L 27 B 21/05 R PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 8 RJ 22/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 27 B 21/05 R PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt/Oder vom 20. Dezember 2004 aufgehoben. Der Klägerin wird Prozesskostenhilfe für die Zeit ab 09. August 2004 für das erstinstanzliche Verfahren bewilligt und Rechtsanwalt W K beigeordnet.

Gründe:

I.

Umstritten ist, ob die Klägerin für das Verfahren vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) Prozesskostenhilfe (PKH) verlangen kann. In diesem Verfahren verfolgt sie die Rechtskontrolle einer ihr ungünstigen Überprüfungsentscheidung der Beklagten bezüglich der Berechnung ihres Witwenrentenanspruches nach § 22 b Fremdrentengesetz (FRG).

Im Einzelnen:

Die am 1923 geborene Klägerin (Kl.) reiste am 27. November 1996 in das Bundesgebiet ein. Sie hatte zuletzt in K., Kirgisien [Kirgistan] ihren Wohnsitz gehabt und ist Spätaussiedlerin nach § 4 Bundesvertriebenengesetz. Am 08. Januar 1997 hatte sie Antrag auf Witwenrente gestellt nach ihrem am 08. Oktober 1990 in K., Kirgisien verstorbenen Ehemann J K. Die am 27. November 1996 beginnende große Witwenrente stellte die Beklagte erstmalig mit Bescheid vom 28. Juli 1997 endgültig fest (anfänglich DM 198,15 vor Beitrag zur Krankenversicherung der Rentner und Pflegeversicherungsbeitrag). In den Begründungsausführungen der Beklagten hieß es:

"Der Rente liegen nach dem FRG angerechnete Zeiten zugrunde. Leistungen aus solchen Zeiten sind auf bestimmte Höchstbeträge zu begrenzen. Der Rentenfeststellung sind für einen Berechtigten höchstens 25 Entgeltpunkte (EP) zugrunde zu legen. Bei Hinzutritt einer weiteren, auf FRG-Zeiten beruhenden eigenen Rente kann sich der Rentenanspruch vermindern".

In der Anlage 6 Seite 2 bezifferte die Beklagte die EP für anrechenbare Zeiten nach dem FRG auf 34,2822. Diese überstiegen den Höchstwert und seien daher auf 25 EP zu begrenzen. Zu diesem Zweck erhöhte die Beklagte die EP nach dem FRG von 25 zunächst um die - ebenfalls nach dem FRG zuerkannten - EP der Klägerin bezüglich ihrer "eigenen" weiteren Rente in Höhe von 16,3954 EP, als Summe der EP nach dem FRG ergab sich somit 41,3954 EP. Die Summe der EP nach dem FRG aus den Renten einer Berechtigten überstiegen sonach den Höchstwert. Die EP nach dem FRG seien daher auf insgesamt 25 EP zu begrenzen.

Die EP nach dem FRG aus eigener Versicherung seien vorrangig zu leisten.

Für die vorliegend zu berechnende Witwenrente ergebe sich somit ein Höchstwert von (nur) 25,0000 - 16,3954 = 8,6046 als EP (Ost).

Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 15. März 1999). Habe ein Berechtigter Anspruch auf zwei Renten (Versicherten- und Hinterbliebenenrente), dürften die FRG-Anteile beider Renten zusammen 25 EP nicht überschreiten.

Die FRG-EP aus der Rente mit einem höheren Rentenartfaktor seien nach § 22 b Abs. 1 FRG in der Fassung des RRG 1999 vorrangig zu berücksichtigen. Danach seien die auf FRG-Zeiten entfallenden Entgeltpunkte der Rente mit dem höheren Rentenartfaktor (dies sei in der Regel die Versichertenrente) bis zu einem Höchstwert von 25 EP voll zu berücksichtigen.

In dem hier gegen angestrengten Klageverfahren vor dem Sozialgericht Frankfurt/Oder (S 9 RJ 189/99) hat die Klägerin noch erklärt, sie sei der Ansicht, dass die Multiplikation mit dem Rentenartfaktor der Witwenrente (0,6) bereits bei der Reduzierung der EP von 34,28222 auf 25 EP zu erfolgen habe. Das klagabweisende Urteil vom 28. Oktober 1999 erwuchs in Rechtskraft.

Mit Antrag vom 29. Juli 2002 beantragte die Klägerin eine "Neufeststellung" ihrer Witwenrente unter Bezug auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30. August 2001 - B 4 RA 118/00 R. Weder unmittelbar noch in analoger Anwendung ergebe sich aus § 22 b FRG eine Begrenzung der nach dem FRG berücksichtigungsfähigen EP auch für die Inhaber einer Hinterbliebenenrente neben einer eigenen Rente. Der Verbrauch der nach dem FRG höchstens berücksichtigungsfähigen EP betreffe nur Versicherte, die verschiedene Rechte auf Rente aus eigener Versicherung haben.

Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12. August 2002 ab. Die vom BSG vertretene Auffassung werde von ihr in Übereinstimmung mit den anderen Rentenversicherungsträgern nicht geteilt. Die in der Vorschrift genannten Begriffe wie "Berechtigte", "anrechenbare Zeiten" und "EP" würden im Rentenrecht sowohl bei Versicherten - wie auch bei Hinterbliebenenrenten verwandt. Mit § 22 b FRG sei eine Vorschrift eingeführt worden, welche den FRG-Anteil einer Rente am (Lebensunterhalts-) Bedarf orientiere. Dieser Bedarf werde nur durch die Anzahl der Personen bestimmt, nicht aber durch die Anzahl der Rentenansprüche. Insbesondere die Verteilungsregelung des § 22 b Abs. 1 Satz 3 FRG mache deutlich, dass eine Begrenzung beider Renten zusammen auf 25 EP gewollt sei. Der Widerspruch war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2002).

Hiergegen richtete sich die am 17. Januar 2003 beim Sozialgericht Frankfurt (Oder) eingehende Klage (S 8 RJ 22/03), mit welcher sich die Klägerin erneut auf die Entscheidung des 4. Senats des BSG bezog. Die Klägerin wies ferner hin auf die sich dem 4. Senat des BSG anschließende Rechtsprechung des 13. Senats des BSG (Urteile 13. März 2004 - B 13 RJ 44/03 R; B 13 RJ 52/03 R und B 13 RJ 56/03 R). Mit am 09. August 2004 eingehendem Schriftsatz beantragte die Klägerin, ihr PKH unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt K, F, zu gewähren.

In der öffentlichen Sitzung vom 31. August 2004 wies die Vertreterin der Beklagten auf die Entscheidung des BSG vom 11. März 2004 - B 13 RJ 44/03 R und auf Art. 9 Nr. 2 des Nachhaltigkeitsgesetzes vom 21. Juli 2004 zu § 22 b Abs. 1 Satz 1 FRG mit der Klarstellung hin, dass die anrechenbaren Zeiten nach diesem Gesetz für die Rente aus eigener Versicherung und wegen Todes als Berechtigten insgesamt höchstens 25 EP der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten zugrunde gelegt würden. Nach Art. 15 Abs. 3 des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes träte diese Änderung rückwirkend, und zwar mit Wirkung vom 07. Mai 1996 in Kraft.

Der Rechtsstreit wurde vertagt.

Mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2004 hat die Klägerin die Auffassung vertreten, das Nachhaltigkeitsgesetz finde rückwirkend keine Anwendung. Dem stehe bereits § 300 SGB VI entgegen.

Mit Beschluss vom 30. Dezember 2004 hat das Sozialgericht die Gewährung von PKH abgelehnt. Es mangele an einer hinreichenden Erfolgsaussicht für die Klage. Dem stehe zum einen die Rechtskraft des Urteils des Sozialgerichts vom 28. Oktober 1999 entgegen (§ 141 Abs. 1 SGG), welche am 01. Februar 2000 eingetreten sei. Eine notwendige Neufeststellung sei auch nicht auf § 300 SGB VI herzuleiten. Ferner bestimme § 306 Abs. 1 SGB VI ausdrücklich, dass die - persönlichen - Entgeltpunkte allein aus Anlass einer Rechtsänderung nicht neu bestimmt würden.

Schließlich sei eine Änderung der Sach- und Rechtslage nicht eingetreten. Die Änderung des § 22 b Abs. 1 Satz 1 FRG gemäß Art. 8 des Gesetzes zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Nachhaltigkeitsgesetz) stelle nach Drucksache 15/2149 insofern klar, dass - entgegen der Auffassung des Bundessozialgerichts in seinem Urteil vom 30. August 2001 - B 4 RA 118/00 R - auch für einen einzelnen Berechtigten mit Anspruch auf eine eigene Versichertenrente und auf eine Hinterbliebenenrente der Höchstwert für alle seine Renten insgesamt auf 25 Entgeltpunkte begrenzt sei. Die rückwirkende Inkraftsetzung soll sicherstellen, dass alleinstehende Berechtige mit mehreren Renten weiterhin eine Rentensumme höchstens in einer Höhe erhielten, die sich an der Höhe der Eingliederungshilfe orientierte.

Gegen diesen dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 18. Januar 2005 zugestellten Beschluss hat die Klägerin privatschriftlich am 21. Januar 2005 Beschwerde eingelegt. Sie sei mit der Begründung der Ablehnung nicht einverstanden. Ihr Einkommen sei nur in der Höhe "wie Sozialhilfe" Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Beschluss vom 24. Januar 2005).

Eine Anfrage des Senats an den bisherigen Prozessbevollmächtigten des Klägers, ob dieser die Vertretung auch in der Beschwerdeinstanz übernehme, blieb von ihm zunächst unbeantwortet. Mit am 16. Dezember 2005 beim LSG eingehenden Schriftsatz hat er dann mitgeteilt, dass er die Klägerin - wie bisher - auch weiter vertrete.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Aktenunterlagen der Beklagten und diejenigen des Verfahrens S 8 RJ 22/03 sowie des Verfahrens S 9 RJ 189/99 Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gelten die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) über die PKH entsprechend. Ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Eine hinreichende Erfolgsaussicht ist gegeben, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Klägers aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage 2005, § 73 a Rz. 7 a m.w.N.).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.

Zum einen steht dem Begehren der Klägerin aus dem Antrag vom 29. Juli 2002 die Rechtskraft des klagabweisenden Urteils vom 28. Oktober 1999 ersichtlich nicht entgegen.

Dies schon deshalb nicht, weil die Beklagte dieses Begehren materiell - möglicherweise wiederholend - mit rechtsbehelfsfähigem Bescheid vom 12. August 2002 und Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2002 beurteilt hat.

Auch insofern dieses Begehren als Antrag auf Überprüfung im Sinne des § 44 Abs. 1 SGB X aufzufassen sein dürfte, stünde die Rechtskraft dieses Urteils nicht entgegen (vgl. etwa Wiesner in von Wulffen, SGB X, Kommentar 5. Auflage, 2005, § 44 Rz. 13 m.w.N.).

Ferner hat das BSG in seiner Entscheidung vom 11. März 2004 - B 13 RJ 44/03 R - gerade dahinstehen lassen, ob das - seinerzeit - beabsichtigte rückwirkende In-Kraft-Setzen des geänderten § 22 b Abs. 1 Satz 1 FRG zum 07. Mai 1996 (Art. 13 Abs. 3 des Gesetzentwurfs) den engen Grenzen einer zulässigen echten Rückwirkung gerecht wird. Das Gesetz ist wie angekündigt erlassen worden (BGBl I vom 21. Juli 2004, S. 1791).

Genau diese Beurteilung bleibt einer höchstrichterlichen Klärung - auch und gerade unter verfassungsrechtlichem Gesichtspunkt - erst vorbehalten, so dass eine Erfolgsaussicht nicht verneint werden kann. Beim BSG sind einschlägige Rechtsstreite zu den Aktenzeichen B 13 RJ 1/05 R, B 13 R 7/06 R; B 13 RJ 47/04 R; B 13 RJ 2/05 R; B 13 RJ 11/05 R; B 13 RJ 28/05 R; B 13 RJ 29/05 R; B 4 RA 60/04 R; B 4 RA 2/05 R anhängig.

Auch nach den Entscheidungen des 5. Senats des BSG (B 5 RJ 57/03 R sowie RJ 39/04 R), beide vom 05. Oktober 2005, bleibt die weitere Rechtsentwicklung abzuwarten. Dies genügt für die Annahme einer gewissen, nicht notwendig überwiegenden Erfolgswahrscheinlichkeit.

Die wirtschaftlichen Voraussetzungen liegen vor.
Rechtskraft
Aus
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