L 10 B 579/06 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 23 AS 436/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 10 B 579/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Das Aktivrubrum des Beschwerdeverfahrens war von Amts wegen zu berichtigen. Denn jedenfalls das Beschwerdeverfahren wird von der Bevollmächtigten (der Mutter des Antragstellers) allein im Namen des am geborenen Antragstellers geführt (vgl § 73 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Es dient - wie die Bevollmächtigte auf telefonische Rückfrage des Senats vom 9. August 2006 klargestellt hat - nur der Verfolgung der (behaupteten) Ansprüche des Antragstellers nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II; dazu, dass die Ansprüche nach diesem Gesetzbuch, bei denen es sich ausschließlich um Einzelansprüche handelt, notwendigerweise von den einzelnen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft geltend gemacht werden müssen, ausführlich Urteile des beschließenden Senats vom 09. Mai 2005 - L 10 AS 102/06 und L 10 AS 1093/05 - jeweils veröffentlicht auf der Internetseite des Gerichts: www.lsg.berlin.brandenburg.de, mwN).

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der die Antragsgegnerin verpflichtet werden soll, dem Antragsteller für die Zeit vom 1. April 2006 bis zum 27. Mai 2006 () höhere Leistungen nach dem SGB II einstweilen zu gewähren als ihm mit Bescheid vom 20. April 2006 bewilligt wurde, sind nicht gegeben.

Zwar kann das Gericht nach § 86b Abs 2 Satz 2 SGG zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnisses eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Ein Anordnungsanspruch - die Rechtsposition, deren Durchsetzung im Hauptsacheverfahren beabsichtigt ist - sowie der Anordnungsgrund - die Eilbedürftigkeit der begehrten sofortigen Regelung - sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 4 SGG iVm § 920 Abs 2 Zivilprozessordnung).

Der Senat kann offen lassen, ob ein Anordnungsanspruch besteht. In diesem Zusammenhang sieht er sich lediglich dazu veranlasst, darauf hinzuweisen, dass die Rechtsposition der Antragsgegnerin nicht haltbar sein dürfte, wonach das Einkommen des nichtehelichen Partners der Bevollmächtigten in analoger Anwendung des § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II in der bis zum 31. Juli 2006 geltenden Fassung des Gesetzes vom 24. Dezember 2003 (BGBl I 2955) auf den Bedarf des Antragstellers, der kein (leibliches) Kind des Partners der Bevollmächtigen ist, anzurechnen sei. Eine solche Gesetzesauslegung widerspricht nicht nur der gefestigten Rechtsprechung der Sozialgerichte (vgl nur Landesozialgericht (LSG) Thüringen Beschluss vom 8. März 2005 - L 7 AS 112/05 ER; LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 12. Mai 2005 - L 9 B 12/05 AS ER; LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 12. Mai 2005 - L 8 AS 51/05 ER; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 14. Juli 2005 – L 14 B 48/05 AS ER und LSG Hamburg Beschluss vom 2. August 2005 – L 5 B 186/05 ER AS, alle veröffentlicht in juris), sondern auch der Arbeitsanweisung der Bundesagentur für Arbeit vom 20. September 2005 zu § 9 SGB II (dort: Gliederungspunkt 9.43). Erst in der ab dem 1. August 2006 geltenden Neufassung des § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II, die er durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl I 1706) erhalten hat, wird geregelt, dass bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus ihrem eigenen Einkommen oder Vermögen beschaffen können, auch das Einkommen (und Vermögen) des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebenden Partners zu berücksichtigen ist.

Die begehrte Anordnung kann schon jedenfalls nicht erlassen werden, weil dem Antragsteller ein Anordnungsgrund nicht zur Seite steht. Ansprüche, die sich auf die Vergangenheit beziehen, sind grundsätzlich in einem Hauptsachverfahren zu klären. Die Aufgabe des einstweiligen Rechtschutzes ist es, eine akute Notlage zu beseitigen, denn nur dann kann von einem wesentlichen Nachteil gesprochen werden, den es abzuwenden gilt, und angesichts dessen ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten ist. Ausnahmsweise kann eine Fallgestaltung gegeben sein, in der die sofortige Verfügbarkeit einer für einen zurückliegenden Zeitraum zu zahlenden Geldleistung zur Abwendung eines gegenwärtigen drohenden Nachteils erforderlich ist (st Rspr des Senats; vgl auch Finkenburg/Jank Vorläufiger Rechtschutz im Verwaltungsstreitverfahren 4. Auflage 1988 RdNr 355 mwN). Ein solcher Sachverhalt ist hier jedoch vom Antragsteller weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht worden.

Lediglich klarstellend weist der Senat darauf hin, dass, soweit der Antragsteller erstmals im Beschwerdeverfahren auch die Verpflichtung der Antragsgegnerin begehren sollte, sie im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm für die Zeit ab dem 28. Mai 2006 (sein 18. Geburtstag) überhaupt Leistungen nach dem SGB II bzw ihm diese Leistungen in einem höheren Umfang (als im Bescheid vom 5. Juli 2006 für die Zeit vom 28. Juni 2006 bis zum 30. Juni 2006 geschehen) zu gewähren, ist ein solches Begehren mangels Entscheidung des SG Cottbus im angefochtenen Beschluss vom 20. Juni 2006 in der Beschwerdeinstanz nicht angefallen. Dem Senat wäre auch verwehrt eine erstinstanzliche Entscheidung (=erstmals eine gerichtliche Entscheidung) hierüber zu treffen; denn nach § 29 SGG entscheidet das LSG - von hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen - ausschließlich als Gericht des zweiten Rechtzuges über Beschwerden gegen Entscheidungen des SG.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Die Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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