L 1 KR 69/02

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 89 KR 3734/01 -02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 69/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beklagte hat der Klägerin die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Ver¬fahrens zu erstatten.

Gründe:

Die mittlerweile verstorbene Klägerin hat von der Beklagten die Bewilligung von Blut¬zuckermessungen als häusliche Krankenpflege bzw. die Freistellung der hierfür ab 30. November 2001 angefallenen Kosten begehrt. Die Beklagte hatte einen entsprechenden Antrag mit Bescheid vom 29. November 2001 und Widerspruchsbescheid vom 19. Februar 2002 unter Hinweis auf die Regelungen der Richtlinien über häusliche Krankenpflege vom 16. Februar 2000 (HKP-RL) abgelehnt. Danach seien Blutzuckermessungen nur bei Erst- und Neueinstel¬lungen eines Diabetes sowie bei der Fortsetzung einer so genannten intensivierten Insulinthe¬rapie verordnungsfähig, wie sie – unstreitig – bei der Klägerin nicht vorgenommen worden sei. Das Sozialgericht Berlin (SG) hat der Klage mit Gerichtsbescheid vom 5. September 2002 stattgegeben. Aufgrund der Umstände des Einzelfalles bestünde bei der Klägerin jeweils die Notwendigkeit einer Neueinstellung des Blutzuckers. Im Übrigen liege ein Ausnahmefall vor, in welchem nach den Vorbemerkungen zur Anlage der HKP-RL von der Regel abgewichen werden könne. Wegen der Einzelheiten wird auf den Gerichtsbescheid verwiesen. Die Beklagte hat sich in ihrer Berufung dagegen gewandt, von jeweils notwendigen Neueinstellungen des Diabetes auszugehen. Ausnahmen sähen die Richtlinien darüber hinaus nur bei Häufigkeit und Dauer der Behandlungspflegemaßnahmen vor, nicht hingegen bei der Art. Im Streit stünde eine Blutzuckermessung täglich für den Zeitraum 25. Mai 2002 bis 20. Juli 2002. Die Klägerin hat letzterem widersprochen. Es ginge auch um Blutzuckermessungen für Zeiträume zwischen dem 20. August bis zum 16. September 2002 sowie vom 16. Oktober 2002 bis 13. Februar 2003.

Nachdem die Klägerin die Klage mit Faxschriftsatz vom 21. März 2006 zurückgenommen hat, war auf ihren Antrag entsprechend § 193 Abs. 1 2. Halbsatz, Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Beschluss zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Die Entscheidung ist dahin zu treffen, dass die Beklagte der Kläge¬rin die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten hat.

Die im Rahmen des § 193 Abs. 1 SGG zu treffende Kostenentscheidung ist nach sachgemäßem Ermessen zu treffen (Bundessozialgericht [BSG] BSGE 17, 124, 128; BSG SozR 3 – 1500 § 193 Nr. 2 mit weiteren Nachweisen). Dabei kommt es vor allem auf die summarische Beur¬teilung an, wie der Rechtsstreit nach dem bisherigen Sach- und Streitstand voraussichtlich aus¬gegangen wäre, ohne dass zu allen für den Ausgang des Rechtsstreits bedeutsamen Rechtsfra¬gen Stellung genommen zu werden braucht. Vorliegend entspricht eine Kostenteilung der Billigkeit. Ob die Klägerin nämlich mit dem gel¬tend gemachten Anspruch durchgedrungen wäre, lässt sich im Rahmen der gebotenen summa¬rischen Prüfung weder eindeutig bejahen noch verneinen:

Die Auffassung des SG, die HKP-RL stehe einem Anspruch der Klägerin nicht entgegen, ist grundsätzlich vom BSG in dessen Urteil vom 26. Januar 2006 (Az.: B 3 KR 4/05 R, veröffent¬licht unter www.bundessozialgericht.de) bestätigt worden. Der Sachleistungsanspruch aus § 37 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) könne einschlägig sein, obgleich die HKP-RL Blutzuckermessungen als Behandlungspflege im Rahmen der konventionellen Insu¬lintherapie nur bei der Erst- oder Neueinstellung vorsehen. Die unterbliebene Aufführung einer bestimmten Behandlungspflegemaßnahme in den HKP-RL (hier: Blutzuckermessungen nach der Ersteinstellung) stehe dem Anspruch eines Versicherten nicht unter allen Um¬ständen entgegen. Die HKP-RL stellten keinen abschließenden Leistungskatalog über die zu erbringenden Leistungen im Rahmen der häuslichen Krankenpflege dar. Voraussetzung für die Nichtverbindlichkeit sei jedoch stets die Feststellung, dass der Bundesausschuss die besondere Fallgestaltung nicht bedacht, die Rechtsbegriffe Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit unzutreffend ausgelegt oder die Bewertung der Notwendigkeit oder Wirtschaftlichkeit einer Behandlungsmaßnahme evi¬dent fehlerhaft vorgenommen habe. Möglicherweise sei dies bei Blutzuckermessungen außer¬halb der Erst- oder Neueinstellung bei konventioneller Insulintherapie der Fall, weil der Ver¬tragsarzt die Blutzuckermessungen als notwendig bezeichnet habe. Allerdings hat das BSG den konkreten Rechtsstreit an das LSG zurückverwiesen, da Ermittlungen von Amts wegen zur Notwendigkeit der Blutzuckermessungen durchzuführen seien, auch ohne dass die dortige Be¬klagte die Notwendigkeit ausdrücklich bestritten habe. Angesichts der Einschätzung des Bun¬desausschusses als eines mit Fachleuten besetzten Gremiums habe das LSG sein Urteil über die Notwendigkeit der Blutzuckermessungen nicht allein auf die Auskunft des vorordnenden Arz¬tes stützen dürfen. Bei den weiteren Ermittlungen könne es sich anbieten, zunächst Stellung¬nahmen des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung und des gemeinsamen Bundes¬ausschusses einzuholen, bevor ein Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben werde. Auch im vorliegenden Rechtsstreit wäre demnach aller Voraussicht nach weitere Sachaufklä¬rung mit offenem Ausgang geboten. Soweit die Klage auf Kostenerstattung bzw. Freistellung gerichtet ist – insoweit ist der Sachverhalt zum Zeitpunkt der Rücknahme nicht abschließend aufgeklärt, der Vortrag der Beteiligten widerspricht sich –, ist zu berücksichtigen, dass der An-¬ spruch aus § 13 Abs. 3 SGB V tatsächlich entstandene Kosten bzw. eine Situation voraussetzt, bei welcher der Versicherte einer Honorarforderung ausgesetzt ist (vgl. BSG SozR 3 – 2500 § 135 Nr. 14 Seite 61 mit weiteren Nachweisen). Auch insoweit ist der Sachverhalt offen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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