L 4 AL 7/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 51 AL 790/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 AL 7/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. November 2003 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld bzw. -hilfe für die Zeit vom 01. Juli bis zum 30. September 1999.

Der 1953 geborene, aus Algerien stammende Kläger stand seit Ende der 80er Jahre – von kurzfristigen Unterbrechungen abgesehen - im Leistungsbezug der Beklagten. Mit Bescheid vom 30. April 1999 gewährte die Beklagte ihm Arbeitslosengeld nach der Leistungsgruppe C und dem erhöhten Leistungssatz ausgehend von einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 660,00 DM (täglicher Zahlbetrag: 49,87 DM). Für den Zeitraum vom 01. Juli bis zum 27. Juli 1999 zahlte sie ihm Arbeitslosengeld in Höhe von insgesamt 1.346,49 DM. Im Juni 1999 beantragte der Kläger die Fortzahlung der Leistung. In diesem Zusammenhang erklärte er unter dem 08. Juni 1999 mit seiner Unterschrift, das Merkblatt 1 der Beklagten für Arbeitslose erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben. Da sein Anspruch auf Arbeitslosengeld erschöpft war, bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 07. Juli 1999 Arbeitslosenhilfe ab dem 28. Juli 1999 bis zum 27. Juli 2000 ausgehend von der Leistungsgruppe A und dem erhöhten Leistungssatz nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 660,00 DM (Zahlbetrag täglich 35,44 DM). Für die Zeit vom 28. Juli bis zum 30. September 1999 zahlte sie ihm 2.303,60 DM.

Am 19. Oktober 1999 zeigte der Kläger bei dem bis dahin für ihn zuständigen Arbeitsamt B-S an, dass er am 01. Juli 1999 aus der B Straße in B in die Sstraße in B umgezogen sei. Zwei Tage später beantragte er beim Arbeitsamt B W die Fortzahlung von Arbeitslosenhilfe.

Die Beklagte hob daraufhin mit Bescheid vom 02. November 1999 die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe gestützt auf § 48 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) i.V.m. §§ 117, 330 Abs. 3 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB III) mit Wirkung ab dem 01. Juli 1999 auf, da der Kläger an diesem Tage umgezogen sei, und machte für den Zeitraum vom 01. Juli bis zum 30. September 1999 eine Erstattungsforderung in Höhe von 2.303,60 DM geltend.

Mit seinem am 04. November 1999 eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, tatsächlich nicht schon am 01. Juli 1999, sondern erst am 20. Oktober 1999 endgültig aus der alten Wohnung ausgezogen zu sein. Vorher habe er lediglich die neue Wohnung renoviert und sich auf Verlangen des neuen Vermieters dort gemeldet. Bis zum 20. Oktober 1999 sei er täglich in der alten Wohnung anwesend gewesen.

Mit zwei Bescheiden vom 08. November 1999 berichtigte die Beklagte ihren Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 02. November 1999. Zum einen hob sie die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit ab dem 01. Juli 1999 auf und machte eine Erstattungsforderung von 1.346,49 DM geltend. Zum anderen nahm sie die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe mit Wirkung ab dem 28. Juli 1999 zurück und forderte insoweit die Erstattung von 2.303,60 DM. Weiter forderte die Beklagte im Widerspruchsverfahren eine Meldebestätigung des Klägers an. Nach dieser erfolgte die Ummeldung am 15. Juli 1999, nachdem der Kläger am 16. Juni 1999 umgezogen war. Mit Widerspruchsbescheid vom 25. Februar 2000 wies die Beklagte den Widerspruch sodann zurück. Die Einlassungen des Widerspruchsführers rechtfertigten es nicht, von der Aufhebung und Rücknahme der Leistungsbewilligung ab dem 01. Juli 1999 und der Geltendmachung der Erstattungsforderung abzusehen, da sie nicht bewiesen seien.

Mit seiner am 16. März 2000 erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, dass er die Schlüssel für seine neue Wohnung erst am 01. Juli 1999 erhalten habe. Einen Postnachsendeantrag habe er nicht gestellt, da seine Post noch an die alte Adresse gegangen sei, solange er noch keine Wohnung gehabt habe. Er habe keine doppelten Bezüge erhalten. Er sei noch in der alten Wohnung gemeldet gewesen, solange er noch nicht richtig in die neue habe einziehen können. Im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens hat der seinerzeit anwaltlich vertretene Kläger dann vorgetragen, im Juli 1999 eine zweite Wohnung angemietet zu haben, um das von ihm in der bisherigen Wohnung bewohnte Zimmer zu renovieren. Er habe sich daher täglich in dieser Wohnung aufgehalten und sei durchgehend für das Arbeitsamt erreichbar gewesen. Nachdem die Beklagte daraufhin darauf verwiesen hatte, dass dieser Vortrag nicht nachvollziehbar und als Schutzbehauptung zu werten sei, zumal das Jugendamt W ihr mitgeteilt habe, dass der Kläger bereits seit dem 23. April 1999 nicht mehr in der B Straße gewohnt habe, hat der Kläger erklärt, gemeint gewesen sei, dass er in der B Straße gewohnt und das Zimmer in der neuen Wohnung renoviert habe. Seine Erreichbarkeit in der alten Wohnung werde dadurch belegt, dass ihn zahlreiche in die B Straße adressierte Schreiben der Beklagten, der Deutschen Rentenversicherung Berlin sowie der Bank zwischen Juli und November 1999 erreicht hätten. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Berlin hat der Kläger sodann erklärt, dass er im fraglichen Zeitraum zwar nicht jede Nacht in der B Straße geschlafen, seine Post aber immer bekommen habe. Auch sei er dort gemeldet gewesen. Irgendwann habe er keine Schlüssel zur Wohnung mehr gehabt; das sei vielleicht im August 1999 so gewesen.

Das Sozialgericht Berlin hat in der mündlichen Verhandlung die ehemalige Ehefrau des Klägers, C H A, als Zeugin gehört. Hinsichtlich ihrer Angaben wird auf die Anlage I zur Sitzungsniederschrift verwiesen. Sodann hat es die Klage mit Urteil vom 25. November 2003 abgewiesen. Zur Begründung, auf deren Einzelheiten Bezug genommen wird, hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01. Juli bis zum 27. Juli 1999 nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X und § 330 SGB III zu Recht aufgehoben habe. Der Kläger habe in dieser Zeit den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes nicht zur Verfügung gestanden. Nach § 206 Nr. 6 SGB III in Verbindung mit § 1 Abs. 1 der Erreichbarkeits-Anordnung habe der Arbeitslose sicher zu stellen, dass das Arbeitsamt ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der ihm benannten Anschrift (Wohnung) durch Briefpost erreichen könne. Dies aber sei hier nicht gewährleistet gewesen, sodass der Bewilligungsbescheid zum Arbeitslosengeld zumindest ab 01. Juli 1999 rechtswidrig gewesen sei. Denn zur Überzeugung der Kammer sei der Kläger jedenfalls ab diesem Tage nicht mehr werktäglich persönlich unter der der Beklagten angegebenen Anschrift "B Straße" erreichbar gewesen. Die Angaben des Klägers seien in ihrer Widersprüchlichkeit ebenso unzuverlässig wie die der Zeugin. Letztlich habe der Kläger aber selbst eingeräumt, sich nicht mehr täglich unter der genannten Anschrift persönlich aufgehalten zu haben und auch keinen Schlüssel mehr zu den Räumlichkeiten und dem Briefkasten gehabt zu haben. Fest stehe indes, dass er bereits ab 01. Juli 1999 Zugang zu seiner neuen Wohnung gehabt und ggü. der Meldebehörde als Einzugsdatum in die Sstraße den 16. Juni angegeben habe. Auch existiere offenbar ein gerichtlicher Beschluss vom April 1999, nach dem der Kläger seit dieser Zeit die Familienwohnung nicht mehr habe betreten dürfen. Dass eine Weitergabe der Post in der Regel über die Kinder erfolgt sei und keinerlei Postrückläufer oder Meldeversäumnisse oder dergleichen festzustellen seien, heiße nicht, dass die gesetzlichen Voraussetzungen an die persönliche und werktägliche Erreichbarkeit erfüllt seien, da nur eine – unsichere – Erreichbarkeit über Dritte vorgelegen habe. Auch sei nicht nachvollziehbar, warum der Kläger nicht bereits am 01. Juli 1999 der Beklagten die neue Anschrift mitgeteilt habe, obwohl das Merkblatt für Arbeitslose einen entsprechenden eindeutigen Vermerk enthalte. Auch sei die Kammer überzeugt, dass der Kläger mit einer ihm zumutbaren Gewissensanstrengung hätte erkennen können, dass er die neue Anschrift bzw. die Probleme mit seiner persönlichen werktäglichen Erreichbarkeit dem Arbeitsamt wesentlich früher hätte mitteilen müssen. In dem Merkblatt für Arbeitslose, das der Kläger als langjähriger Leistungsbezieher vermutlich bereits wiederholt erhalten gehabt habe, werde eindeutig auf die Mitteilungspflicht hingewiesen. Dass ihm die Mitteilungspflicht bekannt gewesen sei, werde schließlich dadurch indiziert, dass er die Beklagte letztlich von dem Umzug informiert habe. Bzgl. der Arbeitslosenhilfe sei Rechtsgrundlage für die Rücknahme des Bewilligungsbescheides für die Zeit vom 28. Juli 1999 an § 330 Abs. 2 SGB III i.V.m. § 45 Abs. 1 und 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X. Der Bewilligungsbescheid bzgl. der Arbeitslosenhilfe datiere vom 07. Juli 1999 und gehe noch von einer persönlichen Erreichbarkeit des Klägers in der B Straße aus, die tatsächlich nicht mehr vorgelegen habe. Die Bewilligung sei damit von Anfang an rechtswidrig gewesen. Dies hätte der Kläger auch erkennen können.

Gegen dieses ihm am 21. Januar 2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 23. Februar 2004 (Montag) eingelegte Berufung des Klägers. Zur Begründung verweist er darauf, dass die Erreichbarkeit gegeben gewesen sei. Jeder Brief sei angekommen und auch telefonisch sei er erreichbar gewesen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. November 2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 02. November 1999 in der Fassung der Bescheide vom 08. November 1999, diese in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2000 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte, die Verwaltungsakten der Beklagten zur Stammnummer (zwei Bände) verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet. Das Sozialgericht Berlin bewertet die Sach- und Rechtslage in seinem angegriffenen Urteil zutreffend.

Der Bescheid der Beklagten vom 02. November 1999 in der Fassung der Bescheide vom 08. November 1999, diese in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2000, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01. bis zum 27. Juli 1999 aufgehoben und die Gewährung von Arbeitslosenhilfe für den Zeitraum vom 28. Juli bis zum 30. September 1999 wegen fehlender Erreichbarkeit des Klägers zurückgenommen hat.

1.) Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass dieses Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an ist der Verwaltungsakt nach Satz 2 dieser Vorschrift in Verbindung mit § 330 Abs. 3 SGB III u.a. dann aufzuheben, wenn - so Ziffer 4 – der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist. Gleiches gilt nach der Ziffer 2, wenn der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist.

Bei dem von der Beklagten aufgehobenen Bescheid vom 30. April 1999, mit dem dem Kläger ab dem 01. Mai 1999 Arbeitslosengeld gewährt worden ist, handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Die erforderliche wesentliche Änderung in den Verhältnissen, die bei Erlass des Verwaltungsaktes vorgelegen haben, liegt darin, dass der Kläger jedenfalls ab dem 01. Juli 1999 wegen eines der Beklagten seinerzeit nicht angezeigten Umzuges der Arbeitsvermittlung nicht mehr zur Verfügung gestanden hat.

Anspruch auf Arbeitslosengeld hat bei Erfüllen der sonstigen Voraussetzungen nur, wer nach § 118 Abs. 1 SGB III arbeitslos ist, d.h. vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und eine versicherungspflichtige Beschäftigung sucht. Dies setzt u.a. voraus, dass der Arbeitslose den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung steht, d.h. arbeitsfähig und seiner Arbeitsfähigkeit entsprechend arbeitsbereit (§ 119 Abs. 1 und 2 SGB III) ist. Arbeitsfähig ist ein Arbeitsloser u.a. dann, wenn er Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann und darf (§ 119 Abs. 3 Nr. 3 SGB III). Durch die Erreichbarkeitsanordnung (EAO) hat der Verwaltungsrat der Beklagten Näheres über die Pflichten des Arbeitslosen bestimmt (§ 152 Abs. 2 SGB III i.V.m. § 376 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Nach § 1 Abs. 1 EAO kann ein Arbeitsloser Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten, wenn er in der Lage ist, unverzüglich 1.) Mitteilungen des Arbeitsamtes persönlich zur Kenntnis zu nehmen, 2.) das Arbeitsamt aufzusuchen, 3.) mit einem möglichen Arbeitgeber oder Träger einer beruflichen Eingliederungsmaßnah- me in Verbindung zu treten und bei Bedarf persönlich mit diesem zusammenzutreffen und 4.) eine vorgeschlagene Arbeit anzunehmen oder an einer beruflichen Eingliederungsmaß- nahme teilzunehmen. Der Arbeitslose hat deshalb sicherzustellen, dass das Arbeitsamt ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der ihm benannten Anschrift (Wohnung) durch Briefpost erreichen kann.

Ausgehend von diesen Anforderungen war der Kläger im fraglichen Zeitraum mangels Erreichbarkeit nicht arbeitsfähig. Der Senat hat keine Zweifel, dass der Kläger sich spätestens ab dem 01. Juli 1999 nicht mehr regelmäßig in der Wohnung in der B Straße aufgehalten hat, sondern bereits in die Sstraße umgezogen war. Er stützt sich damit maßgeblich auf die ursprünglichen Angaben des Klägers selbst. Denn diesen Termin hat der Kläger bei seiner letztlich im Oktober 1999 erfolgten Anzeige des Wohnungswechsels als Umzugstermin ausdrücklich benannt. Allen seinen späteren Angaben vermag der Senat hingegen keine Bedeutung beizumessen, da diese zum einen in sich gänzlich widersprüchlich und zum anderen offensichtlich von dem Bemühen geprägt sind, den zwischenzeitlich eingetretenen Konsequenzen der unterlassenen rechtzeitigen Meldung zu entgehen. Durch diesen Termin ist der Kläger jedenfalls nicht zu Unrecht beschwert, denn der Ummeldung zufolge ist er sogar bereits Mitte Juni 1999 umgezogen.

Spätestens ab dem 01. Juli 1999 war die postalische Erreichbarkeit des Klägers nicht mehr sichergestellt. Die postalische Erreichbarkeit ist eine Grundvoraussetzung für die Erreichbarkeit des Arbeitslosen. Ihre Sicherstellung erfordert, dass dem Arbeitslosen Briefpost unmittelbar, d.h. ohne Verzögerung und ohne Einschaltung Dritter, zugehen kann. Eine nur telefonische Erreichbarkeit über eine dritte Person reicht dafür nicht aus. Der Arbeitslose hat vielmehr durch eine entsprechende Gestaltung seiner Wohnverhältnisse dafür zu sorgen, dass ihm die Briefpost im Sinne des § 130 des Bürgerlichen Gesetzbuches zugehen kann. Das bedeutet, dass Briefpost so in seinen Empfangsbereich gelangen muss, dass er unter normalen Umständen noch am Tage des Zuganges Kenntnis von ihr nehmen kann. Weiter erfordert die persönliche Erreichbarkeit durch Briefpost, dass der Arbeitslose in der Lage ist, von eingehender Briefpost in seiner Wohnung persönlich Kenntnis zu nehmen. Dazu muss er sich an jedem Werktag in seiner Wohnung aufhalten, und zwar nach dem Eingang der Briefpost. Die Anwesenheit nur eines Postbevollmächtigten, der eingehende Post an den sich an einem anderen Ort aufhaltenden Arbeitslosen weiterleitet, reicht hierfür nicht aus (vgl. Wissing in PK-SGB III, 2. Aufl., § 119 Rn. 151 f.). Auch nach seinem eigenen Vortrag hat der Kläger sich ab dem 01. Juli 1999 jedenfalls nicht mehr an jedem Werktag in der Wohnung in der B Straße aufgehalten. Vielmehr hat er selbst eingeräumt, irgendwann keinen Schlüssel mehr zur Wohnung gehabt zu haben und die Post von seinen Kindern ausgehändigt bekommen zu haben. Dies aber genügt den oben skizzierten Anforderungen gerade nicht. Der Kläger war stets auf die Mitwirkung Dritter angewiesen und hatte keine Möglichkeit, nach eigenem Belieben jederzeit zu prüfen, ob Post für ihn eingegangen ist. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung. Abgesehen davon, dass letztlich weder der Kläger noch das Gericht mit Sicherheit wissen können, ob den Kläger tatsächlich sämtliche an ihn adressierte Post auch wirklich erreicht hat, ist es nach den oben aufgezeigten Grundsätzen gerade nicht ausreichend gewesen, dass er an ihn gerichtete Post irgendwann erhalten hat und telefonisch erreichbar war.

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X war damit die Bewilligung des Arbeitslosengeldes zweifelsohne für die Zukunft – was hier angesichts der Leistungserschöpfung am 27. Juli 1999 nicht relevant war – aufzuheben. Zu Recht hat die Beklagte die Leistungsbewilligung jedoch auch rückwirkend aufgehoben. Denn der Kläger ist vorliegend seiner Mitteilungspflicht gegenüber der Beklagten jedenfalls grob fahrlässig nicht nachgekommen (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X). Anzulegen ist dabei ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab. Danach kommt es darauf an, ob der im konkreten Einzelfall betroffene Arbeitslose aufgrund seiner individuellen persönlichen Verhältnisse und unter Berücksichtigung der Umstände des Falles bei einfachsten Überlegungen hätte erkennen können, dass er einen Wohnungswechsel der Beklagten unverzüglich anzuzeigen hat. Auch daran hat der Senat keinen Zweifel. Zur Vermeidung von Widerholungen nimmt er insoweit Bezug auf die überzeugenden Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil (§ 153 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG -). Ergänzend ist darauf zu verweisen, dass der Kläger unter dem 08. Juni 1999 erklärt hat, vom Merkblatt 1 der Beklagten für Arbeitslose auch inhaltlich Kenntnis genommen zu haben. Dieses enthält jedoch einen deutlichen Hinweis darauf, dass ein anstehender Umzug rechtzeitig anzuzeigen ist und im Falle der nicht rechtzeitigen Anzeige der Anspruch nicht besteht. Dementsprechend ist auch eine etwaige Unkenntnis des Klägers über das Wegfallen seines Leistungsanspruchs darauf zurückzuführen, dass er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X). Ermessen stand der Beklagten insoweit aufgrund der Regelung des § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III nicht zu.

2.) Soweit die Beklagte die mit Bescheid vom 07. Juli 1999 erfolgte Bewilligung von Arbeitslosenhilfe mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid für die Zeit vom 28. Juli bis zum 30. September 1999 zurückgenommen hat, ist Rechtsgrundlage § 330 Abs. 2 SGB III i.V.m. § 45 SGB X. Nach Absatz 1 der letztgenannten Vorschrift darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden. Gemäß Absatz 2 darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Nach Absatz 2 Satz 3 Ziffer 3 kann sich der Begünstigte hingegen nicht auf Vertrauen berufen, soweit er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. In diesen Fällen ist nach § 330 Abs. 2 SGB III der rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakt auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

Die den Kläger begünstigende Bewilligung der Arbeitslosenhilfe war von Anfang an rechtswidrig, da der Kläger die Voraussetzungen des § 198 SGB III in Verbindung insbesondere mit § 118 Abs. 1 SGB III mangels Erreichbarkeit für das Arbeitsamt nicht erfüllte. Es wird insoweit auf die obigen Ausführungen Bezug genommen. Weiter ist das Sozialgericht Berlin wie zuvor die Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger die Rechtswidrigkeit hätte erkennen können. Grob fahrlässige Unkenntnis ist nach der Legaldefinition des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 2. Halbsatz SGB X dann anzunehmen, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Hierfür genügt es nicht, dass er mit der Rechtswidrigkeit rechnen musste. Verlangt wird vielmehr eine Sorgfaltspflichtverletzung in einem besonders hohen Ausmaße, die dann zu bejahen ist, wenn schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt werden, wenn also nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste. Dabei ist jedoch nicht ein objektiver Maßstab anzulegen, sondern auf die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit, das Einsichtsvermögen und Verhalten der Betroffenen sowie die besonderen Umstände des Falles abzustellen (BSG, Urteil vom 27.07.2000 – B 7 AL 88/99 RSozR 3-1300 § 45 Nr. 42 m.w.N.). Gemessen daran hat der Senat keine Zweifel, dass der Kläger die Rechtswidrigkeit kannte. Es wird insoweit auf die obigen Ausführungen Bezug genommen.

Ob die Beklagte es vor Erlass ihres Aufhebungs- und Erstattungsbescheides entgegen § 24 SGB X unterlassen hat, den Kläger zu der beabsichtigen Aufhebung und Rücknahme anzuhören, kann dahinstehen. Denn jedenfalls wäre dieser Verfahrensmangel gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X durch die Durchführung des Widerspruchsverfahrens geheilt.

Schließlich hat die Beklagte die sich aus § 45 Abs. 4 SGB X ggfs. i.V.m. § 48 Abs. 4 SGB X ergebende Frist zur Rücknahme bzw. Aufhebung der Leistungsbewilligung eingehalten. In den Fällen, in denen es sich um eine rückwirkende Aufhebung zuungunsten des Betroffenen handelt, ist die Aufhebung nur innerhalb eines Jahres nach Kenntnis der Behörde von den Aufhebungstatsachen möglich. Zweifel an der Einhaltung dieser Frist bestehen nicht. Die Beklagte hat von dem Umzug des Klägers erst durch seine Meldung am 19. Oktober 1999 Kenntnis erhalten. Der ursprüngliche – letztlich durch die Bescheide vom 08. November 1999 korrigierte - Aufhebungs- und Erstattungsbescheid stammt vom 02. November 1999 und ist damit innerhalb der Jahresfrist ergangen.

Ist mithin die rückwirkende Aufhebung bzw. Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe nicht zu beanstanden, ist auch die auf § 50 Abs. 1 SGB X beruhende Erstattungsforderung rechtmäßig. Danach sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Anhaltspunkte dafür, dass die Höhe der Erstattungsforderung (Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01. bis zum 27. Juli 1999 in Höhe von 1.346,49 DM und Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 28. Juli bis zum 30. September 1999 in Höhe von 2.303,60 DM, insgesamt 3.650,09 DM) rechtswidrig sein könnte, sind nicht ersichtlich und vom Kläger auch nicht geltend gemacht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.

Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil ein Grund hierfür nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegt.
Rechtskraft
Aus
Saved