L 30 AL 91/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
30
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 15 AL 549/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 30 AL 91/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 26. November 2003 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor des angefochtenen Urteils wie folgt gefasst wird: Der Bescheid vom 19. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juni 2003 wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an den Kläger für die Zeit vom 01. Dezember 2002 bis zum 30. September 2003 Arbeitslosengeld zu gewähren. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten auch des Berufungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Arbeitslosengeld für die Zeitraum vom 01. Dezember 2002 bis zum 30. September 2003.

Der 1944 geborene Kläger war ausweislich einer Arbeitsbescheinigung ohne Datum, ausgestellt von seiner Ehefrau H M (im Folgenden: Zeugin), im Zeitraum vom 01. Januar 1991 bis zum 30. November 2002 in dem Fotoatelier H. M (bzw. H. + M. M), B, tätig.

Die Zeugin, die mit dem Kläger seit 1965 verheiratet ist, hatte zwischen 1970 und 1972 ein Photoatelier von ihrem Vater übernommen. Seit etwa 1985 war der Kläger dort tätig, zunächst als mithelfendes Familienmitglied. Das Gewerbe ist ausweislich einer Bestätigung durch die Stadtverwaltung B seit dem 01. Januar 1976 auf den ausschließlichen Namen der Ehefrau des Klägers als Fotoatelier angemeldet. Eine Eintragung in das Handelsregister ist nicht feststellbar.

Der Kläger überreichte zu den Gerichtsakten einen unter dem Datum "30. März 1991" von ihm und der Zeugin unterzeichneten schriftlichen unbefristeten Arbeitsvertrag, mit dem als Dienstantritt als Fachverkäufer der 01. Februar 1991 vereinbart wurde. Des Weiteren war ein Monatsbruttolohn in Höhe von zunächst 1 000 DM vereinbart, der durch undatierte handschriftliche Änderung auf 1 850 DM erhöht wurde.

Ein schriftlicher, sowohl vom Kläger als auch von der Zeugin unterzeichneter, und im Verwaltungsverfahren zunächst eingereichter Arbeitsvertrag datiert den Dienstantritt auf den 01. Januar 1990. Dieser Vertrag trägt die Unterschriften der Vertragsparteien unter dem Datum vom 01. Januar 1990 sowie den handschriftlichen, von der Zeugin ohne Datum paraphierten Vermerk "angepasst 01.01.02". Danach ist ein monatlicher Bruttolohn von 1 000 EUR vereinbart worden, Wohn- und Arbeitsort wurden mit 5-stelliger Postleitzahl angegeben.

Ausweislich der undatierten und von der Zeugin unterzeichneten Arbeitsbescheinigung erzielte der Kläger im Dezember 2001 ein Bruttoeinkommen von 1 850 DM sowie in der Zeit von Januar 2002 bis zum November 2002 von monatlich 1 000 EUR. Seit dem 1. Oktober 2003 ist der Kläger wieder für das Gewerbe der Zeugin tätig.

Am 27. November 2002 meldete sich der Kläger bei dem Arbeitsamt P arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. In seinem Antrag gab er an, auf seiner Lohnsteuerkarte sei zu Jahresbeginn die Lohnsteuerklasse III ohne Kinderfreibeträge eingetragen gewesen.

Der Kläger und die Zeugin machten unter dem 20. Dezember 2002 in dem "Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen" durch Ankreuzen entsprechender Antwortoptionen Angaben zur Tätigkeit des Klägers für das Gewerbe der Zeugin. Danach habe der Kläger den Beruf eines Automechanikers erlernt und sei im Rahmen seiner ausgeübten Tätigkeit als Verkäufer für Warenbeschaffung und Arbeiten im Kundenbereich wie im Verkauf zuständig gewesen. Ohne die Mitarbeit des Klägers hätte eine andere Arbeitskraft nicht eingestellt werden müssen. Zugleich sei der Kläger an Weisungen des Betriebsinhabers über die Ausführung der Arbeit gebunden gewesen. Dieses Weisungsrecht sei auch tatsächlich ausgeübt worden. Seine Tätigkeit habe der Kläger frei bestimmen und gestalten können. Bei der Führung des Betriebes habe der Kläger etwa aufgrund besonderer Fachkenntnisse nicht mitgewirkt. Die Mitarbeit des Klägers sei aufgrund familienhafter Rücksichtnahme durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander zum Betriebsinhaber geprägt gewesen. Das Arbeitsentgelt habe dem tariflichen beziehungsweise dem ortsüblichen Lohn entsprochen und sei regelmäßig auf ein privates Bankkonto überwiesen worden, für das der Kläger selbst verfügungsberechtigt (gewesen) sei. Auf das Arbeitsentgelt seien Lohnsteuern entrichtet und dieses im Übrigen als Betriebsausgabe gebucht worden. Der Arbeitsplatz des Klägers sei aufgrund "Umsatzrückgang wegen Baumaßnahmen an der Geschäftsstraße voraussichtlich bis Juli 03" weggefallen.

Mit Bescheid vom 19. März 2003 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld ab. Die Anwartschaftszeit sei nicht erfüllt. Der Kläger habe innerhalb der Rahmenfrist von drei Jahren vor dem 01. Dezember 2002 nicht mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden.

Hiergegen legte der Kläger am 02. April 2003 Widerspruch ein. Es habe seit 1990 bis zum Zeitpunkt der Kündigung ein ordentliches abhängiges Arbeitsverhältnis bestanden. Dem Widerspruch fügte der Kläger eine Rentenauskunft der Beigeladenen zu 1) bei, in der dem Kläger die Höhe der monatlichen Altersrente unter Zugrundelegung der maßgebenden aktuellen Rentenwerte mitgeteilt wurde. Aus dieser Mitteilung vom 29. Januar 2002 ergeben sich der Versicherungsverlauf des Klägers vom 14. Dezember 1959 bis zum 31. Dezember 2000 sowie die Abführung von Pflichtbeiträgen für den Kläger an die Beigeladene zu 1) für die Zeit vom 01. Januar 1990 bis zum 31. Dezember 2000.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Juni 2003 wurde der Widerspruch des Klägers als unbegründet zurückgewiesen. Der Kläger habe anstelle einer fremden Arbeitskraft beschäftigt sein müssen. Die Notwendigkeit einer Einstellung einer fremden Arbeitskraft sei jedoch durch den Kläger und die Zeugin im Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung der Beschäftigung bei Ehegatten ausdrücklich verneint worden. Laut Angabe im Feststellungsbogen habe der Kläger seine Tätigkeit frei bestimmen und gestalten können. Dies spräche gegen das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses.

Hiergegen hat der Kläger am 16. Juli 2003 bei dem Sozialgericht Potsdam Klage erhoben und zur Begründung auf einen gemeinschaftlich mit der Zeugin unterzeichneten Schriftsatz vom 15. Juli 2003 Bezug genommen. Danach habe zwischen ihm und der Zeugin als Arbeitgeber seit dem 01. Januar 1990 ein ordentliches Arbeitsverhältnis bestanden. Alle Abgaben seien geleistet worden. Durch Bauarbeiten in der Innenstadt, die eine Vollsperrung der Geschäftsstraße bis voraussichtlich Ende Oktober nach sich zöge, sei die Zeugin nicht in der Lage gewesen, ihn zu beschäftigen. Das Arbeitsverhältnis sei bis zur Wiedereinstellung im Oktober aufgehoben worden. Die Zeugin habe ein Fotoatelier, was Kreativität und Einsatzbereitschaft der Arbeitskräfte voraussetze. Dies habe sie auch von früheren Angestellten und Lehrlingen verlangt. Im Rahmen seiner Tätigkeit als Verkäufer habe er Kunden bedient und sei auch dorthin gefahren, um Familienfotos zu machen. Er sei auch zuständig gewesen für den Wareneinkauf. Die Zeugin habe in der Regel die Ware beim Händler bestellt, die er abgeholt habe. Mit Bürosachen habe er nichts zu tun gehabt, dies sei von der Zeugin verwaltet worden. Er habe mit Schreibarbeiten im Zusammenhang mit der Führung des Fotoateliers nicht zu tun gehabt. Insbesondere das Rechnungswesen habe der Zeugin oblegen. Er sei seit 1984 im Betrieb der Zeugin tätig. In der Vorwendezeit sei dies in der Funktion eines "mithelfenden Familienangehörigen" gewesen. Den Arbeitsvertrag habe er nach der Wendezeit unterschrieben, er könne jedoch die zeitliche Diskrepanz zur Arbeitsbescheinigung der Zeugin ebenso wenig erklären wie eine fünfstellige Postleitzahl auf dem schriftlichen Arbeitsvertrag.

Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 05. November 2003 die Landesversicherungsanstalt Brandenburg (jetzt: Deutsche Rentenversicherung Brandenburg) und die IKK Brandenburg und Berlin zum Verfahren gemäß §§ 75, 106 Abs. 3 Nr. 6 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) beigeladen.

Das Sozialgericht hat durch die Vernehmung der Zeugin Beweis erhoben. Diese hat bekundet, der Kläger sei als Angestellter für sie tätig geworden. Er habe Arbeiten erledigen müssen, die auch jeder fremde Arbeitnehmer hätte erfüllen müssen. Dies seien insbesondere die Erledigung von Fotoarbeiten, das Bedienen von Kunden im Laden und die Ausarbeitung von Porträtaufnahmen am Computer gewesen. Anderslautende Angaben auf dem Feststellungsbogen seien infolge von Missverständnissen gemacht worden. Der Kläger habe nicht die gleichen Rechte gehabt wie sie. Dieser sei für den Betrieb verantwortlich gewesen, bei Ärger mit den Kunden hätten diese sich an sie gewendet, nicht an den Kläger. Sie sei Inhaberin des Geschäftskontos gewesen. Wegen der Bekundungen der Zeugin im Einzelnen wird auf die Anlage 1 zur Sitzungsniederschrift vom 26. November 2003 (Blatt 29 und 30 der Gerichtsakte) verwiesen.

Mit Urteil vom 26. November 2003 hat das Sozialgericht Potsdam den Bescheid der Beklagten vom 19. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juni 2003 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum vom 01. Dezember 2003 (offensichtlich richtig 01. Dezember 2002) bis zum 30. September 2003 Arbeitslosengeld zu zahlen. Die dreijährige Rahmenfrist reiche vom 01. Dezember 1999 bis zum 01. Dezember 2002. Der Kläger sei in der Zeit vom 01. Januar 1991 bis zum 30. November 2002 nach Überzeugung des Gerichts und im Ergebnis der Beweisaufnahme Arbeitnehmer in dem Fotoatelier der Zeugin gewesen. Gegen das ihr am 15. April 2004 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 07. Mai 2004 Berufung eingelegt. Es müsse festgestellt werden, ob es sich bei der Tätigkeit des Klägers als Verkäufer und Fotograf im Fotoatelier der Zeugin seit 1990 bis zur Kündigung im November 2002 um eine beitragspflichtige Beschäftigung oder lediglich um eine familienhafte Mithilfe gehandelt habe. Das Sozialgericht habe unberücksichtigt gelassen, dass das Interesse des Klägers dahin gehen dürfte, Leistungen von der Beklagten zu erhalten. Dies ergebe sich aus dem Umstand, dass nach Aussage der Zeugin sie und der Kläger teilweise auch von den Einnahmen der Firmen lebten. Es könne nicht genügen, widersprüchliche Tatsachen, wie z. B. schriftliche Angaben im Feststellungsbogen, einen gefälschten Arbeitsvertrag und den Firmenstempel mit den Anfangsbuchstaben beider Ehegatten durch bloße Aussagen ohne Vorlagen irgendwelcher Beweise zu relativieren. Der Kläger wie auch die Zeugin hätten zunächst Angaben gemacht, die später anders dargestellt worden seien. Dies gelte für den Beginn des Beschäftigungsverhältnisses, für die Beurteilung des Beschäftigungsverhältnisses wie auch für den Firmenstempel "H. & M. M", wobei das "M." später weggefallen sei, ebenso wie schließlich die Aussage des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 26. November 2003, wonach er in der Regel drei Wochen Urlaub im Jahr genommen habe, wohingegen die Zeugin ausgesagt habe, dass ein solcher Urlaub in der Nachwendezeit lediglich zweimal angetreten worden sei. Die Zeugin, auf die sich die Entscheidung des Sozialgerichts stütze, könne daher nicht als glaubhaft bezeichnet werden. Für eine abhängige Beschäftigung spreche zutreffend, dass die Tätigkeit aufgrund eines Arbeitsvertrages ausgeübt worden sei. Allerdings sei angesichts der widersprüchlichen Umstände stark zu bezweifeln, dass ein solcher tatsächlich seit 1990 vorgelegen habe. Es sei ferner nicht glaubhaft, dass ein Arbeitsvertrag, der ab dem 01. Januar 1991 habe gelten sollen, bereits am 01. Januar 1990 unterschrieben worden sein solle. Wesentliches Merkmal einer abhängigen Beschäftigung sei die Art und Weise des Auftretens der Betreffenden Kunden gegenüber. Im vorliegenden Falle müssten angesichts des Firmenlogos die Kunden davon ausgegangen sein, dass beide Ehegatten Firmeninhaber seien, die Erklärung der Zeugin zu dem im Firmenstempel enthaltenen "M." sei abwegig und keineswegs glaubhaft. Die Zeugin habe zwar offensichtlich die Bücher geführt, was als Indiz für eine Arbeitnehmertätigkeit des Klägers gewertet werden könne. Dies und die Tatsache, dass die Ehefrau die Warenbestellung vorgenommen und dem Kläger das Gehalt auf sein eigenes Konto überwiesen habe, könnten angesichts der gegenteiligen Tatsachen bzw. Indizien nicht zur Annahme einer Arbeitnehmertätigkeit führen. Eindeutig gegen eine Arbeitnehmertätigkeit spräche, dass der Kläger keinen Urlaub in Anspruch genommen habe, von zwei Ausnahmen in zwölf Jahren abgesehen. Zu den kurzen Kündigungsfristen von zwei Wochen habe der Kläger sich geäußert, dass innerhalb der Familie nicht unbedingt auf Fristen geachtet werde. Gerade dies sei jedoch das Kennzeichen einer familienhaften Mithilfe. Im Übrigen habe das Sozialgericht ausschließlich den Punkt der Erfüllung einer Anwartschaftszeit über den Anspruch auf Arbeitslosengeld geprüft und nach ihrer Feststellung die Beklagte zur Leistungsgewährung verurteilt. Es sei jedoch insbesondere der Eintritt einer Sperrzeit zu überprüfen gewesen, welche angesichts der Nichteinhaltung der Kündigungsfrist nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) möglich erscheint. Eine solche Prüfung sei bisher wegen der Ablehnung der Leistungsbewilligung nicht erforderlich gewesen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 26. November 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung hat der Kläger den unter dem 30. März 1991 unterzeichneten Arbeitsvertrag nachgereicht und dazu ausgeführt, dass dieser bezüglich des Dienstantrittes und des Gehaltes Korrekturen enthalten habe, die zu den von der Zeugin erwähnten Unklarheiten geführt hätten. Der Vortrag der Beklagten im Hinblick auf die fehlenden Urlaubsantritte sei nicht aussagekräftig. Der Erwerb eines Urlaubsanspruches sei unabweisbar. Inwieweit ein solcher Anspruch verwirklicht werde, sage nichts über die Arbeitnehmereigenschaft aus. Zu Unrecht gehe die Beklagte davon aus, für ihn seien keine ordnungsgemäßen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen eingereicht worden. Bei der Bezeichnung "H. & M. M" handle es sich um eine freie Namensgebung der Firma. Dies sage nichts über den wirklichen Inhaber aus, der einzig und allein die Zeugin gewesen sei. Die weiteren Ausführungen der Beklagten, das Sozialgericht habe zu Unrecht den Eintritt einer Sperrzeit nicht geprüft, seien unerheblich.

Die beigeladene IKK hat Stellung genommen. Aus den vorgelegten Unterlagen sei nicht ableitbar, dass der Kläger keine nichtselbständige Arbeit im Arbeitsverhältnis ausübte. Aus der Beschäftigung seien Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung abgeführt worden.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten zur Stammnummer sowie auf die Gerichtsakte verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung waren.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Sie ist ohne weitere Zulassung gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 500,00 EUR übersteigt.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Sozialgerichts Potsdam hat der Klage mit Urteil vom 26. November 2003 zu Recht stattgegeben. Die Klage ist zulässig und nach Maßgabe der tenorierten Fassung begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 19. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juni 2003 ist rechtwidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, denn er hat in Folge einer versicherungspflichtigen Beschäftigung bei der Zeugin Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg).

Der Anspruch des Klägers auf Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) richtet sich nach § 117 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in der im Jahre 2002 geltenden Fassung. Danach setzt der Anspruch auf Alg Arbeitslosigkeit, eine Arbeitslosmeldung beim Arbeitsamt und die Erfüllung der Anwartschaftszeit voraus.

Wie bereits das Sozialgericht Potsdam zutreffend festgestellt hat, war der Kläger ab dem 01. Dezember 2002 arbeitslos im Sinne des § 118 SGB III in der im Jahre 2002 geltenden Fassung; er hat sich am 27. November 2002 persönlich bei dem zuständigen Arbeitsamt Potsdam arbeitslos gemeldet (§ 122 SGB III) und sich der Arbeitsvermittlung ausweislich seiner Angaben im Antrag auf Arbeitslosengeld vom 7. Januar 2003 uneingeschränkt zur Verfügung gestellt (§§ 118 Abs. 1, 119 SGB III jeweils in der im Jahre 2002 geltenden Fassung).

Der Kläger hat auch die Anwartschaftszeit im Sinne des § 117 Abs. 1 Nr. 3 SGB III in der im Jahre 2002 geltenden Fassung erfüllt. Nach § 123 SGB III in der ab dem 1. Januar 2002 geltenden und hier anzuwendenden Fassung des Gesetzes zur Neuausrichtung der Bundeswehr (Bundeswehrneuausrichtungsgesetz -BwNeuAusrG- vom 20. Dezember 2001, BGBl. I Seite 4013) hat die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist

1. mindestens zwölf Monate, 2. als Wehrdienstleistender oder Zivildienstleistender mindestens sechs Monate oder 3. als Saisonarbeitnehmer mindestens sechs Monate

in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die Rahmenfrist beträgt drei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld (§ 124 Abs. 1 SGB III in der im Jahre 2002 geltenden Fassung). Danach reichte die Rahmenfrist vom 01. Dezember 1999 bis zum 30. November 2002.

In dieser Frist stand der Kläger mindestens zwölf Monate in einem versicherungspflichtigen Verhältnis.

Nach § 25 Abs. 1 SGB III sind versicherungspflichtig Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt (versicherungspflichtige Beschäftigung) sind. Danach setzt die Versicherungspflicht voraus, dass die Person gegen Arbeitsentgelt beschäftigt ist. Der Begriff der Beschäftigung ist vor allem gekennzeichnet durch persönliche Abhängigkeit, die sich in der Verfügungsbefugnis des Arbeitgebers und der Dienstbereitschaft des Arbeitnehmers auswirkt (vgl. BSG SozR 3-4100 § 104 Nr. 6). Ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt, richtet sich nach den Grundsätzen, die Lehre und Rechtsprechung zum Begriff des entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses in der Sozialversicherung entwickelt haben (vgl. BSG SozR 3-4100 § 104 Nr. 8 m.w.N.). Arbeitnehmer ist hiernach, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Persönliche Abhängigkeit fordert Eingliederung in den Betrieb und Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 4; BSG SozR 3-4100 § 104 Nr. 8). Zwar kann das Weisungsrecht erheblich eingeschränkt sein, wie dies insbesondere bei Diensten höherer Art der Fall ist, vollständig entfallen darf es jedoch nicht; es muss eine fremdbestimmte Dienstleistung verbleiben, die Dienstleistung also zumindest in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen. Ist ein Weisungsrecht nicht vorhanden, kann der Betreffende seine Tätigkeit also wesentlich frei gestalten, insbesondere über die eigene Arbeitskraft, über Arbeitsort und Arbeitszeit frei verfügen, oder fügt er sich nur in die von ihm selbst gegebene Ordnung des Betriebes ein, liegt keine abhängige, sondern eine selbständige Tätigkeit vor, die zusätzlich durch ein Unternehmerrisiko bezeichnet zu sein pflegt (BSG SozR 3-4100 § 104 Nr. 8 m.w.N.). Nach diesen Grundsätzen richtet sich auch, ob die Tätigkeit im Unternehmen eines Ehegatten ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis darstellt oder nicht. Der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses steht dabei grundsätzlich nicht entgegen, dass die Abhängigkeit unter Ehegatten im Allgemeinen weniger stark ausgeprägt und deshalb das Weisungsrecht möglicherweise mit gewissen Einschränkungen ausgeübt wird (BSGE 34, 207, 210; BSGE 66, 168, 171 = SozR 3-2400 § 7 Nr. 1). Die Grenzen zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltzahlung in einer nicht versicherungspflichtigen Beschäftigung aufgrund eines Gesellschaftsverhältnisses oder der familienhaften Zusammengehörigkeit ist nicht immer leicht zu ziehen und kann nur nach Lage der jeweiligen Umstände entschieden werden. Hierbei sind insbesondere die Eingliederung des Ehegatten in den Betrieb, die vertragliche Regelung der Höhe der Geld- und Sachbezüge und ihr Verhältnis zu Umfang und Art der im Betrieb verrichteten Tätigkeit sowie zu der Bezahlung vergleichbarer fremder Arbeitskräfte und die steuerliche Behandlung wesentlich (BSG SozR 2200 § 165 Nr. 8 m.w.N.).

Dabei ist die hier maßgebliche Grenze zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltzahlung und einer nicht versicherungspflichtigen Mitarbeit auf Grund einer familienhaften Zusammengehörigkeit nur unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls zu ziehen (BSGE 3, 30, 39 f; 19, 1, 4 f = SozR Nr. 31 zu § 165 RVO; BSGE 74, 275, 278 f = SozR 3-2500 § 5 Nr. 17; BSG SozR 2200 § 165 Nr. 90; SozR 3-4100 § 168 Nr. 11 S 30; BSG, Urteil vom 12. September 1996 - 7 RAr 120/95 -, USK 9635 = DBlR 4475 AFG/§ 168). Nach diesen Grundsätzen unter Berücksichtigung der Einlassungen des Klägers, der Einvernahme der Zeugin und aller im Verfahren beigezogenen Dokumentationen sowie nach Würdigung aller Umstände des Einzelfalls hat der Kläger in der Rahmenfrist (1. Dezember 1999 bis 30. November 2002) mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden.

Zwar sprechen zunächst die von der Beklagten geltend gemachten Angaben des Klägers im Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung von Beschäftigungsverhältnissen zwischen Angehörigen gegen eine versicherungspflichtige Beschäftigung. Danach hätte ausweislich der Angaben zu den Punkten 2.5, 2.7 und 2.9 ohne die Mitarbeit des Klägers eine andere Arbeitskraft nicht eingestellt werden müssen, hätte der Kläger seine Tätigkeit frei bestimmen können und sei die Mitarbeit mit der Ehefrau durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander geprägt gewesen. Insoweit allerdings angegeben wurde, ohne die Mitarbeit des Klägers habe eine andere Arbeitskraft nicht eingestellt werden müssen, ist für den Senat nachvollziehbar vorgetragen worden, dass die entsprechende Frage (Punkt 2.5 des Feststellungsbogens) so verstanden wurde, dass nach Kündigung des Klägers weitere Mitarbeiter nicht eingestellt werden sollten.

Trotz dieser sowohl vom Kläger als auch von der Zeugin gegenüber der Beklagten bezüglich der Tätigkeit des Klägers gemachten Angaben handelte es sich zur Überzeugung des Senats insbesondere nach den in der Beweisaufnahme gewonnenen Eindrücken bei dieser Tätigkeit um ein Versicherungspflichtverhältnis.

Für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis und gegen eine Tätigkeit des Klägers als selbstständiger Unternehmer sprechen zunächst, dass das Gewerbe ausschließlich auf die Ehefrau (=Zeugin) angemeldet war und ist sowie die Tatsache, dass diese allein Fotografenmeisterin ist, während der Kläger selbst den Beruf eines Automechanikers erlernt hat, ein schriftlicher Arbeitsvertrag seit dem 31. März 1991 vorliegt, seit dem 01. Januar 1990 Sozialversicherungsbeiträge regelmäßig abgeführt werden und nach übereinstimmendem Vortrag des Klägers und seiner Ehefrau (=Zeugin), der insoweit von der Beklagten auch nicht bestritten wird, das Rechnungswesen und die Buchführung wie auch offensichtlich die Warenbestellung als solche in die Zuständigkeit der Ehefrau (=Zeugin) fielen.

Wollte man das Kriterium eines gleichberechtigten Nebeneinanders sowie einer weitestgehend frei bestimmbaren Tätigkeit unter den Bedingungen eines Ehegattenarbeitsverhältnisses maßgeblich als Versicherungspflicht ausschließend betrachten, so wäre in den Fällen, in denen Eheleute die einzigen Mitarbeiter eines Unternehmens sind, eine versicherungspflichtige Beschäftigung des einen bei dem anderen generell ausgeschlossen. Unter diesen Bedingungen ist nämlich eine weitestgehend weisungsfreie Tätigkeit, und damit eben ein gleichberechtigtes Nebeneinander, typisch, ohne dass ausgeschlossen sein muss, dass der Betriebsinhaber wesentliche Entscheidungen selber trifft und damit maßgeblich unternehmensleitend tätig ist, ohne dass dies zwischen Eheleuten in Anweisungen oder einem offenkundigen Hierarchieverhältnis seinen Ausdruck findet.

Die Beweiserhebung hat hierzu ergeben, dass alle wesentlichen Entscheidungen durch die Zeugin gefällt wurden. Diese hat, den Senat überzeugend, in sich schlüssig und mithin glaubwürdig dargelegt, dass sie das von ihr betriebene Fotoatelier als ausschließlich ihres betrachte, sowie sämtliche wesentlichen, insbesondere kaufmännischen Entscheidungen vollständig alleine fällen würde.

Entscheidendes Indiz gegen eine demgemäß auszuschließende familienhafte Mithilfe des Klägers und für ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bleibt die Zahlung von regelmäßig wiederkehrenden Arbeitsentgelten. In der Entscheidung vom 19. Februar 1987 (SozR 2200 § 165 Nr. 90) hat das BSG ausgeführt, für die Feststellung, ob die einem mitarbeitenden Verwandten gewährte Leistung Entgelt für die geleistete Arbeit darstelle, seien insbesondere die Höhe der gewährten Leistung sowie ihr Verhältnis zu Umfang und Art der im Betrieb verrichteten Tätigkeit von Bedeutung. Werde dem im Haushalt des Betriebsinhabers lebenden und im Betrieb tätigen Verwandten nur freier Unterhalt einschließlich eines geringfügigen Taschengeldes gewährt und stellten diese Bezüge keinen Gegenwert für die Arbeit dar, so werde man das Vorliegen eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses verneinen können. Dagegen sei die Zahlung nicht geringfügiger, laufender Bezüge, insbesondere in Höhe des ortsüblichen oder des tariflichen Lohnes, ein wesentliches Merkmal für das Bestehen eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses. Die Zahlung laufender Bezüge muss dem ortsüblichen oder tariflichen Lohn nicht entsprechen (BSG 7. Senat Urteil vom 17. Dezember 2002, Az: B 7 AL 34/02 R), eine entsprechende Indizwirkung entfalten solchermaßen geleisteter Bezüge schon, wenn sie die Grenze der Geringfügigkeit überschreiten, was hier ohne weiteres der Fall ist.

Aus den genannten Umständen des Falles ergibt sich daher, dass der Kläger bei seiner Ehefrau innerhalb der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate versicherungspflichtig beschäftigt war und damit ab 1. Dezember 2002 einen Anspruch auf Alg erworben hat. Die von der Beklagten geltend gemachten Unschlüssigkeiten im Vortrag des Klägers, insbesondere zur Firma der Zeugin sowie zu den Umständen des Arbeitsvertragsabschlusses vermögen demgegenüber zur Überzeugung des Senates die Feststellung eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses des Klägers nicht auszuschließen. Die Umstände des Einzelfalles sowie die besondere Struktur der Unternehmensleitung durch die Zeugin lassen die solchermaßen festzustellende Indizwirkung gegenüber den Umständen, die -wie dargelegt- für eine versicherungspflichtige Beschäftigung des Klägers sprechen, in den Hintergrund treten. Sie überwiegen nicht und lassen damit die Feststellung fehlender Versicherungspflicht nicht zu. Dem Kläger steht damit Arbeitslosengeld ab dem 01. Dezember 2002 bis zum letzten Tag seiner Arbeitslosigkeit, dem 30. September 2003, zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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