Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 5 RA 917/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 R 207/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. Januar 2005 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind im gesamten Verfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 Nr. 4 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) verpflichtet ist, für Beschäftigungszeiten des Klägers vom 01. September 1981 bis zum 09. August 1989 Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen (AVI) sowie die entsprechenden Arbeitsentgelte festzustellen.
Der am 1943 geborene Kläger hatte in der früheren Deutschen Demokratischen Republik (DDR) nach dem Abitur den Beruf des Außenhandelskaufmanns erlernt; in der Zeit vom 31. August 1968 bis zum 10. Juli 1970 absolvierte er ein Fernstudium an der Fachschule für Außenhandel "J O" in B und erwarb die Berechtigung, die Berufsbezeichnung eines "Außenwirtschafts-Ökonoms" zu führen. Ab 1963 war der Kläger in verschiedenen Import- und Außenhandelsunternehmen der DDR sowie als wissenschaftlicher Mitarbeiter beschäftigt, zuletzt vom 01. September 1981 bis zum 09. August 1989 als wissenschaftlicher Mitarbeiter (Eintragung im Sozialversicherungsausweis – SVA -) in der Funktion eines "Forschungsingenieurs Lizenzexport" bei der B der DDR; die Tätigkeit war im Qualifikationshandbuch der B unter der Ordnungsnummer (Gehaltsgruppe FI 4) erfasst, wobei nach dem Rahmenkollektivvertrag über die Arbeits- und Lohnbedingungen der Werktätigen der B der DDR (R B) als Forschungsingenieure das wissenschaftlich-technische Personal mit Hoch- bzw. Fachschulabschluss in den wissenschaftlichen Abteilungen, Projektierungseinrichtungen und Labor-, Prüf- und Experimentiereinrichtungen galten (vgl. Nr. 4.3.1. des R B). Im Zuge politischer Verfolgungsmaßnahmen nach Stellung eines Ausreiseantrages war der Kläger ab 10. August 1989 nur noch als Lagerist beschäftigt, bis er im Oktober 1989 über die damalige T in die Bundesrepublik flüchtete. Der Kläger war mit Wirkung vom 01. Juni 1985 der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) beigetreten; eine Versorgungszusage hatte er nicht erhalten.
Mit Bescheid vom 05. Juni 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2004 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum AAÜG ab mit der Begründung, dass der Kläger am 30. Juni 1990 keine Beschäftigung mehr ausgeübt habe.
Im Klageverfahren legte der Kläger eine Bescheinigung des Landesamtes für Gesundheit und Soziales Berlin nach § 17 i. V. mit § 22 des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes (BerRehaG) vom 03. April 2003 nebst Änderungsbescheid vom 26. Mai 2003 vor, mit dem die Rehabilitierungsbehörde eine politische Verfolgungszeit im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 4 BerRehaG vom 10. August 1989 bis zum 05. Oktober 1989 feststellte und den Kläger als wissenschaftlichen Mitarbeiter im Verfolgungszeitraum der Qualifikationsgruppe 1 (Hochschulabsolvent) und dem Bereich 19 (Akademie) zuordnete. Die Beklagte erteilte hierauf den "Zuordnungsbescheid" vom 25. Mai 2004, mit dem sie die Voraussetzungen des § 1 AAÜG bei dem Kläger als erfüllt ansah und Zugehörigkeitszeiten zur AVI vom 10. August bis zum 05. Oktober 1989 nebst den auf der Grundlage der Rehabilitierungsbescheinigung errechneten Arbeitsverdiensten feststellte.
Mit Urteil vom 11. Januar 2005 hat das Sozialgericht (SG) Berlin die Beklagte unter Änderung der angefochtenen Bescheide antragsgemäß verurteilt, Zugehörigkeitszeiten des Klägers zur AVI vom 01. September 1981 bis zum 09. August 1989 sowie die in dieser Zeit tatsächlich erzielten Verdienste festzustellen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die zulässige Klage sei begründet. Der Kläger habe einen Anspruch auf Vormerkung weiterer Zugehörigkeitszeiten zur AVI vom 01. September 1981 bis zum 09. August 1989. Denn er sei in diesem Zeitraum als Wissenschaftler im Sinne der Verordnung über die AVI vom 12. Juli 1951 (AVI-VO; GBl. S. 675 ff.) beschäftigt gewesen. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter der B der DDR sei er auf einer Stelle tätig gewesen, die Hochschulabsolventen vorbehalten gewesen sei. Die Auffassung der Beklagten, wonach Wissenschaftler einen Hochschulabschluss gehabt haben müssten, finde in der AVI-VO keine Stütze. Dort sei lediglich in ganz allgemeiner Form von "Wissenschaftlern" die Rede. Daher sei es durchaus denkbar, dass für die Zuordnung zur Gruppe der Wissenschaftler ein fehlendes Hochschulstudium durch besondere berufliche Erfolge und Erfahrungen habe ausgeglichen werden können.
Mit der Berufung wendet sich die Beklagte gegen dieses Urteil. Sie trägt vor: Der Kläger sei im streitigen Zeitraum nicht als hauptberuflich tätiger Wissenschaftler gemäß § 1 AVI-VO tätig gewesen. Denn Wissenschaftler seien nur Personen, die einen für eine selbständige wissenschaftliche Arbeit erworbenen wissenschaftlichen Grad oder ein anerkanntes Äquivalent besitzen würden. Der Kläger verfüge nicht über einen abgeschlossenen Universitäts- oder Hochschulabschluss. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter könne er nicht pauschal einem Wissenschaftler gleichgestellt werden, zumal er nicht an einer wissenschaftlichen Hochschule beschäftigt gewesen sei. Dass der Kläger nach den Vorschriften des BerRehaG in dem Verfolgungszeitraum wie ein Hochschulabsolvent zu behandeln sei, führe nicht dazu, dass dadurch ein für die Beklagte als Versorgungsträger zu berücksichtigender tatsächlicher Hochschulabschluss für den vorliegend streitigen Zeitraum vorliege.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. Januar 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat den R B nebst Nachträgen sowie das Qualifikationshandbuch der B der DDR beigezogen; auf diese Unterlagen wird Bezug genommen.
Wegen des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die zum Verfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Akte der Beklagten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist begründet.
Der Kläger hat keinen mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG –) durchsetzbaren Anspruch gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 AAÜG auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 4 der Anlage 1 zum AAÜG sowie gegebenenfalls der entsprechenden Arbeitsentgelte gemäß § 8 Abs. 2 AAÜG für den Zeitraum vom 01. September 1981 bis zum 09. August 1989; die ursprünglich weitergehende Klage hat der Kläger im Verhandlungstermin bei dem SG am 11. Januar 2005 zurückgenommen.
Das AAÜG ist zwar auf den Kläger anwendbar. Denn die Beklagte hat in dem gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des sozialgerichtlichen Verfahrens gewordenen Bescheid vom 25. Mai 2004 – insoweit unangefochten und damit für die Beteiligten und das Gericht bindend (vgl. § 77 SGG) – eine positive Statusentscheidung dahingehend getroffen, dass die Voraussetzungen des § 1 AAÜG in der Person des Klägers erfüllt sind. Der Kläger hat aber im streitigen Zeitraum keine Zugehörigkeitszeiten zur AVI zurückgelegt. Prüfungsmaßstab für die insoweit begehrte Feststellung von Tatbeständen gleichgestellter Pflichtbeitragszeiten ist § 5 Abs. 1 AAÜG. Nach der genannten Vorschrift ist allein maßgeblich, ob die Beschäftigung in dem in Rede stehenden Zeitraum ihrer Art nach zu denjenigen gehörte, derentwegen die AVI errichtet war, ob sie also in einem der Texte dieser Versorgungsordnung aufgelistet ist (vgl. BSG, Urteil vom 24. März 1998 – B 4 RA 27/97 R = SozR 3-8750 § 5 Nr. 3). Die Texte der Versorgungsordnung und die sie ergänzenden bzw. ausfüllenden abstrakt-generellen Regelungen der DDR sind hierbei lediglich faktische Anknüpfungspunkte, deren Bedeutung nach Maßgabe des Bundesrechts, insbesondere nach Sinn und Zweck des § 5 AAÜG, zu bestimmen ist (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juli 2004 – B 4 RA 11/04 R – veröffentlicht in juris). Auf die praktische Durchführung und auf die Auslegung der Versorgungsordnung seitens der Organe der früheren DDR kommt es nicht an.
Der Kläger war in einer wissenschaftlichen Einrichtung der DDR, nämlich der B, beschäftigt. Wissenschaftliche Akademien werden in der Versorgungsordnung ausdrücklich benannt (vgl. §§ 2 a, 6 AVI-VO). Er erfüllt aber nicht die persönlichen Voraussetzungen für eine Einbeziehung in die AVI. Denn er zählte in dem streitgegenständlichen Zeitraum nicht zum Personenkreis der "Angehörigen der wissenschaftlich tätigen Intelligenz" nach § 2 a AVI-VO, weil er nicht als hauptberuflich tätiger Wissenschaftler i. S. der AVI-VO tätig war. Der Kläger war in der Zeit vom 01. September 1981 bis zum 09. August 1989 als "Forschungsingenieur Lizenzexport" beschäftigt, und zwar unter der Ordnungsnummer des Qualifikationshandbuches der B und unter Einstufung in die Gehaltsgruppe FI 4. Diese tarifliche Zuordnung entsprach der Tätigkeitsbeschreibung für Forschungsingenieure in Nr. 4.3.1 RKV B, wobei auch (nur) ein Fachschulabschluss, wie ihn der Kläger erworben hatte, ausreichend war. Den hauptberuflich tätigen Wissenschaftlern an der B waren demgegenüber die Gehaltsgruppen W2 bis W5 vorbehalten. Für diese W-Gruppen der Gehaltstabelle erfolgte auch eine gesonderte Festlegung und Erhöhung der Gehälter (vgl. Vereinbarung zur Leistungsorientierten Erhöhung der Gehälter für Wissenschaftler der B der DDR vom 01. November 1988). Nach der Vergütungsordnung für Wissenschaftler im R B galten als Wissenschaftler im Sinne des R Werktätige mit einer abgeschlossenen Universitäts- bzw. Hochschulausbildung mit Diplom, zu denen der Kläger mit seiner Fachschulausbildung nicht zählte. Aus diesen die AVI-VO für den Bereich der B ergänzenden Regelungen erhellt, dass die Beschäftigung des Klägers ihrer Art nach von der AVI nicht erfasst war. Auch die Bezeichnung des Klägers als "Wissenschaftlicher Mitarbeiter" im SVA ändert hieran nichts. Denn aus dem Qualifikationshandbuch und den Entlohnungsregelungen der B ergibt sich nicht, dass wissenschaftliche Mitarbeiter der B ausnahmslos als Wissenschaftler anzusehen waren. Zum Kreis der Wissenschaftler gehörten vielmehr nur die Personen, die nach dem Qualifikationshandbuch unter entsprechender Bezeichnung der Arbeitsaufgabe als Wissenschaftler in einer W-Gehaltsgruppe tätig waren. Aus den genannten Regelungen ergibt sich für den Bereich der B eine abschließende Definition des Begriffs "Wissenschaftler" und somit auch der persönliche Anwendungsbereich der AVI für die Mitarbeiter der B (vgl. bei einer entsprechenden Verweisung auch für wissenschaftliche Mitarbeiter: BSG, Urteil vom 24. März 1998 – B 4 RA 27/97 R –).
Dass die Rehabilitierungsbehörde den Kläger in ihren bestandskräftigen Bescheiden vom 03. April 2003 bzw. 26. Mai 2003 im Verfolgungszeitraum (10. August 1989 bis zum 05. Oktober 1989) der Qualifikationsgruppe 1 (Hochschulabsolvent) zugeordnet hat, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn die Bindungswirkung dieses Bescheides erstreckt sich gemäß § 22 Abs. 3 BerRehaG nur auf die darin für den Verfolgungszeitraum getroffenen Feststellungen. Eine darüber hinaus gehende Bindung der Beklagten und des Gerichts an die Feststellungen der Rehabilitierungsbehörde besteht jedoch nicht.
Andere Rechtsgrundlagen, auf die der Kläger sein Begehren stützen könnte, sind nicht ersichtlich. Insbesondere verstößt es nicht gegen Verfassungsrecht, dass der Bundesgesetzgeber an die im Zeitpunkt der Wiedervereinigung vorgefundene Ausgestaltung der Versorgungssysteme der DDR und deren Differenzierungen angeknüpft hat. Denn der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Grundgesetzes gebietet es nicht, von den historischen Gegebenheiten in der DDR, aus denen sich Ungleichheiten ergeben können, abzusehen und sie Rückwirkend zu Lasten der heutigen Beitrags- und Steuerzahler auszugleichen. Die Begünstigung der damals einbezogenen hat der Bundesgesetzgeber als ein Teilergebnis der Verhandlungen im Einigungsvertrag angesichts der historischen Bedingungen hinnehmen dürfen (vgl. BVerfGE 100, 138, 109 = SozR 3-8570 § 7 Nr. 1). Zu einer "Totalrevision" des aus der DDR stammenden Versorgungsrechts war er über die mit der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) vorgenommene Modifikation von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG hinaus nicht verpflichtet (vgl. BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 2; Urteil vom 18. Juli 2003 – B 4 RA 1/03 R – veröffentlicht in juris). Zwischenzeitlich hat auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden, dass die Auslegung der Texte der Versorgungsordnungen durch die Fachgerichte, insbesondere durch das BSG, nicht willkürlich ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 04. August 2004 – 1 BvR 1557/01 – nicht veröffentlicht; Beschluss vom 08. September 2004 – 1 BvR 1503/04 – nicht veröffentlicht – und zuletzt Beschluss vom 26. Oktober 2005 – 1 BvR 1921/04 u. a. –). Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass für die Zeit vom Beitritt des Klägers zur FZR an, mithin mit Wirkung vom 01. Juni 1985, dessen gesamte tatsächliche Entgelte im streitigen Zeitraum als Beitragsbemessungsgrundlage für die vom Rentenversicherungsträger zu berücksichtigenden Beitragszeiten im Beitrittsgebiet heranzuziehen sind (vgl. § 256 a Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 SGB VI). Die Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zur AVI hätte dem Kläger insoweit im Ergebnis keine weitergehenden Rechte eingeräumt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 Nr. 4 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) verpflichtet ist, für Beschäftigungszeiten des Klägers vom 01. September 1981 bis zum 09. August 1989 Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen (AVI) sowie die entsprechenden Arbeitsentgelte festzustellen.
Der am 1943 geborene Kläger hatte in der früheren Deutschen Demokratischen Republik (DDR) nach dem Abitur den Beruf des Außenhandelskaufmanns erlernt; in der Zeit vom 31. August 1968 bis zum 10. Juli 1970 absolvierte er ein Fernstudium an der Fachschule für Außenhandel "J O" in B und erwarb die Berechtigung, die Berufsbezeichnung eines "Außenwirtschafts-Ökonoms" zu führen. Ab 1963 war der Kläger in verschiedenen Import- und Außenhandelsunternehmen der DDR sowie als wissenschaftlicher Mitarbeiter beschäftigt, zuletzt vom 01. September 1981 bis zum 09. August 1989 als wissenschaftlicher Mitarbeiter (Eintragung im Sozialversicherungsausweis – SVA -) in der Funktion eines "Forschungsingenieurs Lizenzexport" bei der B der DDR; die Tätigkeit war im Qualifikationshandbuch der B unter der Ordnungsnummer (Gehaltsgruppe FI 4) erfasst, wobei nach dem Rahmenkollektivvertrag über die Arbeits- und Lohnbedingungen der Werktätigen der B der DDR (R B) als Forschungsingenieure das wissenschaftlich-technische Personal mit Hoch- bzw. Fachschulabschluss in den wissenschaftlichen Abteilungen, Projektierungseinrichtungen und Labor-, Prüf- und Experimentiereinrichtungen galten (vgl. Nr. 4.3.1. des R B). Im Zuge politischer Verfolgungsmaßnahmen nach Stellung eines Ausreiseantrages war der Kläger ab 10. August 1989 nur noch als Lagerist beschäftigt, bis er im Oktober 1989 über die damalige T in die Bundesrepublik flüchtete. Der Kläger war mit Wirkung vom 01. Juni 1985 der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) beigetreten; eine Versorgungszusage hatte er nicht erhalten.
Mit Bescheid vom 05. Juni 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2004 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum AAÜG ab mit der Begründung, dass der Kläger am 30. Juni 1990 keine Beschäftigung mehr ausgeübt habe.
Im Klageverfahren legte der Kläger eine Bescheinigung des Landesamtes für Gesundheit und Soziales Berlin nach § 17 i. V. mit § 22 des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes (BerRehaG) vom 03. April 2003 nebst Änderungsbescheid vom 26. Mai 2003 vor, mit dem die Rehabilitierungsbehörde eine politische Verfolgungszeit im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 4 BerRehaG vom 10. August 1989 bis zum 05. Oktober 1989 feststellte und den Kläger als wissenschaftlichen Mitarbeiter im Verfolgungszeitraum der Qualifikationsgruppe 1 (Hochschulabsolvent) und dem Bereich 19 (Akademie) zuordnete. Die Beklagte erteilte hierauf den "Zuordnungsbescheid" vom 25. Mai 2004, mit dem sie die Voraussetzungen des § 1 AAÜG bei dem Kläger als erfüllt ansah und Zugehörigkeitszeiten zur AVI vom 10. August bis zum 05. Oktober 1989 nebst den auf der Grundlage der Rehabilitierungsbescheinigung errechneten Arbeitsverdiensten feststellte.
Mit Urteil vom 11. Januar 2005 hat das Sozialgericht (SG) Berlin die Beklagte unter Änderung der angefochtenen Bescheide antragsgemäß verurteilt, Zugehörigkeitszeiten des Klägers zur AVI vom 01. September 1981 bis zum 09. August 1989 sowie die in dieser Zeit tatsächlich erzielten Verdienste festzustellen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die zulässige Klage sei begründet. Der Kläger habe einen Anspruch auf Vormerkung weiterer Zugehörigkeitszeiten zur AVI vom 01. September 1981 bis zum 09. August 1989. Denn er sei in diesem Zeitraum als Wissenschaftler im Sinne der Verordnung über die AVI vom 12. Juli 1951 (AVI-VO; GBl. S. 675 ff.) beschäftigt gewesen. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter der B der DDR sei er auf einer Stelle tätig gewesen, die Hochschulabsolventen vorbehalten gewesen sei. Die Auffassung der Beklagten, wonach Wissenschaftler einen Hochschulabschluss gehabt haben müssten, finde in der AVI-VO keine Stütze. Dort sei lediglich in ganz allgemeiner Form von "Wissenschaftlern" die Rede. Daher sei es durchaus denkbar, dass für die Zuordnung zur Gruppe der Wissenschaftler ein fehlendes Hochschulstudium durch besondere berufliche Erfolge und Erfahrungen habe ausgeglichen werden können.
Mit der Berufung wendet sich die Beklagte gegen dieses Urteil. Sie trägt vor: Der Kläger sei im streitigen Zeitraum nicht als hauptberuflich tätiger Wissenschaftler gemäß § 1 AVI-VO tätig gewesen. Denn Wissenschaftler seien nur Personen, die einen für eine selbständige wissenschaftliche Arbeit erworbenen wissenschaftlichen Grad oder ein anerkanntes Äquivalent besitzen würden. Der Kläger verfüge nicht über einen abgeschlossenen Universitäts- oder Hochschulabschluss. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter könne er nicht pauschal einem Wissenschaftler gleichgestellt werden, zumal er nicht an einer wissenschaftlichen Hochschule beschäftigt gewesen sei. Dass der Kläger nach den Vorschriften des BerRehaG in dem Verfolgungszeitraum wie ein Hochschulabsolvent zu behandeln sei, führe nicht dazu, dass dadurch ein für die Beklagte als Versorgungsträger zu berücksichtigender tatsächlicher Hochschulabschluss für den vorliegend streitigen Zeitraum vorliege.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. Januar 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat den R B nebst Nachträgen sowie das Qualifikationshandbuch der B der DDR beigezogen; auf diese Unterlagen wird Bezug genommen.
Wegen des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die zum Verfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Akte der Beklagten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist begründet.
Der Kläger hat keinen mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG –) durchsetzbaren Anspruch gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 AAÜG auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 4 der Anlage 1 zum AAÜG sowie gegebenenfalls der entsprechenden Arbeitsentgelte gemäß § 8 Abs. 2 AAÜG für den Zeitraum vom 01. September 1981 bis zum 09. August 1989; die ursprünglich weitergehende Klage hat der Kläger im Verhandlungstermin bei dem SG am 11. Januar 2005 zurückgenommen.
Das AAÜG ist zwar auf den Kläger anwendbar. Denn die Beklagte hat in dem gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des sozialgerichtlichen Verfahrens gewordenen Bescheid vom 25. Mai 2004 – insoweit unangefochten und damit für die Beteiligten und das Gericht bindend (vgl. § 77 SGG) – eine positive Statusentscheidung dahingehend getroffen, dass die Voraussetzungen des § 1 AAÜG in der Person des Klägers erfüllt sind. Der Kläger hat aber im streitigen Zeitraum keine Zugehörigkeitszeiten zur AVI zurückgelegt. Prüfungsmaßstab für die insoweit begehrte Feststellung von Tatbeständen gleichgestellter Pflichtbeitragszeiten ist § 5 Abs. 1 AAÜG. Nach der genannten Vorschrift ist allein maßgeblich, ob die Beschäftigung in dem in Rede stehenden Zeitraum ihrer Art nach zu denjenigen gehörte, derentwegen die AVI errichtet war, ob sie also in einem der Texte dieser Versorgungsordnung aufgelistet ist (vgl. BSG, Urteil vom 24. März 1998 – B 4 RA 27/97 R = SozR 3-8750 § 5 Nr. 3). Die Texte der Versorgungsordnung und die sie ergänzenden bzw. ausfüllenden abstrakt-generellen Regelungen der DDR sind hierbei lediglich faktische Anknüpfungspunkte, deren Bedeutung nach Maßgabe des Bundesrechts, insbesondere nach Sinn und Zweck des § 5 AAÜG, zu bestimmen ist (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juli 2004 – B 4 RA 11/04 R – veröffentlicht in juris). Auf die praktische Durchführung und auf die Auslegung der Versorgungsordnung seitens der Organe der früheren DDR kommt es nicht an.
Der Kläger war in einer wissenschaftlichen Einrichtung der DDR, nämlich der B, beschäftigt. Wissenschaftliche Akademien werden in der Versorgungsordnung ausdrücklich benannt (vgl. §§ 2 a, 6 AVI-VO). Er erfüllt aber nicht die persönlichen Voraussetzungen für eine Einbeziehung in die AVI. Denn er zählte in dem streitgegenständlichen Zeitraum nicht zum Personenkreis der "Angehörigen der wissenschaftlich tätigen Intelligenz" nach § 2 a AVI-VO, weil er nicht als hauptberuflich tätiger Wissenschaftler i. S. der AVI-VO tätig war. Der Kläger war in der Zeit vom 01. September 1981 bis zum 09. August 1989 als "Forschungsingenieur Lizenzexport" beschäftigt, und zwar unter der Ordnungsnummer des Qualifikationshandbuches der B und unter Einstufung in die Gehaltsgruppe FI 4. Diese tarifliche Zuordnung entsprach der Tätigkeitsbeschreibung für Forschungsingenieure in Nr. 4.3.1 RKV B, wobei auch (nur) ein Fachschulabschluss, wie ihn der Kläger erworben hatte, ausreichend war. Den hauptberuflich tätigen Wissenschaftlern an der B waren demgegenüber die Gehaltsgruppen W2 bis W5 vorbehalten. Für diese W-Gruppen der Gehaltstabelle erfolgte auch eine gesonderte Festlegung und Erhöhung der Gehälter (vgl. Vereinbarung zur Leistungsorientierten Erhöhung der Gehälter für Wissenschaftler der B der DDR vom 01. November 1988). Nach der Vergütungsordnung für Wissenschaftler im R B galten als Wissenschaftler im Sinne des R Werktätige mit einer abgeschlossenen Universitäts- bzw. Hochschulausbildung mit Diplom, zu denen der Kläger mit seiner Fachschulausbildung nicht zählte. Aus diesen die AVI-VO für den Bereich der B ergänzenden Regelungen erhellt, dass die Beschäftigung des Klägers ihrer Art nach von der AVI nicht erfasst war. Auch die Bezeichnung des Klägers als "Wissenschaftlicher Mitarbeiter" im SVA ändert hieran nichts. Denn aus dem Qualifikationshandbuch und den Entlohnungsregelungen der B ergibt sich nicht, dass wissenschaftliche Mitarbeiter der B ausnahmslos als Wissenschaftler anzusehen waren. Zum Kreis der Wissenschaftler gehörten vielmehr nur die Personen, die nach dem Qualifikationshandbuch unter entsprechender Bezeichnung der Arbeitsaufgabe als Wissenschaftler in einer W-Gehaltsgruppe tätig waren. Aus den genannten Regelungen ergibt sich für den Bereich der B eine abschließende Definition des Begriffs "Wissenschaftler" und somit auch der persönliche Anwendungsbereich der AVI für die Mitarbeiter der B (vgl. bei einer entsprechenden Verweisung auch für wissenschaftliche Mitarbeiter: BSG, Urteil vom 24. März 1998 – B 4 RA 27/97 R –).
Dass die Rehabilitierungsbehörde den Kläger in ihren bestandskräftigen Bescheiden vom 03. April 2003 bzw. 26. Mai 2003 im Verfolgungszeitraum (10. August 1989 bis zum 05. Oktober 1989) der Qualifikationsgruppe 1 (Hochschulabsolvent) zugeordnet hat, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn die Bindungswirkung dieses Bescheides erstreckt sich gemäß § 22 Abs. 3 BerRehaG nur auf die darin für den Verfolgungszeitraum getroffenen Feststellungen. Eine darüber hinaus gehende Bindung der Beklagten und des Gerichts an die Feststellungen der Rehabilitierungsbehörde besteht jedoch nicht.
Andere Rechtsgrundlagen, auf die der Kläger sein Begehren stützen könnte, sind nicht ersichtlich. Insbesondere verstößt es nicht gegen Verfassungsrecht, dass der Bundesgesetzgeber an die im Zeitpunkt der Wiedervereinigung vorgefundene Ausgestaltung der Versorgungssysteme der DDR und deren Differenzierungen angeknüpft hat. Denn der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Grundgesetzes gebietet es nicht, von den historischen Gegebenheiten in der DDR, aus denen sich Ungleichheiten ergeben können, abzusehen und sie Rückwirkend zu Lasten der heutigen Beitrags- und Steuerzahler auszugleichen. Die Begünstigung der damals einbezogenen hat der Bundesgesetzgeber als ein Teilergebnis der Verhandlungen im Einigungsvertrag angesichts der historischen Bedingungen hinnehmen dürfen (vgl. BVerfGE 100, 138, 109 = SozR 3-8570 § 7 Nr. 1). Zu einer "Totalrevision" des aus der DDR stammenden Versorgungsrechts war er über die mit der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) vorgenommene Modifikation von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG hinaus nicht verpflichtet (vgl. BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 2; Urteil vom 18. Juli 2003 – B 4 RA 1/03 R – veröffentlicht in juris). Zwischenzeitlich hat auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden, dass die Auslegung der Texte der Versorgungsordnungen durch die Fachgerichte, insbesondere durch das BSG, nicht willkürlich ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 04. August 2004 – 1 BvR 1557/01 – nicht veröffentlicht; Beschluss vom 08. September 2004 – 1 BvR 1503/04 – nicht veröffentlicht – und zuletzt Beschluss vom 26. Oktober 2005 – 1 BvR 1921/04 u. a. –). Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass für die Zeit vom Beitritt des Klägers zur FZR an, mithin mit Wirkung vom 01. Juni 1985, dessen gesamte tatsächliche Entgelte im streitigen Zeitraum als Beitragsbemessungsgrundlage für die vom Rentenversicherungsträger zu berücksichtigenden Beitragszeiten im Beitrittsgebiet heranzuziehen sind (vgl. § 256 a Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 SGB VI). Die Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zur AVI hätte dem Kläger insoweit im Ergebnis keine weitergehenden Rechte eingeräumt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
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