L 19 B 177/06 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 34 AS 241/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 19 B 177/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 17. Februar 2006 aufgehoben, soweit damit die Antragsgegnerin verpflichtet wurde, der Antragstellerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunter-haltes vom 9. bis 31. Januar 2006 zu zahlen. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird auch insoweit abgelehnt. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den genannten Beschluss wird zurück-gewiesen. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist begründet.

Die Antragsgegnerin hat mit Bescheid vom 13. März 2006 die mit Bescheid vom 27. Juli 2005 erfolgte Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen vom 4. Juli 2005 bis 31. Januar 2006 nunmehr mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben. Dem durch Verwaltungsakt zuerkannten Zahlungsanspruch steht damit jetzt der Aufhebungsbescheid entgegen. Ob der Bescheid vom 13. März 2006 rechtmäßig ist, war nicht zu prüfen, denn auch rechtswidrige Verwaltungsakte sind bis zu ihrer Aufhebung wirksam, sofern sie - wie hier - jedenfalls nicht nichtig sind. Unbedeutend ist auch, dass die Antragstellerin gegen den Aufhebungsbescheid Widerspruch eingelegt hat, weil diesem gemäß § 39 Sozialgesetzbuch 2. Buch - SGB II - keine aufschiebende Wirkung zukommt. Der Antragstellerin steht es aber frei, bei der Antragsgegnerin (nach § 86 a Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) oder beim Sozialgericht (nach § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG) einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs zu stellen.

Die ebenfalls zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat in dem angefochtenen Beschluss zutreffend dargelegt, dass die Antragstellerin mit Herrn N in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebt und sie deswegen eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 b SGB II bilden, in der eine Einkommensanrechnung der Partner zu erfolgen hat (§ 9 Abs. 2 SGB II). Der Senat nimmt insoweit auf die Ausführungen des Sozialgerichts entsprechend § 153 Abs. 2 SGG Bezug und weist lediglich ergänzend darauf hin, dass es entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht darauf ankommt, ob eine rechtliche Verpflichtung der Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft zur gegenseitigen finanziellen und sonstigen Unterstützung besteht. Entscheidend ist allein, ob aufgrund der konkreten Lebensverhältnisse ein Einstehen der Partner füreinander erwartet werden kann. Das ist hier der Fall, wie auch die vom Sozialgericht durchgeführte Befragung der Antragstellerin und ihres Partners eindeutig ergeben hat.

Die übrigen Einwendungen der Antragstellerin sind zwar teilweise zutreffend, führen aber dennoch nicht zu der angestrebten Leistungspflicht der Antragsgegnerin, weil kein Hilfebedarf besteht. Ausgehend von den Angaben der Antragstellerin und dem als Anlage zum Bescheid vom 11. Januar 2006 von der Antragsgegnerin erstellten Berechnungsbogen, der allerdings auch für den Senat nicht in jeder Hinsicht nachvollziehbar und teilweise auch offensichtlich fehlerhaft ist, ergibt sich Folgendes: U N erzielt ein monatliches Nettoeinkommen von 1.839,34 EUR, das nach § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II um 100 EUR monatlich zu vermindern ist. Die Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Satz 3 SGB II liegen nicht vor, weil entsprechende Nachweise nicht vorgelegt wurden. Dieser Abzug wurde in der Berechnung (immer bezogen auf den 8/30 Teil) berücksichtigt (Seite 4 oberste Zeile der Anlage). In der nächsten Zeile wurde ein weiterer Freibetrag (offenbar der nach § 11 Abs. 2 Nr. 6 i.V.m. § 30 SGB II) abgesetzt und es erfolgte unter dem Punkt Einkommensbereinigung ein Abzug des für das Kind J N gezahlten Unterhaltes in Höhe von 231 EUR monatlich. Die Berechnung der Höhe der Einkünfte erscheint damit, ebenso wie die Berechnung des Bedarfs, bei dem auch ein Mehrbedarf für werdende Mütter nach § 21 Abs. 2 SGB II berücksichtigt wurde, als jedenfalls im Wesentlichen zutreffend. Stellt man dem so ermittelten Einkommen den Bedarf der Gemeinschaft gegenüber, ergibt sich nach der Berechnung der Antragsgegnerin ein Einkommensüberhang von 806,32 EUR monatlich (davon 8/30 sind 215,02 EUR). Dem Bedarf hinzuzurechen sind allerdings noch die unverständlicherweise bislang unberücksichtigt gebliebenen Wohnungskosten in Höhe von 583,10 EUR sowie auch der befristete Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld nach § 24 SGB II in Höhe des Maximalbetrages von 220 EUR, weil auf Gewährung dieser Leistungen ebenfalls Anspruch besteht. Damit reduziert sich der Einkommensüberhang auf 3,22 EUR, so dass Hilfebedürftigkeit noch immer nicht eingetreten ist.

Die weiteren Einwendungen der Antragstellerin greifen nicht durch. Schulden können von den Einkünften nur dann abgezogen werden, wenn sie eine bedarfsbezogene Verwendung der Einnahmen ausschließen. Daran fehlt es insbesondere bei gepfändetem, wirksam aufgerechnetem oder verrechnetem Einkommen (vgl. Brühl in Münder Sozialgesetzbuch II § 11 Rdnr. 12). Es wurde zwar geltend gemacht, es bestünden fällige Rückzahlungsverpflichtungen aus einem Darlehen, es liegen aber keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die tatsächliche Verfügungsmöglichkeit über das Erwerbseinkommen, beispielsweise durch eine Lohnpfändung, eingeschränkt ist.

Die Antragstellerin kann auch nicht mit Erfolg Leistungen für Erstausstattungen bei Schwangerschaft und Geburt beanspruchen. Das Gesetz (vgl. § 23 Abs. 3 SGB II) stellt insoweit zwar ausdrücklich klar, dass diese Leistungen nicht von der Regelleistung umfasst sind, im vorliegenden Verfahren ist jedoch zu beachten, dass in den Bedarf zusätzlich ein befristeter Zuschlag nach dem Bezug von Arbeitslosengeld gemäß § 24 SGB II eingerechnet worden ist. Die Antragstellerin hat nichts dafür vorgetragen, dass sie, obwohl auch der um diesen Zuschlag erhöhte Bedarf vom Einkommen der Bedarfsgemeinschaft gedeckt ist, nicht in der Lage ist, die erforderlichen Mittel aufzubringen. Dies gilt unabhängig davon, dass ihr bislang keine Leistungen und damit auch kein Zuschlag nach § 24 SGB II gewährt wurden. Denn die Einkünfte der Gemeinschaft übersteigen auch einen Bedarf unter Hinzurechnung des befristeten Zuschlages nach § 24 SGB II. Im Übrigen kommt auch die Gewährung von Leistungen für Erstausstattungen für Hilfebedürftige, die keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes benötigen, nach § 23 Abs. 3 Satz 3 SGB II nicht in Betracht. Dem steht das Einkommen der Bedarfsgemeinschaft und die Regelung des § 23 Abs. 3 Satz 4 SGB II entgegen, wonach in einem sol-chen Falle das Einkommen berücksichtigt werden kann, das Hilfebedürftige innerhalb eines Zeitraumes von bis zu 6 Monaten nach Ablauf des Monats erwerben, in dem über die Zahlung entschieden worden ist. Das Einkommen der Gemeinschaft in dem genannten Zeitraum ist hier grundsätzlich ausreichend, um den durch Schwangerschaft und Geburt entstehenden Mehrbedarf zu befriedigen.

Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Die Kostenentscheidung des Sozialgerichts hat der Senat nicht aufgehoben, weil die Antrags-gegnerin erst durch den im März 2006 erlassenen Aufhebungsbescheid die Voraussetzungen für eine vollständige Ablehnung des Antrages der Antragstellerin geschaffen hat.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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