L 4 RJ 11/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 31 RJ 2400/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 RJ 11/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 03. De¬zember 2003 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Kosten sind für beide Instanzen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten noch um die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Der im Juni 1948 geborene Kläger ist gelernter Rohrinstallateur. Nach Abschluss seiner dreijährigen Ausbildung im März 1966 arbeitete er – von einer einjährigen Tätigkeit als Autoverkäufer in den 60er-Jahren abgesehen – bis Dezember 1999 in seinem Lehrberuf. Nach betriebsbedingter Kündigung ist er seit dem 01. Januar 2000 arbeitslos und bezog bis zum 21. Oktober 2001 Arbeitslosengeld.

Am 13. März 2002 beantragte der Kläger, bei dem das Landesamt für Gesundheit und Versorgung im April 2002 einen Grad der Behinderung von 50 anerkannt hat, die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung und berief sich zur Begründung auf Schwerhörigkeit und psychische Probleme. Der Beklagten lagen neben einem Attest des den Kläger behandelnden Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. S vom 19. Februar 2002 ein von der Vertragsärztin Dr. P für die Arbeitsverwaltung erstelltes Gutachten vom 18. Mai 2000 sowie ein im Rahmen eines Rehabilitationsverfahrens von ihr bei dem Facharzt für Nervenheilkunde Dr. H in Auftrag gegebenes Gutachten vom 28. August 2001 vor. Ergänzend holte sie ein orthopädisches Gutachten bei Dr. R ein. Dieser gab unter dem 04. Juni 2002 an, dass der Kläger an einem Zustand nach Bandscheibenoperation C6/7, einer Tricepsschwäche rechts sowie einem neurasthenischen Syndrom leide, aufgrund dieser gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht mehr als Rohrinstallateur arbeiten könne, wohl aber über ein Leistungsvermögen von sechs und mehr Stunden für körperlich leichte Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten unter Berücksichtigung einiger qualitativer Einschränkungen verfüge. Auf der Grundlage dieses Gutachtens lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26. Juni 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. Oktober 2002 die Gewährung einer Rente ab. Mit dem festgestellten Leistungsvermögen sei der Kläger zwar nicht mehr in der Lage, seiner letzten Tätigkeit als Rohrinstallateur nachzugehen. Mit seinen Kenntnisse und Fähigkeiten, die er sich in seinem Berufsleben erworben habe, könne er aber noch Tätigkeiten ausüben, die ihm nach ihrer tariflichen Bewertung und Einordnung zumutbar seien, so z.B. die Tätigkeit eines Revisors, Maß- und Qualitätskontrolleurs sowie Teilemonteurs kleiner Aggregate. Es liege daher weder volle noch teilweise Erwerbsminderung vor.

Mit seiner am 21. Oktober 2002 erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Seine gesundheitlichen Beschwerden, insbesondere auf psychischem Gebiet, seien nicht hinreichend gewürdigt worden. Außerdem hätten sich diese zwischenzeitlich weiter verschlechtert. Dies gelte besonders nach dem Tod seiner Frau im Mai 2002.

Das Sozialgericht Berlin hat Befundberichte bei dem Facharzt für Orthopädie Dr. S, dem Internisten Dr. J sowie dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S eingeholt. Weiter hat es ein Gutachten des Arbeitsamtsarztes Dr. R vom 10. Januar 2003 sowie die medizinischen Unterlagen des Versorgungsamtes beigezogen. Schließlich hat es den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie sowie für Psychotherapeutische Medizin Dr. G mit der Erstattung eines entsprechenden Fachgutachtens beauftragt. Der Sachverständige hat bei dem Kläger unter dem 30. Juli 2003 eine mäßig geminderte Kraftentwicklung im Bereich des rechten Armes – speziell des rechten Tricepsmuskels – bei Zustand nach Bandscheibenoperation C6/C7 1999, eine diskrete sensibel-symmetrische Polyneuropathie im Bereich der unteren distalen Gliedmaßen sowie phobisch getönte Angst und depressive Störung gemischt, eine Neurasthenie (jeweils mit Neigung zu – vor allem vegetativ vermittelter - Begleitsymptomatik) und zumindest frühere chronische Neigung zu schädlichem Konsum von Alkohol diagnostiziert. Trotz dieser gesundheitlichen Beeinträchtigungen hat er ihm ein vollschichtiges Leistungsvermögen für körperlich leichte Arbeiten unter Berücksichtigung einiger qualitativer Einschränkungen bescheinigt.

In Kenntnis des Gutachtens hat die Beklagte an den von ihr zuvor benannten Verweisungstätigkeiten nicht mehr festgehalten, sondern den Kläger unter Vorlage diverser berufskundlicher Auskünfte auf die Tätigkeit eines Hochregallagerarbeiters verwiesen. Das Sozialgericht Berlin hat die Beklagte mit Urteil vom 03. Dezember 2003 verurteilt, dem Kläger ab März 2002 für die Dauer von drei Jahren eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren. Zur Begründung, auf deren Einzelheiten Bezug genommen wird, hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger berufsunfähig im Sinne des § 240 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) sei. Unstreitig sei er in das von der Rechtsprechung entwickelte so genannte Mehrstufenschema als Facharbeiter einzustufen. Es seien ihm damit auch angelernte Tätigkeiten als Verweisungsberufe zumutbar, soweit sein Leistungsvermögen diese noch zulasse. Jedoch verfüge er zur Überzeugung der Kammer für entsprechende Tätigkeiten nicht mehr über ein vollschichtiges Leistungsvermögen. Für die Tätigkeit eines Hochregallagerarbeiters reiche das Leistungsvermögen nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. G und insbesondere dem persönlichen Eindruck, den sich die Kammer in der mündlichen Verhandlung von dem Kläger gemacht habe, nicht aus. Er verfüge nicht mehr über das erforderliche psychische Leistungsvermögen für die dauerhafte und regelmäßige Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit. Es sei davon auszugehen, dass bei einem Hochregallagerarbeiter an die Merk- und Denkfähigkeit sowie das Konzentrationsvermögen keine allzu geringen Anforderungen gestellt würden. Der Kläger verfüge jedoch nicht über das erforderliche Mindestmaß an dauerhafter Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit sowie Belastbarkeit, die die Tätigkeit des Hochregallagerarbeiters erfordere. Eine andere Tätigkeit auf der Ebene der Angelernten im oberen Bereich, die dem Kläger sozial und gesundheitlich zumutbar sei, sei nicht ersichtlich. Allerdings bestehe die Wahrscheinlichkeit, dass die funktionsbeeinträchtigenden Leiden des Klägers innerhalb von drei Jahren zu bessern seien, sodass die Rente nach § 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI zu befristen gewesen sei.

Gegen dieses ihr am 13. Februar 2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 05. März 2004 eingelegte Berufung der Beklagten. Es sei unstreitig, dass der Kläger seinen bisherigen Beruf als Rohrinstallateur nicht mehr ausüben könne. Er könne jedoch zumutbar auf die Tätigkeit eines Hochregallagerarbeiters verwiesen werden. Die Annahme des Sozialgerichts, dass dem Kläger nach eigener Anschauung derzeit ein Mindestmaß an dauerhafter Konzentrations- bzw. Reaktionsfähigkeit nicht zuzusprechen sei, sei nicht nachvollziehbar. Abgesehen davon, dass sich Umstände, auf die diese Annahme gestützt sein könnte, dem Protokoll der mündlichen Verhandlung nicht entnehmen ließen, könne ein medizinischer Laie während der Dauer einer Verhandlung kaum eine entsprechende Einschätzung vornehmen. Ggfs. hätte das Sozialgericht sich zu weiteren medizinischen Ermittlungen veranlasst sehen müssen, nachdem der Sachverständige Dr. G in seinem Gutachten ausgeführt habe, dass der Kläger bei der Anamneseerhebung und der Exploration durchgängig konzentriert und aufmerksam gewesen sei. Ein persönlicher Eindruck reiche nicht, um komplexe Hirnfunktionen nur annähernd einzuschätzen. Weiter überzeuge der angenommene Rentenbeginn nicht. Zum einen habe das Gericht einen Zusammenhang zwischen dem Eintritt der Leistungsminderung und dem Tod der Ehefrau des Klägers hergestellt, dies dann aber bei der Festlegung des Versicherungsfalls nicht beachtet. Zum anderen sei nicht berücksichtigt worden, dass bei angeblich spätestens zum Zeitpunkt der Antragstellung eingetretenem Leistungsfall bei einer Zeitrente der Versicherungsbeginn der 01. Oktober 2002 hätte sein müssen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 03. Dezember 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angegriffene Urteil für zutreffend.

Der Senat hat bei dem Verband der Metall- und Elektroindustrie Berlin-Brandenburg e.V. (VME) ergänzende berufskundliche Informationen eingeholt. Weiter hat er erneut Befundberichte bei dem Facharzt für Orthopädie Dr. S sowie dem Neurologen/Psychiater Dr. S angefordert und ein augenärztliches Gutachten in Auftrag gegeben. Der Sachverständige Dr. V hat in seinem Gutachten vom 17. Juni 2005 bei dem Kläger eine beidseitige konzentrische Gesichtsfeldeinengung ohne pathomorphologisches Substrat von im Mittel ca. 30 – 60° bei Anwendung der kinetischen Goldmann-Perimetrie festgestellt, die am ehesten aufgrund der allgemeinen nervlichen Schwäche psychasthenisch bedingt sei. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 23. November 2005 hat er schließlich angegeben, dass volles Stereosehen bestehe und der Kläger auch Tätigkeiten ausüben könne, die mit hoher Anforderung an das Stereosehen einhergingen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Befundberichte der behandelnden Ärzte, die eingeholten Gutachten und berufskundlichen Informationen sowie den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Berlin bewertet die Sach- und Rechtslage nicht überzeugend.

Der Bescheid der Beklagten vom 26. Juni 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. Oktober 2002 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts Berlin hat der Kläger auch in der Zeit vom 01. August 2003 bis zum 28. Februar 2005 keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben bei Erfüllung der sonstigen – in § 43 SGB VI geregelten - Voraussetzungen diejenigen Versicherten Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, die vor dem 02. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Streitig ist bei dem Kläger, der die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung der begehrten Rente erfüllt, allein, ob er im fraglichen Zeitraum berufsunfähig war. Dies ist zur Überzeugung des Senats zu verneinen.

Berufsunfähig sind nach Absatz 2 der genannten Vorschrift Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist, wobei der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, alle Tätigkeiten umfasst, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist hingegen nach Abs. 2 Satz 4 der Norm nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.

Zu Recht ist das Sozialgericht Berlin davon ausgegangen, dass der Kläger im Hinblick auf seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Rohrinstallateur in das von der Rechtsprechung entwickelte so genannte Mehrstufenschema als Facharbeiter einzugruppieren ist. Es wird insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf die überzeugenden Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG -). Zutreffend hat das Sozialgericht Berlin ferner angenommen, dass allein aus dem Umstand, dass der Kläger nicht mehr als Rohrinstallateur arbeiten kann, nicht seine Berufsunfähigkeit folgt. Denn – wie ausgeführt – umfasst der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten zu beurteilen ist, alle Tätigkeiten, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Als solche Tätigkeit, die für die Prüfung der Erwerbsfähigkeit zu berücksichtigen ist, hat die Beklagte zuletzt allein noch die eines Hochregallagerarbeiters benannt. Einer Verweisung auf diese Tätigkeit stehen zur Überzeugung des Senats weder fachliche oder soziale noch gesundheitliche Gründe entgegen.

Ein Einsatz als Hochregallagerarbeiter ist dem Kläger angesichts seiner abgeschlossenen Ausbildung und langjährigen Berufspraxis als Rohrinstallateur fachlich zumutbar, da ihm die in seinem Beruf erworbenen Kenntnisse die vollwertige Ausübung der genannten Arbeit nach einer nur kurzen Einarbeitungszeit von nicht mehr als drei Monaten ermöglichen. Denn nach den zahlreichen zu den Akten gereichten Auskünften des VME, der für die Tätigkeit eines Arbeiters in Hochregallagern mit warenkundlichen Kenntnissen des üblichen Metallsortiments als besonders sachkundige Stelle anzusehen ist, und insbesondere unter Zugrundelegung der Auskunft vom 19. März 2002 können von einem gelernten Rohrinstallateur, der diesen Beruf etwa 35 Jahre lang ausgeübt hat, die für die genannte Verweisungstätigkeit erforderlichen Kenntnisse nach einer nur kurzen Einarbeitungszeit erworben werden. Denn ein Installateur hat mit vielen für Metallberufe typischen Dingen wie z.B. Gewindegrößen etc. zu tun und bringt damit genug Verständnis mit, um in einem Lager nach nur kurzer Einarbeitungszeit tätig zu sein. Dies gilt auch, soweit die Ausübung der Tätigkeit den Umgang mit Computern erfordert. Denn aufgrund der Einführung von anwenderfreundlicher Software können sich auch Personen, die über keine entsprechenden Vorkenntnisse verfügen, die für die Tätigkeit erforderlichen Computerkenntnisse innerhalb einer dreimonatigen Einweisungszeit aneignen. Auch ist dem Kläger als Facharbeiter die in die Lohngruppe 4 oder 5 des Tarifvertrages für die Berliner Metallindustrie eingestufte Tätigkeit als Hochregallagerarbeiter sozial zumutbar.

Schließlich steht die benannte Tätigkeit - entgegen der Auffassung des Sozialgerichts Berlin - auch mit dem Leistungsvermögen des Klägers in Einklang. Die Tätigkeit eines Hochregallagerarbeiters ist nach den Auskünften des VME eine körperlich leichte, die vorwiegend im Sitzen ausgeübt wird und weder mit dem Heben oder Tragen von Lasten einhergeht noch üblicherweise das Besteigen von Leitern erfordert. Die Arbeit findet nicht unter Zeitdruck oder in Zwangshaltungen statt und erfolgt nicht unter Einfluss von Hitze, Kälte, Staub, Feuchtigkeit, Zugluft oder inhalativen Reizstoffen. Auch wird nicht an laufenden Maschinen gearbeitet. Die Tätigkeit, die zu einem nicht unerheblichen Anteil in Bildschirmarbeit besteht, erfordert indes ein uneingeschränktes räumliches Sehen sowie kein gestörtes Rot-Grün-Erkennen (Auskunft des VME vom 19. Juli 2004). Umgekehrt werden keine besonderen Anforderungen an das Hörvermögen gestellt, so dass auch bei Einschränkungen des Hörvermögens die Tätigkeit als Hochregallagerarbeiter vollwertig ausgeübt werden kann (Auskunft des VME vom 15. April 2005). Schließlich ist ein Einsatz eines Hochregallagerarbeiters in Nachtschicht jedenfalls nicht typisch (Auskunft des VME vom 18. Februar 2003).

Diesen Anforderungen vermag der Kläger gerecht zu werden. Seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen bedingen keine Leistungseinschränkungen, die einem Einsatz als Hochregallagerarbeiter entgegenstehen. Denn nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen verfügt er über ein vollschichtiges Leistungsvermögen für körperlich leichte Tätigkeiten, die überwiegend im Sitzen auszuüben sind. Diese Arbeiten sollten nicht mit anhaltend starkem Zeitdruck wie bei Akkord- oder Fließbandtätigkeiten einhergehen, das Heben und Tragen mehr als leichter Lasten erfordern oder auf Leitern und Gerüsten bzw. an offen laufenden Maschinen zu erbringen sein. Ferner sollte der Kläger nicht längerem Einfluss von Hitze, Kälte, starkem Staub, starker Nässe oder starker Zugluft ausgesetzt werden oder in Nachtschicht arbeiten. Schließlich sollte er keine Arbeiten ausüben, die eine anhaltend besondere Belastbarkeit des rechten Armes bzw. der rechten Hand voraussetzen oder anhaltend besondere Anforderungen an sein Reaktionsvermögen sowie seine Konzentrations- und Entschlussfähigkeit stellen.

Mit der dahingehenden Einschätzung stützt der Senat sich im Wesentlichen auf die Gutachten der Sachverständigen Dr. G und Dr. V. Die Sachverständigen, die dem Senat als erfahrene und gewissenhafte Gutachter bekannt sind, haben unter sorgfältiger Auswertung der Vorbefunde und nach gründlicher Untersuchung des Klägers die bei ihm bestehenden, im Tatbestand wiedergegebenen Gesundheitsstörungen sowie die daraus resultierenden Leistungseinschränkungen dargestellt. Überzeugend hat der Sachverständige Dr. G ausgeführt, dass Art und Ausprägung der – von ihm auch in ihrer jeweiligen Wechselwirkung mitberücksichtigten - organmedizinisch relevanten Gesundheitsstörungen und der Psychopathologie das Leistungsvermögen des Klägers deutlich einschränkten, nicht jedoch zu einer auch zeitlichen Einschränkung seines Leistungsvermögens führten. Dies folge insbesondere daraus, dass sich nichts in Richtung einer etwaig anhaltenden Schwergradigkeit seiner psychischen Beeinträchtigungen ergeben habe. Ergänzend hat der Sachverständige Dr. V anschaulich dargelegt, dass bei dem Kläger zwar eine beidseitige konzentrische Gesichtsfeldeinengung ohne pathomorphologisches Substrat von im Mittel ca. 30 – 60° bei Anwendung der kinetischen Goldmann-Perimetrie bestehe. Er hat jedoch auch angegeben, dass sich dies nicht auf das räumliche Sehen des Klägers auswirke, dieser vielmehr vollumfänglich für Tätigkeit geeignet sei, die hohe Anforderungen an das Stereosehen erfordern. Auch hat sich die in dem Gutachten des Arbeitsamtsarztes Dr. R vom 10. Januar 2003 geäußerte Feststellung, dass das Rot-Grün-Erkennen bei dem Kläger gestört sei, im Rahmen der augenärztlichen Untersuchungen nicht bestätigt. Insoweit hat bereits der den Kläger behandelnde Augenarzt Dr. H im August 2004 angegeben, dass das Rot-Grün-Sehen bei dem Kläger regelrecht sei. Diese Einschätzung zum Leistungsvermögen deckt sich im Wesentlichen mit der Beurteilung, zu der auch die von der Beklagten beauftragten Gutachter gelangt sind.

Weiter sind den Befundmitteilungen der den Kläger behandelnden Ärzte keine wesentlichen, von den Gutachtern nicht gewürdigten Diagnosen zu entnehmen. Soweit der Neurologe und Psychiater Dr. S davon ausgegangen ist, dass der Kläger nicht mehr über ein vollschichtiges Leistungsvermögen verfüge, vermochte sich der Senat dieser Einschätzung im Hinblick auf die Ausführungen insbesondere des Sachverständigen Dr. G, denen sich der Sachverständige Dr. V insoweit angeschlossen hat, nicht anzuschließen. Er folgt vielmehr dem Urteil von Dr. G, der in keinem engeren Arzt-Patienten-Verhältnis steht, über langjährige Erfahrung in der rentenrechtlichen Begutachtung verfügt und insbesondere nachvollziehbar ausgeführt hat, dass bei dem Kläger die Wiederaufnahme einer geeigneten Arbeit durch die damit verbundene Verbesserung der sozialen Kontakte und Stabilisierung des Selbstwertgefühls zu einer Minderung der psychischen Symptombildung beitragen würde.

Dem Sozialgericht Berlin vermochte der Senat nicht zu folgen, soweit dieses davon ausgegangen ist, dass der Kläger nicht über das erforderliche Maß an Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit verfüge, um dauerhaft als Hochregallagerarbeiter eingesetzt zu werden. Er verkennt dabei nicht, dass in den medizinischen Unterlagen wiederholt u.a. auf die Verlangsamung des Klägers infolge seiner psychischen Probleme hingewiesen wird. Indes hat der Sachverständige Dr. G in seinem Gutachten ausgeführt, dass der Kläger bei der Anamneseerhebung und Exploration durchgängig konzentriert und aufmerksam, das kognitive Tempo genügend gewesen und es weder zu einer zunehmenden Verlangsamung noch zu einer Reaktionsunsicherheit gekommen sei. Vor dem Hintergrund dieser Einschätzung, der sich zwischenzeitlich der Sachverständige Dr. V angeschlossen hat, erscheint die Einschätzung des Sozialgerichts Berlin mangels entsprechender ärztlicher Bestätigung nicht überzeugend. Der Sachverständige hat lediglich gefordert, dass bei dem Kläger keine anhaltend besonderen Anforderungen an das Reaktionsvermögen sowie die Konzentrations- und Entschlussfähigkeit gestellt werden dürften. Dass dies jedoch bei einem Einsatz als Hochregallagerarbeiter der Fall ist, ist nicht ersichtlich.

Unbeachtlich muss für die Frage der Rentengewährung schließlich bleiben, ob dem Kläger im fraglichen Zeitraum ein entsprechender Arbeitsplatz vermittelt werden konnte. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist die Abdeckung des Risikos der Erlangung eines Arbeitsplatzes regelmäßig nicht der Rentenversicherung, sondern der Arbeitslosenversicherung zugewiesen.

Auf die Berufung der Beklagten waren daher das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.

Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil ein Grund hierfür nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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