L 8 RJ 27/03

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 26 RJ 1921/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 8 RJ 27/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. März 2003 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger beansprucht die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe (nach bisheriger Bezeichnung: berufsfördernder Leistungen zur Rehabilitation) in Form der Förderung einer vom ihm zwischenzeitlich durchgeführten Bildungsmaßnahme vom 9. Juli 2001 bis 12. April 2002.

Der 1972 im Beitrittsgebiet geborene Kläger durchlief nach Abschluss der 10. Klasse einer Polytechnischen Oberschule in der Zeit von 1988 bis Juli 1991 eine Ausbildung, die mit dem Abschluss als Werkzeugmacher/Vorrichtungen sowie zugleich dem Erwerb der allgemeinen Hochschulreife endete. Ab dem Wintersemester 1991/92 studierte er an der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft B im Studiengang Maschinenbau/Konstruktion. Am 20. März 1993 erlitt er eine akute spontane intracerebrale Blutung links zentral bei AV-Malformation, aufgrund derer er sich in der Zeit vom 20. März bis 11. Juni 1993 in stationärer Behandlung befand. Nach Anschlussheilbehandlungen vom 15. Juni bis 24. August 1993 und 17. Februar bis 14. April 1994 folgte vom 1. Februar bis 15. März 1995 ein stationäres Heilverfahren. In dem dazu erstellten Entlassungsbericht vom 18. April 1995 wurden die Diagnosen

- spastische Hemiparese rechts, - leichte Broca-Aphasie, - symptomatische Epilepsie, - Zustand nach spontaner intracerebraler Blutung und Resektion einer AV- Malformation links temporal 20. März 1993 und - leichtes hirnorganisches Psychosyndrom

genannt. Zum Leistungsvermögen des Klägers wurde ausgeführt, dass "aufgrund der noch schweren Bewegungsstörungen und der motorischen Aphasie zur Zeit eine Wiederaufnahme des Studiums nicht möglich" sei; ebenso sei "eine Tätigkeit im Ausbildungsberuf nicht möglich". Eine Förderung über ein Berufsbildungswerk wurde empfohlen.

Ein anschließend von der Beklagten veranlasstes Gutachten vom 11. August 1995 des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. M führte zu der Feststellung, dass eine spastische Hemiparese weiterhin bestehe, sodass die rechte Hand nicht gebrauchsfähig sei. Auch bestehe bei dem Kläger weiterhin ein symptomatisches Anfallsleiden mit sekundär generalisierten tonisch-klonischen Krämpfen, wobei der letzte Anfall zwei Monate vor der Begutachtung aufgetreten sei. Im Übrigen habe sich die motorische Aphasie gebessert, sodass der Kläger einfache Sätze verlangsamt sprechen könne; es bestünden aber weiterhin Störungen des Sprach- und Lesevermögens. Auf die prüfärztliche Stellungnahme vom 15. September 1995, in der die vorzeitige Wiederholung eines stationären Heilverfahrens aus gesundheitlichen Gründen für erforderlich erachtet und das Leistungsvermögen des Klägers für die Zeit vom 20. März 1993 bis voraussichtlich September 1997 als aufgehoben angesehen wurde, gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 2. Januar 1996 eine weitere medizinische Reha-Maßnahme, an der er vom 6. März bis 1. Mai 1996 teilnahm. Im Entlassungsbericht vom 6. Mai 1996 wurde er als weiterhin nicht arbeitsfähig angesehen; das Leistungsvermögen für leichte Arbeiten liege unter zwei Stunden täglich. Es wurde das Fortbestehen einer spastischen Hemiparese rechts mit starker Beeinträchtigung der Funktion der rechten Hand sowie des Gangbildes beschrieben. Ferner wurde berichtet, dass der Kläger weiterhin unter einer Aphasie mit Wortfindungsstörungen, Dysgraphie, orthographischen Unsicherheiten und einer leichten Dyslexie neurolinguistisch leide. Eine neuropsychologische Untersuchung habe eine mindestens mittelgradige Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit ergeben, wobei im Vordergrund Schwierigkeiten mit der sprachlichen Verarbeitung gestanden hätten.

Mit Bescheid vom 9. Oktober 1996 gewährte die Beklagte dem Kläger aufgrund übergangsrechtlicher Bestimmungen Invalidenrente ab 2. Mai 1996 (bis 1. Mai 1996 Heilverfahren), die sie bis zum 31. August 1998 befristete; das anschließende Widerspruchsverfahren führte nach prüfärztlicher Stellungnahme vom 21. August 1997 zur Gewährung einer Dauerrente. Eine Nachuntersuchung in 2 Jahren wurde vorgesehen.

Wesentliche Veränderungen des Gesundheitszustandes ergaben sich nicht aus dem von der Beklagten veranlassten Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. B vom 5. Februar 1997, der die Durchführung berufsfördernder Leistungen zur Rehabilitation befürwortete. Nach einem neuerlichen stationären Heilverfahren vom 15. Mai bis 26. Juni 1997 kam der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. T schließlich in seiner prüfärztlichen Stellungnahme vom 20. Oktober 1997 ebenso wie bereits zuvor der Prüfarzt im Rentenverfahren zu der Einschätzung, dass das Leistungsvermögen des Klägers auf Dauer aufgehoben sei; berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation seien aus medizinischer Sicht nicht aussichtsreich. Dr. T stützte sich bei seiner Einschätzung wesentlich auf den Entlassungsbericht vom 9. Juli 1997, in dem das Leistungsvermögen des Klägers als aufgehoben bezeichnet worden war (laut Entlassungsbericht nur sehr gering belastbar, schlechterer Zustand als 1996).

Im Hinblick auf diese prüfärztliche Einschätzung wurde ein vorangegangener Antrag auf Gewährung berufsfördernder Leistungen zur Rehabilitation vom 12. Juni 1996 mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 12. Dezember 1997 abgelehnt.

Im Rahmen der Prüfung des Fortbestehens der medizinischen Voraussetzungen zur Weiterzahlung der Invalidenrente im September 1999 wurden ein Bericht des Evangelischen Krankenhauses K-E H zu einem stationären Aufenthalt vom 24. Februar bis 11. März 1997 und ein Befundbericht der behandelnden Fachärztin Dr. C vom 17. November 1999 beigezogen. Die behandelnde Ärztin bescheinigte einen unveränderten neurologischen Status und verneinte eine Möglichkeit der Besserung. Mit der prüfärztlichen Stellungnahme vom 24. November 1999 wurde daraufhin die Aufhebung des Leistungsvermögens auf Dauer bestätigt und die Notwendigkeit einer Nachuntersuchung nur bei Arbeitsaufnahme gesehen.

Der Kläger nahm in der Zeit vom 12. Februar 1998 bis 4. September 2000 an einem Fernlehrgang "Konstrukteur CAD" erfolgreich teil (Zeugnisse vom 13. Juni und 28. November 2000).

Am 19. März 2001 beantragte der Kläger bei der Beklagten erneut die Gewährung von berufsfördernden Leistungen zur Rehabilitation in Form der Förderung einer Ausbildung bei der Firma c GmbH zum CAD-Fachmann Technik/Maschinenbau in der Zeit vom 9. Juli 2001 bis 12. April 2002. Die daraufhin veranlasste prüfärztliche Stellungnahme von dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. R vom 21. Mai 2001 kam zu der Einschätzung, dass (weiterhin) eine regelmäßige Erwerbstätigkeit für den Kläger nicht zumutbar sei und Berufsförderungsleistungen nach § 16 SGB VI aus medizinischer Sicht nicht aussichtsreich seien. Daraufhin wurde der Antrag mit Bescheid vom 11. Juni 2001 abgelehnt, da die persönlichen Voraussetzungen gemäß § 10 SGB VI nicht erfüllt seien.

Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, dass er die beantragte Maßnahme benötige, um eine Tätigkeit als Konstrukteur ausüben zu können. Zur Erreichung seines Zieles habe er bereits aus eigener Kraft ein Fernstudium erfolgreich absolviert, ein Praktikum durchgeführt sowie andere Aktivitäten zur Wiedereingliederung ins Berufsleben realisiert, jeweils mit guten Ergebnissen. Die Beklagte blieb bei ihrer Auffassung, da nach dem Ergebnis der medizinischen Feststellungen nicht zu erwarten sei, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers durch die angestrebte Leistung wesentlich gebessert, wiederhergestellt bzw. eine wesentliche Verschlechterung abgewendet werden könne (Widerspruchsbescheid vom 24. Juli 2001).

Hiergegen hat sich der Kläger mit seiner am 16. August 2001 zum Sozialgericht (SG) Berlin erhobenen Klage gewandt, mit der er eine unzutreffende Einschätzung seiner Möglichkeiten seitens der Beklagten gerügt hat. Zur Begründung hat er ein in Zusammenhang mit der Erlangung der Fahrerlaubnis erstattetes neurologisch-psychiatrisches Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. F vom 1. April 2001 sowie ein weiteres im Auftrag des Klägers von seiner behandelnden Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. C erstattetes neuropsychiatrisches Gutachten vom 15. August 2001 vorgelegt. Ergänzend hat er darauf verwiesen, dass er die Ausbildung zum CAD-Fachmann im vorgesehenen Zeitraum vom 9. Juli 2001 bis 12. April 2002 erfolgreich durchlaufen habe und mit dem Wintersemester 2002/2003 sein Studium an der Fachhochschule im alten Studiengang fortsetze.

Das SG hat ein psychiatrisch-neurologisches Gutachten vom 24. März 2002 von Prof. Dr. Z erstatten lassen, der

- einen Zustand nach Hirnblutung (aufgrund einer arteriovenösen Malformation) im Bereich des Schläfen- und Scheitellappens links,

- eine rechtsseitige Halbseitenlähmung mit Armbetonung, ein neuropsychologisches Syndrom, vornehmlich durch eine Aphasie mit bevorzugter Beeinträchtigung der expressiven Sprachleistungen gekennzeichnet,

- ein symptomatisches, derzeit unter antikonvulsiver Medikation nicht manifestes Anfallsleiden

festgestellt hat.

Er ist zu der Einschätzung gelangt, der Kläger könne nicht täglich regelmäßig körperliche Arbeiten verrichten, da er in der Benutzung der rechten Körperhälfte und insbesondere der rechten Hand erheblich eingeschränkt sei. Darüber hinaus sei er nicht in der Lage, auch nur einfache geistige Arbeiten auszuüben, soweit sie an das Verständnis sprachlicher (d. h. gesprochener oder geschriebener) Informationen oder die eigene sprachliche Mitteilungsfähigkeit gebunden seien. Daher erscheine es auch ausgeschlossen, dass der Kläger in der Lage sei, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig die Tätigkeit eines CAD-Konstrukteurs auszuüben.

Auf die dagegen gerichteten Angriffe des Klägers hat das SG zunächst bei dem Praktikumsbetrieb (in der Zeit vom 21. Januar bis 10. April 2002) nachgefragt, der bestätigt hat, dass der Kläger das Praktikum über acht Stunden ohne Beeinträchtigungen absolviert habe. Die Arbeiten am CAD habe er so, wie man sie von einem Schwerbehinderten erwarten könne, erfüllt. Seine kommunikativen Schwierigkeiten und die damit verbundenen Ausdrucksfehler beeinträchtigten selbstverständlich seine Einsetzbarkeit in einem Konstruktionsbüro. Eine vollwertige Aufgabenerfüllung, wie man sie von einem nicht behinderten Menschen erwarten könne, sei zum gegenwärtigen Gesundheitsstand des Klägers nicht zu erbringen.

Sodann hat das SG eine gutachterliche Stellungnahme vom 26. November 2002 von Prof. Dr. Z eingeholt, der bei seiner Einschätzung geblieben ist. Außerdem hat das SG Informationen zum Berufsbild der Fachkraft CAD (Maschinenbau) von der Bundesanstalt für Arbeit eingeholt.

Schließlich hat das SG Beweis erhoben über die Arbeitsbedingungen und Arbeitsanforderungen einer CAD-Fachkraft Konstruktion im Bereich Maschinenbau durch Vernehmung des Diplom-Ingenieurs H als berufskundlichem Sachverständigen. Der Sachverständige hat unter anderem erklärt, dass die Arbeit im Bereich der CAD- gestützten Konstruktionen zu einem nicht unerheblichen Teil, der bis zu 50 % der Arbeitszeit ausmachen könne, aus der Informationsbeschaffung und Kommunikation mit den Beteiligten bestehe. Er gehe allerdings davon aus, dass die notwendigen Gespräche in kleineren Betrieben zwischen Vorgesetzten und dem Kläger bzw. zwischen ihm als Konstrukteur und den die Konstruktion ausführenden Mitarbeitern bei einem gewissen Bemühen der Beteiligten zum gewünschten Erfolg führen müssten.

Sodann hat das SG die Klage mit Urteil vom 25. März 2003 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf die beantragten Leistungen gemäß §§ 9 ff. SGB VI. Die persönlichen Voraussetzungen für die Gewährung der beantragten Leistungen (§ 10 SGB VI) gerade in der durchgeführten Form, die einzig Gegenstand der rechtlichen Überprüfung seien, hätten nicht vorgelegen, da die geminderte Erwerbsfähigkeit des Klägers aufgrund der weitgehenden Aufhebung seines körperlichen wie geistig-seelischen Leistungsvermögens durch die geltend gemachten berufsfördernden Leistungen voraussichtlich nicht wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden könne. Dies ergebe sich aus den bei dem Kläger bestehenden körperlichen Handicaps, insbesondere der Aufhebung der Gebrauchsfähigkeit der rechten Hand, sowie vor allem aber aufgrund der geistigen Defizite, soweit sie an das Verständnis geschriebener oder gesprochener sprachlicher Informationen oder die eigene sprachliche Mitteilungsfähigkeit gebunden seien. Aufgrund dessen sei der Kläger nicht in der Lage, wettbewerbsfähig und vollschichtig, d. h. bei einer täglichen Arbeitszeit von mindestens sechs Stunden als CAD-Fachkraft Technik/Maschinenbau, unter nicht geschützten Bedingungen tätig zu sein. Aufgrund des ausführlichen, schlüssigen, nachvollziehbaren und in sich widerspruchsfreien Gerichtsgutachtens von Prof. Dr. Z, ergänzt durch seine gutachterliche Stellungnahme vom 26. November 2002, das durch die Vernehmung des Klägers in der mündlichen Verhandlung am 21. Januar und 25. März 2003 bestätigt worden sei, sowie die weitere Beweiserhebung in Form der Vernehmung des berufskundlichen Sachverständigen H habe sich zur Überzeugung des SG ergeben, dass bei dem Kläger tatsächlich derart gravierende Defizite im geistig/sprachlich-kommunikativen Bereich auf Dauer bestünden, die es verhinderten, in sachgerechter Weise an den mit einer solchen Tätigkeit als Konstrukteur notwendig verbundenen Kommunikationsprozessen teilzuhaben.

Dass der Kläger demgegenüber auf mathematischem Gebiet oder im Zusammenhang mit der Arbeit am Computer noch über weitaus größere Fähigkeiten verfüge, vermöge an diesem bedauernswerten Zustand nichts zu ändern. Bei der Tätigkeit als CAD-Fachkraft Technik/Maschinenbau, d. h. als Konstrukteur, handele es sich um ein in hohem Maße komplexes Berufsbild mit vielfältigen Anforderungen, insbesondere auch sprachlich- kommunikativer Art an den Konstrukteur im Zusammenhang mit der Beschaffung von Informationen sowie im Rahmen der erforderlichen Gespräche und Abstimmungen mit den weiteren am Verfahren Beteiligten wie Auftraggebern, Vorgesetzten, den das Ergebnis der Tätigkeit des Konstrukteurs in die Realität umsetzenden Mitarbeitern und zuletzt jenen im Bereich der Produktion tätigen und das Ergebnis der Arbeit des Konstrukteurs anwendenden Beschäftigten. Dies habe zur Folge, dass die Tätigkeit des Konstrukteurs neben der umfangreichen Tätigkeit unmittelbar am Rechner nicht zuletzt zu einem nicht unerheblichen Teil aus solchen sprachlichen kommunikativen Prozessen bestehe. Diesen Anforderungen vermöge der Kläger jedoch aus den vom gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. Z ausführlich dargelegten Umständen nicht in ausreichender Weise zu entsprechen. Wenn auch der berufskundliche Sachverständige H am Ende seiner Vernehmung erklärt habe, dass er der Auffassung sei, dass die notwendigen Gespräche "bei einem gewissen Bemühen der Beteiligten zum gewünschten Erfolg führen müssten", so habe diese Aussage nichts an der Überzeugung des Gerichts zu ändern vermocht, da sich das SG dieser Beurteilung aus den vorgenannten Umständen gerade nicht habe anschließen können.

Dagegen hat sich der Kläger mit seiner Berufung gewandt, mit der er sein Begehren weiter verfolgt und seine bisherige Auffassung noch einmal ausführlich dargelegt hat. Er hat dazu ein von ihm veranlasstes neuropsychiatrisches Gutachten vom 6. August 2003 von Dr. B, Chefarzt der Abteilung Neurologie des St. J-Krankenhauses B-W vorgelegt, wonach er in der Lage sei, täglich sechs bis acht Stunden als CAD-Konstrukteur zu arbeiten. Insbesondere seien die der negativen Einschätzung zugrunde gelegten sprachlich kommunikativen Defizite nicht derart gravierend, dass sie eine entsprechende Berufstätigkeit wie bisher angenommen ausschließen würden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. März 2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. Juni 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24. Juli 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die von ihm in der Zeit vom 9. Juli bis 12. April 2002 durchgeführte Ausbildung zum CAD-Fachmann Technik/Maschinenbau dem Grunde nach zu fördern.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil, das dem Ergebnis der durchgeführten Ermittlungen entspreche. Die beim Kläger aufgrund seiner Erkrankung bestehenden Behinderungen insbesondere im sprachlich-kommunikativen Bereich ließen einen Einsatz auf dem normalen Arbeitsmarkt im Bereich des angesprochenen Berufes nicht zu.

Auf Veranlassung des Senats hat Prof. Dr. Z in seinem ergänzenden Gutachten vom 26. Mai 2004 in ausführlicher Auseinandersetzung mit dem vom Kläger eingereichten Gutachten von Dr. B erklärt, dass weiterhin nicht davon ausgegangen werden könne, dass der Kläger unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes einer entsprechenden Tätigkeit werde nachgehen können, sondern auf die geschützten Arbeitsbedingungen einer Einrichtung angewiesen bleibe, die bereit sei, seiner Behinderung Rechnung zu tragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die Gerichtsakte sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten (Versicherungs-Nr. ), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Förderung der Fortbildung zum CAD-Fachmann vom 9. Juli 2001 bis 12. April 2002.

Rechtsgrundlage der Entscheidung sind die §§ 9 ff. SGB VI in der ab 1. Juli 2001 geltenden Fassung durch Gesetz vom 19. Juni 2001 (Bundesgesetzblatt I, S. 1046), da mit der erstrebten Förderung der ab 9. Juli 2001 begonnenen Bildungsmaßnahme kein Sachverhalt im Sinne des Art. 67 des Gesetzes vom 19. Juni 2001 vorliegt, der zur Anwendung der vor dem Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes geltenden Fassung führen könnte. Denn weder war vor diesem Tag (1. Juli 2001) der Anspruch entstanden oder die Leistung zuerkannt worden noch die Maßnahme, für die die Leistung bis zum Beginn der Maßnahme beantragt worden sein musste, begonnen worden.

Die Entscheidung der Frage, ob dem Kläger Leistungen zur Teilhabe bzw. nach bisheriger Bezeichnung Leistungen zur beruflichen Rehabilitation zu gewähren sind, steht nicht im Ermessen der Beklagten, sondern ist davon abhängig, ob die allgemeinen Leistungsvoraussetzungen des § 10 SGB VI (persönliche Voraussetzungen) und des § 11 SGB VI (versicherungsrechtliche Voraussetzungen) vorliegen und kein Leistungsausschluss gemäß § 12 SGB VI gegeben ist. Dem steht nicht entgegen, dass im Gesetz (vgl. § 9 Abs. 2 SGB VI) die Wendung gebraucht wird, Leistungen zur Teilhabe "können erbracht werden". Dies bedeutet nur, dass die in einem zweiten Schritt zu treffende Entscheidung, wie die Leistung zur Teilhabe nach Art, Dauer, Umfang und Begründung durchzuführen ist, d. h. welche Leistungen im Einzelnen in Betracht kommen, im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten steht, während die Entscheidung über das "Ob" der Leistungsgewährung in vollem Umfang gerichtlich überprüfbar ist (vgl. BSG Urteil vom 23. Februar 2000 – B 5 RJ 8/99 R – in SozR -3 -2600 § 10 Nr. 2; Kasseler Kommentar, § 13 SGB VI. Rn. 4 ff.).

Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sind mit der Zuerkennung der dem Kläger von der Beklagten gewährten Invalidenrente gegeben (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI). Nicht gegeben sind dagegen die persönlichen Voraussetzungen.

Gemäß § 10 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte für Leistungen zur Teilhabe die persönlichen Voraussetzungen erfüllt, 1) deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist und 2) bei denen voraussichtlich

a) bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben abgewendet werden kann,

b) bei geminderter Erwerbsfähigkeit diese durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben wesentlich gebessert oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann,

c) bei teilweiser Erwerbsminderung ohne Aussicht auf eine wesentliche Besserung der Erwerbsfähigkeit der Arbeitsplatz durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten werden kann.

Die Voraussetzung der Nr. 1 der Bestimmung erfüllt der Kläger unstreitig, denn nach den ärztlichen Feststellungen ist seine Erwerbsfähigkeit gemindert. Dagegen liegen die Bedingungen der Nr. 2 b) – die hier allein in Betracht kommt -, nicht vor.

Die Frage, was unter geminderter Erwerbsfähigkeit bzw. Erwerbsfähigkeit zu verstehen ist, ist nach § 43 SGB VI zu beantworten (vgl. BSG a. a. O. mit der Verweisung auf § 44 SGB VI für den Begriff der Erwerbs(un)fähigkeit). Danach sind (voll) erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind auch Versicherte nach § 1 S. 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können (§ 43 Abs. 2 S. 2 und 3 SGB VI.). Dagegen ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann (§ 43 Abs. 3 Hs. 1 SGB VI.).

Mithin ist erforderlich, dass der Kläger durch die beanspruchte Förderung der Ausbildung zum CAD-Fachmann voraussichtlich eine wesentliche Besserung seiner geminderten Erwerbsfähigkeit erfährt. Es muss die begründete Erwartung bestehen, dass sich durch die berufsfördernden Leistungen volle Erwerbsminderung bzw. Invalidität beseitigen lassen, d. h. die Fähigkeit erreicht wird, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig sein zu können (vgl. Kasseler Kommentar § 10 SGB VI, Rn. 11). Denn die Rentenversicherungsträger tragen Reha-Maßnahmen nur mit dem Ziel, die Erwerbsfähigkeit wiederherzustellen oder zu bessern, also nur unter dem Gesichtspunkt, ihre Einstandspflicht (Rentenzahlung) zu vermeiden (BSG SozR 3-2200 § 1237 Nr. 1).

Diese Frage ist nach Maßgabe des gesetzlichen Merkmals "voraussichtlich" im Sinne einer vorausschauenden Beurteilung (Prognose) zu beantworten (BSG Urteil vom 23. April 1992 – 13 RJ 27/91 -). Es ist also auf die Verhältnisse zu Beginn einer Maßnahme abzustellen (vgl. Kasseler Kommentar § 10 SGB VI Rdnr. 15) und im Falle einer zunächst positiven Bewertung in "begleitender Kontrolle" zu prüfen, ob die Maßnahme nach den bisherigen Erfahrungen den gewünschten Erfolg der Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit des Versicherten herbeiführen wird (vgl. BSG a. a. O.).

An dieser Erfolgsaussicht fehlt es, wie das SG im angefochtenen Urteil zutreffend angenommen hat. Die vom Kläger am 9. Juli 2001 aufgenommene Ausbildung, die er trotz seiner Behinderungen aufgrund seiner speziellen Begabung erfolgreich durchlaufen hat, lässt einen Arbeitseinsatz unter den "üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes" als CAD-Fachmann nicht zu.

Zu diesem Ergebnis ist schon die Beklagte unter Einbeziehung des Ergebnisses der Nachprüfung im Rentenverfahren im Wesentlichen auf der Grundlage der Feststellungen in dem Entlassungsbericht zu dem 1997 durchgeführten Heilverfahren gelangt. Dies begegnet keinen durchgreifenden Bedenken, da auch die behandelnde Ärztin in ihrem Befundbericht vom 17. November 1999 einen im Wesentlichen unveränderten Gesundheitszustand bescheinigt und eine Besserungsmöglichkeit verneint hat. Aber selbst wenn man infolge Zeitablaufs eine weitere Abklärung für eine sachgerechte Beurteilung für erforderlich halten wollte, liegt diese mit der im März 2002 und damit zeitnah während der streitigen Fortbildung erfolgten Begutachtung von Prof. Dr. Z vor und bestätigt die getroffene Bewertung.

Bei dem von Prof. Dr. Z festgestellten Gesundheitszustand des Klägers handelt es sich – wie auch der vom Kläger beauftragte Gutachter Dr. B ohne Einschränkungen einräumt – um eine Residualverfassung, d. h. es ist nicht mit einer weiteren Rückbildung der neurologischen und neuropsychologischen Ausfallerscheinungen zu rechnen, sodass lediglich noch die psychischen und sozialen Folgen der Behinderung gemildert werden können.

Das körperliche Leistungsvermögen wird entscheidend durch eine armbetonte Hemiparese rechts limitiert (vgl. Untersuchungsbefund Prof. Dr. Z Bl. 5/6 des Gutachtens). Da sie aber im Rahmen der streitigen Ausbildung die Teilnahme an einem Praktikum zugelassen hat, kann gleichwohl davon ausgegangen werden, dass hinsichtlich der rein körperlichen Behinderungen dem Kläger körperliche Belastungen, wie sie im Bürobereich vorkommen, nicht generell unmöglich sind.

Die schwerwiegenderen Behinderungen stellen im Hinblick auf die Zielsetzung des § 10 Abs. 1 SGB VI die komplexen neuropsychologischen Ausfallerscheinungen dar, in deren Zentrum eine Aphasie mit vorrangiger Einschränkung der expressiven Sprachleistungen steht (vgl. dazu die Ausführungen im Gutachten von Prof. Dr. Z S. 11 ff., aber auch die Schilderung der Anamneseerhebung Bl. 2-5 des Gutachtens). Daraus resultiert nach Auffassung von Prof. Dr. Z eine erhebliche sozialkommunikative Behinderung, die im Ergebnis einen Einsatz unter üblichen Bedingungen in dem komplexen Berufsfeld des CAD-Konstrukteurs nicht zulasse. Diese Einschätzung begegnet unter Berücksichtigung der von dem Gutachter dargestellten Sprachstörungen im Hinblick auf die zum Teil erheblichen sprachlich-kommunikativen Anforderungen im angesprochenen Beruf keinen Bedenken. Wenn der berufskundliche Sachverständige H dennoch in kleineren Betrieben "bei einem gewissen Bemühen der Beteiligten" die erforderliche Kommunikation im Bereich der Betriebsmittelkonstruktion für möglich erachtet, so vermag dies nicht zu überzeugen. Denn die Sprachstörungen erfordern ausweislich der Gesprächsschilderung des Gutachters Prof. Dr. Z –im übrigen auch nach den Ausführungen des Privatgutachters Dr. B- einen zusätzlichen und zeitaufwendigen Personaleinsatz, um den erforderlichen Informationsfluss sicherzustellen, der auch oder gerade in kleineren Betrieben üblicherweise wohl kaum zu leisten sein wird. Jedenfalls gehört dieses Erfordernis eines geduldigen Eingehens auf den Kläger nicht zu den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes.

Das von dem Kläger in Auftrag gegebene und im Berufungsverfahren vorgelegte neuropsychiatrische Gutachten vom 6. August 2003 von Dr. B vermittelt dagegen einen zum Teil erheblich anderen Eindruck von dem Kläger. Danach wird offenbar die körperliche Behinderung in ihrer Auswirkung nicht so pessimistisch gesehen wie von Prof. Dr. Z. Zum anderen wird aber, was bedeutsamer ist, auch das sprachliche Leistungsvermögen als weit weniger beeinträchtigt bewertet als dies von Prof. Z geschehen ist. So werden bei der Spontansprache nur geringe bzw. mäßige Störungen und auch im Weiteren nur minimale bis leichte Störungen bescheinigt. Diese Feststellungen stehen aber, worauf auch Prof. Z in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 26. Mai 2004 hinweist, im Widerspruch zu anderen Ausführungen in dem Gutachten. So wird davon gesprochen, dass "die Zusammenarbeit während der Untersuchung ( ...) durch die Sprachstörungen leicht erschwert (gewesen sei) und seitens des Untersuchers besondere Bemühungen (erfordert habe), den Patienten zu verstehen, was auch zu einem erhöhten Zeitaufwand" geführt habe. Den offenbar dennoch bestehenden Verständigungsschwierigkeiten ist es wohl geschuldet, wenn in dem Gutachten (S. 7) die Ausgangslage –unzutreffend- derart charakterisiert wird, dass die LVA bestrebt sei, den Kläger zu berenten, während der Kläger selbst in das Berufsleben einsteigen möchte. Dass der Kläger die erfolgte Berentung nicht gewünscht habe, wird nirgends deutlich und ist auch nicht anzunehmen, da er die Gewährung einer Dauerrente statt nur einer Zeitrente im Widerspruchsverfahren erfolgreich durchgesetzt hat. Von dieser Ausgangslage ist ersichtlich das Gutachten geprägt, wenn es die Fähigkeit des Klägers, vollschichtig als CAD-Konstrukteur zu arbeiten bejaht, aber andererseits betont, dass "der Arbeitseinsatz und der gesamte Aufgabenbereich mit dem Arbeitgeber und den Kollegen vorher gründlich abgesprochen werden" sollte. Hinzu kommt, dass auch Dr. B ersichtlich die besonderen Schwierigkeiten des Klägers erkennt, wenn er wiederholt (S. 7+8 des Gutachtens) die Notwendigkeit einer solchen Absprache betont und des weiteren vorsichtig ausführt, "unter dem Aspekt der weiteren persönlichen Entwicklung des Patienten wäre aus psychologischer Sicht eine Berufstätigkeit sehr wünschenswert"; "dass dieser Einstieg in das Arbeitsleben durchaus erfolgreich sein (könne), aber doch ein Versuch wäre, sollte (der Kläger) sich aber bewusst sein". Daran wird deutlich, dass die sprachlich- kommunikativen Defizite des Klägers ersichtlich doch nicht nur einen solch geringen Stellenwert haben, wie es in dem Gutachten zuvor dargestellt worden ist. Dass ein Einsatz "unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes" erfolgen könnte, kann deshalb nicht angenommen werden. Vielmehr könnte der Kläger auch unter Berücksichtigung der Ausführungen von Dr. B allenfalls in einem geschützten Bereich unter besonderen, auf ihn speziell abgestimmten

Bedingungen tätig sein, mit der Folge, dass er auch weiterhin Invalidenrente bzw. Rente wegen voller Erwerbsminderung beanspruchen kann. Für eine Bildungsmaßnahme die an der Rentenberechtigung nichts zu ändern vermag, hat der Rentenversicherungsträger aber nicht einzustehen (vgl. das bereits zitierte Urteil des BSG vom 27. Februar 1991 Soz R 3-2200 § 1237 Nr. 1).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.

Gründe zur Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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