L 16 B 94/04 AL

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 77 AL 4646/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 B 94/04 AL
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 20. Oktober 2004 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Erstattung der ihm entstandenen außergerichtlichen Kosten für die Erhebung einer Klage auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis in Anspruch.

Im Juni 2001 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Erteilung einer Arbeitsgenehmigung für eine Tätigkeit als Dönerschneider in dem Betrieb "B" in B für die Dauer seines Aufenthalts ab dem 15. Juni 2001. Die Beklagte lehnte dies durch Bescheid vom 20. August 2001 mit der Begründung ab, der Erteilung einer Arbeitserlaubnis gemäß § 285 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) i. d. F. bis zum 31. Dezember 2004 (a. F.) stehe entgegen, dass für diese Tätigkeit deutsche Arbeitnehmer zur Verfügung stünden, die Arbeitsbedingungen ungünstiger als bei deutschen Arbeitnehmern seien und der Arbeitgeber der Beklagten keinen Vermittlungsauftrag erteilt habe. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde durch den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 23. November 2001 zurückgewiesen.

Im Dezember 2001 hat der Kläger Klage erhoben, mit der er weiterhin die Erteilung der begehrten Arbeitserlaubnis erstrebt hat. Nachdem die Beklagte auf den weiteren Antrag des Klägers vom 10. Januar 2002 diesem die begehrte Arbeitserlaubnis gemäß § 285 SGB III a. F. für die Zeit vom 10. Januar 2002 bis zum 22. Februar 2002 erteilt hatte, hat der Kläger den Rechtsstreit für erledigt erklärt und einen Kostenantrag gestellt. Für die Zeit ab dem 28. Februar 2002 wurde dem Kläger eine unbefristete und räumlich nicht begrenzte Arbeitserlaubnis erteilt, nach dem er eine Deutsche geheiratet hatte.

Das Sozialgericht (SG) Berlin hat mit Beschluss vom 20. Oktober 2004 entschieden, dass die Beklagte dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits zu 2/3 zu erstatten habe. Zur Begründung ist ausgeführt: Der Kläger habe Anspruch auf Erstattung von 2/3 seiner außergerichtlichen Kosten durch die Beklagte gemäß § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Entscheidung über die Kostentragungspflicht erfolge nach billigem Ermessen. Geeignete Ermessenserwägungen seien mangels eines Entscheidungsmaßstabes des SGG in Anlehnung an den Rechtsgedanken der §§ 91 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) der mutmaßliche Ausgang des Rechtsstreits sowie Gesichtspunkte des Veranlassungsprinzips. Zum einen könne der Klage hinreichende Erfolgsaussicht nicht abgesprochen werden. Jedenfalls im Sinne einer Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung wäre die Klage erfolgreich gewesen. Zum anderen habe die Beklagte den Rechtsstreit im Wesentlichen veranlasst. Die Begründung des Bescheids und ihr Verhalten im Vorverfahren habe verhindert, dass eine angemessene Klärung des Rechtsstreits habe erfolgen können. Jedenfalls auf die Ausführungen im Widerspruch hätte die Beklagte sich gehalten sehen müssen, fallbezogen ihre Ablehnungsgründe darzustellen.

Zur Begründung der Beschwerde, der das SG nicht abgeholfen und die es dem Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt hat, trägt die Beklagte vor: Die Klage habe mit einer Klagerücknahme geendet, ohne dass die Beklagte ein Anerkenntnis oder eine Erledigungserklärung abgegeben habe. Es habe auch zu keinem Zeitpunkt eine Erfolgsaussicht für den Kläger bestanden. Im Beschluss vom 20. Oktober 2004 werde übersehen, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Antragstellung (08. Juni 2001) nicht im Besitz einer Aufenthaltsgenehmigung nach § 5 Ausländergesetz (AuslG) gewesen sei. Diese Aufenthaltsgenehmigung sei aber zwingend notwendig für die Erteilung einer Genehmigung zur Arbeitsaufnahme eines Ausländers in Deutschland (§ 284 Abs. 5 SGB III a.F.). Die Aufenthaltsgestattung des Klägers sei bis zum 27. August 2001 befristet gewesen.

Die Beklagte beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 20. Oktober 2004 aufzuheben und zu entscheiden, dass außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind.

Der Kläger beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

II.

Die Beschwerde der Beklagten ist nicht begründet. Das SG hat zu Recht entschieden, dass die Beklagte dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens im tenorierten Umfang zu erstatten hat. Da sich der Rechtsstreit nach der Erteilung der Arbeitserlaubnis für die Zeit vom 10. Januar 2002 bis zum 22. Februar 2002 aufgrund der entsprechenden Erledigungserklärung des Klägers in der Hauptsache erledigt hatte, war auf den Antrag des Klägers nach § 193 Abs. 1 S. 3 SGG durch Beschluss über die Kosten zu entscheiden. Hat sich ein Rechtsstreit, wie hier, anders als durch Urteil erledigt, entscheidet das Gericht danach über die Kosten grundsätzlich nach sachgemäßem Ermessen, bei dessen Ausübung vor allem der nach dem bisherigen Sach- und Streitstand zu beurteilende vermutliche Verfahrensausgang den Ausschlag zu geben hat (vgl. z. B. BSG SozR 3-1500 § 193 Nrn. 2 u. 10). Weiterhin zu berücksichtigen ist, ob Anlass für die Klageerhebung bestand.

Davon ausgehend ist die vom SG erlassene Kostenentscheidung zu Lasten der Beklagten nicht zu beanstanden. Denn der Kläger hätte in dem Rechtsstreit aller Voraussicht nach obsiegt (zumindest im Sinne eines Bescheidungsurteils gemäß § 131 Abs. 3 SGG). Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Beklagte dem Kläger, ohne dass sich die relevanten tatsächlichen oder rechtlichen Voraussetzungen seit seinem Antrag vom Juni 2001 geändert hätten, für die Zeit vom 10. Januar 2002 bis zum 22. Februar 2002 die Arbeitserlaubnis erteilt hat. Die von der Ausländerbehörde in Folge der Verheiratung mit einer Deutschen erteilte Aufenthaltserlaubnis war nämlich ausweislich der Arbeitsgenehmigungskarte der Beklagten erst ab dem 28. Februar 2002 wirksam und die Grundlage der zweiten, diesmal unbefristet und für den Bereich der gesamten Bundesrepublik Deutschland erteilten, Arbeitserlaubnis. Dafür, dass die für die Zeit vom 10. Januar 2002 bis zum 22. Februar 2002 erteilte Arbeitserlaubnis rechtswidrig gewesen wäre, mit der Folge, dass bei unveränderter Sach- und Rechtslage auch für den Zeitraum vom 15. Juni 2001 bis zum 09. Januar 2002 kein Anspruch auf Erteilung der Arbeitserlaubnis bestanden hätte, ergeben sich keine Anhaltspunkte. So handelt es sich bei den in dem Bescheid vom 20. August 2001 vorgebrachten Ablehnungsgründen um pauschale Behauptungen, die weder im Verwaltungs-, Widerspruchs- noch im Klageverfahren substantiiert worden sind und die eine konkrete Auseinandersetzung mit dem vorliegenden Fall nicht erkennen lassen. Insbesondere ist ein schutzwürdiges (wirtschaftliches) Interesse des Arbeitgebers an der Einstellung des Klägers schlüssig dargetan, denn es ist nicht von der Hand zu weisen, dass in einem vorwiegend von türkisch-kurdischem Publikum besuchten Imbisslokal ein Bedürfnis nach entsprechend sprachkundigem und landsmannschaftlichem Personal besteht. Bei dieser besonderen Interessenlage des einstellungsbereiten Arbeitgebers muss die Verfügbarkeit bevorrechtigter Arbeitnehmer zumindest ohne substantiierten Gegenvortrag der Beklagten stark bezweifelt werden (vgl. auch zur Unbeachtlichkeit eines nicht gestellten Vermittlungsauftrages, Düe in: Niesel, SGB III, 1. Auflage, § 285, Rdnrn. 9 bis 12). Dass der Kläger zu Arbeitsbedingungen beschäftigt werden sollte, die ungünstiger als bei vergleichbaren deutschen Arbeitnehmern gewesen seien, ist für den Senat nicht erkennbar. Entsprechendes wird zwar von der Beklagten behauptet, jedoch in keiner Weise substantiiert begründet.

Des Weiteren kann der Erteilung der Arbeitserlaubnis nicht entgegen gehalten werden, dass der Kläger zum damaligen Zeitpunkt nicht im Besitz einer Aufenthaltsgenehmigung gemäß § 5 AuslG gewesen ist (§ 284 Abs. 5 SGB III a.F.). Denn nach § 5 Nr. 2 der Arbeitsgenehmigungsverordnung kann die Arbeitsgenehmigung abweichend von § 284 Abs. 5 SGB III a.F. auch Ausländern erteilt werden, die eine Aufenthaltsgestattung (§ 55 des Asylverfahrensgesetzes) besitzen und nicht verpflichtet sind, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen (§ 47 bis 50 des Asylverfahrensgesetzes). Der Aufenthalt des Klägers war aber ausweislich seiner Anträge vom Juni 2001 und Januar 2002 gestattet, wobei nicht zu bezweifeln ist, dass dieser Status auch durchgängig bestanden hat.

Schließlich kann von der Beklagten gegen die angefochtene Kostenentscheidung nicht vorgebracht werden, dass der Kläger die Klage zurückgenommen habe. Zwar ist der Rechtsstreit mangels eines von der Beklagten erklärten Anerkenntnisses oder einer übereinstimmenden Erledigungserklärung beider Beteiligten erst in Folge der Klagerücknahme seitens des Klägers beendet worden. Hieraus kann sich aber keine günstige Kostenfolge für die Beklagte ergeben, denn der Kläger führte die Erledigung des Verfahrens nicht wegen der Aussichtslosigkeit seines Begehrens herbei, sondern weil die Beklagte seinem Begehren, wenn auch erst mit Wirkung ab dem 10. Januar 2002, entsprochen hat (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 8. Auflage, § 193, Rdnr. 13 b).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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