L 1 SF 53/06

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 SF 53/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Das Gesuch des Klägers, die Richterin wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird zurückgewiesen.

Gründe:

Das Ablehnungsgesuch ist zulässig, auch wenn es erst nach dem Beschluss über die Ablehnung des Antrages auf einstweilige Anordnung gestellt worden ist. Denn dadurch, dass gleichzeitig mit dem Ablehnungsgesuch Beschwerde gegen den Beschluss vom 22. Februar 2006 eingelegt worden ist, hat die Richterin noch gemäß § 174 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu entscheiden, ob der Beschwerde abgeholfen oder die Sache dem Beschwerdegericht vorgelegt wird. Sie kann also noch weiterhin mit der Sache befasst werden.

Gemäß § 60 SGG i.V.m. § 42 Abs. 1 und 2 Zivilprozessordnung (ZPO) findet die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dies ist der Fall, wenn ein am Verfahren Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei objektiver und vernünftiger Betrachtung davon ausgehen darf, dass der Richter nicht unvoreingenommen entscheiden werde. Die nur subjektive Besorgnis, für die bei Würdigung der Tatsachen vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, ist dagegen nicht Maßstab der Prüfung. Solche Gründe liegen hier nicht vor:

Der Behauptung des Antragstellers im Schriftsatz vom 4. April 2006, die abgelehnte Richterin habe sich in einem Telefonat ihm gegenüber abfällig und seine Person herabsetzend geäußert, ist die Richterin in ihrer ergänzenden dienstlichen Äußerung vom 10. April 2006 entgegengetreten. Ihre Darstellung hält der Senat für zutreffend. Der Antragsteller hat weder seine Sachverhaltsdarstellung im Schriftsatz vom 4. April 2006 glaubhaft gemacht (vgl. aber § 44 Abs. 2 Satz 1 ZPO), noch hat er - was die behauptete Wortwahl der Richterin betrifft - im Schriftsatz vom 19. April 2006 daran festgehalten. Im Übrigen kann aber aus dem vom Antragsteller und der Richterin im Wesentlichen übereinstimmend geschilderten Verlauf des Telefongesprächs nicht der Vorwurf der Befangenheit abgeleitet werden. Die Erörterung des Sach- und Streitstandes am Telefon ist in Grenzen zwar zulässig, im Grundsatz aber in der Prozessordnung nicht vorgesehen; es bleibt der richterlichen Entscheidung im Einzelfall überlassen, in welchem Umfang der Richter zu Fragen und Anregungen der Beteiligten telefonisch Auskunft gibt. Ein "Abwimmeln" und damit eine bewusste Verzögerung der Streitigkeit zu Lasten des Antragstellers ist also nicht erkennbar, wenn die Richterin in einem Telefongespräch auf weitere Einzelheiten in der Sache nicht eingehen möchte, sondern den Antragsteller darauf verweist, dass ein Beschluss ergehen werde bzw. ein Beschluss der Geschäftsstelle übergeben, aber wohl noch nicht zugestellt worden sei, und dieser dann auch – wie hier – zeitnah zugestellt und (erst) damit existent wird (vgl. § 133 SGG). Die Richterin hat vorliegend jeweils kurze Fristen gesetzt und 2 Tage nach Eingang des letzten Schriftsatzes des Antragsstellers und damit nach einer insgesamt 3-wöchigen Bearbeitungszeit entschieden, so dass eine bewusste Verzögerung auch von daher nicht nachvollzogen werden kann.

Die Besorgnis der Befangenheit lässt sich auch nicht aus den dienstlichen Äußerungen der Richterin ableiten. Zwar hat nach der Darstellung des Antragstellers ein persönliches Gespräch zwischen der abgelehnten Richterin und dem Sohn der Frau J nicht stattgefunden, während die Richterin auf ein solches Gespräch in ihrer dienstlichen Äußerung Bezug nimmt. Mit der Formulierung "Nach meiner Erinnerung trifft es zu, dass " hat sie aber klargestellt, dass es auch möglich ist, dass ein solches Gespräch – wie der Antragsteller vorträgt - nicht stattgefunden hat. Vom Standpunkt eines vernünftigen Prozessbeteiligten aus ist damit die im Schriftsatz vom 19. April 2006 angedeutete Anschuldigung ("vorgeblich erfolgte Erläuterungen"), die abgelehnte Richterin habe gegenüber dem Senat bewusst unwahre Angaben gemacht, haltlos.

Soweit der Antragsteller sinngemäß bemängelt, von den Mitarbeitern der Geschäftsstelle der Kammer unsachlich und unhöflich behandelt worden zu sein, kann dies den Vorwurf der Befangenheit der Richterin nicht begründen. Insbesondere die behauptete Äußerung, "die Richterin habe andere Sorgen" als zeitnah über den vorliegenden Antrag zu entscheiden, ist auch nach seinem Vortrag nicht etwa von der Richterin selbst erfolgt, so dass nicht zu überprüfen war, ob solche Äußerungen tatsächlich gefallen sind.

Ein Ablehnungsgesuch kann schließlich nicht darauf gestützt werden, dass von einem Richter unrichtige Entscheidungen in materieller oder in verfahrensrechtlicher Hinsicht getroffen worden seien. Behauptete Rechtsverstöße können eine Besorgnis der Befangenheit vielmehr nur dann rechtfertigen, wenn Gründe dargetan werden, die dafür sprechen, dass die mögliche Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber dem ihn ablehnenden Beteiligten oder auf Willkür beruhe. Eine Voreingenommenheit der Richterin ist zwar pauschal behauptet worden. Es sind jedoch keinerlei Anhaltspunkte hierfür ersichtlich. Im Wesentlichen bezieht sich der Antragsteller auf die Fehlerhaftigkeit der Entscheidungen der abgelehnten Richterin. Das Institut der Richterablehnung ist aber kein geeignetes Mittel, sich gegen unrichtige oder für unrichtig gehaltene Rechtsauffassungen eines Richters zu wehren, gleichgültig ob diese Ansichten formelles oder materielles Recht betreffen. Hierfür steht dem Antragsteller ein Rechtsmittelverfahren zu, nicht jedoch das Ablehnungsverfahren.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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