L 16 R 1123/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 6 RA 4812/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 R 1123/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. Juni 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Streitig ist, ob die Beklagte von dem Kläger in Polen zurückgelegte Versicherungszeiten vor-zumerken hat.

Der am 1941 geborene Kläger polnischer Staatsangehörigkeit legte in Polen in der Zeit vom 01. März 1966 bis zum 29. März 1992 mit Unterbrechungen Beitragszeiten in der staatlichen Rentenversicherung zurück. Am 26. November 1990 heiratete er in Polen eine deutsche Staats-angehörige. Nachdem dem Kläger bereits für einen Besuchsaufenthalt eine befristete Aufent-haltserlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland für die Zeit vom 15. Juli 1990 bis zum 14. September 1990 erteilt worden war, reiste er im Dezember 1990 erneut in Deutschland mit einem Durchreisevisum ein, wo er am 31. Januar 1991 einen Antrag auf Erteilung einer Auf-enthaltserlaubnis stellte. Die Ausländerbehörde erteilte daraufhin eine auf den Bereich des Landes B beschränkte Duldung bis zum 30. April 1991; am 11. März 1991 wurde aufgrund der Eheschließung mit einer Deutschen eine bis zum 09. Januar 1994 befristete Aufenthaltserlaub-nis erteilt, am 04. Januar 1994 schließlich eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis (Auskunft des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten B – Ausländerbehörde – vom 23. Feb-ruar 2005).

Im Juli 1999 stellte der seit 01. Januar 1991 polizeilich in B gemeldete Kläger bei der Beklag-ten einen Kontenklärungsantrag. Mit Bescheid vom 15. Mai 2000 stellte die Beklagte die in dem beigefügten Versicherungsverlauf enthaltenen Daten, die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen, also die Zeiten bis zum 31. Dezember 1993, nach § 149 Abs. 5 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) als für die Beteiligten verbindlich fest; darin berücksichtigte sie die in Polen zurückgelegten Versicherungszeiten des Klägers nicht, weil der Kläger zu keinem der Personenkreise gehöre, für die das Fremdrentengesetz (FRG) Anwen-dung finde (Anlage 10 des Bescheides). Mit weiterem Bescheid vom 15. Mai 2000 merkte die Beklagte Ausbildungs-Anrechnungszeittatbestände vom 11. September 1958 bis zum 11. Mai 1966 vor. Auf den Widerspruch des Klägers, mit dem dieser die Vormerkung seiner polnischer Pflichtbeitragszeiten begehrte, erteilte die Beklagte den Bescheid vom 15. September 2000, mit dem sie verlautbarte, dass die polnischen Versicherungszeiten des Klägers nach Maßgabe der Regelungen des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Po-len über Soziale Sicherheit vom 08. Dezember 1990 (DPSVA 1990; BGBl. II 1991, 743), in Kraft getreten am 01. Oktober 1991, nicht auf die Wartezeit angerechnet werden könnten. Das DPSVA 1990 sei anwendbar, weil der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland erst seit dem 01. Januar 1991 habe. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Wider-spruchsbescheid vom 12. Juli 2001).

Das Sozialgericht (SG) Berlin hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen O, H und P-B, der Ehefrau des Klägers; hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Anlagen 1 bis 3 zur Sitzungsniederschrift vom 24. Juni 2005 Bezug genommen. Mit Urteil vom 24. Juni 2005 hat das SG die auf Vormerkung der in Polen vor dem 01. Januar 1991 zurückgelegten Versicherungszeiten gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung ist ausge-führt: Die zulässige Klage sei nicht begründet. Der Kläger habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Vormerkung der in Polen vor dem 01. Januar 1991 zurückgelegten Beitragszei-ten. Denn die genannten polnischen Beitragszeiten seien in der deutschen gesetzlichen Renten-versicherung nicht anrechenbar. Eine Anwendung des FRG auf den Kläger scheide aus. Die polnischen Zeiten seien auch nicht nach Artikel 2 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes vom 12. März 1976 zu dem Abkommen vom 09. Oktober 1975 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und Unfallversicherung nebst der Vereinbarung hierzu vom 09. Oktober 1975 (DPSVA 1975) in der Fassung von Artikel 22 des Gesetzes zur Einführung einer kapitalgedeckten Hüttenknappschaftlichen Zusatzversicherung und zur Ände-rung anderer Gesetze vom 21. Juni 2002 (BGBl. 2002 I, S.2167 ff.; ZustG-DPSVA 1975) i. V. mit Artikel 4 Abs. 2 DPSVA 1975 in Anwendung des FRG und des Fremdrenten- und Aus-landsrenten-Neuregelungsgesetzes zu berücksichtigen. Im Verhältnis zwischen der Bundesre-publik Deutschland und Polen gelte seit dem Beitritt Polens zur Europäischen Union (EU) am 01. Mai 2004 grundsätzlich nicht mehr das DPSVA 1975 und auch nicht mehr das DPSVA 1990, sondern die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über Anwen-dung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Fa-milien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (VO Nr. 1408/71). Nach Anhang III A 84 a der VO 1408/71 gelte das DPSVA 1975 nur unter den in Artikel 27 Abs. 2 bis Abs. 4 DPSVA 1990 festgelegten Bedingungen weiter, die vorliegend jedoch nicht erfüllt seien. Ge-mäß Artikel 27 Abs. 3 Satz 1 DPSVA 1990 würden auch Personen Ansprüche und Anwart-schaften in der Rentenversicherung nach dem DPSVA 1975 erwerben, die vor dem 01. Januar 1991 in den anderen Vertragsstaat eingereist seien, bis zu diesem Zeitpunkt die Verlegung des Wohnorts in den anderen Vertragsstaat beantragt hätten und sich dort seither ununterbrochen aufhielten, sofern sie im Zeitpunkt des Versicherungsfalls, spätestens vom 30. Juni 1991 an, in diesem Vertragsstaat wohnten. Nach Auffassung der Kammer habe der Kläger jedoch vor dem 01. Januar 1991 noch keinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland im Sinne von § 30 Abs. 2 Satz 2 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB I) gehabt. Aufgrund der Beweisaufnahme sei zwar davon auszugehen, dass der Kläger bereits im Dezember 1990 sei-nen Lebensmittelpunkt in B gehabt habe. Bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts eines Polen in Deutschland komme es aber jedenfalls vor dem Beitritt Polens zur EU – also auch in dem vorliegend in Rede stehenden Zeitraum – für die Bejahung eines zukunftsoffenen Aufenthaltes entscheidend auf den ausländerrechtlichen Status an. Ein zur Ausreise verpflich-teter Ausländer könne seinen gewöhnlichen Aufenthalt nur dann im Inland haben, wenn ihm eine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden sei, in der nicht bestimmt sei, dass das Recht zum Verweilen im Inland bei Erreichen eines bestimmten Zwecks oder zu einem bestimmten Zeit-punkt erlöschen solle. Der Kläger habe am 31. Dezember 1990 nicht über eine derart um-schriebene Aufenthaltsposition in Deutschland verfügt. Er habe erst am 31. Januar 1991 einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gestellt, worauf ihm eine gesetzliche Duldung bis zum 30. April 1991 erteilt worden sei. Die befristete Aufenthaltserlaubnis datiere vom 11. März 1991. Ein Recht zum unbefristeten rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland bereits im Dezember 1990 folge auch nicht aus Artikel 6 Grundgesetz (GG). Der Kläger sei zwar bereits seit dem 26. November 1990 mit einer Deutschen verheiratet. Hieraus folge aber nicht unmit-telbar und automatisch ein unbefristetes Aufenthaltsrecht. Vielmehr habe der Kläger damals nur einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gehabt. Der Aufenthaltstitel sei somit auch in einer bestehenden Ehe gerade nicht entbehrlich gewesen. Der Kläger sei auch nicht aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen daran gehindert gewesen, schon vor dem 01. Januar 1991 eine Aufenthaltserlaubnis zu erlangen. Die Voraussetzungen des Artikel 27 Abs. 4 DPSVA 1990 seien daher ebenfalls nicht erfüllt.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er trägt vor: Aufgrund der Ehe-schließung bereits im November 1990 sei er bereits von diesem Zeitpunkt an zum dauernden Aufenthalt in Deutschland berechtigt gewesen. Die verwaltungsrechtliche Entscheidung über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis habe insoweit lediglich deklaratorische Wirkung, ähn-lich wie im Falle eines Asylverfahrens (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 28. Juni 1992 – 5 RJ 4/92 = SozR 3-1200 § 30 Nr. 8).

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. Juni 2005 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung der Bescheide vom 15. Mai 2000 und des Bescheides vom 15. Septem-ber 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2001 zu verpflichten, seine vor dem 01. Januar 1991 in Polen zurückgelegten Beitragszeiten vorzumerken.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Auch im Hinblick auf die seit Novem-ber 1990 bestehende Ehe mit einer Deutschen sei nicht von einem gewöhnlichen Aufenthalt des Klägers in Deutschland bereits von diesem Zeitpunkt an auszugehen. Denn aus der Ehe-schließung resultiere kein zwingender Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaub-nis, sondern nur ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung.

Hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die vorbereitenden Schrift-sätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegens-tand der Beratung gewesen.

II.

Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung durch Be-schluss zurückweisen können, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Ver-handlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).

Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen An-spruch auf Vormerkung seiner in Polen vor dem 01. Januar 1991 zurückgelegten Beitragszei-ten; eine Rechtsgrundlage hierfür ist nicht ersichtlich. Soweit sich der Kläger mit seinem zu-letzt beim SG gestellten Klageantrag auch gegen den Bescheid vom 15. September 2000 ge-wandt hat, mit dem die Beklagte eine Anrechnung der polnischen Versicherungszeiten "auf die Wartezeit" abgelehnt hatte, verfolgt er damit ersichtlich (nur) das Begehren einer Vormerkung dieser Zeiten außerhalb eines noch gar nicht vorliegenden Leistungsfalles.

Hat der Versicherungsträger das Versicherungskonto geklärt, stellt er die im Versicherungsver-lauf enthaltenen und nicht bereits festgestellten Daten, die länger als sechs Kalenderjahre zu-rückliegen, durch Bescheid fest (§ 149 Abs. 5 Satz 1 SGB VI). Vorzumerken hat die Beklagte dabei Tatbestände von rentenrechtlichen Zeiten, die in der deutschen gesetzlichen Rentenversi-cherung berücksichtigungsfähig sind. Dies ist bei den vom Kläger in Polen vor dem 01. Januar 1991 zurückgelegten Beitragszeiten nicht der Fall.

Da der Kläger nicht zum Personenkreis der §§ 1, 17 a FRG bzw. des § 20 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung gehört, käme eine Vormerkung der oben genannten polnischen Zeiten nur dann in Betracht, wenn das DPSVA 1975 einschlägig wäre. Denn dann hätte die Beklagte die von dem Kläger in Polen zurückgelegten Versicherungszeiten nach Artikel 4 Abs. 2 DPSVA 1975 so zu berück-sichtigen, als ob sie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt worden wären, und zwar nach Maßgabe von Artikel 2 Abs. 1 ZustG-DPSVA 1975. Auch nach dem Beitritt Polens zur EU ist das DPSVA 1975 unter den in Artikel 27 Abs. 2 bis 4 DPSVA 1990 festge-legten tatbestandlichen Voraussetzungen weiterhin anzuwenden (Artikel 7 Abs. 2 c VO 1408/71 i. V. mit Nr. 84 a der Anlage III A der VO 1408/71). Danach bleiben die vor dem 1. Januar 1991 in einem Vertragsstaat erworbenen Ansprüche und Anwartschaften nach dem DPSVA 1975 unberührt, solange die Berechtigten auch nach dem 31. Dezember 1990 ihren Wohnort im Hoheitsgebiet dieses Vertragsstaats beibehalten (Art 27. Abs. 2 DPSVA 1990). Gemäß Artikel 27 Abs. 3 Satz 1 DPSVA 1990 erwerben Ansprüche und Anwartschaften in der Renten- und Unfallversicherung nach dem DPSVA 1975 für die bis zur Einreise zurückgeleg-ten Versicherungszeiten auch Personen, die vor dem 01. Januar 1991 in den anderen Vertrags-staat eingereist sind, bis zu diesem Zeitpunkt die Verlegung des Wohnortes in den anderen Vertragsstaat beantragt haben und sich dort seither ununterbrochen aufhalten, sofern sie im Zeitpunkt des Versicherungsfalls, spätestens vom 30. Juni 1991 an, in diesem Vertragsstaat wohnen. Der Kläger hatte jedoch vor dem 01. Januar 1991 weder seinen gewöhnlichen Auf-enthalt in der Bundesrepublik Deutschland, noch hatte er bis zu diesem Zeitpunkt die Verle-gung des Wohnorts nach Deutschland beantragt. "Wohnort" in Bezug auf die Bundesrepublik Deutschland ist dabei der Ort des gewöhnlichen Aufenthaltes, wobei es sich um einen unbefris-teten rechtmäßigen Aufenthalt handeln muss (vgl. Artikel 1 Nr. 10 DPSVA 1990).

Der Kläger hatte die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis als Voraussetzung für die Verlegung seines Wohnortes – unstreitig – erst am 31. Januar 1991 beantragt. Für die Zeit davor fehlt es somit bereits an der von Artikel 27 Abs. 3 Satz 1 DPSVA geforderten Antragstellung hinsicht-lich der Verlegung des Wohnorts nach Deutschland. Darüber hinaus hatte der Kläger vor dem 01. Januar 1991 auch keinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik. Denn es ist nicht erwiesen, dass er sich vor dem genannten Zeitpunkt bereits mit einem entsprechenden Domi-zilwillen in Deutschland aufgehalten hatte; im Übrigen stand sein ausländerrechtlicher Status einem gewöhnlichen Aufenthalt bereits vor der Antragstellung bei der Ausländerbehörde ent-gegen.

Die Angaben der Zeugen O und Hhierzu im Verhandlungstermin bei dem SG sind schon des-halb nicht überzeugend, weil der Zeuge H keinen Einblick in die Privatsphäre des Klägers hatte und den Kläger während der Umbaus der späteren Praxisräume seiner Ehefrau in der Zeit von Juni/Juli 1989 bis Oktober 1990 "vielleicht zwei Mal" getroffen haben will. Die Zeugin O-konnte bereits den Beginn der Praxistätigkeit der Ehefrau nicht genau erinnern, wenn sie einer-seits eine Eröffnung im Januar 1990 erwähnt, später aber einräumt, "es könnte auch Dezember 1990 gewesen sein". Laut Auskunft der Zahnärztekammer Berlin gegenüber dem SG soll die Praxiseröffnung zudem erst am 2. Januar 1991 erfolgt sein. Aus der bloßen Ingebrauchnahme der Mieträume durch die Ehefrau des Klägers bereits zum 1. November 1990, wie sie der Ver-mieter bescheinigt hat, lassen sich keine sicheren Rückschlüsse auf den Lebensmittelpunkt des Klägers ziehen. Die Aussage der Ehefrau des Klägers hält der Senat schließlich nicht für ge-eignet, um allein hierauf seine volle Überzeugung zu stützen, der Kläger habe bereits vor dem 1. Januar 1991 seinen Lebensmittelpunkt mit einem entsprechenden Domizilwillen in Berlin gehabt, zumal er ab dem 1. Januar 1991 in der B 15 in 10783 Berlin polizeilich gemeldet war und erst ab dem 7. März 1995 bei seiner Ehefrau in der oberhalb der Praxis gelegenen Woh-nung M 15 in 10997 Berlin.

Für die Bundesrepublik Deutschland ist für alle Sozialleistungsbereiche der Begriff des ge-wöhnlichen Aufenthalts in § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I umschrieben. Den gewöhnlichen Aufent-halt hat danach jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder an diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Bei einem Polen kommt es in den vorliegend in Rede stehenden Jahren (1990 bzw. 1991) dabei nicht nur allein auf dessen subjektive Sicht an, sondern auf die Gesamtwürdigung aller entscheidungserhebli-chen Tatsachen, die zu Beginn und während der Dauer des streitigen Zeitraums vorgelegen hatten. Entscheidend ist dabei (auch) der ausländerrechtliche Status im maßgebenden Zeitraum. Denn ein grundsätzlich kraft Gesetzes zur Ausreise in sein Heimatland verpflichteter Auslän-der kann überhaupt nur dann im Inland einen gewöhnlichen Aufenthalt innehaben, solange er sich hier berechtigterweise aufhält (vgl. BSG, Urteil vom 09. Mai 1995 - 8 RKn 2/94 – veröf-fentlicht in juris – mit weiteren Nachweisen; BSG, Urteil vom 25. März 1998 – B 5 RJ 22/96 R – veröffentlicht in juris). Unbefristet rechtmäßig im Sinne von Artikel 1 Nr. 10 DPSVA 1990 hält sich dabei derjenige im Inland auf, dem eine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden ist, in der nicht bestimmt ist, dass das Recht zum Verweilen im Inland bei Erreichen eines bestimmten Zwecks oder zu einem bestimmten Zeitpunkt erlöschen soll. Ist die Aufenthaltsposition dage-gen auf Beendigung des Aufenthalts im Inlands angelegt, steht dies der Annahme eines ge-wöhnlichen Aufenthalts trotz eines faktisch andauernden Verbleibens und eines entsprechenden Bleibewillens entgegen, beispielsweise bei einer zweckgebundenen Aufent-haltsberechtigung oder einer bloßen Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Verwaltungs-verfahrens über die beantragte Aufenthaltserlaubnis (vgl. BSG, Urteil vom 25. März 1998 – B 5 RJ 22/96 R –). Der Kläger hatte vor dem 01. Januar 1991 keine derart umschriebene Rechts-position inne, die ihm einen unbefristeten rechtmäßigen Aufenthalt im Inland ermöglicht hätte. Denn er hat einen Antrag auf Aufenthaltserlaubnis erst am 31. Januar 1991 gestellt. Die ihm zuvor erteilte Aufenthaltserlaubnis des Landratsamtes E vom 27. Juli 1990 war zweckgebun-den für einen Besuchsaufenthalt bis zum 14. September 1990 erteilt worden und war damit nicht zukunftsoffen im dargelegten Sinne. Aus seiner Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen bereits im November 1990 folgt keine andere Beurteilung. Denn hieraus ergab sich kein unmittelbares Bleiberecht im Inland bereits vor dem 1. Januar 1991, sondern allenfalls ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Ausländerbehörde über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 Ausländergesetz (AuslG) in der seinerzeit geltenden Fassung (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. März 1982 – 1 C 20/81 = BVerw-GE 65, 174-184). Einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis als ausländi-scher Ehegatte einer Deutschen normierte erst § 23 Abs. 1 Nr. 1 AuslG 1990, in Kraft getreten am 1. Januar 1991. Selbst wenn dem Kläger unter Berücksichtigung des Schutzgebotes aus Artikel 6 Abs. 1 GG bereits vor dem 1. Januar 1991 eine entsprechende unbefristete Aufent-haltserlaubnis im dargelegten Sinne zu erteilen gewesen wäre, ergibt sich keine andere Beurtei-lung. Denn es ist weder vorgetragen worden noch im Übrigen ersichtlich, dass der Kläger aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen daran gehindert gewesen wäre, schon vor dem 01. Ja-nuar 1991 eine Aufenthaltserlaubnis zu beantragen bzw. zu erlangen (vgl. Artikel 27 Abs. 4 DPSVA 1990).

Eine aufenthaltsrechtliche Gleichbehandlung von Asylberechtigten und ausländischen Ehegat-ten von Deutschen – wie sie der Kläger im Berufungsverfahren geltend gemacht hat – ist weder einfachgesetzlich geregelt noch verfassungsrechtlich geboten. Aus dem vom Kläger in Bezug genommenen Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 28. Juli 1992 (- 5 RJ 4/92 = SozR 3-2600 § 56 Nr. 3) folgt keine andere Beurteilung. Zwar ist bei Asylbewerbern, die sich im In-land aufhalten und asylberechtigt sind, anerkannt, dass sie ihren berechtigten gewöhnlichen Aufenthalt nicht erst von der nachträglichen verwaltungsmäßigen Feststellung des Asylrechts an im Inland haben, sondern bereits vom Zeitpunkt der Einreise in den Geltungsbereich des GG an. Denn die Asylanerkennung hat nur deklaratorische, nicht konstitutive Wirkung, weil sich das Asylrecht zumindest im vorliegend maßgebenden Zeitraum unmittelbar aus dem GG ergab und keinem Gesetzesvorbehalt unterlag. Der von der Verfassung verbürgte Schutz der Ehe in Artikel 6 GG vermittelt aber kein derartiges unmittelbar sich aus dem GG ergebendes Bleiberecht, sondern allenfalls einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, die auch bei einer Eheschließung mit einem deutschen Staatsangehörigen für die Berechtigung zum zukunftsoffenen Aufenthalt in Deutschland nicht entbehrlich war und ist. Der Asylbewer-ber verfügt für die Zeit nach der unanfechtbaren Anerkennung seines Asylrechts über eine stärkere Stellung als der ausländische Ehegatte eines Deutschen für die Zeit nach der Heirat (vgl. BSG, Urteil vom 28. Februar 1996 – 14 REg 8/95 = SozR 3-7833 § 1 Nr. 18).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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