Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
13
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 43 SB 1612/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 13 B 1048/05 SB ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 25. August 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, die gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "aG" festzustellen.
Die im Jahre 1945 geborene Antragstellerin leidet an einem metastasierenden Mamma-Karzinom. Auf der Grundlage der eingereichten ärztlichen Unterlagen und entsprechend der versorgungsärztlichen Stellungnahme erkannte der Antragsgegner mit Bescheid vom 27. November 2004, geändert durch Bescheid vom 22. April 2005, einen Grad der Behinderung (GdB) von 100 wegen "Brusterkrankung, Folgeleiden" an und stellte das Vorliegen der Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" fest. Ferner stellte er unter dem 22. April 2005 eine Bescheinigung zur Vorlage bei der Straßenverkehrsbehörde aus, wonach die Antragstellerin zum Kreis schwerbehinderter Menschen mit Behinderungen gehöre, deren Auswirkungen den Mobilitätseinschränkungen schwerbehinderter Menschen mit dem Merkzeichen "aG" fast gleichzusetzen seien. Gegen die Versagung des Merkzeichens "aG" legte die Antragstellerin Widerspruch ein, den der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 31. Mai 2005 zurückwies. Hiergegen erhob die Antragstellerin am 6. Juli 2005 unter Vorlage von Attesten der sie behandelnden Ärzte Klage vor dem Sozialgericht Berlin (Az.: S 43 SB 1612/05).
Mit Bescheid vom 30. Mai 2005 erteilte das Bezirksamt S von B – Straßenverkehrsbehörde – der Antragstellerin die auf die Länder Berlin und Brandenburg beschränkte Ausnahmegenehmigung zur Bewilligung von Parkerleichterungen mit dem dazu gehörigen EU-Parkausweis. Einen Anspruch auf einen Parkplatz verneinte die Straßenverkehrsbehörde mit der Begründung, dieser bleibe dem Personenkreis mit den Merkzeichen "aG" und "Bl" vorbehalten.
Am 24. August 2005 hat die Antragstellerin bei dem Sozialgericht Berlin beantragt, im Wege der einstweiligen Anordnung festzustellen, dass ihr das Merkzeichen "aG" zusteht: Ihr sei es auf Grund ihrer schweren Erkrankung unzumutbar, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Das Sozialgericht Berlin hat den Antrag mit Beschluss vom 25. August 2005 abgelehnt. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt: Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache seien offen. Es fehle aber jedenfalls an einem Anordnungsgrund. Die schwere Erkrankung der Antragstellerin könne keine Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigen, da Kläger, die das Merkzeichen "aG" begehrten, in der Regel schwer erkrankt seien. Der Antragstellerin drohten angesichts der zur Vorlage bei der Straßenverkehrsbehörde ausgestellten Bescheinigung vom 22. April 2005 keine unzumutbaren Nachteile.
Die Antragstellerin hat gegen den Beschluss Beschwerde eingelegt: Es stelle für sie einen wesentlichen Nachteil dar, dass sie trotz ihrer Erkrankung öffentliche Parkplätze beanspruchen müsse, die größtenteils mehr als 50 m von dem Zielort entfernt lägen. Sie sei nicht berechtigt, Behindertenparkplätze vor Supermärkten und Behörden in Anspruch zu nehmen. Aufgrund massiver Metastasenbildung in der Wirbelsäule und im Becken sei es ihr nicht möglich, sich zu Fuß mehr als 15 m zu bewegen. Daneben erschwere die arthritische Veränderung beider Kniegelenke ihre Fortbewegung. Überdies sei sie aufgrund der Strahlen- und Chemotherapie, die sie periodisch erfahre, geschwächt. Zusätzlich werde ihre Bewegungsfähigkeit durch ein Angina pectoris-Syndrom negativ beeinflusst. Sie leide stets an unerträglichen Schmerzen. Durch die Gehbelastung erfahre sie weitere Schmerzen, was unzumutbar sei.
Dem schriftlichen Vorbringen der Antragstellerin ist der Antrag zu entnehmen,
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 25. August 2005 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Anordnung zur Feststellung zu verpflichten, dass bei ihr die Voraussetzungen des Merkzeichens "aG" vorliegen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Ferner wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte, der Akten der sozialgerichtlichen Verfahren S 43 SB 1612/05 und S 43 SB 1612/05 ER sowie des die Antragstellerin betreffenden Verwaltungsvorgangs des Antragsgegners verwiesen, die vorgelegen haben.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Das Sozialgericht Berlin hat den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zu Recht zurückgewiesen. Der von der Antragstellerin begehrte Erlass einer einstweiligen Anordnung im Sinne des § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verstieße gegen den Grundsatz, dass die Hauptsache nicht vorweggenommen werden darf. Denn vorliegend käme die vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners, festzustellen, dass bei der Antragstellerin die Voraussetzungen des Merkzeichens "aG" vorliegen, einer vorläufigen Verurteilung in der Hauptsache gleich.
Die nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz gebotenen Ausnahmen vom dem Vorwegnahmeverbot der Hauptsache hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) gemacht. Diese setzen voraus, dass der Erfolg der Klage höchstwahrscheinlich und ein Abwarten auf eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren unzumutbar ist.
Die Vorwegnahme der Entscheidung im Klageverfahren ist hier bereits deshalb nicht ausnahmsweise zulässig, weil - wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat – im derzeitigen Verfahrensstand die Erfolgsaussichten der Klage offen sind. Im Hauptsacheverfahren wird noch zu ermitteln sein, ob die schwerbehinderte Klägerin sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen kann (vgl. Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) vom 22. Oktober 1998 (BAnz. Nr. 246b vom 31. Dezember 1998, ber. 1999 S. 947), zuletzt geändert am 11. August 2005 (BAnz. Nr. 156 vom 19. August 2005, S. 12602), Rn. 129 zu § 46 StVO (zu Nr. 11, Anm. II.1).
Im Übrigen hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, dass es für sie unzumutbar sei, auf eine Entscheidung über ihre Klage abzuwarten. Auf der Grundlage der von dem Antragsgegner ausgestellten Bescheinigung vom 22. April 2005 erteilte die Straßenverkehrsbehörde mit Bescheid vom 30. Mai 2005 der Antragstellerin eine auf die Länder Berlin und Brandenburg beschränkte Ausnahmegenehmigung zur Bewilligung von Parkerleichterungen. Diese berechtigt die Antragstellerin nach den VwV-StVO, Rn. 118ff. zu § 46 StVO (zu Nr. 11, Anm. I.1),
a) an Stellen, an denen das eingeschränkte Haltverbot angeordnet ist (Zeichen 286, 290), bis zu drei Stunden zu parken, b) im Bereich eines Zonenhaltverbots (Zeichen 290) die zugelassene Parkdauer zu überschreiten, c) an Stellen, die durch Zeichen 314 und 315 gekennzeichnet sind und für die durch ein Zusatzschild eine Begrenzung der Parkzeit angeordnet ist, über die zugelassene Zeit hinaus zu parken, d) in Fußgängerzonen, in denen das Be- oder Entladen für bestimmte Zeiten freigegeben ist, während der Ladezeiten zu parken, e) an Parkuhren und bei Parkscheinautomaten zu parken, ohne Gebühr und zeitliche Begrenzung, f) auf Parkplätzen für Anwohner bis zu drei Stunden zu parken, g) in verkehrsberuhigten Bereichen (Zeichen 325) außerhalb der gekennzeichneten Flächen ohne den durchgehenden Verkehr zu behindern, zu parken, sofern in zumutbarer Entfernung keine andere Parkmöglichkeit besteht, wobei die höchstzulässige Parkzeit 24 Stunden beträgt.
Ferner darf sie nach den VwV-StVO, Rn. 20 zu § 45 StVO (zu Abs. 1 bis 1e, Anm. IX.1b) die in der Regel durch die Zeichen 314 oder 315 mit dem Zusatzschild "Rollstuhlfahrersymbol" gekennzeichneten Parkmöglichkeiten für Schwerbehinderte mit außergewöhnlicher Gehbehinderung und Blinde im Sinne des § 45 Abs. 1b Satz 1 Nr. 2 StVO nutzen, sofern es sich um Parkplätze handelt, die allgemein dem erwähnten Personenkreis zur Verfügung stehen. Die Antragstellerin befürchtet deshalb zu Unrecht, ohne die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" müsse sie, weil sie beispielsweise nicht berechtigt sei, Behindertenplätze vor Supermärkten und Behörden in Anspruch zu nehmen, trotz ihrer Erkrankung öffentliche Parkplätze beanspruchen, die größtenteils mehr als 50 m von dem Zielort entfernt lägen.
Dass für sie ein Abwarten auf eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren wegen der Beschränkung der Parkerleichterungen auf das Gebiet der Länder Berlin und Brandenburg unzumutbar sei, trägt die Antragstellerin selbst nicht vor.
Im Übrigen hat sie weder dargelegt noch glaubhaft gemacht, ob und inwieweit ihr nicht hinzunehmende – und damit die Annahme der Unzumutbarkeit rechtfertigende – Nachteile daraus entstünden, dass die Ausnahmegenehmigung der Straßenverkehrsbehörde die Einrichtung eines Parkplatzes vor ihrem Wohnhaus nicht vorsieht.
Im Übrigen genügt es für die Schaffung der durch die Zeichen 314, 315 mit dem Zusatzschild "(Rollstuhlfahrersymbol) mit Parkausweis Nr ..." gekennzeichneten Parkplätze für bestimmte Schwerbehinderte mit außergewöhnlicher Gehbehinderung und Blinde, z.B. vor der Wohnung oder in der Nähe der Arbeitsstätte, nicht allein, dass dem antragstellenden Schwerbehinderten das Merkzeichen "aG" zuerkannt worden ist. Vielmehr setzt die Einrichtung dieser Parkplätze nach den VwV-StVO, Rn. 23 bis 25 zu § 45 StVO (zu Abs. 1 bis 1e, Anm. IX.2a) eine Prüfung durch die Straßenverkehrsbehörde voraus, ob
- ein Parksonderrecht erforderlich ist, was beispielsweise nicht der Fall ist, wenn Parkraummangel nicht besteht oder der Schwerbehinderte in zumutbarer Entfernung eine Garage oder einen Abstellplatz außerhalb des öffentlichen Verkehrsraumes hat, - ein Parksonderrecht vertretbar ist, was beispielsweise nicht der Fall ist, wenn ein Haltverbot (Zeichen 283) angeordnet wurde, - ein zeitlich beschränktes Parksonderrecht genügt.
Derartige fachspezifische Ermittlungen zur Klärung der Frage, ob nach Zuerkennung des Merkzeichens "aG" im Einzelfall überhaupt die straßenverkehrsrechtlichen Voraussetzungen für die begehrte Einrichtung eines individuellen Behindertenparkplatzes der genannten Art erfüllt werden, sind im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes nicht durchzuführen.
Die entsprechend § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG zu treffende Kostenentscheidung berücksichtigt, dass die Beschwerde keinen Erfolg hat.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, die gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "aG" festzustellen.
Die im Jahre 1945 geborene Antragstellerin leidet an einem metastasierenden Mamma-Karzinom. Auf der Grundlage der eingereichten ärztlichen Unterlagen und entsprechend der versorgungsärztlichen Stellungnahme erkannte der Antragsgegner mit Bescheid vom 27. November 2004, geändert durch Bescheid vom 22. April 2005, einen Grad der Behinderung (GdB) von 100 wegen "Brusterkrankung, Folgeleiden" an und stellte das Vorliegen der Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" fest. Ferner stellte er unter dem 22. April 2005 eine Bescheinigung zur Vorlage bei der Straßenverkehrsbehörde aus, wonach die Antragstellerin zum Kreis schwerbehinderter Menschen mit Behinderungen gehöre, deren Auswirkungen den Mobilitätseinschränkungen schwerbehinderter Menschen mit dem Merkzeichen "aG" fast gleichzusetzen seien. Gegen die Versagung des Merkzeichens "aG" legte die Antragstellerin Widerspruch ein, den der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 31. Mai 2005 zurückwies. Hiergegen erhob die Antragstellerin am 6. Juli 2005 unter Vorlage von Attesten der sie behandelnden Ärzte Klage vor dem Sozialgericht Berlin (Az.: S 43 SB 1612/05).
Mit Bescheid vom 30. Mai 2005 erteilte das Bezirksamt S von B – Straßenverkehrsbehörde – der Antragstellerin die auf die Länder Berlin und Brandenburg beschränkte Ausnahmegenehmigung zur Bewilligung von Parkerleichterungen mit dem dazu gehörigen EU-Parkausweis. Einen Anspruch auf einen Parkplatz verneinte die Straßenverkehrsbehörde mit der Begründung, dieser bleibe dem Personenkreis mit den Merkzeichen "aG" und "Bl" vorbehalten.
Am 24. August 2005 hat die Antragstellerin bei dem Sozialgericht Berlin beantragt, im Wege der einstweiligen Anordnung festzustellen, dass ihr das Merkzeichen "aG" zusteht: Ihr sei es auf Grund ihrer schweren Erkrankung unzumutbar, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Das Sozialgericht Berlin hat den Antrag mit Beschluss vom 25. August 2005 abgelehnt. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt: Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache seien offen. Es fehle aber jedenfalls an einem Anordnungsgrund. Die schwere Erkrankung der Antragstellerin könne keine Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigen, da Kläger, die das Merkzeichen "aG" begehrten, in der Regel schwer erkrankt seien. Der Antragstellerin drohten angesichts der zur Vorlage bei der Straßenverkehrsbehörde ausgestellten Bescheinigung vom 22. April 2005 keine unzumutbaren Nachteile.
Die Antragstellerin hat gegen den Beschluss Beschwerde eingelegt: Es stelle für sie einen wesentlichen Nachteil dar, dass sie trotz ihrer Erkrankung öffentliche Parkplätze beanspruchen müsse, die größtenteils mehr als 50 m von dem Zielort entfernt lägen. Sie sei nicht berechtigt, Behindertenparkplätze vor Supermärkten und Behörden in Anspruch zu nehmen. Aufgrund massiver Metastasenbildung in der Wirbelsäule und im Becken sei es ihr nicht möglich, sich zu Fuß mehr als 15 m zu bewegen. Daneben erschwere die arthritische Veränderung beider Kniegelenke ihre Fortbewegung. Überdies sei sie aufgrund der Strahlen- und Chemotherapie, die sie periodisch erfahre, geschwächt. Zusätzlich werde ihre Bewegungsfähigkeit durch ein Angina pectoris-Syndrom negativ beeinflusst. Sie leide stets an unerträglichen Schmerzen. Durch die Gehbelastung erfahre sie weitere Schmerzen, was unzumutbar sei.
Dem schriftlichen Vorbringen der Antragstellerin ist der Antrag zu entnehmen,
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 25. August 2005 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Anordnung zur Feststellung zu verpflichten, dass bei ihr die Voraussetzungen des Merkzeichens "aG" vorliegen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Ferner wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte, der Akten der sozialgerichtlichen Verfahren S 43 SB 1612/05 und S 43 SB 1612/05 ER sowie des die Antragstellerin betreffenden Verwaltungsvorgangs des Antragsgegners verwiesen, die vorgelegen haben.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Das Sozialgericht Berlin hat den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zu Recht zurückgewiesen. Der von der Antragstellerin begehrte Erlass einer einstweiligen Anordnung im Sinne des § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verstieße gegen den Grundsatz, dass die Hauptsache nicht vorweggenommen werden darf. Denn vorliegend käme die vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners, festzustellen, dass bei der Antragstellerin die Voraussetzungen des Merkzeichens "aG" vorliegen, einer vorläufigen Verurteilung in der Hauptsache gleich.
Die nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz gebotenen Ausnahmen vom dem Vorwegnahmeverbot der Hauptsache hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) gemacht. Diese setzen voraus, dass der Erfolg der Klage höchstwahrscheinlich und ein Abwarten auf eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren unzumutbar ist.
Die Vorwegnahme der Entscheidung im Klageverfahren ist hier bereits deshalb nicht ausnahmsweise zulässig, weil - wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat – im derzeitigen Verfahrensstand die Erfolgsaussichten der Klage offen sind. Im Hauptsacheverfahren wird noch zu ermitteln sein, ob die schwerbehinderte Klägerin sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen kann (vgl. Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) vom 22. Oktober 1998 (BAnz. Nr. 246b vom 31. Dezember 1998, ber. 1999 S. 947), zuletzt geändert am 11. August 2005 (BAnz. Nr. 156 vom 19. August 2005, S. 12602), Rn. 129 zu § 46 StVO (zu Nr. 11, Anm. II.1).
Im Übrigen hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, dass es für sie unzumutbar sei, auf eine Entscheidung über ihre Klage abzuwarten. Auf der Grundlage der von dem Antragsgegner ausgestellten Bescheinigung vom 22. April 2005 erteilte die Straßenverkehrsbehörde mit Bescheid vom 30. Mai 2005 der Antragstellerin eine auf die Länder Berlin und Brandenburg beschränkte Ausnahmegenehmigung zur Bewilligung von Parkerleichterungen. Diese berechtigt die Antragstellerin nach den VwV-StVO, Rn. 118ff. zu § 46 StVO (zu Nr. 11, Anm. I.1),
a) an Stellen, an denen das eingeschränkte Haltverbot angeordnet ist (Zeichen 286, 290), bis zu drei Stunden zu parken, b) im Bereich eines Zonenhaltverbots (Zeichen 290) die zugelassene Parkdauer zu überschreiten, c) an Stellen, die durch Zeichen 314 und 315 gekennzeichnet sind und für die durch ein Zusatzschild eine Begrenzung der Parkzeit angeordnet ist, über die zugelassene Zeit hinaus zu parken, d) in Fußgängerzonen, in denen das Be- oder Entladen für bestimmte Zeiten freigegeben ist, während der Ladezeiten zu parken, e) an Parkuhren und bei Parkscheinautomaten zu parken, ohne Gebühr und zeitliche Begrenzung, f) auf Parkplätzen für Anwohner bis zu drei Stunden zu parken, g) in verkehrsberuhigten Bereichen (Zeichen 325) außerhalb der gekennzeichneten Flächen ohne den durchgehenden Verkehr zu behindern, zu parken, sofern in zumutbarer Entfernung keine andere Parkmöglichkeit besteht, wobei die höchstzulässige Parkzeit 24 Stunden beträgt.
Ferner darf sie nach den VwV-StVO, Rn. 20 zu § 45 StVO (zu Abs. 1 bis 1e, Anm. IX.1b) die in der Regel durch die Zeichen 314 oder 315 mit dem Zusatzschild "Rollstuhlfahrersymbol" gekennzeichneten Parkmöglichkeiten für Schwerbehinderte mit außergewöhnlicher Gehbehinderung und Blinde im Sinne des § 45 Abs. 1b Satz 1 Nr. 2 StVO nutzen, sofern es sich um Parkplätze handelt, die allgemein dem erwähnten Personenkreis zur Verfügung stehen. Die Antragstellerin befürchtet deshalb zu Unrecht, ohne die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" müsse sie, weil sie beispielsweise nicht berechtigt sei, Behindertenplätze vor Supermärkten und Behörden in Anspruch zu nehmen, trotz ihrer Erkrankung öffentliche Parkplätze beanspruchen, die größtenteils mehr als 50 m von dem Zielort entfernt lägen.
Dass für sie ein Abwarten auf eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren wegen der Beschränkung der Parkerleichterungen auf das Gebiet der Länder Berlin und Brandenburg unzumutbar sei, trägt die Antragstellerin selbst nicht vor.
Im Übrigen hat sie weder dargelegt noch glaubhaft gemacht, ob und inwieweit ihr nicht hinzunehmende – und damit die Annahme der Unzumutbarkeit rechtfertigende – Nachteile daraus entstünden, dass die Ausnahmegenehmigung der Straßenverkehrsbehörde die Einrichtung eines Parkplatzes vor ihrem Wohnhaus nicht vorsieht.
Im Übrigen genügt es für die Schaffung der durch die Zeichen 314, 315 mit dem Zusatzschild "(Rollstuhlfahrersymbol) mit Parkausweis Nr ..." gekennzeichneten Parkplätze für bestimmte Schwerbehinderte mit außergewöhnlicher Gehbehinderung und Blinde, z.B. vor der Wohnung oder in der Nähe der Arbeitsstätte, nicht allein, dass dem antragstellenden Schwerbehinderten das Merkzeichen "aG" zuerkannt worden ist. Vielmehr setzt die Einrichtung dieser Parkplätze nach den VwV-StVO, Rn. 23 bis 25 zu § 45 StVO (zu Abs. 1 bis 1e, Anm. IX.2a) eine Prüfung durch die Straßenverkehrsbehörde voraus, ob
- ein Parksonderrecht erforderlich ist, was beispielsweise nicht der Fall ist, wenn Parkraummangel nicht besteht oder der Schwerbehinderte in zumutbarer Entfernung eine Garage oder einen Abstellplatz außerhalb des öffentlichen Verkehrsraumes hat, - ein Parksonderrecht vertretbar ist, was beispielsweise nicht der Fall ist, wenn ein Haltverbot (Zeichen 283) angeordnet wurde, - ein zeitlich beschränktes Parksonderrecht genügt.
Derartige fachspezifische Ermittlungen zur Klärung der Frage, ob nach Zuerkennung des Merkzeichens "aG" im Einzelfall überhaupt die straßenverkehrsrechtlichen Voraussetzungen für die begehrte Einrichtung eines individuellen Behindertenparkplatzes der genannten Art erfüllt werden, sind im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes nicht durchzuführen.
Die entsprechend § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG zu treffende Kostenentscheidung berücksichtigt, dass die Beschwerde keinen Erfolg hat.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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