Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 38 SO 3523/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 15 B 102/06 SO PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zum zeitlichen Ablauf von Prozesskostenhilfe- und Hauptsacheverfahren
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 18. April 2006 aufgehoben. Der Klägerin wird für das Hauptsacheverfahren vor dem Sozialgericht Berlin Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung gewährt und Rechtsanwalt M W, M-v-R-Straße , B beigeordnet.
Gründe:
Der Beschluss des Sozialgerichts war aufzuheben, da die Voraussetzungen für die Gewährung der Prozesskostenhilfe erfüllt sind. Der Senat konnte die für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht der Klage (§ 73a Sozialgerichtsgesetz [SGG] in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung) lediglich anhand des vom Sozialgericht angelegten "Sonderhefts Prozesskostenhilfe" prüfen, da ihm die zugehörige Gerichtsakte trotz zweimaliger Aufforderung vom Sozialgericht nicht übersandt worden und darüber hinaus dem Schreiben des Kammervorsitzenden vom 26. Mai 2006 (beim Landessozialgericht eingegangen am 7. Juni 2006) zu entnehmen ist, dass er vor Übersendung der Akten beabsichtigt, in der Hauptsache durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Auch ohne die Gerichtsakte war jedoch eine Entscheidung über die Beschwerde geboten. Sowohl Prozesskostenhilfeverfahren als auch Verfahren in Sozialhilfesachen gehören zu den Rechtsangelegenheiten, die wegen ihrer Natur und ihrer Bedeutung für die Betroffenen einer gewissen Eilbedürftigkeit unterliegen (s. dazu wie auch zum Folgenden etwa Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 14. Oktober 2003 – 1 BvR 901/03 – info also 2004, 23). Das Prozesskostenhilfeverfahren genießt dabei gegenüber dem Hauptsacheverfahren den Vorrang, da es das aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) folgende Gebot der Rechtsschutzgleichheit verwirklichen soll. Dem entsprechend widerspricht es grundsätzlich dem ebenfalls aus Art. 19 Abs. 4 GG folgenden Grundsatz des fairen Verfahrens und dem Gebot einer effektiven Rechtsschutzgewährung, wenn über einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zeitgleich mit oder gar erst nach einer instanzbeendenden Entscheidung in der Hauptsache entschieden wird und den Klägern dadurch Nachteile entstehen können (allgemeine Meinung, siehe etwa Verwaltungsgerichtshof [VGH] Baden-Württemberg, Beschluss vom 14. Juni 2004 – 12 S 571/04 -, FEVS 56, 31 mit weiteren Nachweisen). Nicht anders verhält es sich aber dann, wenn eine Entscheidung in der Hauptsache gefällt wird, obwohl zuvor bereits gegen einen Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss das statthafte Rechtsmittel der Beschwerde eingelegt worden ist (im gleichen Sinn Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19. Dezember 2005 – L 4 B 1878/05 R PKH – und VGH Baden-Württemberg a.a.O.). Mit einer derartigen Vorgehensweise kann zum einen der Anspruch auf eine umfassende gerichtliche Nachprüfung der geltend gemachten Ansprüche verkürzt und zum anderen überflüssiger prozessualer Aufwand erzeugt werden, indem etwaige abweichende rechtliche oder tatsächliche Erwägungen des Landessozialgerichts nunmehr in einem Berufungsverfahren berücksichtigt werden könnten (s. auch hierzu VGH Baden-Württemberg a.a.O.) oder das Landessozialgericht sich – für das Sozialgericht mit der Folge des § 159 Abs. 2 SGG - gar zur Zurückverweisung in der Hauptsache veranlasst sehen könnte. Nach dem Inhalt des "Sonderhefts Prozesskostenhilfe", im besonderen unter Berücksichtigung des Inhalts des angefochtenen Beschlusses sowie der Beschwerdebegründung, hat die Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg – wobei damit, was sich von selbst versteht, nicht gesagt ist, dass sie "im Ergebnis" auch zwingend Erfolg haben muss. Um eine "hinreichende" Erfolgsaussicht annehmen zu können, dürfen die Anforderungen an den Vortrag der Beteiligten nicht überspannt werden (siehe nur BVerfG a.a.O.; auch z.B. BVerfG, Beschluss vom 29. September 2004 – 1 BvR 1281/04 -, NJW-RR 2005, 140). Im vorliegenden Fall sind die Anforderungen schon deshalb erfüllt, weil das Sozialgericht seiner Entscheidung ausschließlich die bisherige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde legt. Auch das Bundessozialgericht (BSG) als das nunmehr für Sozialhilfesachen zuständige oberste Fachgericht hat indessen in der Vergangenheit ebenfalls eine Rechtsprechung zu bedürftigkeitsabhängigen Leistungen, speziell zur Arbeitslosenhilfe, entwickelt (siehe stellvertretend BSG SozR 3-4100 § 137 Nr. 12 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Ob und falls ja welche Auswirkungen sich aus etwaigen Abweichungen in der Rechtsprechung der obersten Fachgerichte ergeben, muss im Rahmen des Prozesskostenhilfe-Bewilligungsverfahrens nicht geklärt werden, da die Prüfung der Erfolgsaussicht lediglich der Ermöglichung der Rechtsverfolgung, nicht aber deren Durchführung dient (siehe statt aller VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 2. Dezember 2004 – 12 S 2793/04 -, NVwZ-RR 2005, 438). Der Erfolg der Klage erscheint nicht gänzlich ausgeschlossen und dies reicht aus. Auch die weiteren Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe sind erfüllt. Nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen ist die Klägerin, deren Einkünfte die Kosten für ihren Aufenthalt im Pflegeheim knapp zur Häfte decken, nicht in der Lage, die Kosten der Rechtsverfolgung zu bestreiten. Vor dem Hintergrund der oben dargestellten Sach- und Rechtslage ist die Vertretung durch einen Rechtsanwalt auch erforderlich (§ 121 Abs. 2 ZPO). Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten (§ 73a SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 SGG). Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
Der Beschluss des Sozialgerichts war aufzuheben, da die Voraussetzungen für die Gewährung der Prozesskostenhilfe erfüllt sind. Der Senat konnte die für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht der Klage (§ 73a Sozialgerichtsgesetz [SGG] in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung) lediglich anhand des vom Sozialgericht angelegten "Sonderhefts Prozesskostenhilfe" prüfen, da ihm die zugehörige Gerichtsakte trotz zweimaliger Aufforderung vom Sozialgericht nicht übersandt worden und darüber hinaus dem Schreiben des Kammervorsitzenden vom 26. Mai 2006 (beim Landessozialgericht eingegangen am 7. Juni 2006) zu entnehmen ist, dass er vor Übersendung der Akten beabsichtigt, in der Hauptsache durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Auch ohne die Gerichtsakte war jedoch eine Entscheidung über die Beschwerde geboten. Sowohl Prozesskostenhilfeverfahren als auch Verfahren in Sozialhilfesachen gehören zu den Rechtsangelegenheiten, die wegen ihrer Natur und ihrer Bedeutung für die Betroffenen einer gewissen Eilbedürftigkeit unterliegen (s. dazu wie auch zum Folgenden etwa Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 14. Oktober 2003 – 1 BvR 901/03 – info also 2004, 23). Das Prozesskostenhilfeverfahren genießt dabei gegenüber dem Hauptsacheverfahren den Vorrang, da es das aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) folgende Gebot der Rechtsschutzgleichheit verwirklichen soll. Dem entsprechend widerspricht es grundsätzlich dem ebenfalls aus Art. 19 Abs. 4 GG folgenden Grundsatz des fairen Verfahrens und dem Gebot einer effektiven Rechtsschutzgewährung, wenn über einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zeitgleich mit oder gar erst nach einer instanzbeendenden Entscheidung in der Hauptsache entschieden wird und den Klägern dadurch Nachteile entstehen können (allgemeine Meinung, siehe etwa Verwaltungsgerichtshof [VGH] Baden-Württemberg, Beschluss vom 14. Juni 2004 – 12 S 571/04 -, FEVS 56, 31 mit weiteren Nachweisen). Nicht anders verhält es sich aber dann, wenn eine Entscheidung in der Hauptsache gefällt wird, obwohl zuvor bereits gegen einen Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss das statthafte Rechtsmittel der Beschwerde eingelegt worden ist (im gleichen Sinn Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19. Dezember 2005 – L 4 B 1878/05 R PKH – und VGH Baden-Württemberg a.a.O.). Mit einer derartigen Vorgehensweise kann zum einen der Anspruch auf eine umfassende gerichtliche Nachprüfung der geltend gemachten Ansprüche verkürzt und zum anderen überflüssiger prozessualer Aufwand erzeugt werden, indem etwaige abweichende rechtliche oder tatsächliche Erwägungen des Landessozialgerichts nunmehr in einem Berufungsverfahren berücksichtigt werden könnten (s. auch hierzu VGH Baden-Württemberg a.a.O.) oder das Landessozialgericht sich – für das Sozialgericht mit der Folge des § 159 Abs. 2 SGG - gar zur Zurückverweisung in der Hauptsache veranlasst sehen könnte. Nach dem Inhalt des "Sonderhefts Prozesskostenhilfe", im besonderen unter Berücksichtigung des Inhalts des angefochtenen Beschlusses sowie der Beschwerdebegründung, hat die Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg – wobei damit, was sich von selbst versteht, nicht gesagt ist, dass sie "im Ergebnis" auch zwingend Erfolg haben muss. Um eine "hinreichende" Erfolgsaussicht annehmen zu können, dürfen die Anforderungen an den Vortrag der Beteiligten nicht überspannt werden (siehe nur BVerfG a.a.O.; auch z.B. BVerfG, Beschluss vom 29. September 2004 – 1 BvR 1281/04 -, NJW-RR 2005, 140). Im vorliegenden Fall sind die Anforderungen schon deshalb erfüllt, weil das Sozialgericht seiner Entscheidung ausschließlich die bisherige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde legt. Auch das Bundessozialgericht (BSG) als das nunmehr für Sozialhilfesachen zuständige oberste Fachgericht hat indessen in der Vergangenheit ebenfalls eine Rechtsprechung zu bedürftigkeitsabhängigen Leistungen, speziell zur Arbeitslosenhilfe, entwickelt (siehe stellvertretend BSG SozR 3-4100 § 137 Nr. 12 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Ob und falls ja welche Auswirkungen sich aus etwaigen Abweichungen in der Rechtsprechung der obersten Fachgerichte ergeben, muss im Rahmen des Prozesskostenhilfe-Bewilligungsverfahrens nicht geklärt werden, da die Prüfung der Erfolgsaussicht lediglich der Ermöglichung der Rechtsverfolgung, nicht aber deren Durchführung dient (siehe statt aller VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 2. Dezember 2004 – 12 S 2793/04 -, NVwZ-RR 2005, 438). Der Erfolg der Klage erscheint nicht gänzlich ausgeschlossen und dies reicht aus. Auch die weiteren Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe sind erfüllt. Nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen ist die Klägerin, deren Einkünfte die Kosten für ihren Aufenthalt im Pflegeheim knapp zur Häfte decken, nicht in der Lage, die Kosten der Rechtsverfolgung zu bestreiten. Vor dem Hintergrund der oben dargestellten Sach- und Rechtslage ist die Vertretung durch einen Rechtsanwalt auch erforderlich (§ 121 Abs. 2 ZPO). Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten (§ 73a SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 SGG). Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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