L 12 RA 101/92 W00

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 8 RA 245/91 Z
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 12 RA 101/92 W00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage auf Zahlung von Zinsen wird abgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin entsprechend dem Teil-Vergleich vom 17. Dezember 2002 vier Fünftel der ihr entstandenen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten; im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten (nur) noch über die Gewährung von Zinsen für eine Nachzahlung.

Die (jetzige) Klägerin ist die Witwe ihres 1911 geborenen und am 1994 verstorbenen Ehemannes (Versicherter), dem die Verwaltung der Sozialversicherung mit Bescheid vom 3. August 1976 Altersrente ab 1. August 1976 in Höhe von 482,40 M und die Staatliche Versicherung der Deutschen Demokratischen Republik mit Bescheid vom 25. August 1976 ebenfalls ab 1. August 1976 Altersrente aufgrund der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen der Deutschen Demokratischen Republik in Höhe von 3.597,60 M gewährt hatten. Die Rente der Sozialversicherung wurde (mit undatiertem Bescheid) ab 1. September 1989 auf 690,00 M erhöht. Beide Renten wurden ab 1. Juli 1990 in Höhe von insgesamt 4.287,60 DM weiter gezahlt.

Mit undatiertem Bescheid begrenzte der "Träger der Rentenversicherung – Überleitungsanstalt Sozialversicherung – Bereich Zusatzversorgung" die "Zusatzversorgung" ab 1. August 1991 auf 572,00 DM, so dass sich ab 1. August 1991 ein Gesamtzahlbetrag (aus Altersrente, Ehegattenzuschlag und Zusatzversorgung) in Höhe von 2.010,00 DM ergab; den Unterschiedsbetrag zwischen dem früheren und dem gekürzten Zahlbetrag für die Monate August bis Oktober 1991 (3 x 2.277,60 DM = 6.832,80 DM) zahlte sie im Dezember 1991 mit Blick auf den vom Versicherten gegen die Kürzung eingelegten Widerspruch wieder an ihn aus (Mitteilung vom 19. Dezember 1991).

Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren (Widerspruchsbescheid vom 5. November 1991) erhob der Versicherte, der bereits gegen die Rentenanpassungsmitteilungen zum 1. Januar und 1. Juli 1991 Widerspruch eingelegt hatte, am 12. November 1991 Klage.

Durch Urteil vom 9. September 1992 hat das Sozialgericht die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) "unter Aufhebung des Bescheides vom 31. Juli 1991 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Januar 1991 sowie unter Abänderung des Umwertungsbescheides vom 27. November 1991 und der Rentenanpassungsmitteilung 1992 verurteilt, dem (Versicherten) auch über den 31. Juli 1991 hinaus Altersrente bzw. eine Rente wegen Alters in Höhe von mindestens 4.287,60 DM zu gewähren". Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil haben sowohl der Versicherte als auch die BfA Berufung eingelegt.

Die BfA hat danach "die Rente" des Klägers mehrfach neu festgestellt – teilweise in Ausführung des Urteils des Sozialgerichts, teilweise aufgrund gesetzlicher Neuregelungen, teilweise für die Zeit ab 1. Januar 1992, teilweise für die Zeit ab 1. Juli 1990.

Mit Bescheid vom 4. August 1999 hat die BfA "die Rente" für die Zeit vom 1. August bis 31. Dezember 1991 mit 4.287,60 DM monatlich festgestellt und für diese Zeit eine Nachzahlung in Höhe von 3.175,20 DM errechnet, die sie im August 1999 an die Klägerin geleistet hat.

Zuletzt hat die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte mit Bescheiden vom 28. August 2001 und 16. Januar 2002 die Regelaltersrente des Versicherten für die Zeit vom 1. Juli 1990 bis 30. November 1994 (Sterbetag) neu festgestellt, wobei sich Nachzahlungen nicht ergaben.

Danach haben die Beteiligten am 17. Dezember 2002 zur teilweisen Erledigung des Rechtsstreits einen Teilvergleich geschlossen, wonach sie sich einig seien, dass mit dem Rentenbescheid vom 7. Dezember 1999 in der Fassung vom 16. Januar 2002 der dem verstorbenen Versicherten zum 1. Juli 1990 zustehende Rentenzahlbetrag auf der Grundlage des Leiturteils des Bundesverfassungsgerichts vom 28. April 1999 (1 BvL 32/95) in der Auslegung durch das Bundessozialgericht (Urteil vom 3. August 1999 – B 4 RA 24/98 R), nunmehr auf dessen Grundlage geregelt durch § 307 b Abs. 5 SGB VI i. d. F. des 2. AAÜG-Änderungsgesetzes vom 27. Juli 2001, an die Lohn- und Einkommensentwicklung angepasst worden sei. Die BfA hat sich verpflichtet, die Regelaltersrente des verstorbenen Versicherten unter Verzicht auf den Einwand der Rechtskraft und unter Außerachtlassung der Ausschlussfrist des § 44 Abs. 4 SGB X neu festzustellen bzw. neu zu berechnen, wenn sich durch neue Rechtsvorschriften bzw. durch die Rechtsprechung internationaler Gerichte, des Bundesverfassungsgerichts oder des Bundessozialgerichts eine für den Verstorbenen günstigere Regelung für die Anpassung des garantierten Zahlbetrag ergebe. Sie hat sich weiter verpflichtet, der Klägerin vier Fünftel der außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Damit sei der vorliegende Rechtsstreit auch hinsichtlich der Kosten mit Ausnahme des von der Klägerin weiterhin geltend gemachten Zinsanspruchs erledigt.

Die Klägerin verlangt weiterhin die Verzinsung der ihr im August 1999 für die Zeit vom 1. November bis 31. Dezember 1991 geleisteten Nachzahlung in Höhe von 3.175,20 DM. Ihr sei bekannt, dass die BfA in "analogen Fällen" Zinsen für Nachzahlungen für die Zeit ab Februar 1992 gezahlt habe. Danach würde sich ein Anspruch in Höhe von etwas weniger als 500,00 Euro ergeben.

Die Klägerin beantragt (nach ihrem schriftlichen Vorbringen),

die Beklagte zu verurteilen, ihr vier vom Hundert Zinsen auf 3.175,20 DM für die Zeit vom 1. Dezember 1991 bis 31. Juli 1999 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt (nach ihrem schriftlichen Vorbringen),

die Klage abzuweisen.

Das Bundessozialgericht habe entschieden, dass Ansprüche aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen erst nach Überführung in die gesetzliche Rentenversicherung zum 1. Januar 1992 als Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung anzusehen seien (Urteil vom 24. April 1996 – 5/4 RA 37/94). Die aus der Zeit davor stammenden Ansprüche seien deshalb nicht zu verzinsen.

Beide Beteiligten haben erklärt, dass sie mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden seien.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die von der Beklagten vorgelegte Einheitsakte (5 Bände), die Gegenstand der Beratung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat kann durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem beide Betei-ligte erklärt haben, dass sie damit einverstanden sind (§ 124 Abs. 2 i.V.m. § 153 Abs. 1 des So-zialgerichtsgesetzes [SGG]).

Nachdem die Beteiligten durch den von ihnen am 17. Dezember 2002 geschlossenen (gerichtlichen) Vergleich den Rechtsstreit im übrigen (einschließlich der Frage der Kostenerstattung) erledigt haben, ist nur noch über die von der Klägerin in dem beim nicht mehr bestehenden Landesozialgericht Berlin anhängig gewordenen Berufungsverfahren erhobene Forderung auf Zahlung von Zinsen zu entscheiden. Dazu ist anstelle jenes Gerichts das in Übereinstimmung mit § 28 Abs. 2 SGG durch den Staatsvertrag über die Errichtung gemeinsamer Fachobergerichte der Länder Berlin und Brandenburg vom 26. April 2004 errichtete Landessozialgericht Berlin-Brandenburg berufen, auf das das Verfahren gemäß Artikel 28 dieses Staatsvertrages am 1. Juli 2005 in dem Stand, in dem es sich an diesem Tag befunden hat, übergegangen ist.

Der von der Klägerin noch geltend gemachte Anspruch (über den "kraft Klage" zu entscheiden ist) ist unbegründet. Sie kann von der – seit dem 1. Oktober 2005 unter dem Namen "Deutsche Rentenversicherung Bund" fortgeführten (§ 1 Satz 1 des als Artikel 82 des Gesetzes zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung [RVOrgG] vom 9. Dezember 2004 [BGBl. I S. 3242] verkündeten Gesetzes zur Errichtung der Deutschen Rentenversicherung Bund und der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See) – Beklagten die Zahlung von Zinsen auf die ihr (erst) im August 1999 für die Monate November und Dezember 1991 geleistete Nachzahlung nicht verlangen.

Unschädlich ist, dass die Klägerin erstmals im Berufungsverfahren eine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Zinsen begehrt. In der Geltendmachung dieser Nebenforderung liegt keine Klageänderung (§ 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG). Es stellt sich deshalb nicht die Frage, ob eine geänderte Klage zulässig wäre (vgl. BSG, Urteil vom 6. Februar 2003 – B 7 AL 72/01 R – ).

Als Grundlage für den von der Klägerin erhobenen Anspruch käme einzig § 44 Abs. 1 des Ersten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB I) in Betracht, wonach Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen sind. Diese Bestimmung "findet" im Beitrittsgebiet nach der Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet D Abschnitt III Nr. 1 a des Einigungsvertrages "für den Bereich der Kranken-, Renten- und Unfallversicherung ab 1. Januar 1991 Anwendung". Zu verzinsen sind danach aber nur solche Geldleistungen, die nach dem Sozialgesetzbuch begründet sind, d.s. Leistungen, mit denen "soziale Rechte" der Bürger i.S.d. §§ 2 bis 10 und 18 bis 29 SGB I erfüllt werden (Sozialleistungen). Dazu gehören Leistungen der in der DDR bestehenden Zusatz- und Sonderversorgungssysteme vor ihrer Überführung in die gesetzliche Rentenversicherung aber nicht (BSG, Urteil vom 24. April 1996 – 5/4 RA 37/94 –, SozR 3-1200 § 44 Nr. 1). Die Ansprüche des Versicherten aus der zusätzlichen Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen der Deutschen Demokratische Republik sind erst zum 31. Dezember 1991 in die gesetzliche Rentenversicherung überführt worden (§ 2 Abs. 2 Satz 1 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes [AAÜG] im Anschluss an die Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Maßgabe 9 Buchst. a) Satz 1 des Einigungsvertrags). Aus der ausdrücklichen Anordnung der "Überführung" erhellt zugleich, dass die zu überführenden Ansprüche andernfalls keine aus der gesetzlichen Rentenversicherung (geworden) wären und mithin solche vorher nicht waren.

Dass Ansprüche aus Zusatz- oder Sonderversorgungssystemen vor ihrer Überführung in die (gesetzliche) Rentenversicherung nicht zu verzinsen sind, ist nicht als "planwidrige Unvollständigkeit" anzusehen, der durch eine entsprechende Anwendung des § 44 Abs. 1 SGB I zu begegnen wäre, zumal das Recht der DDR eine Verzinsung von Rentennachzahlungen nicht vorsah. Auch insoweit schließt sich der Senat den Erwägungen des Bundessozialgerichts in dessen Urteil vom 24. April 1996 (a.a.O.) an.

Die vom Senat ausgesprochene Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht der von den Beteiligten vereinbarten Regelung, die dem Ergebnis des Rechtsstreits in der Hauptsache angemessen Rechnung trägt.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt; insbesondere weicht das vorliegende Urteil nicht von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts ab, sondern folgt dessen Rechtsprechung.
Rechtskraft
Aus
Saved