Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 32 RJ 1771/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 8 R 292/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 03. Februar 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist eine Rente wegen Erwerbsminderung. Die Klägerin ist 1956 in der Türkei geboren worden. Einen Berufsabschluss hat sie nicht erworben. Seit 1973 stand sie in der Bundesrepublik Deutschland in versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen, zuletzt ab 1980 bis Februar 1994 als Löterin/Bestückerin. Seither bezog sie Sozialleistungen wegen Arbeitslosigkeit beziehungsweise Krankengeld. Ab 7. Juni 2001 war sie durchgehend arbeitsunfähig krankgeschrieben. Auf ihren Antrag hin bewilligte ihr die Beklagte eine Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation (Reha), die vom 12. November bis zum 23. Dezember 2002 in der Brandenburg-Klinik B-W durchgeführt wurde. Aus der Maßnahme wurde die Klägerin als arbeitsunfähig in der letzten beruflichen Tätigkeit, im übrigen als leistungsfähig für täglich 6 Stunden und mehr leichter körperlicher Arbeit im Wechsel der Körperhaltungen, ohne Zwangshaltungen der Wirbelsäule und Kälte-Nässe-Disposition sowie nicht in Nachtschicht entlassen (Entlassungsbericht Dr. Dr. M/Dr. U/S vom 12. Februar 2003; Behandlungsdiagnosen: Dysthymia vor dem Hintergrund einer histrionischen Persönlichkeit, Somatisierungsstörung, HWS-Syndrom, LWS-Syndrom). Vorangegangen war ein Gutachten der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. S im Auftrag der Beklagten, die bei der Klägerin ein 6- und mehr-stündiges Leistungsvermögen für mittelschwere Tätigkeiten im Wechsel der Haltungsarten, nicht in Nachtschicht, im übrigen aber ohne wesentliche Einschränkungen festgestellt hatte (Gutachten vom 28. Mai 2005; Diagnosen: Depressives Syndrom bei depressiv-histrionischen Zügen, reaktiv ausgelöst; rezidivierendes Zervikalsyndrom, rezdivierendes LWS-Syndrom). Rente wegen Erwerbsminderung beantragte die Klägerin im Januar 2003. Die Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 8. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2003 ab, nachdem die Ärztin für Psychiatrie Dr. S-Bin einer prüfärztlichen Stellungnahme vom 17. Juli 2003 nach Aktenlage das Leistungsvermögen ebenso beurteilt hatte wie die Reha-Klinik. Mit ihrer Klage hat die Klägerin geltend gemacht, bereits seit zwei Jahren durchgehend arbeitsunfähig krank und darüber hinaus auf Grund ihrer Krankheiten insgesamt nicht mehr leistungsfähig zu sein. Das Sozialgericht hat Befundberichte von behandelnden Ärzten der Klägerin eingeholt (Facharzt für Orthopädie und Rheumatologie Dr. R vom 12. Dezember 2003, Arzt für Orthopädie F vom 12. Dezember 2003, Ärztin Dr. K-L vom 18. Dezember 2003), ferner hat der ebenfalls zur Erstellung eines Befundberichtes aufgeforderte Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. P ein "Attest" vom 10. April 2004 eingereicht. Im Auftrag des Sozialgerichts ist die Klägerin von dem Arzt für Psychiatrie und Neurologie Dr. T begutachtet worden. In seinem Gutachten vom 13. August 2004 ist der gerichtliche Sachverständige zu dem Ergebnis gekommen, dass die Klägerin noch täglich regelmäßig vollschichtig leichte und gelegentlich mittelschwere Arbeiten ausführen könne. Ein Wechsel der Haltungsarten sei anzuraten, einseitige körperliche Belastungen seien zu vermeiden. In Akkord- oder Fließbanddienst solle sie nicht eingesetzt werden. In einem festgelegten Rhythmus solle sie arbeiten. Schwere Lasten könnten nicht gehoben oder getragen werden, auf Leitern und Gerüsten könne sie arbeiten. Die Belastbarkeit der Wirbelsäule sei herabgesetzt. Geistige Arbeiten einfacher Art entsprechend ihrem Ausbildungsstand könne die Klägerin verrichten (Diagnosen: länger dauerndes ängstlich-depressives Syndrom; Schmerzsyndrom der Wirbelsäule mit einer psychischen Ausgestaltung im Sinne einer somato-psychischen Verknüpfung). Die Klägerin hat der weiteren Feststellung des Sachverständigen widersprochen, dass ihr Krankheitsbild ein regressives Verhalten darstelle. Durch Gerichtsbescheid vom 3. Februar 2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen sei die Klägerin weder ganz noch teilweise erwerbsgemindert, weil sie einer körperlich leichten Arbeit täglich noch 6 Stunden und mehr nachgehen könne. Der gerichtliche Sachverständige habe überzeugend begründet, warum keine quantitative Leistungsminderung vorliege. Im Zusammenhang mit der Loslösung der Töchter aus der Herkunftsumgebung sei es zu einem Schmerzsyndrom der Wirbelsäule und zur Ausbildung einer deprimierten Verfassung, verknüpft mit Ängstlichkeit und Hoffnungslosigkeit gekommen. Die Klägerin sei in eine passive Lebensbewältigungsstrategie geraten und erwarte vielfältige Unterstützung, die ihr versagt bleibe. Das begründe aus psychiatrischer Sicht jedoch keine Erkrankung, welche die berufliche Leistungsfähigkeit aufhebe. Einfache Tätigkeiten könne die Klägerin, wenngleich mit hoher Willensanstrengung, ausüben. Da sie lediglich ungelernte Tätigkeiten ausgeübt habe und deshalb – wie bei den Renten wegen voller und teilweiser Erwerbsminderung - auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden könne, sei die Klägerin auch nicht berufsunfähig. Mit der am 23. März 2005 (Mittwoch) per Post bei Gericht eingegangenen Berufung (Poststempel 19. März 2005) gegen den ihr am 22. Februar 2005 zugestellten Gerichtsbescheid macht die Klägerin weiterhin geltend, voll, jedenfalls aber teilweise erwerbsgemindert zu sein und hält die Einschätzung ihres Leistungsvermögens durch den gerichtlichen Sachverständigen weiterhin für unzutreffend. Sie hat ein Attest des Dr. P vom 2. September 2005 zu den Akten gereicht, um ihre Auffassung zu belegen. Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 3. Februar 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 8. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 1. Januar 2003 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt dieser Aktenstücke Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Sie gilt im Besonderen als fristgerecht eingelegt, da der Klägerin gegen die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren war (§ 67 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG -). Sie konnte damit rechnen, dass die Berufungsschrift das Gericht bei gewöhnlichen Postlaufzeiten noch bis zum Ablauf der Berufungsfrist erreichen würde, so dass die Fristversäumnis unverschuldet war. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Der – allein den Streitgegenstand bildende - Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in der hier anwendbaren, seit 1. Januar 2001 geltenden Fassung, setzt neben den sogenannten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (§ 43 Abs. 1 Nr. 2 und 3, Abs. 2 Nr. 2 und 3, Abs. 4 bis 6) voraus, dass die Versicherte entweder voll oder teilweise erwerbsgemindert ist (§ 43 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1). Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Die Klägerin ist weder voll noch teilweise erwerbsgemindert, da sie nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen noch 6 Stunden und mehr leichte körperliche und ihrem Ausbildungsstand entsprechende geistige Tätigkeiten mit wenigen qualitativen Einschränkungen verrichten kann. Der Senat folgt ebenso wie das Sozialgericht dem gerichtlichen Sachverständigen Dr. Tin seiner Einschätzung des Leistungsvermögens, die er widerspruchsfrei und damit überzeugend aus den Ergebnissen seiner eigenen Untersuchung und der Würdigung der bei den Akten befindlichen medizinischen Unterlagen abgeleitet hat. Der gerichtliche Sachverständige war zudem besonders geeignet, die Begutachtung durchzuführen. Denn er ist an einem Krankenhaus in einem Bezirk mit hohem Ausländeranteil tätig und verfügt somit über überdurchschnittliche Erfahrungen mit Patienten aus dem Kreis der Migranten. Überzeugend ist es vor allem, wenn Dr. T auf Grund der Untersuchungsergebnisse der Gutachterin Dr. S und der medizinischen Reha herausarbeitet, dass die Entwicklung eines psychischen und eines somato-psychischen Krankheitsbildes mit der Herauslösung der beiden 1972 und 1977 geborenen Töchter aus der familiären Umgebung einsetzte, was sich als gravierender Einschnitt im Leben der Klägerin darstellte und zu regressivem Verhalten führte. Bereits in dem Entlassungsbericht der Brandenburg-Klinik wird dazu ausgeführt, dass die Klägerin schon in der Kindheit durch elterliche Sozialisation gelernt habe, dass Schwäche, Hilflosigkeit und Krankheit vor Entstehen und Durchhalten von Konfliktsituationen schützten. Nachdem die Aufgaben als Mutter und funktionierende berufstätige Frau beendet seien, legitimiere sich die Klägerin durch Schwäche und Krankheit die lang ersehnte Ruhe und Anerkennung. Die Reha-Klinik hatte auch darüber berichtet, dass die Klägerin auf psychosoziale Gesprächsangebote zunächst mit starker Somatisierung reagiert habe. Vor diesem Hintergrund ist es ohne weiteres nachvollziehbar, wenn Dr. T eine "regressive Neigung" beschreibt und dem Wunsch nach familiärer Anerkennung den Wunsch nach einer materiellen Absicherung durch eine Rente an die Seite stellt, der das Krankheitsbild der Klägerin wesentlich prägt. Ebenso ist nachzuvollziehen, wenn er der Schlussfolgerung des behandelnden Arztes Dr. P, die Erwerbsfähigkeit der Klägerin sei "erheblich gemindert", deshalb nicht folgt, weil dieser Arzt das regressive Verhalten außer acht lässt und lediglich die von der Klägerin vorgetragenen Beschwerden bewertet. Der Senat hatte keinen Anlass, sich nochmals an Dr. P zu wenden, nachdem die Klägerin sich auf ihn berufen hatte, um dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen entgegen zu treten. Die Klägerin verkennt insoweit, dass behandelnde Ärzte im Rechtsstreit lediglich die Rolle eines sachverständigen Zeugen haben, also befragt werden, um den entscheidungserheblichen Sachverhalt aufzuklären. Der medizinische Sachverstand für die Bewertung des Leistungsvermögens wird dem Gericht dagegen durch Sachverständige vermittelt. Anlass für eine weitere Befragung des sachverständigen Zeugen gäbe es folglich nur dann, wenn Unklarheiten im tatsächlichen Bereich aufzuklären wären und durch den Zeugen aufgeklärt werden könnten. Das ist aber dann nicht der Fall, wenn der Sachverständige die vom Zeugen mitgeteilten Umstände unter den seinem Gutachtenauftrag entsprechenden Anforderungen bewertet. Das Attest des Dr. P vom 2. September 2005 gab ebenfalls keinen Anlass zu weiteren Ermittlungen, im Besonderen nicht dazu, ein "Gegengutachten" zu dem des gerichtlichen Sachverständigen Dr. T einzuholen. Abgesehen davon, dass im vorliegenden Rechtsstreit ohne Bedeutung ist, ob die Klägerin "arbeitsunfähig" ist (also zeitweise nicht mehr in der Lage, ihre letzte konkret verrichtete Arbeit auszuüben), hat der gerichtliche Sachverständigen seine Einschätzung des Leistungsvermögens – anders als Dr. P offenbar meint – nicht allein auf Grund der einmaligen Untersuchung der Klägerin abgegeben. Denn zum Gutachtenauftrag gehört nicht nur die Untersuchung, sondern auch die Auswertung der bei den Akten befindlichen medizinischen Unterlagen einschließlich der Befunde der behandelnden Ärzte. Weitere Aufgabe des gerichtlichen Sachverständigen ist es dann allerdings auch, die medizinischen Unterlagen kritisch zu würdigen und zu prüfen, ob sie sich mit seinen eigenen Feststellungen in Einklang bringen lassen. Das ist vorliegend geschehen. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist eine Rente wegen Erwerbsminderung. Die Klägerin ist 1956 in der Türkei geboren worden. Einen Berufsabschluss hat sie nicht erworben. Seit 1973 stand sie in der Bundesrepublik Deutschland in versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen, zuletzt ab 1980 bis Februar 1994 als Löterin/Bestückerin. Seither bezog sie Sozialleistungen wegen Arbeitslosigkeit beziehungsweise Krankengeld. Ab 7. Juni 2001 war sie durchgehend arbeitsunfähig krankgeschrieben. Auf ihren Antrag hin bewilligte ihr die Beklagte eine Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation (Reha), die vom 12. November bis zum 23. Dezember 2002 in der Brandenburg-Klinik B-W durchgeführt wurde. Aus der Maßnahme wurde die Klägerin als arbeitsunfähig in der letzten beruflichen Tätigkeit, im übrigen als leistungsfähig für täglich 6 Stunden und mehr leichter körperlicher Arbeit im Wechsel der Körperhaltungen, ohne Zwangshaltungen der Wirbelsäule und Kälte-Nässe-Disposition sowie nicht in Nachtschicht entlassen (Entlassungsbericht Dr. Dr. M/Dr. U/S vom 12. Februar 2003; Behandlungsdiagnosen: Dysthymia vor dem Hintergrund einer histrionischen Persönlichkeit, Somatisierungsstörung, HWS-Syndrom, LWS-Syndrom). Vorangegangen war ein Gutachten der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. S im Auftrag der Beklagten, die bei der Klägerin ein 6- und mehr-stündiges Leistungsvermögen für mittelschwere Tätigkeiten im Wechsel der Haltungsarten, nicht in Nachtschicht, im übrigen aber ohne wesentliche Einschränkungen festgestellt hatte (Gutachten vom 28. Mai 2005; Diagnosen: Depressives Syndrom bei depressiv-histrionischen Zügen, reaktiv ausgelöst; rezidivierendes Zervikalsyndrom, rezdivierendes LWS-Syndrom). Rente wegen Erwerbsminderung beantragte die Klägerin im Januar 2003. Die Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 8. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2003 ab, nachdem die Ärztin für Psychiatrie Dr. S-Bin einer prüfärztlichen Stellungnahme vom 17. Juli 2003 nach Aktenlage das Leistungsvermögen ebenso beurteilt hatte wie die Reha-Klinik. Mit ihrer Klage hat die Klägerin geltend gemacht, bereits seit zwei Jahren durchgehend arbeitsunfähig krank und darüber hinaus auf Grund ihrer Krankheiten insgesamt nicht mehr leistungsfähig zu sein. Das Sozialgericht hat Befundberichte von behandelnden Ärzten der Klägerin eingeholt (Facharzt für Orthopädie und Rheumatologie Dr. R vom 12. Dezember 2003, Arzt für Orthopädie F vom 12. Dezember 2003, Ärztin Dr. K-L vom 18. Dezember 2003), ferner hat der ebenfalls zur Erstellung eines Befundberichtes aufgeforderte Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. P ein "Attest" vom 10. April 2004 eingereicht. Im Auftrag des Sozialgerichts ist die Klägerin von dem Arzt für Psychiatrie und Neurologie Dr. T begutachtet worden. In seinem Gutachten vom 13. August 2004 ist der gerichtliche Sachverständige zu dem Ergebnis gekommen, dass die Klägerin noch täglich regelmäßig vollschichtig leichte und gelegentlich mittelschwere Arbeiten ausführen könne. Ein Wechsel der Haltungsarten sei anzuraten, einseitige körperliche Belastungen seien zu vermeiden. In Akkord- oder Fließbanddienst solle sie nicht eingesetzt werden. In einem festgelegten Rhythmus solle sie arbeiten. Schwere Lasten könnten nicht gehoben oder getragen werden, auf Leitern und Gerüsten könne sie arbeiten. Die Belastbarkeit der Wirbelsäule sei herabgesetzt. Geistige Arbeiten einfacher Art entsprechend ihrem Ausbildungsstand könne die Klägerin verrichten (Diagnosen: länger dauerndes ängstlich-depressives Syndrom; Schmerzsyndrom der Wirbelsäule mit einer psychischen Ausgestaltung im Sinne einer somato-psychischen Verknüpfung). Die Klägerin hat der weiteren Feststellung des Sachverständigen widersprochen, dass ihr Krankheitsbild ein regressives Verhalten darstelle. Durch Gerichtsbescheid vom 3. Februar 2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen sei die Klägerin weder ganz noch teilweise erwerbsgemindert, weil sie einer körperlich leichten Arbeit täglich noch 6 Stunden und mehr nachgehen könne. Der gerichtliche Sachverständige habe überzeugend begründet, warum keine quantitative Leistungsminderung vorliege. Im Zusammenhang mit der Loslösung der Töchter aus der Herkunftsumgebung sei es zu einem Schmerzsyndrom der Wirbelsäule und zur Ausbildung einer deprimierten Verfassung, verknüpft mit Ängstlichkeit und Hoffnungslosigkeit gekommen. Die Klägerin sei in eine passive Lebensbewältigungsstrategie geraten und erwarte vielfältige Unterstützung, die ihr versagt bleibe. Das begründe aus psychiatrischer Sicht jedoch keine Erkrankung, welche die berufliche Leistungsfähigkeit aufhebe. Einfache Tätigkeiten könne die Klägerin, wenngleich mit hoher Willensanstrengung, ausüben. Da sie lediglich ungelernte Tätigkeiten ausgeübt habe und deshalb – wie bei den Renten wegen voller und teilweiser Erwerbsminderung - auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden könne, sei die Klägerin auch nicht berufsunfähig. Mit der am 23. März 2005 (Mittwoch) per Post bei Gericht eingegangenen Berufung (Poststempel 19. März 2005) gegen den ihr am 22. Februar 2005 zugestellten Gerichtsbescheid macht die Klägerin weiterhin geltend, voll, jedenfalls aber teilweise erwerbsgemindert zu sein und hält die Einschätzung ihres Leistungsvermögens durch den gerichtlichen Sachverständigen weiterhin für unzutreffend. Sie hat ein Attest des Dr. P vom 2. September 2005 zu den Akten gereicht, um ihre Auffassung zu belegen. Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 3. Februar 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 8. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 1. Januar 2003 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt dieser Aktenstücke Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Sie gilt im Besonderen als fristgerecht eingelegt, da der Klägerin gegen die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren war (§ 67 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG -). Sie konnte damit rechnen, dass die Berufungsschrift das Gericht bei gewöhnlichen Postlaufzeiten noch bis zum Ablauf der Berufungsfrist erreichen würde, so dass die Fristversäumnis unverschuldet war. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Der – allein den Streitgegenstand bildende - Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in der hier anwendbaren, seit 1. Januar 2001 geltenden Fassung, setzt neben den sogenannten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (§ 43 Abs. 1 Nr. 2 und 3, Abs. 2 Nr. 2 und 3, Abs. 4 bis 6) voraus, dass die Versicherte entweder voll oder teilweise erwerbsgemindert ist (§ 43 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1). Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Die Klägerin ist weder voll noch teilweise erwerbsgemindert, da sie nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen noch 6 Stunden und mehr leichte körperliche und ihrem Ausbildungsstand entsprechende geistige Tätigkeiten mit wenigen qualitativen Einschränkungen verrichten kann. Der Senat folgt ebenso wie das Sozialgericht dem gerichtlichen Sachverständigen Dr. Tin seiner Einschätzung des Leistungsvermögens, die er widerspruchsfrei und damit überzeugend aus den Ergebnissen seiner eigenen Untersuchung und der Würdigung der bei den Akten befindlichen medizinischen Unterlagen abgeleitet hat. Der gerichtliche Sachverständige war zudem besonders geeignet, die Begutachtung durchzuführen. Denn er ist an einem Krankenhaus in einem Bezirk mit hohem Ausländeranteil tätig und verfügt somit über überdurchschnittliche Erfahrungen mit Patienten aus dem Kreis der Migranten. Überzeugend ist es vor allem, wenn Dr. T auf Grund der Untersuchungsergebnisse der Gutachterin Dr. S und der medizinischen Reha herausarbeitet, dass die Entwicklung eines psychischen und eines somato-psychischen Krankheitsbildes mit der Herauslösung der beiden 1972 und 1977 geborenen Töchter aus der familiären Umgebung einsetzte, was sich als gravierender Einschnitt im Leben der Klägerin darstellte und zu regressivem Verhalten führte. Bereits in dem Entlassungsbericht der Brandenburg-Klinik wird dazu ausgeführt, dass die Klägerin schon in der Kindheit durch elterliche Sozialisation gelernt habe, dass Schwäche, Hilflosigkeit und Krankheit vor Entstehen und Durchhalten von Konfliktsituationen schützten. Nachdem die Aufgaben als Mutter und funktionierende berufstätige Frau beendet seien, legitimiere sich die Klägerin durch Schwäche und Krankheit die lang ersehnte Ruhe und Anerkennung. Die Reha-Klinik hatte auch darüber berichtet, dass die Klägerin auf psychosoziale Gesprächsangebote zunächst mit starker Somatisierung reagiert habe. Vor diesem Hintergrund ist es ohne weiteres nachvollziehbar, wenn Dr. T eine "regressive Neigung" beschreibt und dem Wunsch nach familiärer Anerkennung den Wunsch nach einer materiellen Absicherung durch eine Rente an die Seite stellt, der das Krankheitsbild der Klägerin wesentlich prägt. Ebenso ist nachzuvollziehen, wenn er der Schlussfolgerung des behandelnden Arztes Dr. P, die Erwerbsfähigkeit der Klägerin sei "erheblich gemindert", deshalb nicht folgt, weil dieser Arzt das regressive Verhalten außer acht lässt und lediglich die von der Klägerin vorgetragenen Beschwerden bewertet. Der Senat hatte keinen Anlass, sich nochmals an Dr. P zu wenden, nachdem die Klägerin sich auf ihn berufen hatte, um dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen entgegen zu treten. Die Klägerin verkennt insoweit, dass behandelnde Ärzte im Rechtsstreit lediglich die Rolle eines sachverständigen Zeugen haben, also befragt werden, um den entscheidungserheblichen Sachverhalt aufzuklären. Der medizinische Sachverstand für die Bewertung des Leistungsvermögens wird dem Gericht dagegen durch Sachverständige vermittelt. Anlass für eine weitere Befragung des sachverständigen Zeugen gäbe es folglich nur dann, wenn Unklarheiten im tatsächlichen Bereich aufzuklären wären und durch den Zeugen aufgeklärt werden könnten. Das ist aber dann nicht der Fall, wenn der Sachverständige die vom Zeugen mitgeteilten Umstände unter den seinem Gutachtenauftrag entsprechenden Anforderungen bewertet. Das Attest des Dr. P vom 2. September 2005 gab ebenfalls keinen Anlass zu weiteren Ermittlungen, im Besonderen nicht dazu, ein "Gegengutachten" zu dem des gerichtlichen Sachverständigen Dr. T einzuholen. Abgesehen davon, dass im vorliegenden Rechtsstreit ohne Bedeutung ist, ob die Klägerin "arbeitsunfähig" ist (also zeitweise nicht mehr in der Lage, ihre letzte konkret verrichtete Arbeit auszuüben), hat der gerichtliche Sachverständigen seine Einschätzung des Leistungsvermögens – anders als Dr. P offenbar meint – nicht allein auf Grund der einmaligen Untersuchung der Klägerin abgegeben. Denn zum Gutachtenauftrag gehört nicht nur die Untersuchung, sondern auch die Auswertung der bei den Akten befindlichen medizinischen Unterlagen einschließlich der Befunde der behandelnden Ärzte. Weitere Aufgabe des gerichtlichen Sachverständigen ist es dann allerdings auch, die medizinischen Unterlagen kritisch zu würdigen und zu prüfen, ob sie sich mit seinen eigenen Feststellungen in Einklang bringen lassen. Das ist vorliegend geschehen. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
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