L 24 KR 23/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
24
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 18 KR 13/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 24 KR 23/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 03. Februar 2005 wird zurückgewiesen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch des Verfahrens vor dem Landessozialgericht nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten einerseits Kostenerstattung in Höhe von 2.613,30 Euro für ein von Januar bis Juni 2003 durchgeführtes Visuelle Restitutionstraining (VRT) und für die Anschaffung eines Computers sowie andererseits Gewährung des VRT als Sachleistung.

Der im August 1955 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Er befand sich vom 28. bis 29. Mai 2002 und vom 05. bis 20. Juni 2002 zur Exstirpation eines ausgedehnten Hypophysentumors mit konsekutiver Visus- und Gesichtsfeldeinschränkung und vom 17. bis 23. Juli 2003 zur operativen Behandlung zwecks Verbesserung der Hirndurchblutung wegen einer intrakraniellen Durchblutungsstörung in stationärer Krankenhausbehandlung. Auf dem rechten Auge ist der Kläger fast komplett erblindet. Die Sehfähigkeit des linken Auges ist erheblich gemindert. Außerdem ist das Gesichtsfeld eingeschränkt.

Der Kläger beantragte am 29. August 2002 Kostenübernahme für eine sechsmonatige Therapie des VRT inklusive Eingangs- und Abschlussdiagnostik, technischer und psychologischer Unterstützung sowie monatlicher Trainingsevaluation und Programmanpassung in Höhe von 2.215 Euro, außerdem Kostenübernahme für die Fahrten zur Betreuung bei der N AG - Zentrum für Sehtherapie in M. Für diese Therapie mit dem Ziel der Restitution des beeinträchtigten Gesichtsfeldes sei eine spezielle computergestützte Therapieform mit individuell angepassten visuellen Trainingsprogrammen entwickelt worden. Die Behandlung setze voraus, dass er sich eine Eingangsdiagnostik unterziehe und sich in die Benutzung des Computerprogrammes einweisen lasse. Dies erfolge im Zentrum für Sehtherapie. Das eigentliche Training (über 150 Behandlungsstunden) führe er dann selbst zu Hause am eigenen Computer durch. Nach Ablauf der sechs Monate erfolge eine erneute Gesichtsfelddiagnostik, um Art und Ausmaß der visuellen Verbesserungen zu dokumentieren. Während seines Kuraufenthaltes vom 18. Juli bis 22. August 2002 habe er sich dieser Therapie unterzogen, die nach fünfwöchiger Anwendung deutliche Fortschritte gezeigt habe. Der Kläger fügte den Bericht des Facharztes für Augenheilkunde Kvom 16. Juli 2002, den Bericht des Prof. Dr. S vom 15. August 2002 über den Sachstand zur klinischen Evidenz des VRT und eine Broschüre der N AG über die von Prof. Dr. S und Dr. K entwickelte Therapie eines VRT bei.

Nach Einholung der Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) des Arztes R vom 09. September 2002 lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 16. September 2002 ab: Es handele sich um eine neue Behandlungsmethode, die bisher noch nicht vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen bewertet worden sei. Die Methode befinde sich noch im Stadium der Forschung. Kleine Untersuchungen mit geringen Patientenzahlen berichteten zwar über eine günstige Beeinflussung. Es fehlten jedoch Langzeitstudien über den bleibenden funktionellen Nutzen. Die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG) - Kommission für Qualitätssicherung habe den fehlenden Nachweis für die Alltagsrelevanz des VRT bemängelt.

Den dagegen eingelegten Widerspruch, mit dem der Kläger auf seine gravierenden Gesichtsfeldausfälle hinwies und verschiedene ärztliche Unterlagen und weitere Berichte zur VRT vorlegte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. Januar 2003 zurück.

Nachdem sich der Kläger bereits am 21. November 2002 einen Computer gekauft und bar bezahlt hatte (Rechnung der Firma C S vom 21. November 2002 über 1.025,78 Euro) schloss er am 16. Januar 2003 mit der N AG eine Therapievereinbarung über sechs Trainingsmonate mit mindestens 300 Trainingseinheiten über 2.215 Euro und zahlte diesen Betrag nach Rechnungstellung der N V AG vom 17. Januar 2003 durch Banküberweisung am 21. Januar 2003. Die Therapie begann am 16. Januar 2003 mit der Eingangsuntersuchung im Zentrum für Sehtherapie und wurde bis Juni 2003 durchgeführt. Aufgrund u. a. des eingangs genannten stationären Krankenhausaufenthaltes wurde sie anschließend unterbrochen und nicht wieder fortgesetzt. Nach Kündigung der Therapievereinbarung seitens des Klägers mit Schreiben vom 09. Februar 2005 wurden ihm 627,48 Euro erstattet (Schreiben der NAG vom 11. Februar 2005).

Am 29. Januar 2003 hat der Kläger beim Sozialgericht Cottbus Klage erhoben und vorgetragen:

Er leide infolge eines Hypophysentumors an einem subtotalen Gesichtsfeldausfall rechts und an einem Gesichtsfeldausfall mit Beteiligung zweier Quadranten links. Die im Juli 2003 durchgeführte Operation habe seinen Zustand nicht nachhaltig verbessern können. Eine zunächst eingetretene Verbesserung der Sehfähigkeit sei jetzt wieder stark rückläufig. Eine andere Therapie wenigstens zur Erhaltung der derzeit schon fast nicht mehr bestehenden Sehfähigkeit sei nicht verfügbar. Aus dem Systemversagen unter Berücksichtigung des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19. März 2002 - B 1 KR 37/00 R und seines verfassungsrechtlich geschützten Rechtes auf körperliche Unversehrtheit folge der geltend gemachte Anspruch. Der Kläger hat verschiedene ärztliche Unterlagen vorgelegt.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 2003 zu verurteilen, die Kosten für das vom Kläger in Anspruch genommene visuelle Restitutionstraining in Höhe von 3.240,78 Euro an den Kläger zu erstatten.

Das Sozialgericht hat die Auskünfte der NV AG vom 28. April 2003, des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom 11. August 2003 und des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 05. Januar 2005 eingeholt.

Mit Urteil vom 03. Februar 2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Ein Anspruch auf Kostenerstattung bestehe nicht, denn das VRT sei eine neue Behandlungsmethode im Sinne des § 135 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), die bisher vom Gemeinsamen Bundesausschuss nicht anerkannt sei und somit als neues Heilmittel bzw. neue Behandlungsmethode von der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen sei. Ein Systemmangel in Form der Untätigkeit des Bundesausschusses liege nicht vor. Denn eine sachfremde rechtswidrige Verzögerung der Beratungen durch den Bundesausschuss sei schon mangels eines Antrages der in § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V genannten Antragsberechtigten nicht zu erkennen.

Gegen das seiner Prozessbevollmächtigten am 07. März 2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 14. März 2005 eingegangene Berufung des Klägers.

Er ist der Ansicht, dass die pauschale Ablehnung eines Systemmangels vor dem Hintergrund fehlender Behandlungsalternativen nicht nachvollziehbar sei. Zudem sei die Frage der verfassungsrechtlichen Legitimation der Entscheidungen des Bundesausschusses zweifelhaft. Dazu sei seit Jahren ein Verfahren beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anhängig (1 BvR 347/98). Das Sozialgericht habe sich auch nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob es sich bei der Erkrankung des Klägers um eine eher seltene oder eher häufig auftretende handele. Für den erstgenannten Fall könne sich ein Systemversagen daraus ergeben, dass die Anforderungen an die wissenschaftliche Studienlage zu hoch angesetzt worden sein könnten (Hinweis auf Beschluss des BVerfG vom 19. März 2004 1BvR 131/04), im zweiten Fall sei fraglich, ob nicht eine Verpflichtung zum Handeln bestehe.

Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,

das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 03. Februar 2005 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 2003 zu verurteilen, 1. an den Kläger 2.613,30 Euro zu zahlen und 2. dem Kläger das Visuelle Restitutionstraining (VRT) zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und die weitergehende Klage abzuweisen.

Nach ihrer Auffassung ist ein Systemversagen nicht ersichtlich. Eine Rechtsgrundlage für die Erstattung von Übernachtungskosten sowie der Kosten für die Anschaffung eines Computers sei ebenfalls nicht zu erkennen. Im Übrigen verweist sie auf das beigefügte Grundsatzgutachten des MDK S-vom 07. Mai 1999.

Der Senat hat über den MDK das Schreiben des Berufsverbandes der Augenärzte vom 02. Oktober 1998, die Stellungnahme der DOG-Kommission vom 13./01. Oktober 1998 die Kurzstellungnahme des Prof. Dr. W vom 15. Februar 2001 sowie die Auskünfte der Abteilung für Pathophysiologie des Sehens und Neuroophthalmologie mit Forschungsstelle für experimentielle Ophthalmologie des Universitätsklinikums Tübingen des Prof. Dr. Z vom 12. Oktober 2005 und der N AG vom 09. Dezember 2005 eingeholt.

Der Kläger verweist darauf, dass das Grundsatzgutachten vom 07. Mai 1999 bereits sechs Jahre alt sei und nicht den heutigen Erkenntnisstand widerspiegle. Aus drei beigefügten Stellungnahmen aus dem Internet gehe hervor, dass zur weiteren Klärung des Ausmaßes der Wirksamkeit des VRT die Durchführung einer dreifach verblindeten, placebo-kontrollierten, randomisierten Wirksamkeitsstudie mit einer Fallzahl von mindestens 50 Patienten erforderlich sei. Diese Auffassung entspreche ihrem Sinngehalt keineswegs der Auskunft des Universitätsklinikums Tübingen, welches die Wirksamkeit zur Gänze anders bewerte. Ob eine Behandlungsalternative für den Kläger bestehe, bleibe nach wie vor offen. Insoweit werde auf § 70 Abs. 2 SGB V hingewiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten (193 190 421), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 16. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 2003 ist rechtmäßig.

1.1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für das von Januar bis Juni 2003 durchgeführte VRT in Höhe von 1.587,52 Euro. Die Beklagte hat das begehrte Hilfsmittel nicht zu Unrecht abgelehnt. Bezüglich des geltend gemachten Anspruches auf Kostenerstattung in dieser Höhe fehlt es auch nicht am vorangegangenen Verwaltungsverfahren, so dass die Klage insoweit zulässig ist.

Gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen einem Versicherten und seiner Krankenkasse über einen Leistungsanspruch sind grundsätzlich nur in zwei Konstellationen denkbar. Entweder klagt der Versicherte auf Gewährung einer noch ausstehenden Behandlung als Sachleistung oder er beschafft sich die Behandlung privat auf eigene Rechnung und verlangt von der Krankenkasse die Erstattung der Kosten (BSG, Urteil vom 09. Oktober 2001 - B 1 KR 6/01 R, abgedruckt SozR 3-2500 § 13 Nr. 25). Ausnahmsweise kann eine Kostenerstattung bei noch nicht durchgeführter Behandlung auch dann in Betracht kommen, wenn die begehrte Leistung nicht vom EBM erfasst wird (BSG, Urteil vom 03. April 2001 - B 1 KR 40/00 R abgedruckt in SozR 3-2500 § 27 a Nr. 3).

Der am 29. August 2002 gestellte Antrag auf Kostenübernahme für das VRT ist somit in der Weise auszulegen, dass die kostenfreie Gewährung einer Sachleistung begehrt wurde. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 16. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 2003 ab. Daraufhin schloss der Kläger mit der N V AG die Therapievereinbarung vom 16. Januar 2003 und zahlte per Banküberweisung am 21. Januar 2003 den Betrag von 2.215 Euro gemäß Rechnung der Nova AG vom 17. Januar 2003. Der Antrag auf Verschaffung einer Sachleistung hatte sich somit zum Zeitpunkt der Klageerhebung (zunächst) bis zum Abschluss des auf sechs Monate angelegten VRT erledigt, so dass für die Fortführung eines darauf gerichteten Klageverfahrens insoweit kein Rechtsschutzbedürfnis bestand. Das klägerische Begehren hat bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens allein auf Kostenerstattung gerichtet sein können. Bei einem solchen Sachverhalt umfasst die ursprüngliche Ablehnung der Sachleistung zugleich auch die Ablehnung der Einstandspflicht für die Kosten (vgl. BSG, Urteil vom 15. April 1997 - 1 RK 4/94, abgedruckt in SozR 3-2500 § 13 Nr. 14).

1.2. Soweit der Kläger Kostenerstattung für die Anschaffung eines Computers in Höhe von 1.025,78 Euro begehrt, ist die darauf gerichtete Klage allerdings entgegen der Ansicht des Sozialgerichts mangels eines vorangegangenen Verwaltungsverfahrens unzulässig. Weder beantragte der Kläger die Gewährung eines Computers, noch traf die Beklagte dazu eine Regelung im Bescheid vom 16. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 2003.

Der am 29. August 2002 gestellte Antrag bezog sich auf "Kostenübernahme für die oben beschriebene Behandlung des Gesichtsfelddefektes und die Fahrten zur Betreuung nach Magdeburg". Diese Behandlung wurde im Formantrag als eine "spezielle computergestützte Therapieform mit individuell angepassten visuellen Trainingsprogrammen" bezeichnet, die eine Eingangsdiagnostik und eine Einweisung in die Benutzung des Computerprogrammes voraussetzt. Die Kosten für ein sechsmonatiges Training inklusive Eingangs- und Abschlussdiagnostik, technischer und psychologischer Unterstützung sowie monatlicher Trainingsevaluation und Programmanpassung betrugen danach komplett 2.215 Euro. In diesem Formantrag heißt es außerdem: "Das eigentliche Training (über 150 Behandlungsstunden) führe ich dann selbst zu Hause am eigenen Computer durch." Der Kläger erhob während des gesamten Verwaltungsverfahrens nicht die Forderung nach zur Verfügungstellung eines Computers. Selbst im Widerspruchsverfahren (Schreiben vom 19. September 2002) wiederholte er seinen am 29. August 2002 gestellten Antrag wortgleich im nochmals beigefügten Formantrag. Angesichts dessen - insbesondere des Hinweises auf den "eigenen Computer" - kann der Antrag auf Kostenübernahme nicht über seinen Wortlaut hinausgehend dahin ausgelegt werden, dass auch die Verschaffung eines Computers begehrt wurde. Fehlt es somit folgerichtig an der Ablehnung der entsprechenden Sachleistung, liegt zugleich auch keine Ablehnung der Einstandspflicht für die entsprechenden Kosten vor. Die Klage ist daher unzulässig, denn ohne ablehnenden Verwaltungsakt kann nicht auf Leistung geklagt werden (§ 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

2. Die während des Berufungsverfahrens (nach entsprechender Beschränkung der Klage hinsichtlich des Anspruches auf Kostenerstattung) erhobene weitergehende Klage, gerichtet auf Gewährung des VRT als Sachleistung, ist - ungeachtet dessen, ob insoweit nicht ohnehin der Sachverhalt des § 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG gegeben ist - zulässig. Insbesondere besteht zwischenzeitlich wieder ein Rechtsschutzbedürfnis an einer entsprechenden gerichtlichen Entscheidung.

Nach Erlass des Urteils des Sozialgerichts am 03. Februar 2005 hat der Kläger das bereits bezahlte, aber noch nicht beendete VRT nicht mehr weitergeführt. Vielmehr kündigte er mit Schreiben vom 09. Februar 2005 die Therapievereinbarung vom 16. Januar 2003, wodurch sich die bisher aufgewendeten Kosten verminderten. Nach der Gutschrift der N AG vom 11. Februar 2005 wurden dem Kläger 1.587,52 Euro (Eingangsdiagnostik 460 Euro, Software 500 Euro und dreimalig Trainingseinstellungen 627,52 Euro) in Rechnung gestellt, so dass ihm 627,48 Euro erstattet wurden. Der Kläger hat dazu im Schriftsatz vom 01. Juli 2005 mitgeteilt, vor dem Hintergrund der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht und der Mitteilung der N AG, wonach er das VRT mindestens für eineinhalb Jahre durchführen müsse, um zum Erfolg zu kommen, sei ihm klar geworden, dass er sich dies nicht werde leisten können. Wenn der Kläger im Hinblick darauf über den erstinstanzlich gestellten Antrag auf Kostenerstattung hinausgehend nunmehr auch Gewährung des VRT als Sachleistung begehrt, kann hierfür ein Rechtsschutzbedürfnis des Klägers nicht verneint werden.

Die weitergehende Klage ist jedoch gleichfalls unbegründet, denn dem Kläger ist das VRT auch nicht als Sachleistung zu gewähren.

3. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) erhalten die Versicherten die Leistungen der Krankenversicherung als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) nichts Abweichendes vorsehen. Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2 SGB V) Kosten nur erstatten, soweit es dieses Buch oder das SGB IX vorsieht (§ 13 Abs. 1 SGB V).

Die hier allein in Betracht kommende Vorschrift des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V bestimmt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.

Der Kostenerstattungsanspruch reicht hierbei nicht weiter als der entsprechende Sachleistungsanspruch. Er setzt daher voraus, dass die selbstbeschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (BSG, Urteile vom 19. Oktober 2004 - B 1 KR 27/02 R und vom 18. Mai 2004 - B 1 KR 21/02 R; BSGE 79, 125, 126 = SozR 3-2500 § 13 Nr. 11 m.w.N.).

Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Leistungen zur Behandlung einer Krankheit (§§ 27 bis 52 SGB V).

Ein Anspruch auf Krankenbehandlung nach § 27 Abs. 1 SGB V besteht, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst u. a. die Versorgung mit Hilfsmitteln (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V).

Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Nach § 34 Abs. 4 Satz 1 SGB V kann das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Heil- und Hilfsmittel von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis bestimmen, deren Kosten die Krankenkasse nicht übernimmt. Von dieser Ermächtigung ist mit der Verordnung über Hilfsmittel von geringem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 13. Dezember 1989 (BGBl I 1989, 2237) in der Fassung der Ersten Verordnung zur Änderung der Verordnung über Hilfsmittel von geringem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 17. Januar 1995 (BGBl I 1995, 44) - Hilfsmittel-Verordnung - Gebrauch gemacht worden.

Das VRT stellt ein Hilfsmittel im Sinne dieser Vorschrift dar.

Es handelt sich insoweit nicht um eine ärztliche Behandlung oder um ein Heilmittel.

Nach § 28 Abs. 1 SGB V umfasst die ärztliche Behandlung die Tätigkeit des Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. Zur ärztlichen Behandlung gehört auch die Hilfeleistung anderer Personen, die von dem Arzt angeordnet und von ihm zu verantworten ist.

Zu den Heilmitteln nach § 32 Abs. 1 SGB V gehören alle persönlichen medizinischen Dienstleistungen, die grundsätzlich - abgesehen von der Ausnahme nach § 32 Abs. 2 Satz 2 und 3 SGB V - von nichtärztlichen Leistungserbringern (§ 124 SGB V) erbracht werden. In Abgrenzung dazu rechnen zu den Hilfsmitteln alle sächlichen medizinischen Mittel (vgl. dazu grundlegend: BSG, Urteil vom 28. Juni 2001 - B 3 KR 3/00 R, abgedruckt in SozR 3-2500 § 33 Nr. 41 = BSGE 88, 204).

Im Rahmen des VRT werden zwar auch ärztliche Leistungen sowie Dienstleistungen erbracht. Diese dienen jedoch lediglich dazu, die Voraussetzungen für ein erfolgreiches Training zu schaffen. Demgegenüber liegt der Schwerpunkt des VRT auf dem speziellen Computerprogramm, das somit den Charakter des VRT bestimmt (vgl. zu diesem Abgrenzungskriterium BSG, Urteil vom 19. März 2002 - B 1 KR 36/00 R, abgedruckt in SozR 3-2500 § 138 Nr. 2).

Nach der vom Kläger mit seinem Antrag vorgelegten Broschüre der N AG bilden aufeinander abgestimmte Softwareprogramme, die die individuellen Erfordernisse des Patienten berücksichtigen, die Basis des VRT. Grundlage ist eine Eingangsuntersuchung in einer kooperierenden Praxis bzw. Klinik zur Prüfung, ob die Voraussetzungen für ein erfolgreiches Training erfüllt sind. Es erfolgt eine genaue Erfassung der Restfunktionen zwischen intakten und blinden Gesichtsfeldbereichen. Diese exakte Vermessung des Gesichtsfeldes bedarf somit des Tätigwerdens eines Arztes. Dasselbe gilt für die in monatlichen Abständen erfolgende Kontrollvermessung des Gesichtsfeldes sowie die am Ende der Trainingsphase stattfindende umfassende Abschlussdiagnostik (so auch Grundsatzgutachten des MDK S- vom 07. Mai 1999).

Das ärztliche Tätigwerden steht hiernach nicht im Mittelpunkt des VRT. Damit sollen lediglich das Vorliegen der entsprechenden Indikationen und die Ergebnisse des Trainings festgestellt werden.

Vorbereitenden Charakter hat ebenfalls die Einweisungsphase mit Anfertigung einer speziellen Patientendiskette, Einweisung des Patienten in die Handhabung, Einladen des Übungsprogramms und Durchführung der Übungen sowie ersten Probedurchläufen (vgl. Grundsatzgutachten des MDK S- vom 07. Mai 1999) im Rahmen des Aufenthalts im Zentrum für Sehtherapie in M. Die darauf gerichteten persönlichen medizinischen Dienstleistungen nichtärztlicher Leistungserbringer sind zwar Voraussetzung für das VRT. Die eigentliche Anwendung des VRT am Patienten erfolgt jedoch erst am Ende dieser Dienstleistung als deren Ergebnis, nämlich mit den den individuellen Erfordernissen des Patienten angepassten Software-Programmen.

Mittels dieser Softwareprogramme trainieren die Patienten zu Hause selbständig ca. zweimal eine halbe Stunde täglich während eines Zeitraumes von zunächst 6 Monaten am Computer die Seh-Restfunktionen (Gutachten des MDK Sachsen-Anhalt vom 07. Mai 1999 und Broschüre der N AG).

Das VRT wird somit ganz maßgeblich durch die Software bestimmt, die Hilfsmittel im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V ist.

Soweit nach der Rechtsprechung des BSG und der Kommentarliteratur Hilfsmittel als (bewegliche) Sachen bezeichnet werden (vgl. BSG, Urteil vom 30. Januar 2001 - B 3 KR 6/00 R, abgedruckt in SozR 3-2500 § 33 Nr. 39; BSG, Urteil vom 06. August 1998 -B 3 KR 14/97 R, abgedruckt in SozR 3-2500 § 33 Nr. 30; Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, 45. Ergänzungsliederung, SGB V, Höfler, § 33 Nrn. 5 und 5 a), ist dies nicht im Sinne einer Beschränkung auf Sachen im Sinne des § 90 Bürgerliches Gesetzbuch, BGB) zu verstehen. Die Definition des Hilfsmittels als sachliches Mittel bzw. (bewegliche) Sache dient ausschließlich als Abgrenzung gegenüber dem Begriff des Heilmittels. Hilfsmittel können daher auch solche Mittel sein, die im weitesten Sinne die Funktion einer (anderen) Sache maßgeblich bestimmen (so auch BSG, Urteil vom 28. Juni 2001 - B 3 KR 3/00 R zur Software für ein häusliches Hirnleistungstraining).

Ist das VRT somit ein Hilfsmittel, stellt sich die vom Sozialgericht aufgeworfene Frage einer neuen vertragsärztlichen Untersuchungs- und Behandlungsmethode, die nach § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden darf, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V eine entsprechende Empfehlung abgegeben hat, oder eines neuen Heilmittels, das nach § 138 SGB V von an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten nur verordnet werden darf, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss zuvor seinen therapeutischen Nutzen anerkannt und in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V eine entsprechende Empfehlung für die Sicherung der Qualität bei der Leistungserbringung abgegeben hat, nicht.

Das VRT wird zwar auch in dem nach § 128 SGB V von den Spitzenverbänden der Krankenkassen erstellten Hilfsmittelverzeichnis nicht genannt. Nach dieser Vorschrift erstellen die Spitzenverbände der Krankenkassen gemeinsam ein Hilfsmittelverzeichnis. In dem Verzeichnis sind die von der Leistungspflicht umfassten Hilfsmittel aufzuführen und die dafür vorgesehenen Festbeträge oder vereinbarten Preise anzugeben. Das Hilfsmittelverzeichnis ist regelmäßig fortzuschreiben. Vor Erstellung und Fortschreibung des Verzeichnisses ist den Spitzenorganisationen der betroffenen Leistungserbringer und Hilfsmittelhersteller Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. Das Hilfsmittelverzeichnis ist im Bundesanzeiger bekannt zu machen. Aus dieser Regelung folgt jedoch nicht die Aufgabe des Hilfsmittelverzeichnisses, abschließend darüber zu befinden, welche Hilfsmittel der Versicherte im Rahmen der Krankenbehandlung beanspruchen kann; es handelt sich vielmehr um eine Auslegungshilfe, die für die Gerichte nicht verbindlich ist. Das Hilfsmittelverzeichnis ist eine bloße Verwaltungsvorschrift zu der gesetzlichen Anspruchsnorm des § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V. Es ist daher nur beachtlich, wenn es mit dieser in Einklang steht. Nichts anderes ergibt sich für die Gerichte aus den auf der Ermächtigung in § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB VI beruhenden Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Hilfsmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Hilfsmittelrichtlinie) in der Fassung vom 17. Juni 1992 (Beilage zum Bundesanzeiger 1992 Nr. 183) zuletzt geändert am 06. Februar 2001 (Bundesanzeiger 2001 Nr. 102). Nach deren Nummer 8 können Hilfsmittel zu Lasten der Krankenkasse nur verordnet werden, sofern sie von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung erfasst und im Hilfsmittelverzeichnis der Spitzenverbände der Krankenkassen aufgeführt sind. Daraus folgt jedoch keine Auswirkung auf den Leistungsanspruch des Versicherten gegen den Krankenversicherungsträger, denn die ärztliche Verordnung ist nicht Voraussetzung für die Versorgung mit einem Hilfsmittel. Der Arztvorbehalt des § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB V gilt, auch wenn nach § 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V die vertragsärztliche Versorgung auch die Verordnung u. a. von Hilfsmitteln umfasst, nach § 15 Abs. 3 SGB V nicht. Nach letztgenannter Vorschrift stellt die Krankenkasse für die Inanspruchnahme anderer Leistungen (außer Hilfeleistungen anderer Personen; § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB V) den Versicherten Berechtigungsscheine aus, soweit es zweckmäßig ist. Dem steht nicht entgegen, dass eine solche Verordnung auch durch den Vertragsarzt nach § 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V erfolgen kann (vgl. BSG, Urteil vom 29. September 1997 - 8 RKn 27/96, abgedruckt in SozR 3-2500 § 33 Nr. 25 und Urteil vom 06. Juni 2002 - B 3 KR 68/01 R, abgedruckt in SozR 3-2500 § 33 Nr. 44).

Das VRT ist ebenfalls nicht durch § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen. Die nach dieser Vorschrift erlassene Verordnung über Hilfsmittel von geringem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 13. Dezember 1989 (BGBl I S. 2237) zuletzt geändert durch Verordnung vom 17. Januar 1995 (BGBl I S. 44) führt das VRT nicht auf.

Das begehrte Hilfsmittel kommt zwar vorliegend nach seiner Zweckrichtung in Betracht, um eine Behinderung auszugleichen. Es ist jedoch nicht nachgewiesen, dass das VRT dazu geeignet ist.

Eine Behinderung liegt vor, wenn die körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher eine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Eine Behinderung droht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist (§ 2 Abs. 1 SGB IX).

Die beim Kläger bestehende Gesichtsfeldeinschränkung (vgl. Epikrise des C-Klinikums Cdes Neurochirurgen Dr. W vom 20. Juni 2002 nebst beigefügter Gesichtsfeldmessungen, Epikrise des S. krankenhauses Berlin des Neurochirurgen Prof. Dr. V vom 04. August 2003 und Bericht des Facharztes für Augenheilkunde Kvom 12. März 2004 nebst Gesichtsfeldmessungen) ist eine Behinderung, denn sie ist nicht alterstypisch und beeinträchtigt das Leben in der Gesellschaft.

Ziel der Versorgung behinderter Menschen mit Hilfsmitteln ist die Förderung ihrer Selbstbestimmung und gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (§ 1 Satz 1 SGB IX). Im Rahmen dieser für alle behinderten Menschen geltenden Bestimmungen ist die gesetzliche Krankenversicherung allerdings nur innerhalb ihres Aufgabengebietes - Krankenhilfe und medizinische Rehabilitation - und unter ihren besonderen Voraussetzungen (§ 7 SGB IX) zur Gewährung von Hilfsmitteln verpflichtet. Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung ist die Versorgung mit Hilfsmitteln nur insoweit, als sie der Sicherung eines allgemeinen Grundbedürfnisses dienen (vgl. BSG Urteil vom 06. Juni 2002 - B 3 KR 68/01 R in SozR 3-2500 § 33 Nr. 44). Dazu gehören zum einen die körperlichen Grundfunktionen (Gehen, Stehen, Treppensteigen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnahme, Ausscheidung) und zum anderen die elementare Körperpflege, das selbständige Wohnen sowie die dazu erforderliche Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums, der auch die Aufnahme von Informationen, die Kommunikation mit anderen zur Vermeidung von Vereinsamung sowie das Erlernen eines lebensnotwendigen Grundwissens (Schulwissens) umfasst (BSG Urteil vom 16. September 1999 - B 3 KR 8/98 R in SozR 3-2500 § 33 Nr. 31).

Das begehrte Hilfsmittel VRT soll einen Ausgleich hinsichtlich eines solchen allgemeinen Grundbedürfnisses, nämlich des Sehens insoweit bewirken, als das Gesichtsfeld erweitert wird.

Nach der vom Kläger bei Antragstellung vorgelegten Broschüre der N AG sollen durch das VRT die Seh-Restfunktionen durch Lichtpunkte gezielt stimuliert werden. Dadurch wird die verbliebene Leistungsfähigkeit teilgeschädigter Nervenzellen stimuliert und gestärkt und ihre Informationsverarbeitung verbessert. Gleichzeitig wird bezweckt, gesunde Nervenzellen zur Übernahme von Sehleistungen aus dem blinden Bereich anzuregen. Nach dem Gutachten des MDK S- vom 07. Mai 1999 beruht das Verfahren auf der Grundidee der plastischen Reparaturfähigkeit des Sehsystems. Das VRT hat in Auswertung von Tierexperimenten die Annahme zur Grundlage, dass das Gehirn geschädigte Funktionen bis zu einem gewissen Ausmaß kompensieren kann und dass durch Training eine Verbesserung der verbliebenen Restfunktionen möglich sein müsste.

Die Zweckrichtung des begehrten Hilfsmittels VRT geht damit zweifellos auf eine Erweiterung der Sehfähigkeit des Behinderten.

Es ist jedoch nicht bewiesen, dass mit dem begehrten Hilfsmittel VRT das erstrebte Ziel tatsächlich zu erreichen ist. Es bestehen nicht einmal ernsthafte Hinweise auf einen solchen Erfolg.

Dies folgt aus der vom Senat eingeholten Auskunft der Abteilung für Pathophysiologie des Sehens und Neuro-Ophthalmologie mit Forschungsstelle für experimentielle Ophthalmologie des Universitätsklinikums Tdes Prof. Dr. Z vom 12. Oktober 2005 und der Kurzstellungnahme des Prof. Dr. Wvom 15. Februar 2001.

Prof. Dr. Z hat sich in dieser Auskunft die Bewertung der Evidenz in der Kurzstellungnahme des Prof. Dr. Wvom 15. Februar 2001 und insbesondere die dort bezeichneten beiden wesentlichen Kritikpunkte ausdrücklich zu eigen gemacht. Zugleich hat er auf zwei weitere seither erschienenen Publikationen in den Jahren 2004 und 2005 hingewiesen, nach denen weiterhin kein klinisch relevanter Wirksamkeitsnachweis des VRT erbracht ist.

Unabhängig davon ist grundsätzlich zu berücksichtigen, dass spontane Veränderungen (Spontanerholungen) vorkommen, die von Behandlungseffekten oft kaum getrennt werden können (vgl. Gutachten des MDK S- vom 07. Mai 1999 und Kurzstellungnahme des Prof. Dr. W vom 15. Februar 2001).

Die bisher vorliegenden Studien zeigen nach Prof. Dr. W - neben einerseits ihrer mangelnden Aussagekraft und andererseits ihrer Mängel bei der Durchführung - zwei wesentliche kritische Merkmale. Zum einen war die Kontrolle der Fixation nicht ausreichend, so dass nicht wirklich sichergestellt ist, dass das Training wirklich zu einer Erweiterung des Gesichtsfeldes und nicht zu einer Erweiterung des Blickfeldes führt. Der Patient muss auf dem Bildschirm des Computers einen in der Mitte des Gesichtsfeldes liegenden Punkt fixieren. Dabei werden ihm in den Randbereichen seines noch vorhandenen Gesichtsfeldes Lichtreize präsentiert. Damit der Patient die Fixation seines Blickes beibehält, wird die Farbe des Fixationspunktes in unregelmäßigen Abständen geändert, was der Patient erkennen und durch den Druck auf eine Taste quittieren muss. Wird somit die Fixation nicht ausreichend kontrolliert, verbleibt der zu fixierende Punkt nicht in der Mitte des Gesichtsfeldes und wird in den Randbereichen ein Sehen vorgetäuscht, das jedoch allein wegen eines geänderten Blickfeldes in diesem Bereich entsteht. Ohne eine ausreichende Kontrolle der Fixation lassen sich damit gesicherte Ergebnisse nicht feststellen.

Zum anderen ist die Frage der Alltagsrelevanz der auf diese Weise mitgeteilten Gesichtsfelderweiterungen nicht oder nicht zufrieden stellend beantwortet. Es bleibt damit offen, ob der Patient im Alltag einen Nutzen aus dem VRT ziehen kann, ob also eine signifikante Verbesserung des Sehens eintritt. Fehlt es daran, besteht wegen § 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V kein Anspruch. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.

Solange keine sicheren Erkenntnisse vorliegen, die die dargestellten Kritikpunkte obsolet werden lassen, kann der Kläger das begehrte Hilfsmittel VRT nicht beanspruchen.

Hinzu kommt, dass die vorliegenden Studien in ihrer Aussagekraft zum großen Teil mangelhaft sind. Nach der Kurzstellungnahme des Prof. W vom 15. Februar 2001 betreffen 9 der 11 Studien nicht das bzw. jetzige N -System und sind nur Fallberichte und unkontrollierte Prä-Post-Untersuchungen, nämlich die von Zihl 1984 und 1985, Balliet 1985, Schmielau 1989, Kerkhoff 1994, Potthoff 1995, Kasten/Sabel 1995, Twingenthoff 1998 und Poggel 2000. Die weitere Studie von Werth und Möhrenschlager 1999 wurde nach Prof. Dr. Wr zwar mit einer Kontrollgruppe durchgeführt. Sie weist aber erhebliche Mängel auf, weil der Umfang der Verblindung unklar ist und sich die Frage nach der Glaubwürdigkeit stellt, nachdem nach einer Trainingszeit von nur 20 Minuten eine Erweiterung des Gesichtsfeldes um 90 Grad bzw. um 30 Grad eingetreten sein soll. Außerdem betrifft sie nicht das N V-Verfahren. Lediglich die Studie von Kasten 1998, bei der es sich um den teilweise zusammenfassenden Bericht über zwei unabhängige Studien handelt, ist nach Prof. Dr. W eine randomisierte Studie, die jedoch aus methodischer Sicht mehrere Mängel aufweist. So ist unklar, wie die Randomisierung vorgenommen wurde. Es ist unklar, was genau unter der Bezeichnung "doppelblind" verstanden werden soll und inwieweit die Patienten verblindet wurden. Prof. Dr. W weist zudem auf eine Widersprüchlichkeit hinsichtlich der Studien von Kasten hin. Danach wird im Vorspann "Fragen und Antworten zum Nova Vision-Training" unter Bezugnahme insbesondere auf die Kontrollgruppen in den kontrollierten Studien eine Spontanerholung für nicht möglich gehalten. Es wird dabei - so Prof. Dr. W - jedoch nicht berücksichtigt, dass in der altersgematchten Studie von Kasten tatsächlich in der Placebogruppe Veränderungen beobachtet worden sind, die den Verum-Veränderungen in der randomisierten Studie entsprechen.

Die Beurteilung des Prof. Dr. W vom 15. Februar 2001 hat weiterhin Bestand. Prof. Dr. Z hat dies in seiner Auskunft vom 12. Oktober 2005 unter Hinweis auf die Publikationen von Reinhard aus den Jahren 2004 und 2005 bestätigt. In der Publikation aus dem Jahre 2004 wird die von Prof. Dr. Z mitgeteilte Schlussfolgerung gezogen, dass sich bezüglich absoluter Gesichtsfelddefekte kein klinisch relevanter Wirksamkeitsnachweis des VRT hat erbringen lassen. Nichts anderes ergibt sich als Fazit der Publikation aus dem Jahre 2005. Danach sind zwei Drittel der Patienten mit dem Training zufrieden. Ihre subjektiven Empfindungen stehen allerdings in keinem Zusammenhang mit dem objektiv messbaren Trainingserfolg. Möglicherweise verbesserten die Patienten ihre Explorationsstrategien, was sich auf die Zufriedenheit auswirkte, aber vom Trainingsprinzip her nicht intendiert wurde. Bei einem zeitaufwendigen und teuren Training wie dem beschriebenen ist u. a. ein Placeboeffekt nicht auszuschließen. Außerdem wird dort ausgeführt: Bisher ist unklar, inwieweit sich die von der Magdeburger Arbeitsgruppe beschriebene Verbesserung auf die Alltagsfähigkeit der Patienten auswirkt. Unsere Ergebnisse zeigen, dass eine Reduktion der absoluten Ausfälle in einem für den Patienten relevanten Maße unwahrscheinlich ist.

Die Auskunft der NVAG vom 09. Dezember 2005 vermag dieses Ergebnis nicht in Frage zu stellen. Danach läuft zum einen ein begrenztes Modellprojekt nach den §§ 63 bis 65 SGB V mit dem Ziel der Zulassung des VRT als katalogisiertes Heil- und Hilfsmittel und zum anderen ein CE-Zertifizierungsverfahren mit dem Ziel der Zuordnung zur Gruppe I des Medizinproduktegesetzes (MPG). Eine wissenschaftliche Auswertung des Modellprojekts liegt noch nicht vor. Die N V AG hat ihrer Auskunft außerdem eine Übersicht von klinischen Studien zur VRT beigefügt. Es handelt sich hierbei im Wesentlichen um die bereits von Prof. Dr. W genannten Studien. Lediglich zwei dieser Studien (Wüst 1997 und Kasten 1998) weisen eine Blind- bzw. doppelblinde Kontrollgruppe auf. Dabei handelt es sich offenkundig um die von Prof. Dr. W genannte Studie von Kasten 1998 als zusammenfassender Bericht über zwei unabhängige Studien.

Die vom Kläger aus dem Internet beigezogenen drei weiteren Stellungnahmen ergeben keine weiteren Erkenntnisse. Es mag zwar sein, dass ein Wirksamkeitsnachweis des VRT zukünftig nicht ausgeschlossen ist. Der Kläger weist jedoch zutreffend unter Bezugnahme auf Schreiber 2003 darauf hin, dass zur weiteren Klärung des Ausmaßes der Wirksamkeit des VRT die Durchführung einer dreifach verblindeten, placebo-kontrollierten randomisierten Wirksamkeitsstudie mit einer Fallzahl von mindestens 50 Personen erforderlich wäre. Damit wird jedoch gerade bestätigt, dass gegenwärtig ein Wirksamkeitsnachweis nicht zu führen ist.

Fehlt es jedoch an der nachweislichen Eignung des VRT zum Ausgleich einer Behinderung der Gesichtsfeldeinschränkung, kann dieses Hilfsmittel nicht beansprucht werden. Daran ändert auch § 70 Abs. 2 SGB V nichts, wonach die Krankenkassen und die Leistungserbringer durch geeignete Maßnahmen auf eine humane Krankenbehandlung ihrer Versicherten hinzuwirken haben. Es handelt sich um einen Programmsatz, der für die einzelnen Leistungsbereiche keine spezifische Ausprägung erfährt (Kasseler Kommentar, a.a.O., Hess, § 70 Rdnr. 10). Diese Vorschrift schafft somit keine, insbesondere über § 33 Abs. 1 SGB V hinausgehenden Rechte und gebietet allenfalls im Rahmen eines bestehenden Anspruches von mehreren in Frage kommenden Möglichkeiten diejenige zu wählen, die als die humanere Krankenbehandlung anzusehen ist.

Die Verweigerung der Kostenerstattung bzw. die Nichtgewährung des VRT ist auch nicht verfassungswidrig. Sie verletzt insbesondere nicht das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG). Aus dieser Vorschrift folgt regelmäßig kein verfassungsrechtlicher Anspruch gegen die Krankenkassen auf Bereitstellung bestimmter und insbesondere spezieller Gesundheitsleistungen. Die Gestaltung des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung hat sich an der objektiv-rechtlichen Pflicht des Staates zu orientieren, sich schützend und fördernd vor die Rechtsgüter des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zu stellen. Insofern kann dieses Grundrecht lediglich in besonders gelagerten Fällen die Gerichte zu einer grundrechtsorientierten Auslegung der maßgeblichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts verpflichten. Dies gilt insbesondere in Fällen der Behandlung einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung. Allerdings kommt auch in einem solchen Fall keine Behandlung bzw. Leistung der Krankenversicherung in Betracht, wenn es keine ernsthaften Hinweise auf einen nicht ganz entfernt liegenden Erfolg der Heilung oder auch nur auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf im konkreten Einzelfall gibt, wobei auch die wissenschaftliche Diskussion mit einzubeziehen ist (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 06. Dezember 2005 - 1 BvR 347/98). Wie dargelegt, gibt es keine ernsthaften Anhaltspunkte dafür, dass das VRT die Sehleistung durch Erweiterung des Gesichtsfeldes in klinisch relevanter Weise verbessert.

Die Berufung und die weitergehende Klage müssen daher erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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