L 27 B 1033/06 R ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 30 RA 343/00 ER 06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 27 B 1033/06 R ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 3. Juli 2006 (S 30 RA 343/00 ER 06) wird aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:
I.

Im Streit ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel der Verpflichtung der Antragsgegnerin, eine Rentenberechnung ohne die Begrenzung nach § 6 Abs. 2 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) vorzunehmen und der Antragstellerin Rente in der sich aus der Neuberechnung ergebenen Höhe zu leisten.

Die am 1939 geborene Antragstellerin bezieht Altersrente für Frauen beginnend mit dem 1. September 1999 von der Antragsgegnerin (Bescheid vom 13. Juli 1999). Sie war im Zeitraum vom 1. Dezember 1981 bis Juni 1990 Mitglied der freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für die hauptamtlichen Mitarbeiter des Staatsapparates. Durch Überführungsbescheid vom 22. September 1997 hat die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte/Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme Daten zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus der Zusatzversorgung in die Rentenversicherung nach dem AAÜG festgestellt und hat darauf hingewiesen, dass das nachgewiesene Arbeitseinkommen bzw. Arbeitsentgelt bzw. anzuerkennende Zeiten den Wert der Anlage 4 zum AAÜG überschreite und auf den Wert der Anlage 5 zum AAÜG zu begrenzen sei (Zeitraum 1. Januar 1985 bis 17. März 1990).

Die Antragsgegnerin hat im Rentenbescheid vom 13. Juli 1999 die für diesen Zeitraum erzielte Entgelte gemäß dem Inhalt des Überführungsbescheides nach § 6 Abs. 2, 3 AAÜG in Verbindung mit Anlage 4, 5 gekürzt. Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch hat die Antragstellerin geltend gemacht, die Begrenzung der Entgelte sei verfassungswidrig. Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Januar 2000 hat die Antragsgegnerin den Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Mit der am 25. Januar 2000 beim Sozialgericht (SG) und Landessozialgericht (LSG) Berlin eingegangenen Klage (Geschäftszeichen: S 4 RA 343/00) hat die Antragstellerin hiergegen Klage erhoben mit dem Antrag,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 13.07.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2000 zu verurteilen, bei der Klägerin für die Zeit vom 01.01.1985 bis 17.03.1990 die tatsächlichen Arbeitsverdienste, maximal bis zur Beitragsbemessungsgrenze (Anlage 3 zum AAÜG), anzuerkennen. Hilfsweise wurde beantragt, das Verfahren so lange ruhen zu lassen, bis das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungsgemäßheit von § 6 Abs. 2, 3 AAÜG in der ab dem 01.01.1997 geltenden Fassung entschieden habe.

Nach Anordnung des Ruhens des Verfahrens durch Beschluss vom 8. September 2000 wurde das Verfahren auf den unter Hinweis auf Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts gestellten Antrag der Antragstellerin vom 15. Juli 2005 wieder aufgenommen. Durch Bescheid vom 20. Januar 2006 hat die Deutsche Rentenversicherung Bund/Zusatzversorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme Feststellungen im Bescheid vom 22. September 1997 hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen für die Anwendung einer niedrigeren als der regelmäßigen Beitragsbemessungsgrenze ab 1. Januar 1997 für die Zeit vom 1. Januar 1985 bis 31. August 1985 aufgehoben und ist damit Regelungen des Gesetzgebers in § 6 Abs. 2 und 3 AAÜG durch das Erste Gesetz zur Änderung des AAÜG nachgekommen. Mit Widerspruchsbescheid vom 27. März 2006 hat die Deutsche Rentenversicherung Bund/Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme den dagegen eingelegten Widerspruch der Antragstellerin – soweit ihm nicht durch Bescheid vom 20. Januar 2006 abgeholfen worden ist – zurückgewiesen.

Mit Bescheid vom 4. Mai 2006 hat die Antragsgegnerin die Altersrente der Antragstellerin neu festgestellt und zur Begründung der Neufeststellung ausgeführt, die Rente sei neu festgestellt worden, weil für die Zeit ab 1. Januar 1985 bis 31. August 1985 höhere Entgelte zu berücksichtigen seien. Bisher seien während dieser Zeiten erzielte Arbeitsverdienste auf den Durchschnittswert im Beitrittsgebiet begrenzt worden. Die bisherige Regelung für diese Entgeltbegrenzung sei durch das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss 23. Juni 2004 (1 BvL 3/98) für verfassungswidrig erklärt worden. Der Gesetzgeber habe diese Regelung nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts neu gefasst. Auf Grund der Neuregelung seien für die genannten Zeiten die tatsächlich erzielten Arbeitsverdienste bei der Ermittlung der Rente anzurechnen.

Mit dem am 1. Juni 2006 beim SG Berlin eingegangenen Schriftsatz beantragt die Antragstellerin gemäß § 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Zur Begründung wird insbesondere vorgetragen, die beantragte einstweilige Anordnung sei zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, weil eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheine. Die Antragstellerin, der schon seit 1999 nicht ausreichend wieder gut zu machende Beeinträchtigungen ihrer Lebensqualität zugefügt worden seien, werde durch die Weiterführung der ungerechtfertigten Rentenkürzungen und durch einen erneuten lang andauernden wiederum bis zum Bundesverfassungsgericht gehenden Rechtsstreit bedroht. Die Beibehaltung der Kürzung und die Verweigerung der Nachzahlungen nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts seien nicht zu rechtfertigen. Insbesondere bestehe die Gefahr, dass angesichts der in Rechnung zu stellenden Dauer des Verfahrens bis zur Klärung durch das Bundesverfassungsgericht eine für die Antragstellerin zu lange Zeit vergehen würde. Da jedoch überwiegend mit Sicherheit eine positive Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu erwarten sei, sei der Erlass einer einstweiligen Anordnung geboten.

Die Antragstellerin beantragt,

die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Rentenberechnung ohne die derzeit gemäß § 6 Abs. 2 und 3 AAÜG alte Fassung bzw. gemäß § 6 Abs. 2 AAÜG neuer Fassung erfolgte sanktionsartige Absenkung der Rentenhöhe vorzunehmen und die Rente ab sofort in der sich aus der Neuberechnung ergebenden Höhe zu leisten sowie die Rente für die Zeit ab dem 1. September 1999 entsprechend zu berechnen, die bislang einbehaltene Summe der Rente unverzüglich nachzuzahlen und darüber neue Bescheide zu erteilen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.

Sie meint, es liege insbesondere kein Rechtsschutzbedürfnis vor.

Das SG Berlin hat unter dem Geschäftszeichen S 30 RA 343/00 ER 06 durch Beschluss vom 3. Juli 2006 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antrag sei dahingehend auszulegen, dass eine vorläufige Rentenneuberechnung ohne Anwendung des § 6 Abs. 2 AAÜG erfolgen solle. Dieser Antrag sei zwar zulässig aber unbegründet. Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG sei der Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheine. Für den Erlass der Anordnung müssten regelmäßig zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Zum einen müsse es im Ergebnis einer Prüfung der materiellen Rechtslage überwiegend wahrscheinlich sein, dass die Antragstellerin mit dem Begehren im hauptsächlichen Verwaltungs- oder Klageverfahren erfolgreich sein werde (Anordnungsanspruch). Zum anderen müsse eine gerichtliche Entscheidung deswegen dringend geboten sein, weil es der Antragstellerin wegen drohender schwerwiegender Nachteile nicht zuzumuten sei, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten (Anordnungsgrund). Damit habe das Gericht die Belange der Öffentlichkeit und des Antragstellers miteinander abzuwägen. Alle Voraussetzungen des einstweiligen Rechtsschutzes seien unter Beachtung der objektiven Beweislast glaubhaft zu machen gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO).

Im anhängigen Verfahren spreche nach dem derzeitigen Sach- und Rechtsstand keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines Anordnungsgrundes oder eines Anordnungsanspruchs zu Gunsten der Antragstellerin. Ein Anordnungsgrund sei nicht glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin erleide durch das Warten auf den Ausgang des Hauptverfahrens keine schwerwiegenden Nachteile. Die Antragstellerin begehre lediglich eine Rentenerhöhung. Nach dem aktuellen Rentenbescheid vom 4. Mai 2006 erhalte sie eine monatliche Altersrente in Höhe von 1135,01 Euro. Sie gerate insbesondere durch die Aufrechterhaltung der Begrenzung nicht in eine Notlage von solchem Gewicht, dass eine vorläufige Regelung notwendig erscheine. Insbesondere könne die geltend gemachte verminderte Lebensqualität keinen erheblichen wirtschaftlichen Nachteil darstellen. Auch bei den begehrten Geldleistungen für die Vergangenheit liege kein Anordnungsgrund vor.

Auch ein Anordnungsanspruch sei nicht glaubhaft gemacht. Es sei nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Antragstellerin einen Anspruch auf Zugrundelegung der tatsächlichen Verdienste lediglich begrenzt durch die allgemeine Beitragsbemessungsgrenze habe. Die derzeitige gesetzliche Regelung sehe eindeutig eine Begrenzung nach Anlage 5 vor. Die Deutsche Rentenversicherung Bund/Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme habe für den Zeitraum vom 1. September 1985 bis zum 17. März 1990 die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Nr. 4 AAÜG in der Fassung des Gesetzes vom 21. Juni 2005, welches für den gesamten Zeitraum seit 1999 Wirkung entfalte, festgestellt. Nach § 6 Abs. 2 Nr. 4 in Verbindung Anlage 5 habe die Antragsgegnerin die Pflichtbeitragszeiten als Verdienste der Antragstellerin als stellvertretende Ministerin höchstens den jeweiligen Betrag der Anlage 5 zugrunde zulegen.

Die Voraussetzungen für Aussetzung des Verfahrens und eine Einholung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit des § 6 Abs. 2 AAÜG seien nicht erfüllt. Dies wurde im Einzelnen ausgeführt.

Gegen den dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin am 10. Juli 2006 zugestellten Beschluss richtet sich die am 13. Juli 2006 beim LSG Berlin-Brandenburg eingegangene Beschwerde der Antragstellerin. Zur Begründung wurde auf das Vorbringen im Verfahren vorläufigen Rechtsschutz verwiesen. Des Weiteren wurde vorgetragen, die Antragstellerin gehe davon aus, dass wegen der Offensichtlichkeit der Probleme durch die verfassungs- und menschenrechtswidrige Kürzung ihres Alterseinkommens seit fast sieben Jahren die Lebensqualität unverhältnismäßig beeinträchtigt worden sei. Weitergehende Nachweise der Dringlichkeit seien daher nicht erforderlich. Der Anordnungsgrund sei gegeben, weil die beantragte Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile offensichtlich geboten sei. Die Nachteile würden die Beschwerdeführerin sonst für längere Zeit nach weiter schwerwiegend belasten. Unter den gegebenen Umständen drohten der Antragstellerin weitere erhebliche wirtschaftliche und soziale Nachteile, weil bei Verzicht auf die Anordnung das Ergebnis eines langwierigen Hauptsacheverfahrens abgewartet werden müsse. Wegen der überlangen Dauer und Nachhaltigkeit der Benachteiligung der Antragstellerin und aufgrund der – auch nach einem Vorlagebeschluss – erst nach einem weiteren langwierigen Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zu erwartenden endgültigen Entscheidung in der Hauptsache würden die wie bei anderen Fallgestaltungen möglichen Einwände gegen den Erlass einer einstweiligen Anordnung ebenfalls offensichtlich nicht greifen.

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss aufzuheben, mit dem der Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt wurde.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Zum weiteren Vorbringen der Beteiligten und wegen des Sachverhalts im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakten zum Geschäftszeichen: 65 260839 N 505 und der Gerichtsakten zu den Geschäftszeichen: S 30 RA 343/00 und S 30 RA 343/00 ER 06 die dem Senat bei seiner Entscheidung vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung waren.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Der Senat sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Er folgt der Begründung des Beschlusses des SG Berlin vom 3. Juli 2006.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG analog.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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