten nach dem FRG zu Grunde.
Aus der Versicherung des verstorbenen Ehemannes gewährte die Beklagte der Klägerin außerdem eine Witwenrente ab 29. September 2001 (Bescheid vom 5. März 2002). Dabei wurden zur Ermittlung der zu zahlenden Rente von insgesamt 23,3940 Entgeltpunkten für anrechenbare FRG-Zeiten lediglich 1,8743 Entgeltpunkte in Begrenzung der Entgeltpunkte nach dem FRG aus beiden Renten auf insgesamt 25 Entgeltpunkte berücksichtigt.
Im Mai 2002 beantragte die Klägerin unter Bezugnahme auf ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30. August 2001 (B 4 RA 118/00 R- in SozR 3-5050 § 22 b Nr. 2) die Neufeststellung ihrer Witwenrente. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, da die vom BSG vertretene Auffassung, dass im Falle des Zusammentreffens von Versicherten- und Hinterbliebenenrente § 22 b FRG nicht anzuwenden sei, in Übereinstimmung mit den anderen Rentenversicherungsträgern nicht geteilt werde (Bescheid vom 31. Juli 2002, Widerspruchsbescheid vom 16. Dezember 2002).
Dagegen hat sich die Klägerin mit ihrer zum Sozialgericht (SG) Berlin erhobenen Klage gewandt und die Gewährung der Witwenrente ohne die Begrenzung der auf FRG-Zeiten beruhenden Entgeltpunkte beansprucht.
Das SG ist mit Urteil vom 17. Juni 2004 der klägerischen Auffassung gefolgt und hat die Beklagte verurteilt, den Rentenbescheid vom 5. März 2002 insoweit zurückzunehmen, als darin bei der Berechnung der Rente eine Begrenzung der auf FRG-Zeiten beruhenden Entgeltpunkte auf 1,8743 Entgeltpunkte vorgenommen wurde. Zur Begründung hat es sich auf das Urteil des BSG vom 30. August 2001 bezogen, das eine Begrenzung der auf FRG-Zeiten beruhenden Entgeltpunkte bei dem gleichzeitigen Bezug von Versichertenrente und Hinterbliebenenrente entgegen der Auffassung der Beklagten nicht anordne.
Hiergegen hat sich die Beklagte mit ihrer Berufung gewandt, mit der sie ihre bisherige Auffassung wiederholt und ergänzend darauf verweist, dass der Gesetzgeber den der Entscheidung des SG noch zugrunde liegenden § 22 b Abs. 1 FRG i. d. F. des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes vom 25. September 1996 (BGBl. I S. 1461, im Folgenden § 22 b FRG a. F.) zwischenzeitlich durch Art. 9 Nr. 2 des Gesetzes zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der Rentenversicherung – RV – Nachhaltigkeitsgesetz – vom 21. Juli 2004 (BGBl. I Seite 1791, im folgenden FRG n. F.) klarstellend neu gefasst und mit Wirkung zum 7. Mai 1996 hat inkrafttreten lassen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. Juni 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die Gerichtsakte sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte (Versicherungsnummer: ), die Gegenstand der Beratung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat ohne mündliche Verhandlung entschieden, da sich die Beteiligten mit diesem Verfahren einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes –SGG-).
Die zulässige Berufung ist begründet. Die Beklagte hat mit dem angefochtenen Bescheid zu Recht eine Korrektur des Bescheides vom 5. März 2002, mit dem die Hinterbliebenenrente nur auf der Grundlage begrenzter Entgeltpunkte bewilligt worden ist, abgelehnt. Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Außer Streit steht, dass die Klägerin, die 2001 und demnach vor dem in § 14a FRG n.F. genannten Stichtag 1. Januar 2002 in die Bundesrepublik Deutschland übergesiedelt war, dem Grunde nach einen Anspruch auf Witwenrente auf der Grundlage einer so genannten "fiktiven FRG-Rente" hatte (s. dazu ausführlich BSG, Urteil vom 21. Juni 2005 – B 8 KN 9/04 R -, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Ob die Beklagte bei Erlass des Bescheides vom 5. März 2002 das Recht unrichtig angewandt hatte, was sich nach dem bei Erlass des Verwaltungsakts anwendbaren Recht beurteilt, kann dahinstehen. Selbst wenn davon ausgegangen wird, dass § 22b Abs. 1 Satz 3 FRG a.F. nicht dazu führt, dass die einer Rente für FRG-Zeiten zu Grunde zu legenden Entgeltpunkte in der Weise begrenzt werden, dass die Höchstgrenze nach § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG a.F. von 25 Entgeltpunkten auch für den Fall des Zusammentreffens einer Rente aus eigener Versicherung mit einer Hinterbliebenenrente gilt, wenn für beide Renten FRG-Zeiten berücksichtigt sind (so BSG, Urteile vom 21. Juni 2005 – B 8 KN 9/04 R und 1/05 R -, beide zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, im Anschluss an BSG SozR 4-5050 § 22b Nr. 1 und 2 und BSG SozR 3-5050 § 22b Nr. 2), begründete die sonach unrichtige Rechtsanwendung durch die Beklagte noch keinen Rücknahmeanspruch. Denn der Klägerin sind deswegen keine Sozialleistungen zu Unrecht vorenthalten worden. Ob diese Voraussetzung des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X vorliegt, beantwortet sich nach der materiellen Rechtslage, wie sie sich für den im September 2001 entstandenen Rentenanspruch der Klägerin zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Überprüfungsentscheidung ergibt (s. auch hierzu BSG, Urteil vom 21. Juni 2005 – B 8 KN 9/04 R – mit weiteren Nachweisen). Vorliegend ist deshalb zu berücksichtigen, dass § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG a.F. rückwirkend zum 7. Mai 1996 durch § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG n.F. ersetzt worden ist, der bestimmt, dass für anrechenbare Zeiten nach dem FRG für Renten aus eigener Versicherung und wegen Todes eines Berechtigten insgesamt höchstens 25 Entgeltpunkte der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten zu Grunde gelegt werden. Es gibt keine gesetzliche Bestimmung, welche die Anwendung des § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG n.F. im vorliegenden Fall ausschließen könnte, und der Gesetzgeber war auch von Verfassungs wegen nicht gehindert, den Anspruch auf Hinterbliebenenrente in die Begrenzungsregelung des § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG n.F. einzubeziehen (in diesem Sinne wiederum im Besonderen BSG, Urteil vom 21. Juni 2005 – B 8 KN 9/04 R -; s. auch BSG, Urteile vom 21. Juni 2005 – B 8 KN 1/05 R - und vom 5. Oktober 2005 – B 5 RJ 57/03 und 39/04 R -, zitiert nach Juris). Die Begrenzungsregelung in § 22b Abs. 1 FRG a.F. hatte das BSG bereits für verfassungsmäßig erachtet (BSG SozR 3-5050 § 22b Nr. 1 und 3 sowie BSG SozR 4-5050 § 22b Nr. 2 und 3). § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG n.F. führt den mit § 22b FRG bereits in der Fassung des WFG vorgenommenen Systemwechsel fort. Daher ist die Erweiterung der Begrenzungsregelung nicht anders zu beurteilen als die bisherige Regelung. Ein Eingriff in das Grundrecht auf Eigentum (Art. 14. Abs. 1 Grundgesetz [GG]) scheidet bereits deshalb aus, weil selbst der Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach einem ausschließlich in der bundesdeutschen Rentenversicherung Versicherten nicht von diesem Grundrecht geschützt wird (BVerfGE 97, 271). Aber auch der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ist nicht berührt. Die Ungleichbehandlung der Klägerin gegenüber Hinterbliebenen, deren Renten keine Entgeltpunkte für FRG-Zeiten zu Grunde liegen, beruht darauf, dass dem FRG-Anteil ihrer Renten keine Beiträge zur bundesdeutschen Rentenversicherung zugeordnet werden können. Die hieraus sich ergebenden Leistungen werden vielmehr aus sozialstaatlichen Gründen gewährt; dies ist ein sachgerechtes Unterscheidungskriterium. § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG n.F. ist schließlich auch insoweit verfassungsgemäß, als er den bereits vor Verkündung dieser Vorschrift bestehenden Anspruch der Klägerin vom Zeitpunkt seines Entstehens an erfasst. Zwar handelt es sich dabei um eine verfassungsrechtlich grundsätzlich verbotene so genannte echte Rückwirkung bzw. Rückbewirkung von Rechtsfolgen (s. dazu etwa BVerfGE 72, 200 [242, 255, 257]). Das Verbot der echten Rückwirkung kann aber dann ausnahmsweise durchbrochen werden, wenn sich bei den Betroffenen kein schutzwürdiges Vertrauen bilden konnte. Das ist etwa dann der Fall, wenn das geltende Recht unklar und verworren war, sodass eine baldige Klärung erwartet werden musste (BVerfGE 30, 367 [388]; 45, 142 [173]; 50, 177 [193] und 72, 200 [259]). Diese Voraussetzung ist nach der Rechtsprechung des BVerfG erfüllt, wenn die ursprüngliche Norm von vornherein Anlass zu Auslegungsproblemen gibt, "deren Lösung nur in einer Zusammenschau von Wortlaut, Entstehungsgeschichte, System und gesetzgeberischer Zielsetzung" möglich ist (BVerfGE 50, 177 [194]). In diesem Fall entsteht Rechtssicherheit hinsichtlich des Norminhalts erst durch die Rechtsprechung, insbesondere die des zuständigen höchsten Fachgerichts und/oder eine ständige Praxis der Gesetzesanwendung, die dann Grundlage für eine schutzwürdige Vertrauensbildung wird. Dies berücksichtigend hat das Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetz durch seine rückwirkend mit dem Tag des Inkraftretens der Ursprungsfassung des § 22b FRG in Kraft getretenen Änderung des § 22b Abs. 1 Satz FRG schutzwürdiges Vertrauen in den Norminhalt des § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG a.F. nicht verletzt. Solch ein Vertrauen konnte sich vor dem Gesetzesbeschluss des Bundestages vom 11. März 2004 nicht bilden, dem entsprechend war auch keine Übergangsregelung notwendig. Bis zum Urteil des 4. Senats des BSG vom 30. August 2001 (SozR 3-5050 § 22b Nr. 2) wurde die Vorschrift von den Trägern der Rentenversicherung durchgehend dahin verstanden, dass der Höchstwert von 25 Entgeltpunkten alle für FRG-Zeiten ermittelten Entgeltpunkte erfasse, unabhängig davon, aus welcher Versicherung sie stammten. Dieses Verständnis wurde praktisch weder von den Gerichten der ersten und zweiten Instanz noch von den Betroffenen in Frage gestellt. Auch in dem Fall, der dem Urteil des 4. Senats zu Grunde liegt, war das in den ersten beiden Instanzen zwischen den Beteiligten unstreitig (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26. Oktober 2000 - L 12 RA 2663/99 -, zitiert nach Juris); gestritten wurde darüber, ob die Begrenzung verfassungsgemäß sei. Die Auslegung des 4. Senats überraschte daher und wurde von den Rentenversicherungsträgern übereinstimmend nicht befolgt. Die erneut mit entsprechenden Streitigkeiten befassten Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit schlossen sich dem Urteil des BSG nur teilweise an. Zu abweichenden Entscheidungen kam es sogar dann noch, als weitere Fachsenate des BSG im März 2004 (13. Senat, s. in SozR 4-5050 § 22b Nr. 1) und Juli 2004 (8. Senat, in SozR 4-5050 § 22b Nr. 2) der Auffassung des 4. Senats folgten (ausführliche Darstellung wiederum im Urteil des BSG vom 21. Juni 2005 – B 8 KN 9/04 R -) Hinzu kommt, dass die Entscheidung des 4. Senats aus dem Jahr 2001 noch nicht alle Rechtsfragen im Zusammenhang mit § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG a.F. geklärt hatte. Im Hinblick auf den bedeutsamen Widerspruch gegen die Auslegung des 4. Senats und die damit verbundenen weiteren Fragen war das Ergebnis der ausstehenden Prüfung durch die anderen Rentensenate des BSG offen. Erst mit den Urteilen des 13. Senats vom März 2004 und des 8. Senats vom Juli 2004 konnte deshalb erwartet werden, dass es bei dieser Auslegung bleiben werde. Zu diesem Zeitpunkt war – am 11. März 2004 – der Gesetzesbeschluss über das Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetz aber bereits ergangen. Ein berechtigtes Vertrauen in einen ihnen günstigen Inhalt des § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG a.F. konnte sich daher bei den Betroffenen nicht bilden (vgl. zu allem bereits den Beschluss des Senats vom 2. März 2006 – L 8 R 428/05). Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis der Hauptsache. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
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