L 25 B 138/06 AS

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
25
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 37 AS 2813/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 25 B 138/06 AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 23. Januar 2006 wird der Beschluss aufgehoben. Der Beklagte hat den Klägern die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

Gründe:

I.

Im Streit ist eine Kostengrundentscheidung nach § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Auf den im Oktober 2004 gestellten Antrag des Klägers zu 1) bewilligte der Beklagte dem Kläger und den mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Klägern zu 2) und 3) durch Bescheid vom 5. November 2004 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SBG II) in Höhe von monatlich 13,19 Euro. Auf den dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers zu 1) änderte der Beklagte durch Bescheid vom 21. Dezember 2004 die Höhe der monatlichen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes auf monatlich 23,66. Mit dem am 17. Januar 2005 bei dem Beklagten eingegangenen Schriftsatz legte der Kläger zu 1) Widerspruch gegen den Bescheid vom 21. Dezember 2004 ein. Mit Schreiben vom 8. März 2005 erinnerte der Kläger an seinen Widerspruch und dessen Bearbeitung.

Am 27. April 2005 haben die Kläger beim Sozialgericht (SG) Berlin Klage erhoben mit dem Antrag, den Beklagten zu verpflichten, über den vom Kläger am 14. Januar 2005 erhobenen Widerspruch gegen den Bescheid des Beklagten vom 21. Dezember 2004 unverzüglich zu entscheiden und ihm, dem Kläger, unter Berücksichtigung der mit Widerspruchsschreiben vom 14. Januar 2005 und 8. März 2005 gemachten Anmerkungen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu bewilligen.

Durch Widerspruchsbescheid vom 25. August 2005 – Gz.: - hat der Beklagte den Widerspruch des Klägers vom 14. Januar 2005 gegen den Bescheid vom 21. Dezember 2004 als unbegründet zurückgewiesen. Daraufhin haben die Kläger den Rechtsstreit für erledigt erklärt.

Sie haben beantragt, die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten aufzulegen.

Der Beklagte hat beantragt zu entscheiden, dass Kosten gemäß § 193 SGG nicht zu erstatten sind. Der Beklagte führt zur Begründung an, aufgrund des Inkrafttretens des SGB II habe eine besondere Situation vorgelegen, die zu einem außergewöhnlichen Aufkommen an Widersprüchen und somit zu einer vorübergehenden besonderen Belastungen des JobCenters geführt habe. Dies sei auch aufgrund der allgemeinen Berichterstattung in den Medien für den Kläger erkennbar gewesen. Ferner enthielten die Eingangsbestätigungen einen Hinweis auf die verlängerte Bearbeitungszeit.

Durch Beschluss vom 23. Januar 2006 hat das Sozialgericht beschlossen, dass die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens nicht zu erstatten seien. Zur Begründung wurde ausgeführt, bei Untätigkeitsklagen sei grundsätzlich nach Ablauf der Fristen aus § 88 SGG von einer nicht hinnehmbaren Verzögerung auszugehen. Das Bundessozialgericht (BSG) habe jedoch in besonderen Situationen Ausnahmen zugelassen. Zu Recht mache der Beklagte geltend, dass zu Beginn des Jahres 2005 die extreme Arbeitsbelastung der JobCenter allgemein bekannt gewesen sei und insbesondere zur Gewährleistung einer Grundsicherung vorab die möglichst antragsnahe Auszahlung von Alg II Vorrang gehabt habe. Hinzu sei eine extreme Arbeitsbelastung durch SGB II – Eilverfahren – gekommen. Schließlich lasse der Verlauf des Klageverfahrens erkennen, dass dem Kläger selbst keine Notlage entstanden sei.

Gegen den dem Prozessbevollmächtigten der Kläger am 3. Februar 2006 zugestellten Beschluss richtet sich die am 23. Februar 2006 bei dem LSG Berlin–Brandenburg eingegangene Beschwerde der Kläger. Insbesondere wurde zur Begründung vorgetragen, dem Beklagten sei bereits lange vor der Neueinführung des SGB II bekannt gewesen, dass dieses seine Rechtswirkung am 1. Januar 2005 entfaltete. Das JobCenter habe daher genügend Zeitvorlauf gehabt, um sich auf die zu erwartende hohe Belastung aufgrund der Vielzahl von Anträgen einzustellen. Der Kläger habe davon ausgehen können, dass sich der Beklagte auf die neuen Arbeitsaufgaben umfassend inhaltlich und personell eingestellt hatte. Unzutreffenderweise habe das SG die Kostenentscheidung damit begründet, dass dem Kläger selbst keine Notlage entstanden sei. Weder der Gesetzeswortlaut des § 88 SGG noch die einschlägigen Kommentierungen ließen erkennen, dass bei Überschreitung der Frist zu prüfen wäre, ob dem Kläger eine Notlage entstanden sei.

Dem Vorbringen der Kläger ist als Antrag zu entnehmen,

den Beschluss des SG Berlin vom 23. Januar 2006 mit der Maßgabe aufzuheben, dass die außergerichtlichen Kosten der Kläger von dem Beklagten zu erstatten sind.

Der Beklagte beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Beklagte bezieht sich auf das bisherige Vorbringen.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der vorliegenden Gerichts- und Verwaltungsakten, die Gegenstand der Beschlussfassung waren.

II.

Die zulässige und im Übrigen statthafte Beschwerde ist begründet.

Nach § 193 Abs. 1 Satz 1 und 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Gericht im Urteil zu entscheiden, ob und im welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluss, wenn das Verfahren – wie hier – anders beendet wird.

Die zu treffende Grundentscheidung hat nach sachgerechtem Ermessen des Gerichts zu ergehen. Nach Auffassung des Senats ist es sachgerecht, dass derjenige Beteiligte die außergerichtlichen Kosten der Kläger trägt, der das Entstehen dieser Kosten veranlasst hat. Dies entspricht in der Regel billigem Ermessen.

Grundsätzlich gilt bei Erledigung einer Untätigkeitsklage, dass der Beklagte die außergerichtlichen Kosten des Klägers erstattet, sofern die Klage nach der in § 88 SGG genannten Sperrfristen erhoben wurde, weil dieser mit Bescheiderteilung vor dem gesetzlichen Fristablauf rechnen durfte. (Meyer-Ladewig/Leitherer, SGG, 8. Auflage § 193 Rz.13 c). Dies ist im vorliegenden Fall gegeben. Die Kläger haben nach der in § 88 II SGG genannten Frist von 3 Monaten Klage erhoben.

Der vorliegende Sachverhalt gibt keinen Anlass, von diesem Grundsatz abzuweichen. Ein entsprechender Anlass für eine Abweichung kann insbesondere gegeben sein, wenn der Beklagte einen zureichenden Grund für die Untätigkeit hatte und diesen Grund dem Kläger mitgeteilt hatte oder wenn er ihm bekannt war (Meyer-Ladewig, aaO). Allerdings hat die Beurteilung des konkreten vorliegenden Falles auch unter diesem Gesichtspunkt nicht zur Folge, dass Kosten nicht zu erstatten sind. Hier genügt nicht der – nachträgliche - Hinweis auf eine generelle Arbeitsüberlastung des Beklagten.

Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass der Beklagte zügig den zuvor eingegangen Anträgen des Klägers zu 1) entsprochen hatte. So war auf den am 5. Oktober 2004 bei dem Beklagten eingegangenen Antrag bereits am 5. November 2004 ein Bescheid erlassen worden. Auf den dagegen eingelegten Widerspruch war bereits am 21. Dezember 2004 der Änderungsbescheid erlassen worden. Bei dieser Sachlage mussten die Kläger nicht davon ausgehen, dass der Beklagte nunmehr einen zureichenden Grund für seine Untätigkeit hatte. Mit einer kurzen Zwischennachricht hätte der Beklagte den Klägern eine eingetretene Arbeitsüberlastung des Beklagten bekannt machen können.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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