L 3 RJ 58/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 23 RJ 1662/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 RJ 58/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. April 2004 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1956 geborene Kläger war nach seiner in der DDR abgeschlossenen Ausbildung zum Fahrzeugsschlosser, Spezialisierung Berufskraftfahrer, die er in der Zeit von 1974 bis 1976 absolvierte, bis 30. September 1997 als Kraftfahrer tätig. Er arbeitete zuletzt bei der Firma K, und zwar zunächst befristet für die Zeit vom 12. Februar 1991 bis 11. Februar 1992 als Kraft-fahrer mit Ladetätigkeit zu einem Stundenlohn von zuerst 12,50 DM und nach einer Einarbei-tungszeit von 6 Monaten von 14,00 DM. Ab 10. Mai 1993 bis zu seiner betriebsbedingten Kündigung zum 30. September 1997 war er in der Abteilung Fernverkehr als Kraftfahrer mit Ladetätigkeit bei einem Monatslohn von 3.850,00 DM brutto tätig. Danach war er arbeitslos bzw. arbeitsunfähig erkrankt.

Wegen eines chronifizierten lumbalen Schmerzsyndroms bei Osteochondrose und Bandschei-benprotrusion L 4/5, Pseudospondylolisthesis L 5/S 1 und eines rezidivierenden HWS-Syndroms gewährte die Beklagte dem Kläger bereits für die Zeit vom 04. Mai bis 01. Juni 1999 ein stationäres Heilverfahren in der Rehabilitationsklinik L. Nach der Einschätzung des dortigen Orthopäden ergab sich eine Diskrepanz zwischen den von dem Kläger vorgetragenen Beschwerden und den klinischen und bildgebenden Verfahren. Eine Einschränkung des Leis-tungsbilds werde aus fachorthopädischer Sicht nicht gesehen, insbesondere auch nicht im Hin-blick auf die Tätigkeit als Kraftfahrer. Es seien Defizite bei der Schmerzverarbeitung anzu-nehmen. Der Kläger könne Fahrertätigkeiten oder allgemein leichte Tätigkeiten unter Vermei-dung von häufigem Bücken und Zwangshaltungen in nächster Zeit wieder übernehmen (Heil-verfahrensentlassungsbericht vom 10. Juni 1999). In einem Fragebogen der Beklagten gab der Kläger unter dem 27. Juni 1999 an, auch er glaube, wieder ganztätig als Kraftfahrer arbeiten zu können. Bereits am 13. Oktober 1999 stellte er dann aber einen Antrag auf Gewährung einer Rente we-gen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit. Wegen seiner Wirbelsäule halte er sich seit 1997 für erwerbsunfähig. Dem Antrag beigefügt war ein Attest des Praktischen Arztes Dr. J vom 11. Oktober 1999, der einen chronischen Schmerz mit eigenständigem Krankheitswert, Chronifizierungsstadium III - IV nach Gerbershagen sowie eine Behandlung mit Opiaten bescheinigte.

Mit Bescheid vom 28. Januar 2000 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab, denn der Kläger sei noch in der Lage, in seinem erlernten Beruf als Kraftfahrer vollschichtig tätig zu sein. Mit dem dagegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, er nehme seit August 1999 MST 200, und zwar alle 8 Stunden. Eine Besserung sei vorläufig nicht in Sicht, nur eine Linderung seiner Schmerzen. Das Morphium mache ihn nicht schmerzfrei, sondern nur eini-germaßen bewegungsfähig. Er leide an starken Nebenwirkungen, er dürfe kein Autofahren, keine elektrischen Geräte benutzen u.s.w. Dem Widerspruch beigefügt waren ein Bericht des Krankenhaus K vom 29. Oktober 1996, der Befund eines EMG, NLG vom 01. Oktober 1998, der Befund eines am 05. November 1999 durchgeführten lumbalen spinalen MRT, der Bericht einer Osteodensitometrie vom 14. Januar 2000, Berichte der Orthopäden Dres. F u.a. vom 18. Februar und 10. April 2000 sowie eine Ganzkörperskelettszintigrafie vom 14. März 2000.

Zur Ermittlung des Sachverhalts ließ die Beklagte den Kläger zunächst durch den Praktischen Arzt, Chirurgen und Arbeitsmediziner Dr. R untersuchen und begutachten. In seinem Gutach-ten vom 15. April 2000 diagnostizierte der Dr. R ein chronifiziertes lumbales Schmerzsyn-drom, Analgetikaabhängigkeit, neurotische Krankheitsfixierung und einen laborchemischen Hinweis auf Hepatopathie. Aus chirurgisch-orthopädischer Sicht sei der Kläger vollschichtig belastbar für Tätigkeiten ohne Zwangshaltungen der Wirbelsäule und ohne Heben und Trage schwerer Lasten. Die vom Schmerztherapeuten angeregte Psychotherapie verbunden mit phy-siotherapeutischer Anwendung solle intensiviert werden, um einer weiteren Krankheitsfixie-rung und Schmerzmittelabhängigkeit vorzubeugen. Eine Fahrtauglichkeit als Berufskraftfahrer sei sonst auf lange Sicht nicht mehr erreichbar. Es werde eine stationäre psychosomatische Behandlung vorgeschlagen. Dann veranlasste die Beklagte ein Gutachten vom 24. Mai 2000 durch den Neurologen und Psychiater Dr. T, der ein chronifiziertes lumbales Schmerzsyndrom bei degenerativen Verände-rungen mit Bandscheibenprotrusion L 4/5 und Pseudospondylolisthesis L 5/S 1, ein HWS-Syndrom und KTS rechts feststellte. Ein erhebliches neurologisches Defizit habe nicht gesi-chert werden können. Im Vordergrund hätten orthopädisch bedingte Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule bestanden. Das KTS rechts sei nur von geringer Auswirkung. Auf neurologischem Gebiet sei daher kein Leiden erkennbar, das zur Berentung führen könne. Im psychischen Be-reich sei der Kläger eigentlich nur durch seine Fixierung auf die Schmerzsymptomatik und die Bestimmtheit darin, dass er unbedingt auf Schmerzmittel angewiesen sei, aufgefallen. Ansons-ten sei keine ausgeprägte Störung des Antriebs, der Grundstimmung und des Affekts deutlich geworden. Aus nervenärztlicher Sicht liege weiterhin eine berufliche Belastbarkeit, wie sie chirurgisch-orthopädisch möglich sei, vor. Ein psychosomatisches Heilverfahren werde eben-falls empfohlen. Das Heilverfahren kam aber wegen fehlender Mitwirkung des Klägers zunächst nicht zustande. Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2000 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Mit dem ärztlicherseits festgestellten Leistungsvermögen sei der Kläger zwar nicht mehr in der Lage, seine Tätigkeit als Berufskraftfahrer auszuüben. Mit seinen Kenntnissen und Fähigkei-ten, die er sich in seinem Berufsleben erworben habe, könne er aber noch Tätigkeiten verrich-ten, die ihm nach seiner tariflichen Bewertung bzw. Einordnung zumutbar seien, so z.B. die Tätigkeit eines Angestellten im Kraftwagenspeditionsgewerbe (Tourenplaner) oder eines Tankwarts mit Kassierertätigkeiten. Er sei deshalb nicht berufsunfähig und damit erst recht nicht erwerbsunfähig.

Mit der dagegen bei dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat der Kläger geltend ge-macht, seine chronischen Schmerzen ließen weder eine vollschichtige noch eine halbschichtige Tätigkeit zu. Außerdem leider er an einer Osteoporose.

Zur Ermittlung des Sachverhalts hat das Sozialgericht zunächst Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte, des Praktischen Arztes Dr. Jvom 05. Februar 2001 und der Orthopäden Dres. Fu.a. vom 06. Februar 2001, eingeholt. Dem Befundbericht der behandelnden Orthopä-den waren außerdem diverse medizinische Unterlagen beigefügt, unter anderem ein Bericht der Orthopädischen Klinik und Poliklinik des O-H-Heim vom 22. März 2000 über eine teilstatio-näre Behandlung, aus dem sich ergibt, dass der Kläger eine weitergehende psychosomatische Behandlung abgelehnt hat. Der Kläger selbst hat dem Gericht eine Abdomensonographie vom 26. März 2001 mit der Diagnose einer Steatosis hepatis vorgelegt.

Das Sozialgericht hat dann den Orthopäden T mit der Untersuchung und Begutachtung des Klägers beauftragt. Der Sachverständige ist in seinem Gutachten vom 18. Juli 2001 zu dem Ergebnis gekommen, bei dem Kläger bestehe: 1. ein Halswirbelsäulensyndrom mit leichter Bewegungseinschränkung ohne röntgenolo-gische fassbare degenerative Veränderungen oder neurologische Defizite 2. ein Lendenwirbelsäulensyndrom mit rezidivierenden radikulären Schmerzsyndromen mit röntgenologischem und kernspintomographischem Nachweis von degenerativen Veränderungen der unteren LWS 3. ein retropatellares Schmerzsyndrom bei Zustand nach Innenbandriss links 4. ein Zustand nach Ringbandoperation am Digitus I und III rechts mit zeitgerechter post-operativer Bewegungseinschränkung 5. Ödeme beide Unterschenkel wahrscheinlich kardialer Ursache 6. ein Zustand nach mehrfacher Leistenoperation links 7. ein ausgeprägter Schmerzmittelabusus Zusätzlich bestehe ein depressives Syndrom bzw. der Verdacht auf eine Somatisierungsstö-rung. Die Beschwerden an der Hals- und Brustwirbelsäule seien klinisch und radiologisch als altersentsprechend einzuschätzen und minderten die Erwerbsfähigkeit nicht. Die Beschwerden der Wirbelsäule schränkten die Belastbarkeit als Lkw-Fahrer, aber auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ein. Die Beschwerden an der rechten Hand seien nicht als bleibende Bewegungs-einschränkung anzusehen, die Beschwerden an beiden Kniegelenken schränkten die Fähigkeit zu tragen und unter Last Treppen zu steigen ein. Insgesamt könne der Kläger noch leichte Ar-beiten vollschichtig verrichten.

Dazu hat der Kläger geltend gemacht, er könne keine 100 Meter mehr laufen. Er sei körperlich und seelisch in einer sehr schlechten Verfassung. Er könne sich kaum motivieren, aus dem Bett aufzustehen. Die von dem Gutachter vorgeschlagenen Arbeiten ließen sich auf dem Arbeits-markt als Berufsbild nicht finden.

In der Zeit vom 15. bis 22. Januar 2002 erfolgte der Opiatentzug im J Krankenhaus B. Der Ent-lassungsbericht vom 22. Januar 2002 enthält den Hinweis, obwohl der Kläger behauptet habe, nicht schlafen zu können, habe er sämtlich physiotherapeutischen Termine verschlafen. Vom 26. bis 28. Januar 2002 hat sich der Kläger in stationärer Behandlung der Kliniken K wegen einer akuten Belastungssituation mit Somatisierung befunden (Entlassungsbrief vom 01. Feb-ruar 2002).

Der Empfehlung des Sachverständige T folgend hat das Sozialgericht dann ein weiteres Gut-achten eingeholt, das von dem Neurologen und Psychiater Prof. Dr. N, Chefarzt der Abteilung für Suchtkranke des V Klinikum H, am 15. November 2002 erstattet worden ist und in dem der Sachverständige festgestellt hat, der Kläger leide an einem chronifizierten lumbalen und cervi-kalen Schmerzsyndrom bei Osteochondrose und NPP bei L 4/5 und L 5/S 1 sowie Pseu-dospondylolisthesis L 5/S 1, einem Zustand iatrogener Morphinabhängigkeit, anhaltender so-matoformer Schmerzstörung, Karpaltunnelsyndrom ohne klinische Relevanz, Fettstoffwechsel-störung und psychovegetativer Labilität. Der Kläger könne noch leichte Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten verrichten. Er sei nur noch in der Lage, täglich 6 Stunden zu arbeiten. Be-sonderheiten für den Weg zur Arbeitsstelle seien jedoch nicht zu berücksichtigen. Die abwei-chende Einschätzung zu den Vorgutachtern sei in der jetzt wahrnehmbaren deutlichen psychi-schen Erschöpfung interpretierbar. Das Ausmaß der anhaltenden somatoformen Schmerzstö-rung sei derart, dass die dauernde subjektive Aufmerksamkeitszuwendung zu den Beschwerden in einer Weise zugenommen habe, die den Kläger in einen dauernden psychischen Erschöp-fungszustand versetze und ihn auf die ständige Symptomregistrierung und Kontrolle fixiere. Die deutliche Verschlechterung sei seit Beginn des Jahres 2002 anzunehmen. Der Kläger sei in der Lage, die Fehlhaltung bei zumutbarer Willensanstrengung mit ärztlicher Hilfe zu überwin-den. Notwendig sei ein psychosomatisch-psychotherapeutisches Heilverfahren, das unter stati-onären Bedingungen möglichst innerhalb des nächsten halben Jahres durchgeführt werden soll-te. Der Kläger sollte danach in der Lage sein, 8 Stunden täglich einfache körperliche und geis-tige Arbeiten auszuführen. Über eine Invalidisierung sollte erst nach Ausschöpfung der bisher nicht erfolgten therapeutischen Maßnahmen entschieden werden.

Der Kläger, der geltend macht, über einen Facharbeiterabschluss zu verfügen und über Jahre hinweg Lkw gefahren zu haben, zuletzt sogar Schwertransporte, hat Verträge mit der Firma K vom 14. März 1991 und 11 Mai 1993 sowie ein Zeugnis seines ehemaligen Arbeitgebers vom 01. Oktober 1997, den Facharbeiterbrief und diverse Gehaltsabrechnungen vorgelegt. Eine Nachfrage des Sozialgerichts bei dem Konkursverwalter der Firma K, Rechtsanwalt K, hat ergeben, dass Unterlagen nicht mehr vorliegen (Schreiben des Konkursverwalters vom 11. Juni 2003).

In der Zeit vom 09. Dezember 2003 bis 20. Januar 2004 hat der Kläger an einem von der Be-klagten geförderten stationären Heilverfahren in der B Klinik in B teilgenommen. Nach dem Heilverfahrensentlassungsbericht vom 27. Januar 2004 ist der Kläger noch in der Lage, körper-lich leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne Zeitdruck, ohne häufiges Bücken, Leiter- und Ge-rüstarbeiten sowie Zwangshaltungen und ohne Einfluss von Nässe und Kälte 6 Stunden und mehr zu verrichten. Als Kraftfahrer könne der Kläger aufgrund seiner orthopädischen Ein-schränkungen nicht mehr arbeiten. Bei fehlendem psychotherapeutischem Behandlungsanlie-gen habe eine psychotherapeutische Behandlung im eigentlichen Sinne nicht stattfinden kön-nen. Für die Herstellung eines psychodynamischen Zusammenhangs sei der Kläger nur einge-schränkt zugänglich gewesen. Letztlich habe er an einer - bisher nicht gefundenen - organi-schen Ursache der Beschwerde festgehalten.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Kläger sei als Angelernter des oberen Bereichs zumutbar auf die Tätigkeit eines Pförtners an der Nebenpforte verweisbar.

Durch Urteil vom 21. April 2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begrün-dung ausgeführt, der Kläger sei nicht berufsunfähig. Sein bisheriger Beruf sei der eines Kraft-fahrers. Dabei handele es sich um einen Anlerntätigkeit im oberen Bereich im Sinne des 4-Stufen-Models des Bundessozialgerichts. Die Ausbildung habe - wie in der Bundesrepublik bis zum 31. Juli 2001 - zwei Jahre gedauert. Eine Facharbeitertätigkeit komme auch wegen der tariflichen Entlohnung nicht in Betracht, denn der nach der Arbeitsvertragsänderung vom 12. Mai 1993 auf das letzte Arbeitsverhältnis anwendbare Bezirkslohntarifvertrag für den Güter- und Umzugs-Fernverkehr zwischen der Fachvereinigung Güterfernverkehr e.V. Berlin und der ÖTV (Laufzeit 01. April 1996 bis 31. März 1998) enthalte keine Facharbeiterlohngruppe im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Zwar sei die Lohngruppe 4 "Facharbeiter-Berufskraftfahrer" überschrieben, jedoch ergebe sich aus der Beschreibung der Lohngruppe, dass es sich dabei um Kraftfahrer mit abgeschlossener zweijähriger Ausbildung und damit ge-rade nicht um Facharbeiter im Sinne der BSG-Rechtsprechung handele. Als Kraftfahrer könne der Kläger zwar nicht mehr arbeiten, er sei jedoch nicht berufsunfähig, denn sein Restleis-tungsvermögen reiche noch für die Ausübung eines zumutbaren Verweisungsberufs aus. Nach den gutachterlichen Feststellungen habe der Kläger jedenfalls bis zum Beginn des Jahres 2002 noch über ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte körperliche Arbeiten verfügt. Mit diesem Leistungsvermögen könne der Kläger noch die von der Beklagten genannte Verwei-sungstätigkeit eines einfachen Pförtners verrichten. Dabei handele es sich um eine leichte Tä-tigkeit überwiegend im Sitzen, die einen gelegentlichen Haltungswechsel zulasse. Ob es dem Kläger tatsächlich gelinge, einen solchen seinem Restleistungsvermögen entsprechenden freien Arbeitsplatz vermittelt zu bekommen, sei ein Risiko, das bei vollschichtig arbeitsfähigen Ver-sicherten nicht die Renten- sondern die Arbeitslosenversicherung zu tragen habe, von der der Kläger derzeit auch Leistungen beziehe. Das von Prof. Dr. Nickel festgestellte Restleistungsvermögen von 6 Stunden seit Beginn des Jahres 2002 könne auch nicht zur Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nach dem ab 01. Januar 2001 geltenden Recht führen.

Gegen das am 19. Mai 2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 18. Juni 2004 eingelegte Be-rufung, mit der der Kläger unter Bezugnahme auf ein Attest des Neurologen und Psychiaters Dr. L vom 10. November 2004 geltend macht, er sei wegen eines ausprägten chronischen Schmerzsyndroms und der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung nicht mehr in der Lage, einer geregelten Arbeit nachzugehen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. April 2004 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28. Januar 2000 in der Gestalt des Widerspruchs-bescheides von 30. Juni 2000 zu verurteilen, ihm ab 01. Oktober 1999 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, hilfsweise ab 01. Januar 2002 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat Prof. Dr. S, Direktor der Klinik für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie des V Klinikum H, am 05. De-zember 2005 ein Gutachten erstattet. Der Kläger gebe Schmerzen im gesamten Wirbelsäulen-, BWS-, HWS- und Beckenbereich über 24 Stunden an. Dafür gebe es anhand der Befunde keine objektive Erklärung, so dass eine erhebliche psychosomatische Störung angenommen werden müsse. Der Kläger weise alle Zeichen einer chronischen Schmerzkrankheit auf, bei der das Schmerzempfinden das Verhalten und das tägliche Gefühl umfassend beherrsche. Es führe zu einer allbeherrschenden Gefühls- und Verhaltsstörung, d.h. das Schmerzerlebnis stehe im Mit-telpunkt des Lebens. Damit sei die Arbeitsfähigkeit erheblich eingeschränkt, auch da eine auf den Arbeitsprozess gerichtete Aufmerksamkeit/Konzentration nicht möglich erscheine. Auch wenn der Kläger einen gewissen Arbeitswillen erkennen lasse, der bei ca. 6 Stunden mit Pau-sen von 30 Minuten nach jeweils 2 Stunden liege, bestünden seines Erachtens erhebliche Zwei-fel an der wirklichen Arbeitsfähigkeit. Nach eigenen Angaben könne der Kläger 300 Meter gehen und müsse dann sitzen. Er benutze keine Gehhilfe. Das Leistungsvermögen reiche seines Erachtens auch für eine Arbeitszeit von 6 Stunden zurzeit nicht aus. Voraussetzung für eine solch reduzierte Tätigkeit sei eine psychotherapeutisch erfolgreiche Behandlung. Der Kläger, der im Tagesverlauf alle Hausarbeiten allein (Waschen, Kochen, Staubsaugen, Putzen, Balkon-arbeiten) und den Einkauf mit seiner Frau gemeinsam erledige, und außerdem einer 75-jährige Nachbarin die Hausarbeiten erledige (Waschen, Essen zubereiten, Staubsaugen, Putzen, Blu-menpflege), sei wegen der somatoformen Schmerzstörung in einem psychischen Erschöp-fungszustand und fixiert auf die ständige Kontrolle der Symptome. Er sei dringend behand-lungsbedürftig und für eine, auch leichte oder zeitlich beschränkte Tätigkeit zurzeit nicht ge-eignet. Depressivität sei dagegen nicht erkennbar. Der Kläger sei affektiv schwingungsfähig mit leich-tem Hang zum Selbstmitleid. Er sei nicht in der Lage, seine somatoforme Verhaltensstörung mit zumutbarer Willenanstrengung zu überwinden, so dass eine effektive erneute Therapie in einer psychosomatischen Einrichtung angestrebt werde. Ohne eine uneingeschränkte Bereit-schaft des Klägers zur psychosomatischen Behandlung der chronischen Schmerzkrankheit sei eine Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit eher nicht wahrscheinlich.

Die Beklagte hat dazu eine Stellungnahme der Fachärztin für Nervenheilkunde Dipl.-Med. W vorgelegt, wonach das Gutachten nicht geeignet sei, die bisherige Gutachten und den Heilver-fahrensentlassungsbericht zu entkräften. Die organische Untersuchung des Schmerztherapeuten beschränke sich auf eine allgemeinärztliche Untersuchung ohne Berücksichtigung des neurolo-gischen Befunds. Es sei auch keine symptombezogene orthopädische Untersuchung durchge-führt worden. Eine psychische Symptomatik werde einerseits im Gutachten negiert, anderer-seits aber eine anhaltende somatoforme Störung mitgeteilt, ohne dass die Kriterien nach ICD 10 erfüllt wären. Sie seien auch gar nicht erfragt worden. Eine schwerwiegende Konfliktkons-tellation sei aus dem Gutachten nicht erkennbar. Auch der Tagesablauf lasse keine wesentli-chen schmerzbedingten Einschränkungen erkennen. Der Versicherte verrichte den eigenen Haushalt und helfe einer Nachbarin, ihren Haushalt zu bewältigen. Die Angabe, keine schwe-ren Sachen tragen zu können, begründe maximal qualitative Einschränkungen. Ansonsten nehme der Versicherte keine Schmerzmittel, obwohl er großen Leidensdruck mitteile. Es sei auch eine Schmerztherapie ohne Opiate denkbar. Weshalb die Wegefähigkeit nach genau 300 Metern beendet sein solle, sei nicht nachvollziehbar und von dem Gutachter auch nicht über-prüft worden. Ansonsten sei kein Gutachten erstellt, sondern lediglich auf die Beweisfragen eingegangen worden.

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 26. Januar 2006 hat Prof. Dr. S ausgeführt, Gegens-tand eines schmerztherapeutischen Gutachtens sei nicht die Wiedergabe fachneurologischer Befunde oder fachorthopädischer Untersuchungsergebnisse, sondern die fachbezogene Unter-suchung und Beurteilung des Patienten zur Beantwortung der Beweisfragen des Sozialgerichts. Der Kläger beschäftige sich vielfältig mit typischen leichten Hausarbeiten, auch mit Belastun-gen und leide anhaltend unter somatisierten Schmerzzuständen, die aber kaum objektivierbar seien. Er würde sich einer erneuten psychosomatischen Therapie unterziehen, tue es aber auf-grund der Somatisierungsstörung nicht. Ohne eine erneute effektive psychosomatische Thera-pie sei der Kläger nach seinem Ermessen aber nicht leistungsfähig und auf dem Arbeitsmarkt, auch auf dem Teilzeitarbeitsmarkt, nicht vermittelbar. Die Angaben zu einer möglichen Wegstrecke von 300 m beruhten grundsätzlich auf den Aussagen des Klägers. Es sei ein nicht übliches Verfahren, mit dem Patienten gemeinsam zu spazieren und in Abständen den jeweili-gen Grad der Erschöpfung (Gefahr der Aggravation) zu beurteilen.

Dazu hat die Beklagte eine Stellungnahme der Psychiaterin Dr. S vom 10. Februar 2006 vorge-legt, die ausführt, aus dem Gutachten von Prof. Dr. S lasse sich keine quantitative Leistungs-minderung ableiten. Deshalb bleibe führend für die Leistungseinschätzung der Entlassungsbe-richt aus dem psychosomatischen Heilverfahren. Hier sei ein vollschichtiges Leistungsvermö-gen bestätigt worden.

Der Kläger hat abschließend ein weiteres Attest von Dr. Leitner vom 05. August 2006 einge-reicht.

Der Senat hat den Beteiligten eine Kopie der berufskundlichen Auskunft des Landesar-beitsamts Berlin-Brandenburg vom 07. August 2000 übersandt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichts-akten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig aber unbegründet. Der Kläger hat, wie das Sozialgericht zutreffend entschieden hat, keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit. Ihm steht auch kein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nach dem ab 01. Januar 2001 geltenden Recht zu.

Der ab 01. Oktober 1999 geltend gemachte Rentenanspruch richtet sich nach §§ 43, 44 Sozial-gesetzbuch VI (SGB VI) in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung. Danach sind berufsunfähig Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfe derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung oder gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, um-fasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berück-sichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumut-bar ist eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur beruflichen Rehabilitation mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumut-bare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 2 SGB VI).

Erwerbsunfähig sind demgegenüber Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit aus-zuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das monatlich 630,00 DM übersteigt (§ 44 Abs. 2 SGB VI).

Gemäß § 43 Abs. 1, 2 SGB VI in der ab 01. Januar 2001 geltenden Fassung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, wenn sie teilweise oder voll erwerbsgemindert sind. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeits-marktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 S. 2 SGB VI). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht ab-sehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmark-tes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2, S. 2 SGB VI).

Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist erwerbsgemindert nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Nach Auswertung der im Verwaltungs- und gerichtlichen Verfahren erstellten Sachverständi-gengutachten, insbesondere der Gutachten des Orthopäden Tvom 18. Juli 2001 und des Neuro-logen und Psychiaters Prof. Dr. N vom 15. November 2002, ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger nicht berufsunfähig und damit erst recht nicht erwerbsunfähig ist. Er ist auch nach der ab 01. Januar 2001 geltenden Vorschrift des § 43 SGB VI weder voll noch teilweise erwerbsgemindert und ihm steht auch kein Anspruch wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI zu ...

Wie sich aus den gutachterlichen Feststellungen ergibt, leidet der Kläger maßgeblich an einem chronifizierten lumbalen Schmerzsyndrom und einer anhaltenden somatoformen Schmerzstö-rung. Diese Erkrankungen begründet jedoch, wie die gerichtlichen Sachverständigen in Über-einstimmung mit den im Verwaltungsverfahren tätig gewordenen Gutachtern Dr. Rund Dr. T bestätigen, kein aufgehobenes Leistungsvermögen. Diese Auffassung wird durch die sozialme-dizinische Leistungsbeurteilung in dem Heilverfahrensentlassungsbericht vom 26. Januar 2004 bestätigt. Das Sozialgericht hat in seinem Urteil die Gutachten gründlich ausgewertet und ü-berzeugend dargelegt, dass der Kläger zwar über ein qualitativ eingeschränktes, jedoch kein quantitativ aufgehobenes Leistungsvermögen verfügt. Der Senat sieht von einer weiteren Dar-stellung der Entscheidungsgründe ab und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 153 Abs. 2 SGG).

Nicht zu beanstanden ist auch die Auffassung des Sozialgerichts, dass der Kläger aufgrund seiner 2-jährigen Ausbildung zum Fahrzeugsschlosser, Spezialisierung Berufskraftfahrer, nach dem Mehrstufenschema des Bundessozialgerichts als Angelernter im oberen Bereich einzustu-fen und zumutbar auf die Tätigkeit eines Pförtners verweisbar ist. Erst die Ausbildungsverord-nung vom 19. April 2001 sieht nunmehr auch für Berufskraftfahrer eine Ausbildungsdauer von 3 Jahren vor. Eine Prüfung unter Einbeziehung des nunmehr erweiterten Ausbildungsinhalts hat der Kläger; der in seinem Beruf zuletzt 1997 tätig war, jedoch nicht absolviert. Zwar hat es das Bundessozialgericht (vgl. BSG vom 05. April 2001, Az.: B 13 RJ 61/00 R, und vom 30. Juli 1997, Az.: B 5 RJ 8/96) gerade bei Berufskraftfahrern für möglich erachtet, dass diese im Einzelfall aufgrund besonderer Qualitätsmerkmale der zuletzt verrichteten Tätigkeit Facharbei-tern gleichgestellt werden können. Dass der Kläger über den formalen Berufsabschluss hinaus besondere Fähigkeiten oder Fertigkeiten erlangt hat, ist nicht ersichtlich. Dies ergibt sich weder aus dem Zeugnis vom 01. Oktober 1997, noch aus seiner Bezahlung, denn der angewandte Bezirkslohntarifvertrag für den Güter- und Umzugs-Fernverkehr zwischen der Fachvereini-gung Güterfernverkehr e.V. Berlin und der ÖTV (Laufzeit 01. April 1996 bis 31. März 1998) enthielt keine Facharbeiterlohngruppe im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Der Kläger ist deshalb auf ungelernte oder angelernte Tätigkeiten des unteren Bereichs verweisbar. Insbesondere kommt für den Kläger eine Tätigkeit als einfacher Pförtner bzw. als Pförtner an der Nebenpforte in Betracht, auf die Angelernte des oberen Bereichs zumutbar verwiesen wer-den können (vgl. u.a. Urteil des BSG vom 12. Februar 2004, Az.: B 13 RJ 49/03 R). Hierbei handelt es sich, wie sich aus der berufskundlichen Stellungnahme der Beklagten mit Schriftsatz vom 25. März 2004 und der Auskunft des Landesarbeitsamts Berlin-Brandenburg vom 07. Au-gust 2000 ergibt, um eine körperlich leichte, überwiegend im Sitzen mit der Möglichkeit des Haltungswechsels zu verrichtende Tätigkeit. Besondere Anforderungen an das geistige Leis-tungsvermögen werden nicht gestellt, die Einarbeitungszeit liegt bei ca. einer Woche. Nacht-schicht wird regelmäßig nicht abverlangt, die Tätigkeit wird im Zweischichtbetrieb verrichtet. Der Senat hat keine Zweifel, dass der Kläger diese Tätigkeit mit dem gutachterlich festgestell-ten Leistungsvermögen noch vollschichtig verrichten kann.

Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg auf die im Berufungsverfahren vorgelegten Atteste des Neurologen und Psychiaters Dr. L vom 10. November 2004 und 05. August 2006 berufen. Die-ser hält den Kläger in seinem ersten Attest für arbeitsunfähig, da er derzeit keiner geregelten Arbeit nachgehen könne. Abgesehen davon, dass Dr. Leitner den Begriff der Arbeitsunfähig-keit mit dem hier entscheidungserheblichen Begriff der Erwerbsunfähigkeit verwechselt, ent-hält der Bericht keine Befunde, die nicht schon gutachterlich bewertet worden wären. Dr. L leitet aus den Befunden jedoch nicht nachvollziehbar ein aufgehobenes Leistungsvermögen ab, ohne sich mit den entgegenstehenden Feststellungen der bereits tätig gewordenen Gutachter auseinanderzusetzen. Dass eine Rentengewährung zu einer Abnahme der sozialen Unsicherheit beitrage, ist sicherlich zutreffend, kann aber kein Grund dafür sein, bei einem vollschichtigen Leistungsvermögen eine Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren. In der weiteren Be-scheinigung vom 05. August 2006 attestiert Dr. Leitner eine Verschlimmerung der Gesund-heitsstörungen, nach denen der Kläger als erwerbsunfähig einzuschätzen sei. Dr. Leitner stellt bereits bekannte Diagnosen und berichtet außerdem von nebendiagnostisch bestehendem Tin-nitus aurium beidseits, arterieller Hypertonie und Hypercolesterinämie sowie einem mikrobiel-lem Hautekzem mit chronischem Juckreiz und chronischem Analausfluss. Inwieweit diese Di-agnosen außer den bereits bekannten und umfänglich begutachteten Gesundheitsstörungen das Leistungsvermögen des Klägers derart beeinträchtigen sollen, dass es nicht nur qualitativ son-dern sogar quantitativ eingeschränkt ist, ergibt sich aus der Bescheinigung nicht.

Auch das Gutachten von Prof. Dr. S vom 05. Dezember 2005 mit ergänzender Stellungnahme vom 26. Januar 2006 ist nicht geeignet, der Berufung zum Erfolg zu verhelfen. Zwar führt Prof. Dr. S selbst aus, Aufgabe eines Gutachters sei die möglichst präzise Beant-wortung der vom Landessozialgericht gestellten Fragen mit eingehender Begründung. Gegens-tand eines schmerztherapeutischen Gutachtens sei nicht die Wiedergabe fachneurologischer und - orthopädischer Befunde und Untersuchungsergebnisse, sondern die fachbezogene Unter-suchung und Beurteilung des Patienten. Diesen Anforderungen wird das Gutachten, worauf die Beklagte unter Bezugnahme auf Stel-lungnahmen von Dipl.-Med. W und Dr. S zutreffend hinweist, jedoch in keiner Weise gerecht. Es stellt sich bereits die Frage, ob ein schmerztherapeutisches Gutachten überhaupt geeignet sein kann, die Anforderungen einer Funktionsbegutachtung zu erfüllen, die Grundlage für die Beurteilung des Leistungsvermögens des Klägers ist. Wenn aber ein Gutachten in diesem Be-reich erstellt wird - wie hier auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG -, dann kann sich der Gutachter nicht darauf beschränken, die Angaben des Klägers zu seinem Leistungsvermögen bei der Beantwortung der Beweisfragen einfach wiederzugeben. In diesem Fall hätte es eines Gutachtens nicht bedurft. Erforderlich ist vielmehr, dass sich der Sachverständige mit den An-gaben des Klägers zu seinem Leistungsvermögen auseinandersetzt, diese hinterfragt und an-hand der Befunde, die er erhebt, verifiziert. Das ist hier nicht erfolgt. Die Angaben des Klägers zu seinem Tagesablauf hätten dazu aber allen Anlass gegeben. Wenn der Kläger auch behaup-tet, die Angaben des Gutachers zu der Versorgung des Haushalts seiner Nachbarin seien falsch, so hat er doch die weiteren Ausführungen zu seiner Arbeit im eigenen Haushalt bestätigt. Da-nach verrichtet er bis auf den Einkauf alle anfallenden Arbeiten. Vor diesem Hintergrund hätte es einer gutachterlichen Auseinandersetzung z.B. mit den Angaben des Klägers zu seiner We-gefähigkeit, der Unfähigkeit, mehr als 2 kg tragen zu können, oder der Notwendigkeit von - unüblichen - Pausen bedurft. Es fehlt nicht nur eine nachvollziehbare Begründung dafür, wes-halb der Kläger über kein vollschichtiges Leistungsvermögen mehr verfügen soll, es fehlt auch an jeglicher Auseinandersetzung mit den bereits vorliegenden Gutachten, die zu einer anderen Leistungsbeurteilung gekommen sind. Zusammenfassend ist das Gutachten von Prof. Dr. S als Grundlage für die Beurteilung der geltend gemachten Erwerbsminderung des Klägers nicht geeignet.

Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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