L 25 B 1302/05 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
25
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 23 AS 509/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 25 B 1302/05 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den den Erlass einer einstweiligen Anordnung ablehnenden Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 25. Oktober 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der am 08. Februar 1983 geborene, erwerbsfähige Antragsteller (Ast.) bezog Arbeitslosengeld (Alg) bis 28. Dezember 2003, Arbeitslosenhilfe (Alhi) anschließend bis 31. Dezember 2004 in Höhe von 58,59 Euro wöchentlich.

Am 17. August 2004 beantragte er für die Zeit ab 01. Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Der ledige Ast. war seinerzeit wohnhaft in der Hans-Sachs-Straße 56 in Cottbus.

Bei der Antragstellung gab der Ast auch an, im Oktober 2003 (ergänzend) Leistungen des Sozialamtes Cottbus beantragt zu haben.

Bezüglich der Wohnung Hans-Sachs-Straße 56 gelangten die ersten drei Seiten eines Mietvertrages zur Akte: Danach begann dieses Mietverhältnis am 01. Dezember 2003 auf unbestimmte Dauer.

Der Antragsgegner (Agg.) gewährte mit Bescheid vom 20. November 2004 für die Zeit vom 01. Januar 2005 bis 30. Juni 2005 monatlich 605,71 Euro (331Euro Regelleistung + 274,71 KdUuH).

Unter dem 08. Dezember 2004 stellte die Stadtwerke Cottbus GmbH dem Ast. für Energielieferung eine Rechnung für die Zeit vom 02. Dezember 2003 bis 06. Dezember 2004 in Höhe von 1.001,36 Euro. Unter Berücksichtigung von Sperr- und "Abklemm"-Kosten erhöhte sich diese Forderung auf 1.046,35 Euro. Das Sozialamt der Stadt Cottbus lehnte eine Übernahme ab (Bescheid vom 14. Dezember 2004). Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 02. März 2005). Den Begründungsausführungen des bei der Akte des Agg. vorfindlichen Widerspruchsbescheides ist zu entnehmen, der Ast. des vorliegenden Verfahrens habe sich für den genannten Zeitraum bei der Stadtwerke Cottbus GmbH nicht angemeldet, gleichwohl die Stromzufuhr genutzt, ohne Abschlagszahlungen zu leisten. In dem genannten Zeitraum seien 5436 Kwh zu einem Gesamtpreis von 1.001,36 Euro verbraucht worden. Hinzu kämen 90 Euro Abklemm- (und wohl auch Anklemm-)Gebühren, deren Übernahme durch das Sozialamt seitens des Ast. beantragt worden sei. Unter Heranziehung der §§ 12, 21 und 22 BSHG gehöre diese faktische Schuldübernahme nicht zum notwendigen Lebensunterhalt.

Auch die Annahme einer der Sicherung der Unterkunft vergleichbaren Notlage im Sinne des § 15 a Abs. 1 BSHG wurde durch diese Widerspruchsbehörde verneint.

Bezüglich der Zeit seit 01. Januar 2005 führte die Widerspruchsbehörde des Sozialamtes Cottbus aus, habe der Ast. die Möglichkeit, aus der monatlichen Regelleistung einen Betrag anzusparen, um den gegenüber den Stadtwerken geschuldeten Betrag in einer Gesamtsumme später tilgen zu können, wolle er den Abschluss eines Energielieferungsvertrages mit dem Versorgungsunternehmen erreichen.

Soweit aus den vorliegenden Aktenunterlagen entnehmbar, ist der Ast. gegen diesen Widerspruchsbescheid vom 02. März 2005 nicht klageweise vorgegangen.

Mit Schreiben vom 23. März 2005 wandte sich die Stadt Cottbus - Fachstelle zur Vermeidung von Obdachlosigkeit - an den Agg.: Seit 01. Januar 2005 sei durch den Ast. keine Mietzahlung erfolgt. Der Vermieter habe die fristlose Kündigung ausgesprochen und werde den Rechtsweg weiter bestreiten.

Der Agg. möge ab 05/2005 die Mietzahlung direkt an den Vermieter vornehmen, was dieser tat (Mitteilung vom 30. März 2005). Erstmalig am 26. April 2005 stellte der Ast. mündlichen Antrag auf Übernahme von Stromschulden als Darlehen bei der Agg., verweigerte nach Bewerberangebots (BewA-)Ausdruck aber die Angabe über deren nähere Höhe.

Bei persönlicher Vorstellung am 10. Mai 2005 wollte der Ast. laut BewA-Ausdruck Nachweise zu den Stromschulden nicht vorlegen.

Am 27. Mai 2005 beantragte der Ast. für die Zeit vom 01. Juli 2005 an weitere Leistungen. Dem entsprach der Agg. für die Zeit vom 01. Juli bis 31. Dezember 2005 wiederum in Höhe von 605,71 Euro monatlich.

An dem gleichen Tage legte der Ast. ein Schreiben der Stadtwerke Cottbus vor und beantragte mündlich ein Darlehen gegenüber dem Agg. zur Tilgung der o. g. Energiekostenschulden. Diesen Antrag lehnte der Agg. mit Bescheid vom 08. Juni 2005 sinngemäß ab. Der Ast. habe Belege zur Höhe der Stromschulden nicht beigebracht. Mit gleichlautendem Bescheid vom 13. Juni 2005 bezog sich der Agg. auf §§ 23 Abs. 1 i. V. m. 20 SGB II.

Hiergegen wandte sich der Ast. mit niederschriftlichen Widerspruch vom 04. Juli 2005. Er habe den Beleg über die Höhe der Stromschulden zur Akte gegeben. Unter dem 07. September 2005 erließ der Agg. zurückweisenden Widerspruchsbescheid. Er maß den geltend gemachten Anspruch an § 23 Abs. 1 SGB II.

Zur Höhe der Schulden und zum Zeitraum, in dem diese aufgelaufen seien, habe der Hilfesuchende die Auskunft verweigert. Aufgrund dessen sei mit dem Sozialamt der Stadtverwaltung Cottbus Rücksprache gehalten worden.

Schon seit geraumer Zeit werde der Ast. von den Stadtwerken nicht mehr mit elektrischer Energie versorgt. Da bereits eine Sperrung durch das Versorgungsunternehmen vorliege, sei auf Leistungen (des Sozialhilfeträgers) nach § 34 SGB XII zu verweisen. Leistungen als Darlehen nach § 23 SGB II kämen nicht in Betracht.

Der Ast. hat unter dem 13. September 2005 Klage vor dem Sozialgericht Cottbus erhoben (S 23 AS 510/05) und beantragt, die Beklagte zu verurteilen, dem Antrag auf Gewährung eines Darlehens zur Tilgung der Stromschulden zu entsprechen.

Ebenfalls am 13. September 2005 hat der Ast. Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt.

Er sei nicht in der Lage, die Stromschulden ohne Ratenzahlung - wie von den Stadtwerken gefordert in einer Summe - zu zahlen.

Am 30. September 2005 gelangten über den Ast. Rechnungsunterlagen der Stadtwerke Cottbus in Kopie zur Gerichtsakte.

Mit Beschluss vom 25. Oktober 2005 lehnte das Sozialgericht Cottbus den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Es mangele an einem Anordnungsanspruch. Der Agg. sei allenfalls erst für ab 01. Januar 2005 entstehende Schulden verpflichtet, Leistungen zu gewähren. Deshalb sei die Zuständigkeit des Trägers der örtlichen Sozialhilfe gegeben.

Im Übrigen scheitere eine Übernahme aber auch an § 22 Abs. 5 SGB II, wonach Mietschulden als Darlehen nur übernommen werden könnten, wenn sonst Wohnungslosigkeit einzutreten drohe und hierdurch die Aufnahme einer konkret in Aussicht stehenden Beschäftigung verhindert würde. Eine darlehensweise Schuldübernahme für andere als Mietschulden scheide danach überhaupt aus.

Von § 23 Abs. 1 SGB II sei ferner gefordert, dass ein unabweisbarer Bedarf für Gegenwart bzw. Zukunft gedeckt werden müsse. Eine rückwirkende Begleichung von ausstehenden Schulden sei hingegen von § 23 Abs. 1 SGB II nicht umfasst (LSG Hamburg vom 05. Juli 2005, L 4 B 183/05 ER SO).

Gegen den ihm am 28. Oktober 2005 zugestellten Beschluss hat der Ast. am 15. November 2005 Beschwerde erhoben, welcher das SG nicht abgeholfen hat.

Bei Stromschulden liege eine der Sicherung der Unterkunft vergleichbare Notlage vor. Nach Rechtsprechungsergebnissen sei es einem Alleinstehenden zeitweise, aber nicht auf Dauer zuzumuten, ohne elektrische Energie zu leben.

Des Weiteren könnten laut § 24 Abs. 1 SGB XII Miet- oder Stromschulden als Beihilfe oder Darlehen übernommen werden.

Eine Ratenzahlung seinerseits würde Jahre dauern, um eine Entsperrung zu erlangen. Selbst ein Umzug innerhalb von Cottbus würde ihm nichts nützten, um wieder elektrische Energie zu beziehen.

Das Sozialgericht Cottbus hat der Beschwerde nicht abgeholfen, sodann diese dem Landessozialgericht vorgelegt.

Nachdem Zustellversuche des Gerichts gegenüber dem Ast. gescheitert waren, teilte der Agg. unter dem 09. Januar 2006 eingehend mit, der Ast. sei am 12. Dezember 2005 zwangsgeräumt worden und wohne seitdem in einem Obdachlosenheim.

Seit 01. Januar 2006 sei er aus dem Zuständigkeitsbereich des Agg. verzogen.

Er wohne in 03099 Kolkwitz, Am Klinikum 6. Örtlich zuständig seien nunmehr der Eigenbetrieb Grundsicherung für Arbeitsuchende des Landkreises Spree-Neiße, Außenstelle Cottbus, Makarenkostraße in 03050 Cottbus. Von diesem erhalte er seit 01. Januar 2006 Leistungen nach dem SGB II inklusive Kosten für Unterkunft und Heizung.

Am 02. Februar 2006 eingehend hat der Ast. diese Angaben bestätigt und weiter vorgetragen, er werde jetzt von einem anderen Energieversorgungsunternehmen, welches für Kolkwitz zuständig sei, beliefert. Durch seine Schulden verbunden mit der Sperrung der Stromversorgung durch die Stadtwerke Cottbus habe er nie mehr die Möglichkeit, in Cottbus eine Wohnung anzumieten, da ihm die Stromversorgung dort versagt werden würde.

Es sei ihm auch nicht bekannt, inwieweit die beiden Stromversorger zusammenarbeiteten und er noch mit einer Einstellung der Stromlieferung rechnen müsse.

Der Senat geht davon aus, der Ast. wolle beantragen,

den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 25. Oktober 2005 aufzuheben und den Agg. im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm, dem Ast. ein Darlehen zur Tilgung seiner Schulden wegen Energielieferung seitens der Stadtwerke Cottbus GmbH zu gewähren.

Der Agg. hat sinngemäß beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Aktenunterlagen des Agg. zum Zeichen 03512 BG 000 2824 nebst der Verfahrensakte sowie der Akte des Hauptsacheverfahrens S 23 AS 510/05 - SG Cottbus. Die genannten Unterlagen haben dem Senat zu seiner Entscheidung vorgelegen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Der Ast. kann die begehrte einstweilige Anordnung nicht erlangen.

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt die Glaubhaftmachung von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund voraus (§ 86 b Abs. 2 Satz 1, Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO). Es mangelt vorliegend schon an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes im Sinne der Erforderlichkeit einer vorläufigen, einstweiligen Regelung. Dem Ast. ist das Abwarten des Ergebnisses des Hauptsacheverfahrens zumutbar: Nach seinem eigenen Vortrag hat er seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr im Versorgungsgebiet der Stadtwerke Cottbus. Er wird gegenwärtig von einem anderen Unternehmen mit elektrischer Energie versorgt.

Allein die Möglichkeit, dass der Ast. wieder im Versorgungsgebiet der Stadtwerke Cottbus GmbH Wohnsitz nimmt und im Zusammenhang damit die Stadtwerke Cottbus GmbH den Abschluss eines Versorgungsvertrages mit dem Ast. (erneut) verweigern, begründet gegenwärtig nicht die Notwendigkeit einer einstweiligen, vorläufigen Regelung. Für den Fall, dass der Ast. Wohnsitz wieder im Versorgungsgebiet der Stadtwerke Cottbus nimmt und von den Stadtwerken dort mit Energie nicht beliefert wird, steht ihm ein erneuter Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gegenüber dem Sozialgericht Cottbus frei, sofern er bis dahin nicht mit eigenen Mitteln seine aufgelaufenen Energiekostenschulden getilgt hat.

Aus Vorstehendem ergibt sich, dass Ausführungen zum Vorliegen eines Anordnungsanspruchs entbehrlich sind. Es kann daher insbesondere dahinstehen, ob die für die Zeit seit 01. April 2006 veränderte Fassung des § 22 Abs. 5 SGB II, wonach Schulden übernommen werden können, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist, sich für die Beurteilung des Anspruches des Ast. günstig auswirken könnte (vgl. Bundestags-Drucksache, 16/688 vom 15. Februar 2006, S. 14). Fraglich könnte insbesondere sein, ob diese Günstigerstellung auch für Miet-/Energieschulden in Betracht kommen kann, welche vor In-Kraft-Treten des SGB II zum 01. Januar 2005 bereits entstanden waren. Ebenso kann für das vorliegende Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes unbeurteilt bleiben, ob durch den Wechsel des gewöhnlichen Aufenthaltes (§ 36 SGB II) des Ast. nach Kolkwitz und die dadurch begründete örtliche Zuständigkeit des Eigenbetriebes Grundsicherung des Landkreises Spree-Neiße eine notwendige Beiladung dieses - gegenwärtigen – Anspruchsgegners für die Leistungsbeziehung nach dem SGB II erforderlich wäre. Auch diese prozessuale Frage ist im Rahmen des Hauptsacheverfahres zu beantworten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG analog.

Gegen diesen Beschluss sieht das Gesetz einen ordentlichen Rechtsbehelf nicht vor (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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