L 16 R 1339/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 15 RA 4818/95 W02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 R 1339/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 28. Juli 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Beschäftigungszeit des Klägers vom 01. August 1969 bis zum 31. Dezember 1971 als Zeit der Zugehörigkeit zur Freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates (Zusatzversorgungssystem Nr. 19 der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz – AAÜG) sowie die in dieser Zeit tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Der Kläger, geboren am 1924, hatte den Beruf des Maschinenschlossers erlernt (Abschluss am 05. September 1942) und am 04. Dezember 1948 einen weiteren Abschluss als Maschinenbaumeister erlangt. Nach einem Fernstudium an einer Fachschule vom 01. September 1960 bis 30. Juli 1966 erwarb er den Titel eines Ingenieurs. Vom 01. Januar 1967 bis 24. November 1967 war der Kläger als Beratungsingenieur, vom 11. Dezember 1967 bis 30. März 1969 als Referent für Bedarfsforschung beim VEB R, vom 01. April 1969 bis 02. August 1969 als System-Ingenieur und ab 04. August 1969 bis zum 30. September 1989 als wissenschaftlicher Mitarbeiter zuerst beim Forschungsinstitut des Ministeriums für A in B und dann beim Ministerium für E, M und K in B beschäftigt. Ausweislich der Beitragsnachweiskarte zur Personal-Nr. (Versorgungs-Nr. ) wird eine ununterbrochene Tätigkeit im Staatsapparat für die Zeit ab 01. August 1972 bescheinigt. Der Beschäftigung beim Ministerium für E, M und K liegt der Arbeitsvertrag vom 01. August 1972 zugrunde.

Mit Überführungsbescheid vom 05. Mai 1995 stellte die Beklagte die Zeiten vom 01. August 1972 bis 31. August 1989 als nachgewiesene Zeiten der Zugehörigkeit zur Freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates fest. Mit seinem Widerspruch wandte sich der Kläger gegen die Begrenzung der Bruttoentgelte nach § 6 Abs. 2 AAÜG. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 26. Juni 1995).

Mit der Klage hat der Kläger beantragt, den Bescheid vom 05. Mai 1995 und den Widerspruchsbescheid vom 26. Juni 1995 insoweit aufzuheben, als darin das für die Berechnung einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigungsfähige Einkommen gegenüber dem tatsächlich erzielten auch innerhalb der Beitragsbemessungsgrenze des Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) verkürzt wird. Nachdem die Beklagte mit Überführungsbescheid vom 10. April 1997 für Leistungszeiträume ab 01. Januar 1997 in Bezug auf die Entgelte als maßgebende Anlage die Anlage 3 aufgeführt hatte (mit Ausnahme der Jahre 1983, 1984, 1985, 1987, 1988 und 1989) und diese Entscheidungen mit Überführungsbescheid vom 28. Juli 1997 unter Neufeststellung des Arbeitsentgelts für das Jahr 1989 wiederholt hatte, hat sie mit Ergänzungsbescheid vom 10. Juli 2002 zum Feststellungsbescheid vom 28. Juli 1997 die getroffenen Feststellungen auf Leistungszeiträume ab 01. Juli 1993 erweitert. Der Kläger hat dieses Teilanerkenntnis angenommen und nunmehr beantragt, auch die Zeit vom 01. August 1969 bis 31. Juli 1972 als Zeit der Mitgliedschaft im Zusatzversorgungssystem Nr. 19 der Anlage 1 zum AAÜG festzustellen. Er hat als Nachweis eine Bescheinigung des Ministerrats der Deutschen Demokratischen Republik – ohne Datum – eingereicht, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird.

Die Beklagte hat vorgetragen, dass die nunmehr geltend gemachte Zeit nicht berücksichtigt werden könne, weil die Regelungen des maßgeblichen Zusatzversorgungssystems eine Beitrittserklärung vorgesehen hätten, ohne die eine Versorgungsberechtigung nicht eingetreten sei. Nach der vorliegenden Beitragsnachweiskarte sei der Beitritt aber erst zum 01. August 1972 erfolgt.

Das Sozialgericht (SG) Berlin hat mit Gerichtsbescheid vom 28. Juli 2005 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Klage sei zulässig. Der Kläger habe zwar erst im Laufe des Gerichtsverfahrens die streitige Zeit geltend gemacht. Über diese Zeit habe die Beklagte im Bescheid vom 05. Mai 1995 mit entschieden, so dass sie durch den Widerspruch des Klägers mit angegriffen und darüber auch im Widerspruchsbescheid mit entschieden worden sei. Insofern liege eine zulässige Klageänderung vor. Die Klage sei jedoch unbegründet. Der Kläger habe keinen Anspruch darauf, dass auch die Zeit vom 01. August 1969 bis 31. Dezember 1971 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates festgestellt werde. Ob eine Beschäftigung als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem gemäß § 5 Abs. 1 AAÜG zähle, bestimme sich nach den maßgeblichen Texten der jeweiligen Versorgungsordnung. Im Falle des Zusatzversorgungssystems Nr. 19 der Anlage 1 zum AAÜG hänge dies nach den §§ 1 und 2 der Ordnung über die Freiwillige zusätzliche Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates vom 29. Januar 1971 davon ab, dass Leiter oder Mitarbeiter des Staatsapparates durch schriftliche Erklärung der Versorgung beiträten. Der Kläger sei vorliegend zum 01. Januar 1972 beigetreten. Ob diese Beitrittserklärung erst ab dem Zeitpunkt des formellen Beitritts gelte, wie die Beklagte meine, oder aber auch schon für die davor liegende Beschäftigungszeit, könne indes dahin stehen. Denn jedenfalls habe der Kläger in der Zeit vom 01. August 1969 bis 31. Dezember 1971 zur Überzeugung des Gerichts keine Tätigkeit ausgeübt, für welche er als Mitarbeiter des Staatsapparats im Sinne der Ordnung vom 29. Januar 1971 nach den maßgeblichen Versorgungsvorschriften gelte.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er beantragt, die Deutsche Rentenversicherung Bund beizuladen; im Übrigen wird wegen seines Vorbringens auf den Schriftsatz vom 1. November 2005 Bezug genommen.

Er beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 28. Juli 2005 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 05. Mai 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juni 1995 sowie unter Änderung der Bescheide vom 10. April 1997, 28. Juli 1997 und 10. Juli 2002 zu verpflichten, die Zeit vom 01. August 1969 bis zum 31. Dezember 1971 als Zeit der Zugehörigkeit zur Freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates (Zusatzversorgungssystem Nr. 19 der Anlage 1 zum AAÜG) sowie die in dieser Zeit tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen. Hilfsweise stellt der Kläger eine Reihe von Beweisanträgen; auf den Schriftsatz vom 1. November 2005 wird insoweit Bezug genommen. Er beantragt außerdem hilfsweise, das Ruhen des Verfahrens anzuordnen bzw. das Verfahren auszusetzen, hilfsweise regt er zusätzlich an, die Sache dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie nimmt Bezug auf die Entscheidungsgründe des Gerichtsbescheides. Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zum Verfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Akte der Beklagten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Entgegen der vom SG vertretenen Rechtsauffassung ist die vom Kläger erhobene Anfechtungs- und Verpflichtungsklage im Sinne des § 54 Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 19 der Anlage 1 zum AAÜG bereits unzulässig. Das Begehren des Klägers, das sich aus dem zuletzt im Schriftsatz vom 01. November 2005 auf Seite 5 Rückseite gestellten Sachantrag ergibt, zielt auf die Verpflichtung der Beklagten ab, "die Beschäftigungszeit vom 1.8.1969 bis zum 31.12.1971 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates anzuerkennen und die tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte in diesem Zeitraum festzustellen". Selbst wenn man dem SG darin beipflichten wollte, dass diese – zuletzt nur noch geltend gemachte (mit Schriftsatz vom 17. Juli 2002 war zuerst die Feststellung der Zeit vom 01. August 1969 bis 31. Juli 1972 beantragt worden) – Zeit sowohl Gegenstand des – ursprünglichen – Überführungsbescheides vom 05. Mai 1995 als auch Gegenstand des Widerspruchbescheides ist, obwohl der Kläger die Feststellung dieser Zeit erstmals mit seinem Schriftsatz vom 17. Juli 2002 beansprucht hat, hat der Kläger etwaige diese Zeit betreffende (ablehnende) Verwaltungsentscheidungen der Beklagten jedenfalls nicht innerhalb der für die Einlegung von Rechtsbehelfen vorgeschriebenen Verfahrensfristen angefochten.

Mit seinem Widerspruchschreiben vom 16. Mai 1995 wendet sich der Kläger ausschließlich gegen die "Begrenzung seines tatsächlichen Bruttoentgeltes auf die Werte der Anlage 5, 4 bzw. 8 AAÜG". Auch mit der am 18. Juli 1995 erhobenen Klage beantragt er nur die Aufhebung des Bescheides vom 05. Mai 1995 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 26. Juni 1995, "insoweit dieser das für die Berechnung einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigungsfähige Einkommen gegenüber dem tatsächlich erzielten auch innerhalb der Beitragsbemessungsgrenze des SGB VI verkürzt". Auch in dem gesamten Vorbringen in der Klageschrift vom 18. Juli 1995 wird die nunmehr streitige Zeit an keiner Stelle angesprochen. Erst nachdem die Beklagte die Vorschriften des 2. AAÜG – Änderungsgesetzes durch den Bescheid vom 10. Juli 2002 umgesetzt hatte, hat der Kläger "nur noch" beantragt, die "Anspruchserwerbszeit vom 01.08. 69 bis zum 31.07. 72 anzuerkennen". Zur Zeit dieser Klageerhebung war aber eine etwaige Ablehnung der streitigen Zeit bereits in Bestandskraft erwachsen (§ 77 SGG). Denn innerhalb der Einmonatsfrist, die für die Einlegung von Widerspruch und Klage gilt (§§ 84 Abs. 1 S. 1, 87 Abs. 1 S. 1 SGG), hatte der Kläger mit seinem Widerspruch und seiner Klage ausschließlich die seiner Auffassung nach in den angefochtenen Bescheiden enthaltenen Entscheidungen zur Begrenzung der zu berücksichtigenden Arbeitsentgelte angegriffen. Auch diese Klage war im Übrigen unzulässig, da Mitteilungen des Versorgungsträgers zu den Beitragsbemessungsgrenzen keine anfechtbaren Verwaltungsakte darstellen (ständige Rechtsprechung: vgl. z. B. BSG SozR 3 – 8570 § 8 Nr. 7). In zulässiger Weise anfechtbar ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung insoweit allein die getroffene Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis des § 6 Abs. 2 AAÜG.

Da die Klage auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung der streitigen Zugehörigkeitszeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 19 der Anlage 1 zum AAÜG unzulässig ist, war die Deutsche Rentenversicherung Bund in ihrer Eigenschaft als Rentenversicherungsträger schon aus diesem Grund nicht gemäß § 75 Abs. 2 SGG beizuladen. Aus dem gleichen Grund war das Verfahren auch nicht auszusetzen oder aber das Ruhen des Verfahrens anzuordnen (§ 202 SGG i. V. m. § 251 S. 1 Zivilprozessordnung). Auch eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht kommt demgemäß nicht in Betracht.

Da schließlich die hilfsweise gestellten Beweisanträge ausschließlich bei einer zu treffenden Sachentscheidung zum Tragen kommen könnten, erweisen sich diese Anträge ebenfalls als gegenstandslos.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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